Im College hatte ich nicht gewusst, wie ich an Frauen herankommen sollte. Zumindest nicht im echten Leben. In den schlaflosen Tiefen der Nacht war ich insgeheim auf Craigslist unterwegs gewesen, hatte auf ein, zwei Kontaktanzeigen geantwortet. Diese Verabredungen hatten mir ein gewisses Maß an Selbstvertrauen gegeben. Waren ein Bollwerk gegen den Terror der totalen Unerfahrenheit. Nun war ich in eine neue Stadt gezogen und sehnte mich nach etwas Echtem.
An einem feuchten Juliabend lief ich etwa eine Stunde bis zu einer Bar, von der ich gehört hatte, sie sei passend. Ich trug noch das Make-up von der Arbeit und eine durchscheinende Bluse, die die klaren Linien meines Körpers offenbarte. Mein Haar fiel mir über das Schlüsselbein.
Es vermittelte alles einen ganz falschen Eindruck. Lesben in Wanderstiefeln und Windjacken warfen einen Blick auf mich, und die paar von ihnen, die nicht auf jene wortlose, unhinterfragte Weise weiße Frauen bevorzugten, steuerten direkt auf mich zu.
Nein, nein, nein, wollte ich sagen, nicht ihr. Wir könnten befreundet sein. Uns zusammen in einem Rudel bewegen. Ich befreite mich von der großen Butch in ihrer braunen Weste, die mir zu Leibe rückte und mit dem Daumen die Kurve meiner Taille nachfuhr. Genauso schlimm wie jeder x-beliebige Mann.
Ich ging hinüber zu der jungen Frau, die gerade hereingekommen war. Ein kleines weißes Gesicht, umrahmt von dunklem Haar, einem Pulp Fiction- Bob. Eine Unsicherheit im Blick, die sie weich erscheinen ließ. Sie saß an der Bar und trank aus einem großen Glas Wein. Ich blickte hinab auf ihre roten, wunden Lippen und spürte, wie meine Klit einen Satz machte.
Mit den Augen lächelte ich ein Wolfslächeln. In der Vergangenheit hatte ich versucht, mich wortgewandt und ausgefeilt auszudrücken, war damit aber nur mittelmäßig erfolgreich gewesen. Diesmal sagte ich einfach nur Hallo. Als sie lachte und sich in meine Richtung neigte, schaute ich nach der alternden Frau in der braunen Weste. Unsere Blicke trafen sich, und sie wirkte angepisst. In ihrer Vorstellung hätten Pulp Fiction und ich beide ihr gehören sollen. Meine Lippen zuckten. Abgewrackte alte Lesbe. Ich wusste, wie wunderschön ich in diesem Augenblick war, spürte, wie es in mich eingebrannt war, wie ein Brandzeichen. So fühlte ich mich: allein und mächtig. So fühlte ich mich: erschüttert darüber, wie die Sehnsucht eines Lebens manchmal reibungslos Wirklichkeit werden kann, ohne große Anstrengung oder Kosten, so einfach wie der Kauf einer Uhr.
Im Studium hatte ich mich mit einem nahezu unlesbaren deutschen Roman beschäftigen müssen, in dem es um einen jungen Mann geht, der von zu Hause wegläuft, um dem Druck dessen zu entkommen, was seine Familie sich für ihn ersehnt. Jahrelang reist er herum, schließt sich einer Theatertruppe an, knüpft Freundschaften, die zu seiner erweiterten Familie werden, aber am Ende wählt er sein Schicksal, entscheidet sich für das biedere, vernünftige Leben, das seine Eltern sich für ihn gewünscht haben, findet eine Ehefrau, alles aus freiem Willen. Das war für mich die Bedeutung von wahrem Erwachsensein geworden: eine Verneigung vor dem Unausweichlichen. Für die Glücklichen konnte davor noch eine Phase der Freiheit stehen, der Spielraum der Jugend.
Darin befinde ich mich gerade, dachte ich, während ich den Rand meiner Debitkarte entlangfuhr, die Ellbogen auf dem kalten dunklen Azetat der Theke.
Als wir an den Fenstern der Bar vorbeiliefen und ich sicher war, dass Braune Weste hinsehen würde, zog ich Pulp Fiction an mich und küsste sie. Daran erinnere ich mich bis heute. Pulp Fiction. Die mir nichts bedeutete. In diesem Nichts lag eine Sicherheit, die mich abschirmte. Schwarzes glänzendes Haar. Ein leeres Lächeln. Ihre Lippen, die sich sanft für meine öffneten, ihr zarter kleiner Hals entblößt. Die Straßenlaternen tauchten die Nacht in das Dunkelorange eines Bienenbrustkorbs. Eine langsame, köstliche Gewaltsamkeit stieg in mir auf. Ich umfasste ihren dunklen Haarschopf fest mit meiner Faust.