Dilayas Hand krallte sich in seine. Sie konnte nicht im Dunkeln sehen so wie er und hielt sich an ihm fest. Es behinderte ihn in seiner Beweglichkeit, und gleichzeitig bedeutete es … etwas. Ihre kleine Hand war kalt. Sie war aufgeregt, ihr Puls raste. Auch ohne sie hätte er einen Weg zu Edrahim gefunden. Lautlos wäre er durch die Gänge geschlichen, die Schatten um sich herum magisch verdichtet. Dass Dilaya ihren Onkel selbst töten wollte war Karim längst klar.
»Wohin?«, flüsterte er.
»Hier müsste irgendwo eine Tür sein«, wisperte sie zurück. »Da in der Wand.«
Karim drückte gegen die Bretterwand. Knarrend gab ein ganzes Stück davon nach und öffnete den Zugang zu einem kühlen Raum, in dem es nach Äpfeln roch. Er holte einen Zapfen aus seiner Westentasche und ließ ihn aufleuchten.
Dilaya sah sich rasch um und wies dann auf eine steinerne Treppe, die steil nach unten führte.
»In den Keller?«
»Von dort führt ein Gang ins Altdunkle. Um diese Zeit sollte niemand hier sein.«
»Dennoch müssen wir vorsichtig sein.« Er löschte den glimmenden Zapfen wieder. »Man könnte uns sehen, und wenn es nur der Lichtschein durch ein Fenster ist, und dann sind wir geblendet und ein leichtes Ziel.«
»Der Gang ist schwierig zu passieren«, flüsterte sie. »Da sind Pfützen, wenn es ein regenreicher Sommer war, und an einigen Stellen hängt die Decke so tief, dass man sich den Kopf stoßen kann.«
»Dann solltet Ihr dicht hinter mir bleiben.«
Vielleicht war seine Vorsicht übertrieben, doch er hatte nicht vergessen, dass König Edrahim Magier in seinem Gefolge hatte, und Magier neigten dazu, sich an den unmöglichsten Orten herumzutreiben.
Sich mit Dilaya durchs Dunkle zu schleichen schuf eine unerwartete Nähe zwischen ihnen. Immer wieder hielt er an, um sie vorsichtig über eine unebene Stelle zu führen, oder er berührte ihre Schulter, um ihr zu signalisieren, dass sie den Kopf einziehen sollte. Bei diesen Gelegenheiten streifte ihr Atem seine Hand. Im Dunkeln war sie schön, war sie nur ein Mädchen. Ihre Locken raschelten, wenn sie dicht an der rauen Wand vorüberstrich, und er stellte sich vor, es wäre seine Haut.
»Sie war in Euch verliebt«, sagte Dilaya leise, während sie sich beide an die Mauer pressten. Er spähte um die Ecke. Ein schwacher Lichtschein erhellte einen Treppenaufgang. Dort oben mussten sich bereits die Räumlichkeiten des Altdunklen befinden.
»Wer?«, fragte er, obwohl er genau wusste, wen sie meinte.
»Anyana. Meine Cousine. Ihr erinnert Euch wahrscheinlich nicht mehr an sie, das ist schon so lange her.«
»Nein, ich erinnere mich nicht«, sagte er, denn wie hätte er mit der Frau, die er heiraten würde, über Anyana sprechen können? Über einen Kuss, der alles verändert hatte – und den Segen ihrer Mutter, den er sich mit einem Mord erkauft hatte, den Segen für eine Nacht, die nie stattfinden würde? Manchmal träumte er von rotbraunen Strähnen auf einem Kissen, von Augen, die ihn fesselten, von kindlichem Zorn und von jener Stunde, als sie gemeinsam auf seinem Bett gesessen und sich gestritten hatten. Wie Anyana wohl jetzt ausgesehen hätte, wenn sie den Mordanschlag Teniras, der die gesamte Familie Anta’jarim ausgelöscht hatte – alle bis auf Dilaya –, überlebt hätte?
»Lasst uns weitergehen«, flüsterte Dilaya, und diesmal zog sie ihn die Stufen hinauf, während er ihr wie betäubt folgte. Manchmal fürchtete er den Tod nicht, jenen Schritt durchs Flammende Tor, und manchmal wurde ihm bewusst, wer er war und welchen Göttern er huldigte. Dies war so ein Moment. Alle Wüstendämonen beteten zu Kelta und Kalini, den Göttinnen des Todes, und ihren vielen Schwestern, die die Toten riefen und die Seelen begleiteten und das Flammentor öffneten. Wenn er starb, würde er nicht dorthin gehen, wo ein Mädchen mit rotem Haar durch grüne Wälder tanzte, im Anta’jarim der Götter. Nein, er würde einen ganz anderen Weg nehmen.
Für Menschen wie ihn gab es nur den Abgrund, in dem die Verlorenen auf ewig die Nacht feierten.
In solchen Augenblicken wollte er nicht sterben.
Also musste er sich sammeln, seine Sinne auf das Ziel ausrichten und der Frau an seiner Seite verzeihen, dass sie nicht diejenige war, die er im Herzen trug.
Die Treppe endete zwischen zwei Säulen, die zu einer großen Eingangshalle gehörten. Die Fliesen waren glattgeschliffen von jahrhundertelangem Gebrauch, selbst die Sprünge und abgeschlagenen Ecken hatten sich wieder geglättet. Von einer magischen Kugel auf einem steinernen Podest ging das Leuchten aus, das ihnen gefährlich werden konnte. Allerdings waren keine Wachen oder Bediensteten zu sehen. Vermutlich brannte das Licht die ganze Nacht. Ob Edrahim sein Schloss in einen Abglanz von Wajun verwandeln wollte?
Dilaya ließ seine Hand los und winkte ihm, ihr zu folgen. Auf leisen Sohlen schlichen sie durch die Halle, verharrten hinter einer Säule, dann zeigte sie auf eine Tür, die mit einer verblichenen Malerei geschmückt war. Ein bunter Vogel, vielleicht ein Fasan, hackte mit dem Schnabel nach dem eisernen Ring, an dem man nur ziehen musste, um in den dahinterliegenden Raum zu gelangen.
Dort hatte schon lange niemand mehr für Ordnung gesorgt. Ein verstaubter Sessel mit gedrechselten Füßen war zum Fenster hingedreht. Ein umgeworfenes Tischchen schmiegte sich in die vergilbten Vorhänge. Und die große Standuhr in der Ecke zeigte schon lange niemandem mehr die Zeit an. Zielsicher hielt Dilaya darauf zu und öffnete die gesprungene Glastür.
»Hier hinein. Der direkte Weg zum Thronsaal.«
»Ich trat durch die Uhr, ging durch die Zeit«, zitierte er. »Im Ernst?«
»Ihr kennt das Gedicht?«
Er kannte alle von Winyas Gedichten, sowohl auf Wajunisch als auch auf Kancharisch. Vielleicht war die Beschäftigung mit dem Werk des toten Dichters eine Art Buße gewesen, der Versuch, sich für den Diebstahl einer Seele zu quälen.
»Gehen wir.« Mit jedem Schritt schien das Gewicht des zukünftigen Mordes schwerer zu werden. Ein dunkler Gang, Tasten, vor sich das leise Rascheln ihrer Kleidung, ihrer Haare, der Schweißgeruch ihrer Entschlossenheit und ihrer Angst. Würde auch das eine Buße sein – Dilaya zu ihrem Recht zu verhelfen? Doch dafür würde er sie hierlassen müssen, als neue Königin. Das war die einzige Möglichkeit, irgendetwas von dem zu bewahren, was einst gewesen war.
Aber was war dann mit dem Sonnenthron, für den er eine Gemahlin brauchte? Und mit Guna, für das er all das hier tat? Damit Guna endlich sicher war und seine Unabhängigkeit zurückerlangte, musste er den Sonnenthron besteigen. Doch immerhin hatte Bela’jar, der Hirschgott, ihn aus der Skorpiongrube gerettet, und er war Anta’jarim etwas schuldig. Was planten die Götter? Wen wollten sie zur Sonne krönen? Wie sah das Muster aus, das sie in den Teppich des Schicksals woben? Sie schwiegen, und er fühlte sich blind.
Dilaya blieb unvermittelt stehen. Sie befanden sich in einer stickigen Kammer. Schwerer Stoff verbreitete einen leicht muffigen Geruch. Sie streckte die Hand aus und tastete nach dem Spalt zwischen Wand und Vorhang.
Der König würde nicht jetzt, mitten in der Nacht, auf seinem Thron sitzen. Der Mann, der die Gunst der Stunde genutzt und ohne Scheu nach der Macht gegriffen hatte, schlief vermutlich den Schlaf des Gerechten. Erst bei Tage würde er herkommen, dann mussten sie handeln. Wäre Karim allein gewesen, hätte er Edrahim gleich jetzt aufgesucht, doch mit Dilaya zusammen würde er nicht ungesehen an den Wachen vorbeikommen, und es widerstrebte ihm, unschuldige Jarimer zu töten, die nur ihre Pflicht taten. Damit Dilaya sich eigenhändig rächen konnte, war es sicherer, hier zu warten, bis der König herkam. Die Wächter würden vor den Türen zum Thronsaal Position beziehen; mit einem Angriff aus dem Hinterhalt würde niemand rechnen. Doch es galt noch zu entscheiden, ob sie besser abwarteten, bis Edrahim auf dem Thron saß, und dann zuschlugen, oder ob sie ihn sofort angreifen sollten, sobald er den Saal betrat.
Oder vielleicht konnte man das Podest, auf dem der Thron stand, von der Seite her erklimmen, sodass einer von ihnen den König ablenkte und der andere ihm in den Rücken fallen konnte.
Alle Überlegungen waren aus seinem Geist gewischt, sobald sie aus der Nische hinaustraten. Eben noch war es stockfinster gewesen, doch plötzlich blendeten ihn zahlreiche Lichter. Vor ihm, in einem Halbkreis aufgestellt, standen sechs Magier in schwarzen Mänteln.
Nur dass es keine gewöhnlichen Magier waren. Er kannte jedes dieser Gesichter. Die vier Männer und zwei Frauen waren mit ihm in Jerichar gewesen, an Joakus Schule. Es waren Wüstendämonen.
Etwas weiter hinten, flankiert von schwerbewaffneten Wachen, erhob sich ein Mann, der mit einem hellen Umhang sowie in eine dunkelgrüne Hose und ein helles Hemd gekleidet war. Es stand ihm nicht. Er wirkte darin farblos und müde. Sein blondes Haar hing leblos an seinem Kopf, ein grauer, gestutzter Bart umrahmte ein graues, erschöpft wirkendes Gesicht. Seine Haut war von Falten zerfurcht, die Ringe unter seinen Augen wiesen darauf hin, dass er lange nicht mehr richtig geschlafen hatte. Edrahim, König von Anta’jarim, sah nicht aus wie ein starker, glücklicher König, der seine Untertanen stark und glücklich machen konnte.
»Willkommen in meinem bescheidenen Heim, Prinz Karim«, sagte er. »Nehmt ihn fest und tötet das Mädchen.«
Die Wüstendämonen griffen sofort an. Karim hatte keine Chance – nicht gegen sechs auf einmal. Und nicht, während er Dilaya beschützen musste. »Lauft!«, schrie er und zog seine Messer.
»Wohin denn?« Sie pflückte ihren Langdolch vom Gürtel. »Und wenn sie an der Uhr warten?«
Was sie natürlich tun würden, schließlich hatte man sie erwartet. Wer auch immer Dilaya und ihn verraten hatte, hatte dem Feind mit sehr genauen Informationen gedient. Darüber grübeln musste er später. Jetzt galt es, seine Gegner abzuwehren. Da sie ihn nicht sofort umbringen wollten, blieb ihm ein wenig Zeit. Sie wichen seinen Klingen aus, einer drehte eine Schnur zwischen den Händen, die sich wohl in Kürze um seinen Hals legen sollte, ein anderer setzte ein Blasrohr an den Mund.
Karim schirmte Dilaya mit seinem Körper ab und sprang vor, bevor der Wüstendämon den Pfeil abschießen konnte. »Zum Fenster!«, rief er dem Mädchen zu, schleuderte sie durch die entstandene Lücke und brachte den nächsten Wüstendämon zu Fall. Eine Schlinge legte sich um sein Handgelenk, ein Ruck, und er verlor eins der Messer. Karim schnitt die Schnur mit dem zweiten Messer durch und gab in diesem Moment seine Deckung auf. Ein harter Schlag traf ihn in die Seite. Er geriet aus dem Gleichgewicht und warf sich einer Wüstendämonin in die Arme, die sich von der anderen Seite her anpirschte. Noch im Sturz wirbelte er herum, duckte sich unter dem Tritt eines anderen hinweg und fühlte gleich darauf den harten Boden und seinen Hinterkopf zusammentreffen.
Sechs Gegner. Und der schlimmste Gegner von allen: das Mondlicht, das die Dohle in den Himmel locken wollte, sobald sie die Augen öffnete.
Während er auf die Steine gepresst wurde und schon den Stich des Betäubungspfeils fühlte, hielt er die Verbindung zu dem Eisenvogel aufrecht und zwang ihn, zu ihm zu kommen. Die Lähmung wollte sich wie ein dunkler Schleier über Karim senken, aber er kämpfte mit aller Kraft dagegen an. Dann hörte er die Fensterscheibe bersten, jemand schrie, eine andere Stimme schrie noch lauter.
Die Wüstendämonen sprangen auf, als die Dohle wie ein Sturm in den Raum fuhr. Ihre Schwingen zerschnitten Haut, Waffen, Rüstungen. Ein Kopf rollte über die Fliesen, ein Körper klatschte zu Boden. Karim konnte sich nicht bewegen, aber er bekam Dilayas Flucht in allen Einzelheiten mit. Sie sprang auf den Rücken des Vogels, zugleich warf ein Wüstendämon ein Messer, das zwischen den wirbelnden Eisenfedern in Stücke geschlagen wurde. Karims Wille zwang die Dohle zurück durchs Fenster, nach draußen in die Nacht, über die Dächer, über die Mauer, zum Wald. Weiter, noch ein Stück weiter. Er kämpfte gegen die Schwere, die von ihm Besitz ergriff, und verlor.
Dilaya klammerte sich so fest an den Vogel, dass sie nicht loslassen konnte. Ihre blutenden Hände hatten in irgendwelche Kanten gegriffen, dennoch gelang es ihr nicht, sie vom Hals des eisernen Geschöpfes zu lösen.
»Tu mir nichts«, sagte eine Stimme, »ich will ihr nur helfen.«
»Juron?«, fragte sie mühsam.
»Ich bin hier. Das verfluchte Ding zerschneidet mich in Stücke, wenn ich näherkomme.«
Dagegen konnte sie nichts machen. Sie wusste nicht, wie man einen Eisenvogel flog, spürte nur die rastlose Energie unter ihrer Haut. Und dann Jurons Hände an ihrer Hüfte. Er hob sie an. »Lass los. Du musst loslassen, jetzt.«
Es war so schwer, so verdammt schwer, aber irgendwie gelang es ihr, ihre Finger aufzubiegen. Dann fiel sie ins Moos, halb auf Juron, der rückwärts stolperte, fort von den tödlichen Flügeln.
»Oh ihr Götter!« Sie sprang auf, drehte sich im Kreis. Wald, nur Wald. Die Lichtung. Irgendwo vor ihnen im Dunkeln der Nacht war das Schloss, in dem Karim zurückgeblieben war. Mit Edrahim. Sie hatte Edrahim gesehen. Hass und Zorn und Schrecken jagten durch ihre Adern. »Er ist dort, er ist noch dort!«
»Was ist passiert?«, fragte Juron. »Nun sag schon, was ist los? Habt ihr den König getötet?«
Sie bekam keine Luft. Nur mühsam gelang es ihr, sich zur Ruhe zu zwingen. »Wir wurden verraten, sie haben bereits auf uns gewartet.«
»Unmöglich«, meinte Juron. »Wer soll das getan haben? Niemand ist vor uns aufgebrochen.«
»Und doch wussten sie Bescheid. Wie konnten Edrahims Magier das voraussehen? Wir waren so vorsichtig!« Sie wischte sich die blutigen Hände an ihrer Hose ab und stolperte zu der Dohle zurück. »Flieg, du verdammtes Ding. Hol ihn! Du musst ihn holen, er ist dein Herr, nun mach schon! Flieg, rette ihn!«
Die Magier. Sie hatte Blut spritzen sehen, eine abgetrennte Hand, Klingen, die in Stücke sprangen, Karim auf dem Boden, Edrahim mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen, das ihm beim Anblick der Dohle verging. Scherben regneten auf den Boden. Was sollte sie tun?
Die Dohle zuckte mit den Flügeln und rührte sich nicht. Das rote Auge flackerte einmal auf und erlosch.
»Oh, verdammt!«, schrie sie.
»Ganz ruhig«, befahl Juron. »Erzähl mir alles. Sind sie hinter dir her? Dann müssen wir sofort von hier verschwinden. Wir sind zu nah am Schloss. Komm, machen wir, dass wir hier fortkommen.«
»Nein. Nein, wir lassen ihn nicht im Stich!«
»Er ist nicht wichtig!«, rief Juron. »Du kennst ihn überhaupt nicht, er muss uns nicht interessieren. Komm!«
Aber das stimmte nicht. Karim war wichtig, und außerdem war es ihre Schuld. Hätte sie ihn allein gehen lassen, hätte er mit seinem Eisenvogel entkommen können. Und warum hatte sie sich überhaupt auf dieses wahnwitzige Unternehmen eingelassen? Sie hätte Edrahim den verfluchten Thron überlassen und fortgehen sollen.
»Er hat sich für mich geopfert, und du willst, dass ich ihn einfach so aufgebe? Er ist mein Verlobter!«
»Das ist er nicht«, sagte Juron. »Kein Geschenk, keine Verlobung.« Er packte sie am Handgelenk, und er war so viel stärker als sie. Mit ihrem Messer hätte sie ihn verletzen können, aber wie hätte sie die Waffe gegen ihren besten Freund erheben können? Vor Wut und Hilflosigkeit kamen ihr die Tränen, als er sie packte und über die Schulter warf. In diesem Moment glühten die Augen des Eisenvogels auf.
»Warte!«, rief sie. »Er wird fliegen, gleich fliegt er los. Er wird Karim holen, wir müssen auf ihn warten!«
Die Dohle ruckte mit dem Kopf. Ihre Federn badeten im Mondlicht, verwandelten den Vogel in ein Geschöpf aus Silber und Geheimnissen, das Auge ein flammender Rubin. Da, plötzlich, stürzte sich der Bär auf den Vogel. Vor Überraschung stieß Dilaya einen Schrei aus. Die Klingen schnitten durch Fell und Fleisch, Blut spritzte. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen, einem Laut, wie Dilaya ihn noch nie gehört hatte, packte der Bär einen Flügel und riss ihn aus dem Gelenk. Dann warf er den Vogel auf den Rücken und grub die Pranken zwischen die Ritzen der fein gearbeiteten Schuppen am Brustkorb der Dohle.
Erschrocken war Juron stehen geblieben, Dilaya glitt an ihm herunter, blieb dicht an ihn gepresst stehen und sah, was sie nicht glauben konnte. Lork, der gutmütige, stets wachsame und zuverlässige Bär, öffnete mit seinen langen Krallen eine verborgene Klappe, riss sie aus dem Scharnier, und darunter lag etwas, das wie ein Stern funkelte. Der Vogel schrie, als Lork danach griff, und dann ging die Welt in Flammen auf.
Karim wurde in grelles Licht geschleudert. Brennende Kälte grub sich durch seine Adern, prickelte in seinen Muskeln und kitzelte seine Nervenenden. Er schlug die Augen auf und blickte in das freundliche Gesicht eines seiner Wüstenbrüder. Amanu steckte gerade die Phiole, mit deren Inhalt er ihn geweckt hatte, wieder in seinen Mantel.
»Da bist du ja. War nicht einer deiner besten Einfälle, hier aufzukreuzen«, sagte er auf Kancharisch.
Amanu war überraschend hellhäutig für einen Kancharer. Er stammte aus Talandria im Norden des Kaiserreichs und war so blond, dass man ihn auch für einen Gunaer hätte halten können. Vermutlich wusste der König nicht einmal, was für Magier da in seinem Dienst standen.
»Ihr könnt jetzt mit ihm reden, Hoheit.«
Karim warf rasch einen Blick durch den Raum. Ein einzelner Stuhl, auf dem er saß, eine schmale Pritsche – eine Kerkerzelle? Nein, ringsum waren hohe, schmale Fenster, durch die der erste Anflug der Morgendämmerung kroch. Ein Turm also, weit über den Dächern. Und es konnte noch nicht viel Zeit vergangen sein, nicht mehr, als sie benötigt hatten, um ihn hier hinaufzuschleppen. Bis auf Edrahim, der hoch aufgerichtet vor ihm stand, war kein anderer Jarimer anwesend, kein einziger Wachmann. Vermutlich verließ der König sich auf die Magier und wollte, dass diese Unterredung geheim blieb. Die anderen Wüstendämonen waren nicht zu sehen, aber Karim zweifelte nicht daran, dass sie sich hinter ihm aufgebaut hatten, außerhalb seines Blickfelds. Jedenfalls diejenigen, die noch übrig waren. Die Dohle hatte mindestens zwei von ihnen getötet und einige verletzt, also musste er mit drei oder vier geschulten Kämpfern rechnen, die ihn bewachten.
Er war nicht gefesselt, aber sein Körper befand sich nach wie vor in einem Zustand der Lähmung, der es ihm nicht erlaubte, auch nur aufzustehen. Joaku liebte dieses Gift, das sich großartig für die Befragung gefährlicher Personen eignete.
»Prinz Karim von … jetzt wird es schwierig. Von Daja? Von Wajun?« Edrahims leise Stimme wirkte sicher und gelassen. Er hatte es nicht nötig, laut zu werden.
Karim schickte seinen Willen aus. Wenn die Dohle in der Nähe war, konnte er sie erreichen, ohne Winya zu zeichnen. Wenn der Vogel nur Dilaya in Sicherheit gebracht hatte! Und nicht mit seiner kostbaren Last in die Höhe aufgestiegen war, um irgendwann abzustürzen und zu zerschellen. Mit dem Mädchen. Oh ihr Götter, bitte nicht mit dem Mädchen!
Da – ein Funke, wie ein fernes Knistern in seinem Geist. Ein Wille, schlafend, wartend, ein Traum, der sich um ein Tor rankte. Eine Seele, die vor den Flammen erschrak – noch nicht bereit, zu den Göttern zu gehen.
»Ich rede mit Euch«, sagte Edrahim mit einer Spur Ungeduld. »Hört Ihr mir überhaupt zu?« Er wandte sich an Amanu. »Versteht er mich denn? Ist er bei klarem Verstand?«
»Das ist er, Hoheit.«
»Nun, dann solltet Ihr Euch dazu bequemen, mir zu antworten, Prinz. Darf ich Euch daran erinnern, dass Euer Leben in meinen Händen liegt und einiges von Eurer Antwort abhängt? Ihr seid in mein Schloss eingedrungen, zusammen mit jener verwirrten Frau, die behauptet, meine Nichte zu sein. Ich werfe Euch nicht vor, dass Ihr diesem Weibsbild aufgesessen seid, doch natürlich gibt es keinen lebenden Erben aus der alten Königsfamilie. Ich bin daher bereit, Euch diesen … Irrtum zu verzeihen.«
Der Vogel erwachte. Das vertraute Antworten des fremden Willens. Fäden, die sich mit Karims Willen verflochten. Die Welt draußen weitete sich, während er seine Sinne ausschickte, und in der Mitte der Wahrnehmungen, die er mitempfand, brannte die Seele.
Komm her!, rief er sie.
Seine Dohle konnte jeden der hier Anwesenden töten. Und zur Not, da er sich immer noch nicht bewegen konnte, würde sie ihn mit den Krallen ergreifen und tragen, wie unlängst bei seiner Rettung aus der Skorpiongrube.
»Ich rede mit Euch, Prinz!«
Karim hob den Kopf und erwiderte Edrahims Blick. Er musste ihn hinhalten, bis der Vogel ihn retten kam. »Ich habe Informationen, die Ihr dringend benötigt. Wisst Ihr von der Rolle, die Prinz Laikan in Daja gespielt hat? Von den Vereinbarungen, die der Prinz getroffen hat, dem Pakt zwischen Daja und Nehess? Das Sultanat wird Anta’jarim angreifen«, sagte er ohne Umschweife. »Ihr müsst die Küste sichern.«
»Mit wem? Den Männern, die Tenira nach Kanchar gefolgt sind?« Edrahim lachte höhnisch. »Ein wohldurchdachter Ratschlag von einem, der mit den Rebellen im Wald paktiert. Meint Ihr, sie würden das Schloss stürmen können, sobald die letzten meiner Soldaten das Meer bewachen? Ich gebe zu, meine Bereitschaft, Euch am Leben zu lassen, schwindet mit jedem Eurer Worte.«
»Karim von Lhe’tah.«
»Wie bitte?«
»Das ist die Antwort auf Eure Frage, wie Ihr mich anzureden habt. Prinz Karim von Lhe’tah, Graf von Trica, Prinz von Daja, designierter Großkönig von Le-Wajun.« Er verschwendete keine Kraft darauf, gegen die Lähmung anzukämpfen, sondern hielt seinen Willen ausschließlich auf die Dohle ausgerichtet. »Tenira hat mir den Ring ihres verstorbenen Gemahls überreicht. So viel wisst Ihr vermutlich bereits.« Er wäre längst tot, wenn Edrahim sich nicht einen Vorteil davon verspräche.
Der blasse König lehnte sich vor und musterte ihn unverhohlen. »Und das …«
Ein ohrenbetäubendes Krachen erschütterte den Turm. Ihm folgte ein rotes Flackern, das den morgengrauen Himmel erhellte, ein dumpfes Knirschen ging durch die Steine. Dann folgte ein Rauschen, der Wind frischte auf und wirbelte Blätter und Ascheflocken an den Fenstern vorbei. Ein Schwarm kleiner Vögel flog durch das Turmzimmer hindurch, zu einem Fenster hinein und zum anderen hinaus. Der Wille, den Karim festhielt, zerbarst.
Es war, als hätte er eine Fackel in der Hand getragen, die nun lichterloh brannte und deren Flammen in seinen Arm gesogen wurden. Vor Panik und Entsetzen keuchte er auf, doch da er sich nicht bewegen konnte, fiel er nicht vom Stuhl. Die Fesseln hielten ihn an Ort und Stelle, während der Brand sich in seine Seele fraß, das Verderben seinem Überlebenswillen begegnete. Er duckte sich innerlich, seine Seele schrie der Bedrohung entgegen, der Sturm warf ihn um, warf sich über ihn, drohte ihn zu zerreißen. Während sein Verstand noch nicht begreifen wollte, was geschehen war, wusste sein Herz es doch schon.
Die Dohle war tot. Und Karim war zu eng mit Winyas Seele verbunden gewesen in diesem Moment, in dem der Eisenvogel zerstört worden war, und nun würde er mit ihm sterben. In diesen flüchtigen Augenblick der Erkenntnis sprach eine Stimme hinein, die er staunend erkannte, die spöttische, immer zu bitteren Sprüchen und schneidenden Bemerkungen aufgelegte Stimme des Dichters.
Gehen wir, Feuerreiter.
Nein!, schrie er in Gedanken. Noch nicht!
Aber was scherte es den Tod, was Karim wollte? Die dunklen Schwestern streckten die Arme nach ihm aus, er sah ihre Augen glänzen. Beugten sich die namenlosen Göttinnen über ihn und flüsterten seinen Namen? Ein Gesicht hob sich von den anderen ab, schöner als der Sternenhimmel. War es Kelta, die sanfte, unnachgiebige Führerin? War es Kalini, die ihn lockte?
Der Dichter lächelte. Die Flammen schlagen himmelwärts, mein Haus im Sturm.
Nein, es ist zu früh, zu früh!
Die liebliche Göttin lächelte wie die Nacht. Du? Sieh in den Spiegel, Prinz Vogel.
»Tenira regiert von Kanchars Gnaden«, hörte er Edrahim aus weiter Ferne sagen. »Was bedeutet das für mich? Ich hatte gehofft, ihr mit diesem Gefangenen einen Dienst zu erweisen.«
»Mittlerweile geht es eher um die Dienste, die Ihr Kanchar erweisen könnt«, sagte Amanu, er machte sich nicht einmal mehr die Mühe einer höflichen Anrede. »Ein sehr wichtiger Mann hat einen Wunsch, den Ihr ihm erfüllen könnt, auch wenn es schwierig ist. Tötet Karim nicht, sondern haltet ihn gefangen, bis über sein Schicksal entschieden worden ist.«
»Inwiefern schwierig?«, fragte Edrahim. »Was kann daran schwierig sein?«
Amanus Lächeln drang durch die anderen Bilder, die vor Karims Augen tanzten. Das innere Feuer hatte ihn geblendet, doch langsam kehrte er in die Wirklichkeit zurück. Gerade rechtzeitig, um mitzuerleben, wie über sein Schicksal entschieden wurde. Zu seiner eigenen Überraschung lebte er noch. Doch die Dohle war tot und konnte ihn nicht mehr retten.
Die Dohle – verloren. Sein Geheimnis, seine Waffe, sein Freund. Sie war immer viel mehr für ihn gewesen als ein versklavtes Geschöpf, das an einen anderen Ort gehörte. Mit ihr zusammen war die Seele des Dichters geflogen, und sie hatte ihn nicht dafür gehasst, dass er sie so lange hier gehalten hatte. Das glaubte er fest, daran hatte er immer geglaubt, auch wenn er sich vielleicht etwas vorgemacht hatte. Verloren. In seine Verzweiflung darüber, dass sein Eisenvogel ihn nun nicht retten konnte, mischte sich abgrundtiefe Trauer.
»Das Problem liegt darin, dass der Prinz ein Magier ist«, sagte Amanu. »Ein Tropfen Wasser genügt, und er ruft Hilfe herbei. Eine ganze Flotte aus Eisenvögeln wäre in Kürze hier. Ihr habt einen einzigen Vogel gesehen, einen kleinen, harmlosen – was wäre, wenn Hunderte kämen?«
Edrahim wich zurück. »Das kann er? Dann sollten wir ihn lieber töten.«
»Ich sagte Euch, die Aufgabe ist schwer.«
»Es wird regnen«, sagte der König. »Vermutlich heute noch. Spielt das keine Rolle? Was ist mit dem Wasser, das er zum Trinken benötigt? Oder mit dem Wasser, das er abschlägt?«
»Es geht darum, was er im Wasser sehen kann. Was er seinen Freunden mitteilen könnte.«
»Und dann gebt Ihr mir den Rat, ihn im Turm einzusperren? Im Verlies ist es wenigstens dunkel!«
»Ein Magier wie er kann im Dunkeln sehen. Ich riet Euch, ihn nach hier oben zu bringen, weil ich die Gerüchte kenne.«
Nun blinzelte Edrahim verwirrt. »Gerüchte über meinen Keller?«
»Wie viele Brunnen habt ihr da unten? Und wo sind sie genau?«
»Ich … weiß es nicht.«
»Eben.« Amanu lächelte wissend. »Wollt Ihr riskieren, dass er durch einen Brunnen entkommt?«
»Ich könnte ihn anketten. Dann können da unten ein Dutzend Brunnen sein, er könnte sie nie erreichen.«
»Er wird die Ketten lösen, auch wenn es lange dauert. Er ist ein Magier, wie oft soll ich das noch betonen?«
»Und wenn wir ihm die Augen verbinden? Oder nein, es wäre noch einfacher, ihm die Augen auszustechen.«
»Solange nicht über sein Schicksal entschieden ist, dürft Ihr ihn nicht antasten.«
»Dann sagt mir, was ich tun soll!«, rief Edrahim. »Sagt es mir einfach!«
»Gut«, sagte Amanu, jetzt endlich klang er zufrieden. »Ich werde Euch sagen, was Ihr tun müsst.«
Zwei Wüstendämonen blieben an der Tür stehen, während Edrahim und Amanu den Raum verließen. Ihr Gemurmel entfernte sich, es war unmöglich, auch nur Fragmente zu verstehen. In Karims Ohren dröhnte immer noch alles. Keiner der anderen hatte danach gefragt, was die Explosion verursacht hatte – es war, als hätten sie mit ihr gerechnet. Während er sich noch mit den Auswirkungen herumschlug, gingen sie schon zum nächsten Schritt über.
Oh, ihr Götter! Gnädiger Bela’jar! Er brauchte Zeit. Zeit, um das lähmende Gift in seinen Adern zu bekämpfen. Er musste fliehen, bevor sie ihn festsetzten. Er brauchte Zeit, um genau das zu tun, was Amanu vorausgesagt hatte: seine Freunde zu rufen. Gegen eine ganze Armee aus Eisenvögeln hatten auch die Wüstendämonen keine Chance.
Mit allem, was er noch an Kraft übrighatte, ging Karim das Gift in seinen Händen an und trieb es durch die Haut hinaus. Es war eine Frage des Willens, eine Frage des Fühlens. Seine Finger kribbelten, es war kaum zu ertragen. Seinen Daumen konnte er bereits bewegen. Die beiden Wächter an der Tür behielten ihn im Auge, doch sie merkten nichts. Ein kaum sichtbares Zucken des Zeigefingers. Dann kehrte das Gefühl endlich in seine Handgelenke zurück.
Sich einmal in die Hand zu spucken, würde nicht reichen, er brauchte eine spiegelnde Oberfläche. Während Karim an seiner Beweglichkeit arbeitete, ließ er den Blick noch einmal durch den Raum schweifen. Das Turmzimmer war klein und kalt und kahl. Es gab hier nichts, nicht einmal Stroh, nur den Stuhl und die Matte und die rauen Steinblöcke, aus denen das Gebäude errichtet war.
Draußen begann es zu regnen, ganz wie Edrahim vorausgesagt hatte. Wenn es ihm gelang, durch das Fenster zu entkommen … Von hier aus müsste er auf die Dächer klettern können, und im Labyrinth der Schlösser, die zu einem einzigen Schloss zusammengewachsen waren, hatte er eine Chance. Selbst wenn er es nicht über die Mauer schaffte, eine Pfütze würde genügen. Notfalls nur eine kleine Vertiefung auf einem der Dächer, die der Regen füllte.
Sein rechter Arm … gut. Den linken würde er ebenfalls benutzen können. Nun der Rumpf.
In diesem Moment kamen Edrahim und Amanu zurück. Sein Wüstenbruder trug einen Helm in den ausgestreckten Händen, der von einer der vielen Rüstungen stammen mochte, die in den weitläufigen Hallen vor sich hin rosteten. In Panik schreckte Karim zurück, als er begriff, was Amanu vorhatte.
»Das kannst du nicht tun!«
»Ich kann, und ich werde. Und wenn du glaubst, dass es nichts Persönliches ist, Bruder, täuschst du dich. Zwei von uns sind deinem heimtückischen Vögelchen zum Opfer gefallen. Ich tue das gerne.« Und damit setzte er Karim den Helm auf.
Der Ritterhelm war groß und klobig, das Visier heruntergeklappt. Unter Amanus Händen verformte er sich, wurde auf magische Weise enger, bis er Karims Schädel wie eine zweite Haut umgab. Der Versuch, mit seinem eigenen Willen dagegenzuhalten, misslang. Er hatte nichts mehr an Stärke übrig.
Von dumpfen Entsetzen erfüllt, spürte er, wie sich das Metall um seinen Kopf legte, wie sich das Visier vor seinen Augen verengte und sich glatt an seine Wangen schmiegte. Es fehlte nicht mehr viel, und das Eisen würde mit seiner Haut verschmelzen.
»Und das hält?«, hörte er Edrahim fragen, während er nach Luft schnappte. Seine Nase blieb teilweise frei, auch Mund und Kinn wurde nicht vom Metall umschlossen, dennoch war Karim, als müsste er unter dem schweren Helm ersticken. »Er kann ihn nicht abnehmen?«
»Es wird ihn lange beschäftigen, es zu versuchen. Meine Freunde und ich werden täglich nach ihm sehen und den Sitz des Helms überprüfen. Damit er uns nicht gefährlich werden kann, sollten wir ihn zusätzlich an die Wand ketten.«
Der König seufzte vernehmlich. »Das alles scheint mir ein wenig übertrieben.«
»Das ist es nicht, glaubt mir. Der Meister wird persönlich kommen und sich seiner annehmen, bis dahin müssen wir einfach nur dafür sorgen, dass er bleibt, wo er ist.«
Karims Gedanken stießen gegen die Eisenschale des Helms und prallten ab. Er musste hier raus, sofort, und wenn er sich aus dem Fenster warf. Vielleicht hatte er Glück und das nächste Dach war nicht so weit entfernt, doch sogar sich das Genick zu brechen war immer noch besser, als auf Joaku zu warten. Sobald er angekettet war, war er verloren.
Starke Hände rissen ihn in die Höhe. Seine verborgenen Messer hatten die Wüstendämonen ihm abgenommen, das wusste er, ohne es überprüfen zu müssen. Also verließ er sich auf seine Instinkte, als er nach dem Gürtel seines Wärters tastete, nach einem Messergriff, und tatsächlich fündig wurde. Dann blindes Zustechen. Karim rollte sich ab, unter einem Angriff hindurch, den er nicht sehen konnte, hechtete zum Fenster – und wurde grob zurückgerissen. Wütende Tritte in den Magen, in den Rücken, überallhin. Er wehrte den Schmerz nicht ab, hieß ihn willkommen.
Ihm blieb nichts, als auf Joaku zu warten.
Nein, dachte er, nein, nein! Dann hörte er auf zu denken und versank in einer gnädigen Ohnmacht.