Die Heizung in meiner Wohnung ging aus, wie eine Sicherung durchbrennt, mit einem Knistern und einem Ansturm von Gefahr. Es geschah Ende Januar. Marina hatte mir eine Karte mit einer kleinen Zeichnung gebastelt, auf der stand: ICH DENK AN DICH , SÜSSE . Die Karte war mit winzigen Glitzersteinen beklebt. Ich trat darauf, während ich, mit der Decke um mich gewickelt, mein Schlafzimmer durchquerte. Jaulte auf, als sich die Steine in meinen Zehenballen bohrten.
Der Thermostat war immun gegen mein Herumgefummel. Reglos, nutzlos. Bald bildete mein Atem in meinem eigenen Wohnzimmer Wölkchen.
Ich sammelte alle Decken zusammen, die ich finden konnte. Ich begann eine höfliche und unterwürfige Textnachricht an Amy zu formulieren, in der ich das mit der Heizung erklärte und sie fragte, wann diese repariert werden könne.
Aber wenn ich zu lange auf unseren Gesprächsverlauf voller Beschimpfungen von Amy blickte, wurde mir schlecht. Also schloss ich ihn wieder. Ich könnte mich später noch darum kümmern.
In den frühen Morgenstunden wurde ich vom Klappern meiner Zähne geweckt. Schlaflose Stunden später bestellte ich im Internet einen Heizlüfter und brachte es fertig, wieder einzuschlafen. Thom rief mich dreimal an, ehe er es aufgab und allein zur Arbeit fuhr.
Als ich aufwachte, hatte ich keine Chance mehr, es vor der undenkbaren Uhrzeit von elf ins Büro zu schaffen, und in meiner Verzweiflung meldete ich mich krank. Peter schrieb etwas Kurzes und Boshaftes zurück: Der richtige Zeitpunkt, diese Nachricht zu verschicken, wäre gestern Abend gewesen. Werde gesund.
Die letzten beiden Worte ein Befehl. Verschlafen zog ich zwei Pullover und darüber meinen Mantel an, ehe ich nach draußen ging, wo es in der Sonne wärmer wirkte als in meiner Wohnung. Ging in ein bürgerliches Restaurant mit Heizung und einer freundlichen, aufmerksamen Bedienung. Bestellte eine Wintersuppe mit massenhaft Sahne, das Billigste auf ihrer Speisekarte. Bekam durch meinen Charme dazu noch eine knusprige Scheibe Brot und Olivenöl, das auf dem weißen Teller blassgrün aussah.
Ich löffelte mir Suppe in den Mund.
Erneut löste ich mich vor Einsamkeit langsam auf. Ich wollte Marina von der Heizung berichten. Aber mich nach nur wenigen Wochen schon so auf sie zu stützen, erschien mir zu viel und zu früh. Zwischen Thom und mir war die Stimmung immer noch seltsam. Von Tig hatte ich weniger gehört, auch wenn sie mich gelegentlich anrief, um mir von etwas zu erzählen, was sie gerade gelernt hatte und aufregend fand.
Sie arbeitete mittlerweile sowohl bei Starbucks als auch bei Lush und übernahm noch zusätzlich hin und wieder Schichten bei CVS . Versuchte ihre Kreditkartenschulden abzubezahlen. Ihre Beziehung mit der Amy-Winehouse-Mommy lief gut. Tig mochte deren Kind, ein schüchterner und fröhlicher kleiner Junge mit einem Afro in der Farbe von wässrigem Tee. Mir kam das alles zu viel vor, und ich wurde manchmal eingeschnappt, wenn ich daran dachte. Ach ja, du verbringst also deine Zeit lieber mit einem Achtjährigen?, wollte ich dann fragen. Tig hörte ein Hörbuch von einem Mann namens Kropotkin und bekam ihr erstes A+. Für einen Essay über, ich glaube, Adam Smith. Sie erzählte mir, ihre Schwester sei auf die schiefe Bahn geraten und scheine wieder Drogen zu nehmen.
Ich weiß gar nicht, wie sie für das ganze Zeug bezahlt, hatte Tig ins Telefon geblafft, ehe sie in ihren Seminarraum geeilt war.
Die Innenseiten meiner Beine fühlten sich noch immer sehr kalt an, als wäre die Kälte bis in die Knochen gedrungen. Trotz der Suppe und der funktionierenden Heizung im Restaurant. Ich schrieb Marina eine Nachricht.
Hallo. Ich schwänze heute die Arbeit. Magst du dich mit mir treffen?
Du schwänzt??, schrieb sie zurück. Das hab ich noch nie gehört. Natürlich möchte ich mich mit einer wunderschönen sexy Lady treffen. Wo bist du?
Als wir Marinas Wohnung betraten, war ich noch immer durchgefroren bis auf die Knochen und fühlte mich feuchtkalt und etwas müffelnd, weshalb ich sie fragte, ob ich bei ihr duschen dürfe. Natürlich, Babe, sagte sie und kramte nach einem Handtuch. Sie reckte sich und bog dabei ihren Rücken leicht.
Tja, also, möchtest du Gesellschaft haben?, bot sie an. Ihre Augen glitzerten.
Ähm, ach, ich würde gern allein gehen, wenn das okay ist.
Sie zuckte mit den Achseln. Die Muskeln an ihrem Hals strafften sich. Ihr Haar wirkte heller als sonst.
Ich sagte: Dein Haar sieht hübsch aus. Hast du etwas damit gemacht?
Das schien sie zu amüsieren. Du bist manchmal wie ein Kerl. Ja. Man nennt es Färben. Du weißt schon, dass ich nicht von Natur aus diese Haarfarbe habe, oder?
Ich kam mir dumm vor. Woher sollte ich das wissen?, fragte ich.
Hast du dir noch nie dein Haar gefärbt? Es ist so schön. Oder wahrscheinlich nehmen indische Frauen Henna. Richtig? Verwendet ihr das für die Haare oder nur für die Hände?
Hab noch nie Henna benutzt. Da musst du irgendwelche anderen indischen Frauen fragen, rief ich durch die Badezimmertür.
Vielleicht war ich die ganze Zeit ein Mann gewesen, und das war der Kern meines Problems: meine Unfähigkeit, so weich zu sein wie eine Frucht und mich zu öffnen wie eine Blume. Wörter kamen mir undeutlich in den Sinn: unverwundbar, Hermaphrodit, Henna, Schwänzen, offenkundig, Nagelhaut. Ich drehte die Dusche nahezu brühend heiß auf und stieg hinein. Ich breitete mich nackt auf dem weißen Grund der Wanne aus.
Auf der anderen Seite der Tür: die Frau, die ich wollte, die Frau, der ich gerade aufgrund dieses Wollens bestimmte Dinge nicht sagen konnte. Das heiße Wasser fiel gnädig auf mich herab. Ich schloss die Augen. Wie ein Kind stellte ich mir vor, die Welt wäre dunkel geworden, alle anderen Menschen wären verschwunden, und ich selbst wäre in Sicherheit.