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Der Kia Soul kehrte nach Milwaukee zurück. Aus meinem Fenster sah ich, wie er in meine Straße einbog, um mich zu retten, und ich dachte an den eleganten Roman, den Amit mir geliehen hatte, mit seinem einsamen Helden, der den ganzen Tag durch New York City läuft, und dann wieder an mein eigenes Leben, die Spaziergänge mit meinem Onkel, die Autorikschas, in denen ich mit meiner Mutter gefahren war, all meine Leute mit ihren Autos, von denen ich in Städten, die nicht zum Gehen geeignet waren, abhängig gewesen war.

Tage später saßen Thom und ich auf seiner Vordertreppe, und er erzählte mir, dass er endlich einen anständig bezahlten Job gefunden hatte.

Er würde Bauarbeiter bei Rabine werden. Dreiundzwanzig Dollar pro Stunde, mit der Chance, auf vierzig hochzugehen. Wie fühlst du dich?, fragte ich. Seltsam, war seine Antwort, aber verdammt froh, etwas Geld zu verdienen. Das mit Peter tut mir leid, Homie. Es ist so ironisch, dass er ein einfaches Cashflow-Problem verkackt hat.

Wer change-managt eigentlich die Change Manager?, witzelte ich.

Thom lachte, allerdings kraftlos.

Die gesegnete Wärme des Sommers rollte heran, schwül und bestimmt. Ich schickte jeden Tag Bewerbungen ab. In Milwaukee, in meiner Collegestadt, auf LinkedIn und Monster.com und Craigslist. In Marinas Wohnung mit den hohen Decken lag ich stundenlang im Bett. Manchmal zog ich meinen Computer hervor und nahm schrittweise Ergänzungen am Projektplan für das rosarote Haus vor, und wenn auch nur, um mich der Fantasie hinzugeben, ich könnte noch immer ein Projekt planen, wäre noch immer in der Lage, Kund* innen zu ihrer Definition von Erfolg zu führen. Abends kochte ich, dankbar, dass Marina ihren Kühlschrank mit Einkäufen füllte, ohne mich je um eine Beteiligung zu bitten. Sie bereitete uns Smoothies zu, sattgrün und nach gefrorener Ananas duftend. Den ganzen Tag lang bearbeitete sie an ihrer Küchentheke Playlists für ihre Choreografien und trank dabei Weißwein. Die Aufführung von ihrer und Shakas gemeinsamer Shamar-Kompanie sollte in drei Wochen stattfinden.

Und Tage später würde ich dann aus meiner Wohnung ausziehen oder mich mit den Gerichtsvollziehern auseinandersetzen müssen.

Wenn ich nicht gerade im Bett oder auf LinkedIn war, arbeitete ich meine Freitags- und Samstagsschichten bei Leon’s, wo mir vom Geruch von Cremeeis immer öfter schlecht wurde. Manchmal schossen die Schmerzen in meinen Armen meine gesamte Wirbelsäule hinunter. Ich bekam 8 ,75 Dollar pro Stunde. Dennoch fühlte es sich wie ehrliche Arbeit an, auf eine Weise, wie es der Job bei Peter nur selten getan hatte – im Kern jener Welt lag irgendetwas Verlogenes und Erfundenes, auch wenn ich zu dumm war, um es korrekt zu artikulieren.

Hin und wieder riefen meine Eltern an. Ich nahm die Anrufe im Hausflur entgegen. Nichts zu berichten, Papa, sagte ich dann. Die Arbeit hält mich auf Trab.

Ich wurde zu einem Vorstellungsgespräch bei einem Architekturbüro eingeladen, das eine Empfangsdame suchte. Bei meinen Online-Nachforschungen sah ich, dass Peter und seine Familie in Chile Urlaub machten. Es gab Bilder von ihm und seiner knochigen Frau in einem Infinitypool mit Blick auf saftig grüne Berge. So viel zu seinem Liquiditätsproblem.

Marina half mir, eine höfliche E-Mail zu formulieren, in der ich mein Geld einforderte. Tagelang kam keine Antwort. Ich schrieb ihm erneut.

Ich werte gerade deine Rechnungen aus, antwortete er schließlich, da ich mir nicht sicher bin, ob sie korrekt sind, ohne sie mit meinen eigenen Unterlagen abzugleichen. Ich bin enttäuscht, dass du dich entschieden hast, so an diese Sache heranzugehen. Ich habe unsere Zusammenarbeit mit sehr hohen Erwartungen begonnen. Jeder Arbeitgeber muss bei einer Neuanstellung eine Berechnung vornehmen: Wird diese Person mir Geld einbringen oder wird sie mich Geld kosten? Ich habe dich für eine großartige Investition gehalten. Offensichtlich wurde ich eines Besseren belehrt.

Dieser absolute Mistkerl, sagte Marina, als ich ihr die E-Mails zeigte. Sie schlug mit der geballten Faust auf ihre Granit-Arbeitsplatte. Dieser beschissene Schwanzlutscher. Wie kann er es wagen? Hey, Baby, komm her. Das ist nicht deine Schuld.

So fühlt es sich aber an, keuchte ich. Es ist meine Schuld. Es fühlt sich an, als hätte ich mein Leben zerstört.

Schschsch.

Ich fuhr fort: Ich habe dir doch gesagt, ich mache alles kaputt, was ich anfasse. Das hier mache ich auch kaputt, uns. Das spüre ich.

Marina lehnte ihren blassgrünen Kopf an meine Brust, schlang ihre Arme um mich. Tränen rannen ihr das Gesicht hinunter. Meine Kehle fühlte sich an, als hätte ich einen Kaktus verschluckt.

Ich werde dich nicht verlassen, sagte sie. Ich bin hier.