Du hast deinen alten Akzent total verloren, sagte Thom irgendwie anklagend zu mir.
Kümmere dich um deinen eigenen Kram, antwortete ich, während meine Kehle sich aus Gründen zusammenschnürte, die ich nicht richtig zu fassen bekam. Wir waren zu einem Martini-Lunch ausgegangen. Sechs Kleinkinder, die sich in zwei Anzügen versteckten. Wir saßen in der Bar Louie in der Nähe des Kunden. Auf unserem Tisch standen Zierkürbisse, auf einem Zettel wurden die Herbstspezialitäten angepriesen: ein Pumpkin-Spice-Tiramisu, Hot Toddys mit Apfelsaft.
Mein Martini hatte die Geschmacksrichtung Ananas-Holunderblüte. Thoms war klar und brennend, mit nichts als einer rot gefüllten Olive als Anker.
Er sagte, ich solle mir nie wieder so ein Mädchengetränk bestellen, wenn ich in Gesellschaft war.
Typen mögen Frauen, die trinken wie Männer, erklärte er.
Wie kommst du darauf, es würde mich interessieren, was Typen mögen?
Mein Homie. Ganz offensichtlich willst du, dass die Männer dich bewundern. Oder fürchten. Eins von beidem.
Ganz offensichtlich. Alles klar. Kapiert.
Halt dich von ausgefallenen Drinks fern. Oder auch nicht. Mir doch egal.
Dir doch egal. Alles klar.
Im Grunde stehen wir in Konkurrenz zueinander. Zu dumm, dass ich dich mag. Wird unsere Loyalität den Kapitalismus überleben? Da-da-dum.
Zieh keine falschen Schlüsse über meine Loyalität, erwiderte ich. Weniger, weil ich es so meinte, sondern eher, um die Macht kühlen Verhaltens zu unterstreichen.
Als unsere Kellnerin die Rechnungen brachte, fehlte auf meiner ein Ananas-Martini für zehn Dollar neunundneunzig. Ich bemerkte es laut. Super, meinte Thom, du hast einen winzigen Treffer gegen das System erzielt. Los geht’s, Broseph.
Ich schüttelte den Kopf. Ich fühlte mich gern heiliger als andere Menschen. Es kam nur so selten vor. Ich winkte die Kellnerin herbei, die irgendeine unangenehm aussehende Wucherung auf ihrem linken Nasenflügel hatte.
Wurde schon bezahlt, sagte sie.
Wie bitte?
Sie hat es übernommen.
Was?
Sie wies auf den hinteren Bereich der Bar Louie. Dort spielte eine Frau mit schwungvollem blondem Haar und flachen Brüsten Poolbillard. Ihre winzige Gestalt war umgeben von einem Grüppchen aus lachenden androgynen Menschen. Abrasiertes Haar. Hosenträger. Manche von ihnen trugen T-Shirts, auf denen STRIVE DANCE stand.
Das Gesicht der Frau war herzförmig, und unter seiner Spitze saß eine Fliege. Sie beugte sich über den roten Filztisch und nahm ihren Stoß vor.
Dann blickte sie direkt zu mir auf.
Ich senkte ruckartig den Kopf und machte mich an meinem Geldbeutel zu schaffen. Mein Gesicht glühte.
Ayyy. Du hast eine Verehrerin , sagte Thom und leckte sich in einer Parodie männlicher Rüpelhaftigkeit die Lippen.
Sie hat mich auf einer Dating-App geghostet. Das ist keine Anmache. Das ist eine Entschuldigung. Reine Höflichkeit. Komm, sonst stempeln wir zu spät ein.
Warte, warte, warte. Bist du – datest du? Datest du Frauen ?
Lass uns gehen, Thomas.
Seit wie vielen Jahren sind wir jetzt befreundet, Bruh?
Tatsächlich seit noch gar nicht so vielen.
Ich erzähle dir von meinen Sexabenteuern bis hin zum Muschifurz. Ich habe dir erzählt, wie Isabel einmal auf meinen Schwanz gekotzt hat, dabei musste ich ihr buchstäblich Geheimhaltung schwören. Und ich dachte, du wärst so ein indisches Mädchen, das eifrig seine Jungfräulichkeit beschützt. Währenddessen gertrudesteinst du dich anscheinend durch ganz Ill Mil. Ich bin verletzt, mein Dude.
Fick dich. Hier ist Bargeld, du kannst es mir zurückzahlen. Lass uns gehen .
Willst du dich nicht bei deiner höflichen Freundin bedanken?
Ich lasse mich nicht von Peter und Susan fertigmachen, weil wir zu spät und nach Gin stinkend auftauchen.
Tagesordnungspunkt vertagt, erwiderte Thom ominös lächelnd. Fürs Erste.
Wir traten aus der Bar Louie, knöpften unsere Mäntel vor der Kälte zu und warfen keinen Blick zurück. Es entspricht der Wahrheit, dieses Klischee: Mein Herz pochte.