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Ein Reiter preschte die Straße entlang, die vom Forum Tauri entlang des Valenus-Aquädukts zur Apostelkirche führte. Die Nähe zum Aquädukt und der dadurch bedingte leichte Zugang zu einer ständigen Wasserversorgung hatte hier in der Vergangenheit große Villen wohlhabender Bürger entstehen lassen. Hohe Beamte, Veteranen aus den höheren Rängen der kaiserlichen Garde und reich gewordene Händler mit besonderen Talenten, denen die Gassen der Stückegießer, Weber oder Goldschmiede zumindest zum Wohnen zu eng geworden waren, lebten hier. Inzwischen aber war das Aquädukt die meiste Zeit über verstopft. An manchen Stellen hatte es Risse und wenn es ein paar Tage regnete, ran das Wasser nur so die mächtigen Säulen herab und verbreitete einen üblen Gestank von verfaulendem Blätterwerk. Bei Trockenheit lockte das Aquädukt ganze Vogelschwärme an, die sich in dem angeschwemmten Schlamm ihre Mahlzeiten suchten.
Auch jetzt kreischten so viele Raben über dem Aquädukt, wie sonst nur über einem Schlachtfeld. Ihr Kreischen war so laut, dass es die Geräusche der Stadt vergessen ließ. Auch der ferne Geschützdonner vom Bosporus ging darin unter. Seeleute sagten, dass die Türken dort eine neue Festung bauten und offenbar eifrig damit beschäftigt waren, sie auch mit Kanonen zu bestücken. Kanonen, die größer und vor allem treffsicherer waren, als diejenigen, die bei ihnen bisher in Gebrauch gewesen waren.
Wenn der Wind entsprechend stand, dann trug er ihren Klang wie fernes Donnergrollen zur Stadt wie eine dunkle Drohung.
Und schon mancher fürchtete, dass die Schifffahrt durch den Bosporus – und damit auch die Verbindung zu den verbündeten christlichen Reichen Georgien und Trapezunt und ins Schwarze Meer bald völlig unterbunden werden würde.
Marco di Lorenzo schlang sich den Mantel um die Schultern. Er trug die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass man ihn möglichst nicht erkennen konnte.
Vor einer etwas heruntergekommenen Villa, an deren Wänden der Wein schon so sehr emporrankte, dass dadurch die abblätternde, rissige und seit Jahren vernachlässigte Fassade gnädigerweise verdeckt wurde. Nicht wenige von denen, die es sich leisten konnten, hatten Konstantinopel inzwischen verlassen, ließen nur einen Verwalter zurück und warteten in Morea oder gar in Italien geduldig ab, wie sich zuspitzende Lage entwickeln würde. Vielen der Häuser entlang des Valenus-Aquädukt sah man dies an. Andere waren von ihren Besitzern einfach zurückgelassen worden. Sie mit Gewinn zu verkaufen war auf absehbare Zeit ohnehin nicht möglich.
Die Wein-umrankte Villa, vor der Marco sein Pferd zügelte, gehörte einem gewissen Leptonos, einem Veteran der kaiserlichen Garde, der auch lange ihr Kommandant gewesen war, bis ein Reitunfall ihn an seine Sänfte fesselte. Man sagte ihm aber nach wie vor großen Einfluss nach und der derzeitige Kommandant Jason Argiris galt als ein Zögling.
Marco führte sein Pferd bis um Portal.
Ein Diener lief die wenigen Stufen herab und nahm ihm die Zügel ab.
„Ihr seid Marco di Lorenzo?“
„So ist es!“
„So geht das Portal empor und wartet im Vorraum. Ich werde mich um Euer Pferd kümmern.“
„Gewiss.“
Marco tat, was ihm gesagt worden war. Er passierte das Portal, dessen Tür sich einfach öffnen ließ und wartete im Eingangsraum, einer Halle, die mit Marmor ausgelegt war. Licht fiel durch Fenster, die mit Alabaster verhängt waren.
Marco watete einige Augenblicke und ging dabei unruhig hin und her. Aus benachbarten Räumen glaubte er für einige Augenblicke Stimmen hören zu können. Dunkle Männerstimmen. Und der Tonfall hörte sich nach Streit an. Aber so angestrengt er danach auch lauschte, er vernahm nichts mehr.
Der Diener kehrte zurück. Sein Gesicht wirkte vollkommen ausdruckslos und unbewegt. Unter einer Lederweste trug er ein buntes Livree. Beides war ihm zu groß, sodass man daraus schließen konnte, dass vor ihm bereits ein anderer Diener diese Kleider getragen hatte. Der Diener deutete eine Verbeugung an. „Folgt mir, Herr!“
Marco folgte dem Diener durch eine Flügeltür. Sie durchquerten einen großen Empfangsraum, der allerdings kaum Einrichtungsgegenstände enthielt. An den Abdrücken an den Wänden war zu erkennen, dass dort einmal Gemälde oder Wandteppiche gehangen hatten. Aber vielleicht hatte der Eigentümer vieles von dem einstmals wertvollen Hausrat verkaufen müssen, um sich den Unterhalt des Anwesens weiterhin leisten zu können.
Der Diener öffnete eine weitere Flügeltür.
Dahinter öffnete sich ein Raum, der kleiner war und dessen Einrichtung etwas weniger karg erschien.
In einer Sänfte lag Leptonos. Marco erschrak, als er ihn sah. Er hatte ihn zuletzt gesehen, als er noch Kommandant der Garde gewesen war. Bei offiziellen Anlässen am Hof, zu denen Luca di Lorenzo seine Familie hatte mitnehmen können, war Leptonos natürlich immer in der Nähe des Kaisers zu sehen gewesen. Ebenso während der Gottesdienste in der Hagia Sophia, die Marco als Kind immer sehr genossen hatte, auf Grund des bunten, aufregenden und irgendwie geheimnisvoll wirkenden Schauspiels, dass sich ihm da geboten hatte. Der Ritus der Ostkirche erschien ihm in dieser Hinsicht bis heute mystischer, seelenvoller zu sein als als die Messe nach römischer Art. Allerdings war der Zauber dieser Geheimnisse für Marco längst verflogen.
Spätestens seit dem Pesttod seiner Eltern konnte er damit nichts mehr anfangen. Ganz gleich, nach welchen Riten man Gott auch anrief, er schien eigenartigerweise taub zu sein und sich einfach nicht dazu herablassen zu wollen, machtvoll in das Geschehen einzugreifen. Da lag der Verdacht nahe, dass die Macht dem alten Mann irgendwie längst aus den Händen geglitten war.
Der Glaube, so empfand es Marco, war dadurch zu einer Parodie seiner selbst geworden. Und selbst wenn es ein ketzerischer Gedanke war, für den er gewiss einige tausend Jahre lang im Fegefeuer zu schmoren haben würde, so war er doch nicht mehr bereit dazu, diesen Gott als oberste Autorität anzuerkennen. Und seine irdischen Vertreter schon gar nicht.
Leptonos war seit den Tagen von Marcos Kindheit unglaublich dick geworden und die Sänftenträger, die die wahrhaft beschwerliche Aufgabe übernommen hatten, ihn herumzutragen, waren darum nicht zu beneiden. Der ehemalige Gardekommandant konnte sich nicht einmal aufsetzen. Er lag da, gebettet auf Kissen und konnte lediglich die linke Hand etwas anheben, während die rechte genauso gelähmt war, wie seine Beine. Aber nach allem, was man über ihn erzählte, war sein Verstand noch immer so scharf wie es bei nur wenigen sonst der Fall war.
Leptonos war der einzige im Raum, dessen Gesicht frei und erkennbar war.
Die anderen Anwesenden trugen lange Kapuzenumhänge und Masken aus Bronze, die nur die Augen freiließen. Grimassenschneidende Teufel stellten diese Gesichter dar. Neidfratzen, wie man sie an vielen Brunnen zu sehen bekam und deren Aufgabe es war, durch ihren grässlichen Anblick böse Geister zu vertreiben.
„Lass uns allein!“, verlangte Leptonos von seinem Diener.
Dieser machte eine – diesmal ziemlich tiefe – Verbeugung und zog sich dann zurück. Dabei sorgte er dafür, dass die Flügeltür sorgfältig verschlossen wurde. Zu Marcos Überraschung wurde sogar von außen ein Schlüssel herumgedreht und ein Riegel vorgeschoben. War es vielleicht doch ein Fehler hier her zu kommen?, ging es ihm durch den Kopf, während er sich misstrauisch und sichtlich irritiert zur Tür herumdrehte.
„Wir wollen doch ungestört sein“, erklärte Leptonos und sein feistes Gesicht formte dabei das Zerrbild eines Lächelns.
„Gewiss“, nickte Marco, wobei sich seine Hand um den Griff des Seitenschwertes legte.
Jetzt meldete sich einer der Maskierten zu Wort.
„Leg deine Waffe auf den Boden!“, verlangte er. Seine Stimme klang dumpf unter der starren Bronzemaske, die an ihrer Oberkante die Hörner andeutete, die man in vielen Darstellungen des Satans zu sehen bekam.
Marco zog das Seitenschwert hervor. „Ich habe nie gelernt, mit dieser Waffe zu kämpfen und wahrscheinlich ist sie auch gar nicht wirklich geeignet dazu“, sagte er etwas verlegen. „Aber sie sieht gut aus.“
Er legte das Schwert auf den Boden.
Einer der Maskierten trat vor, nahm es auf und richtete die Klinge auf Marcos Brust. Es war derjenige unter den Maskenträgern, der auch zuvor schon das Wort geführt hatte. Die Augen hinter den kleinen Schlitzen, die die Maske frei ließ, flackerten unruhig.
„Das Wort!“, verlangte er. „Wie heißt das Wort, durch das du dich zu erkennen zu geben hast?“
„Mein Name ist Legion, denn viele sind wir!“, antwortete Marco mit leicht heiserer Stimme.
„Gut, so lasst uns reden.“
„Ich will zuerst sein Zeichen sehen“, meldete sich einer der anderen Maskenträger. „Andernfalls werde ich mich nicht mit ihm abgeben!“
„Mein Zeichen?“, murmelte Marco.
„Das Zeichen in deinem Fleisch“, bestätigte dieser zweite Sprecher unter den Maskenträgern. Seine Stimme war tiefer. Seine Statur größer als die der anderen.
Der erste Maskenträger drehte sich um. „Wir sollten uns nicht länger aufhalten lassen!“
„Ich bestehe darauf. Wer das Zeichen nicht trägt, dem ist nicht zu trauen!“, beharrte der große Maskenträger.
Der erste Sprecher mit dem flackernden Blick sah Marco an. „Du hast gehört, was gesagt wurde!“
Marco schlug den Mantel zur Seite. Darunter trug er eine Lederweste und ein Hemd, so schneeweiß wie die Wolken über Konstantinopel an einem schönen Sommertag. Er rollte den weiten Ärmel auf, bis der Schulteransatz sichtbar wurde – und mit ihm die eingebrannten Buchstaben Lambda und Rho.
Unter den Maskenträgern kam kurz ein Gemurmel auf.
Marco trat auf die Gruppe zu, um ihnen das Zeichen besser sichtbar zu machen. Einige Augenblicke lang sagte keiner von ihnen ein Wort. Marco begegnete ihren Blicken. Dunkle Augen, graue Auge, blaue Augen... Bei manchen dieser Augenpaare war das Weiße von blutigen Adern durchzogen, die sich auf eine Weise verzweigten, die einzigartig sein musste und die jemand mit einer gute Beobachtungsgabe vielleicht sogar wiederzuerkennen vermochte, wenn sie ihm als Bestandteil eines unmaskierten Gesichts erneut begegneten. Manchmal war es ein ruhiger und dann wieder ein äußerst nervös wirkender Blick.
Und in einem Fall blickten ihn ein blaues und ein grünes Auge durch den Maskenschlitz an. Marco ließ das unwillkürlich einen Moment stutzen.
Jener großgewachsene Maskenträger, der das Zeichen in Marcos Fleisch unbedingt hatte sehen wollen, hob abwinkend die Hand. Er schien zufrieden zu sein.
„Es scheint alles in Ordnung zu ein.“
„So können wir zum Thema kommen“, sagte nun Leptonos von seiner Sänfte aus. Seine Stimme hatte einen durchdringenden, befehlsgewohnten Klang und man konnte sich sehr gut vorstellen, wie er es einst fertiggebracht hatte, in der Garde die Disziplin zu erhalten. Selbst jetzt reichte der pure Klang seiner Stimme dazu aus, sofort die Führung zu übernehmen.
Marco schluckte.
„Ich hatte euch Geld versprochen“, sagte er und wirkte kleinlaut dabei.
„Du gehörst zum Orden der Cherubim“, sagte Leptonos. „Das Zeichen an deiner Schulter beweist es.“
„Ja.“
„Es spricht davon, dass du dich uns verschrieben hast und zu dem Wort, dass du gegeben hast, auch stehen musst!“
„Das ist mir wohl bewusst!“
„Und warum haben wir dann keinerlei Geld mehr von dir bekommen?“
„Weil man mich auf kalte Weise von der Verfügungsgewalt über das Vermögen unseres Handelshauses ausgeschlossen hat!“, klagte Marco. „Meine Schwester und ihr levantinischer Schreiber, dieser Davide Scrittore, den man eigentlich bei seinem arabischen Namen Daud al-Kaatib nennen sollte! Schließlich ist er so verschlagen wie ein Bazari in Alexandria oder Kairo! Ich gehe davon aus, dass er nichts anderes im Sinn hat, als sich letztlich das gesamte Vermögen des Hauses di Lorenzo unter den Nagel zu reißen!“
„Du teilst doch unsere Ziele“, sagte der große Maskenträger.
„Das Böse kann nur mit dem Bösen bekämpft werden und die unbestreitbare Macht Luzifers muss dienstbar gemacht werden!“, zitierte Marco einen Satz aus den Schriften, die unter den Cherubim kursierten. „Gott und Luzifer sind Zwillinge und wenn der eine zu fallen droht, darf die Hilfe des anderen nicht verschmäht werden!“
„Das sind die Worte, Bruder Marco! Worte aus unseren Schriften, aber doch nur Worte!“, befand der große Maskenträger. „In Zukunft wird es um Taten gehen. Und dazu brauchen wir Mittel!“
„Ich glaube, diese Notwendigkeit hat unser junger Freund längst eingesehen“, mischte sich nun Leptonos ein. „Und ich möchte auch keinesfalls, dass hier und jetzt ein falscher Zungenschlag verwendet wird, der Dir missverständlich erscheinen könnte, Marco!“
„Ich habe nichts missverstanden“, gab Marco zurück.
„Es stehen große Veränderungen an“, sagte Leptonos. „Und wir werden alle Mittel brauchen, um sie bestehen zu können.“
„Dann ist der Tag nahe, an dem sich alles umkehrt? An dem das Niedrige groß und das Große niedrig und aus Luzifer Gott und aus Gott ein Teufel wird?“
Marco erhielt auf diese Frage keine direkte Antwort.
„Wann können wir mit deinem Geld rechnen?“, fragte schließlich jener Maskierte, der nur ein Auge zu haben schien.
„Bald!“, versprach Marco. „Sehr bald!“
„Zu unsere nächsten Messe?“
„Gewiss! Zumindest ein Teil. Ich schwöre es! Beim Zeichen, das ich im Fleisch trage!“
„Wir werden sehen, was dieser Schwur wert ist.“
Marco erhielt sein Schwert zurück und steckte es gleich ein.
„Wir sind der Orden der Cherubim - und dieser Name hat durchaus seine Bedeutung!“, meldete sich nun einer der Maskierten zu Wort, der sich bisher noch nicht geäußert hatte.
„Ich weiß“, flüsterte Marco tonlos und mit hörbarem Schauder.
„Die Cherubim sind diejenigen unter den Engeln, die das Schwert führen. Und das tun wir auch. Gegen jeden von dem wir glauben, dass er uns schaden kann – auch in unseren eigenen Reihen! Dann werden wir zu grausamen Dienern Luzifers, so wie das Liber Sacer und das Buch der Cherubim von Lucifuge Rofocale berichten, in dessen Nachfolge wir stehen und dessen Zeichen wir im Fleisch tragen.“ Eine Pause folgte. „Du weißt, was das bedeutet!“
„Du willst mir drohen?“, fragte Marco etwas irritiert.
„Wir wollen dir nur zu verstehen geben, was geschieht und was vielleicht noch geschehen könnte! Denn nichts hassen beide Zwillinge – Gott und Luzifer – so sehr wie die Untreue, Marco!“
„Das habe ich verstanden“, lautete die Antwort, die Marco gab.
Aus diesem Orden konnte man nicht austreten.
Luzifer ließ sich nicht die Gefolgschaft aufkündigen. Von niemandem. Zumindest in dieser Hinsicht, waren sich die Zwillinge aus Himmel und Hölle doch recht ähnlich.
––––––––
Auf Leptonos' Ruf hin war der Diener erschienen und Marco di Lorenzo wieder hinaus begleitet. Die Anwesenden schwiegen, bis sich die Flügeltür geschlossen hatte.
„Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns wirklich auf ihn verlassen können!“
„Es war unvorsichtig, ihn schon soviel wissen zu lassen!“
„Der junge di Lorenzo ist neugierig!“
„Es geht um einen Sturz des Kaisers! Einen Staatsstreich!“
„Davon ahnt er nichts.“
„Aber vielleicht seine Schwester und dieser Schreiber – Davide Scrittore.“
„Du kennst ihn?“
Einer der Maskierten nahm nun seine Maske ab. Er hatte ein blaues und ein grünes Auge, was nur auffiel, wenn man ihm geradewegs ins Gesicht sah. „Ich habe bereits versucht das Problem auf andere Weise zu lösen, aber die Männer, die ich beauftragt hatte, haben sich von irgendeinem Kerl in die Flucht schlagen lassen, der ihnen einredete, die Pest sei ausgebrochen!“
„Ich muss mich schon wundern, was für Männer du für dich arbeiten lässt, Bruder Nektarios!“, meinte der Großgewachsene. Auch er nahm nun die Maske ab. Das Gesicht von Jason Argiris, dem Kommandanten der kaiserlichen Garde kam darunter zum Vorschein.
„Es war Gesindel“, gab Nektarios zu. „Gesindel, dass niemand je mit dem Ersten Logotheten des Kaisers in Verbindung bringen wird!“ Nektarios lachte meckernd. „Aber man kann sich nicht immer aussuchen, wen man für sich arbeiten lässt!“
„Fest steht, dass wir das Vermögen des Hauses di Lorenzo brauchen“, sagte Jason Argiris. „Ich wüsste nicht, wie wir sonst genug Mittel aus unabhängigem Quellen bekomme sollten, um die richtigen Leute zu bestechen, damit sie stillhalten, wenn der Kaiser... ersetzt wird.“ Das kurze Zögern vor dem letzten Wort seines Satzes war bezeichnend. Aber letztendlich neigte jemand wie Jason Argiris wohl traditionsgemäß zu einer sehr klaren, strikten Analyse der Lage.
„Es gibt zwei Wege, um an ein Vermögen zu gelangen“, sagte ein anderer Maskierter, er bisher sein Gesicht noch bedeckt hielt. „Der sicherste wäre ein Testament.“
„Das haben wir doch!“, meinte Nektarios. „Marco di Lorenzo hat seine sämtlichen Erbansprüche auf unverdächtige Mitglieder unseres Ordens verteilt und dies feierlich unterschrieben, so wie es jeder unserer Ordensbrüder tut!“
„Nur ist das in diesem Fall ungültig“, sagte der maskiert Gebliebene. „Das Testament, das Maria und Marco di Lorenzo sowie zu einem kleineren Teil diesen Davide Scrittore zu Erben macht, ist nämlich so verfasst, dass es dafür Sorge trägt, dass der Besitz zusammengehalten und der nächsten Generation erhalten bleibt. Falls Marco stirbt, ohne Nachkommen zu hinterlassen, erben seine Schwester Maria und ihre Nachkommen. Falls aber Marco und Maria beide sterben sollten, bevor es Nachkommen gibt, so ist festgelegt, dass der Großteil des Guthabens verwendet wird, um die mildtätigen Werke eines gewissen Paters namens Matteo da Creto zu unterstützen, der für manche Leute fast den Status eines Heiligen besitzt, weil er in seiner Jugend an der Pest erkrankte und sie überlebte.“
„Und was schlägst du als den Königsweg vor – falls wir uns nicht darauf verlassen wollen, dass Marco es doch noch schaffen sollte, sich gegen seine Schwester und diesen Schreiber durchzusetzen?“, fragte Jason Argiris.
„Eine Heirat ist im allgemeinen die effektivste Art der Vermögensübertragung!“, meinte der bisher maskiert gebliebene, der jetzt sein Gesicht doch noch offenbarte und dann begann, mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Innenseite der Maske zu wischen.
Nektarios lächelte breit.
„Wie gut, dass wir einen Rechtsgelehrten von deinem Rang in unseren Reihen haben, Jakob Forlanus, der noch dazu die Einzelheiten gewisser Dokumente so gut zu kennen scheint, als hätte er selbst daran mitgewirkt, sie zu aufzusetzen!“