8. KAPITEL

Prüfend betrachtete Kerry sich im Spiegel. War das korallenrote Samtkleid, das sie für die Hochzeit ihrer Cousine gekauft hatte, vielleicht ein kleines bisschen zu elegant für eine Verabredung zum Abendessen? Sie zupfte an den Spaghettiträgern, damit der ohnehin schon gewagte Ausschnitt nicht noch mehr von ihrem Dekolleté zeigte.

Nein, sie würde es anlassen. Die Farbe stand ihr ausgezeichnet, und sie wollte mindestens genauso glamourös sein wie die Frauen, mit denen Denovan in London auszugehen pflegte. Schnell legte sie noch etwas Rouge auf und gönnte sich einen Spritzer ihres neuen, sündhaft teuren Parfums. Fertig.

Sie war aufgeregt. Sogar mehr als das, denn sie wusste genau, dass ein leidenschaftlicher Mann wie Denovan sich nicht mit einem keuschen Gutenachtkuss am Ende des Abends zufriedengeben würde. Nach dem Zwischenfall vor zwei Tagen war ihnen beiden klar, dass eine enorme sexuelle Spannung zwischen ihnen herrschte, die unweigerlich zu einer gemeinsamen Nacht führen würde. Aber wollte sie das? Konnte sie mit seinem Ruf als Herzensbrecher leben?

Während sie noch darüber nachdachte, klingelte es unten an der Tür. Denovan konnte es noch nicht sein, denn er brachte gerade Archie zu Daphne. Hoffentlich war es kein Notfall! Seufzend lief Kerry die Treppe hinunter.

Sie öffnete die Tür – und starrte den Besucher ungläubig an. „Frank! Was machst du denn hier? Ich dachte, du müsstest noch mindestens eine Woche in der Klinik bleiben!“

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten, den ganzen Tag untätig herumzuliegen. Ich habe mich sozusagen selbst entlassen. Da drüben steht mein Taxi. Bevor ich nach Hause fahre, wollte ich kurz bei dir vorbeischauen.“ Bewundernd betrachtete er ihr Kleid. „Wow! Du siehst umwerfend aus! Gibt es einen besonderen Anlass?“

„Komm doch erst einmal herein!“ Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer, wo Frank sich erschöpft auf das Sofa fallen ließ.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet. Warum hast du dich so herausgeputzt?“

„Ich bin zum Abendessen verabredet, und ich fand, dass es eine gute Gelegenheit wäre, das Kleid, das ich für die Hochzeit in Tobago gekauft hatte, einmal zu tragen.“

„Oh, Kerry, es tut mir ja so leid! Wegen meines Unfalls musstest du die Reise ausfallen lassen, stimmt’s?“

„Ist nicht so schlimm. Hauptsache, es geht dir jetzt wieder besser.“ Stirnrunzelnd sah sie ihn an. „Du hast doch nicht etwa vor, gleich wieder zu arbeiten?“

„Genau darüber wollte ich mit dir reden. Ich fürchte, ich werde noch eine Weile brauchen, bis ich wieder voll einsatzfähig bin. In der Zwischenzeit brauchst du Hilfe.“

„Ach was, ich komme schon zurecht.“

„Denovan fährt morgen nach London zurück, oder? Bestimmt wirst du seine Unterstützung vermissen. Hat alles gut geklappt mit ihm?“

„Oh ja, wir haben prima zusammengearbeitet. Und die Patienten lieben ihn.“

„Natürlich“, bemerkte Frank zynisch. „Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Bestimmt hat der Anteil an weiblichen Patienten sich verzehnfacht. Frauen haben ihn schon immer umschwärmt wie die Motten das Licht.“

Frank hat recht, überlegte Kerry traurig. Denovan war ein unverschämt attraktiver Mann. Und es wäre vollkommen naiv anzunehmen, er würde in London das Leben eines Mönchs führen, nur weil Kerry hier in Braxton Falls auf ihn wartete.

„Auch die männlichen Patienten mögen ihn.“

„Dich hat er also auch um den Finger gewickelt!“, neckte Frank sie.

Hoffentlich wurde sie jetzt nicht rot! Ohne auf seine Bemerkung einzugehen, wechselte sie das Thema. „Dein Bruder hat mir sehr geholfen, das ist alles. Möchtest du vielleicht eine Tasse Tee?“

„Nein, danke. Ich will über die Arbeit sprechen. Was hältst du davon, wenn ich ab morgen täglich für zwei Stunden in die Praxis komme?“

Sie sah ihn skeptisch an. „Sei doch vernünftig, Frank! Dein Unfall ist gerade erst zwei Wochen her.“

„Ich muss wieder etwas zu tun haben, damit mir nicht die Decke auf den Kopf fällt. Ich würde auch nur ganz leichte Tätigkeiten übernehmen. Papierkram und so. Bestimmt würde es mir helfen, schneller wieder gesund zu werden.“

„Ich finde es unvernünftig …“

Von draußen waren Schritte zu hören. Dann öffnete sich die Tür, und Denovan kam hinein. Als er seinen Bruder im Wohnzimmer entdeckte, blieb er abrupt stehen, und sein Lächeln erlosch.

„Du bist also zurück“, stellte er kühl fest.

„Ja, ich habe mich selbst entlassen. In der Klinik war mir langweilig.“

„Findest du das nicht etwas verantwortungslos? Du hattest schließlich eine schwere Kopfverletzung.“

Frank lachte. „Ich weiß, was ich tue. Außerdem kann es dir doch egal sein – du fährst ja morgen wieder nach London. Bestimmt freust du dich schon auf dein aufregendes Filmstar-Leben. Hier in Braxton Falls musst du dich doch furchtbar gelangweilt haben.“

Obwohl Frank im Plauderton gesprochen hatte, sah Kerry Denovan besorgt an. Würde er sich von seinem Bruder provozieren lassen? Offensichtlich ja, denn Denovan ballte wütend die Fäuste.

„Was willst du damit andeuten, Frank? Ich habe London überhaupt nicht vermisst. Im Gegenteil! Es hat mir hier ausgesprochen gut gefallen. Doch da du jetzt wieder hier bist, räume ich natürlich so schnell wie möglich das Feld.“

„Meinetwegen kannst du gern noch bleiben. Wie man hört, hast du dir bereits eine große Fangemeinde aufgebaut.“

Denovans Augen blitzten gefährlich. „Sprich bitte nicht in diesem gönnerhaften Ton mit mir.“

„Tu ich doch gar nicht! Ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass du in unserer Praxis ausgeholfen hast.“

Verwirrt blickte Kerry von einem Bruder zum anderen. Obwohl Frank betont höflich gesprochen hatte, war die Feindseligkeit zwischen den beiden förmlich greifbar.

Entschlossen trat sie zwischen die beiden. „Bestimmt war es nicht Franks Absicht, gönnerhaft zu wirken, Denovan.“

Der sah sie zornig an. „Bitte, misch dich nicht ein! Ich weiß ganz genau, was Frank damit sagen will.“

Kerry konnte es kaum fassen. Der charmante, nette Denovan war verschwunden. Sie zuckte die Achseln. „Ich verstehe einfach nicht, weshalb ihr beide einander nicht ausstehen könnt. Und ich will den Grund auch gar nicht wissen. Aber ich finde es sehr schade, dass ihr euch – was auch geschehen sein mag – nicht vergeben könnt.“

„Ganz genau. Ich werde ihm niemals verzeihen, was er mir angetan hat!“, zischte Denovan.

Franks aufgesetzte Freundlichkeit verschwand, und sein Blick wurde eisig. „Tja, so bist du nun mal. Immer musst du irgendwelche alten Geschichten aufwärmen. Genau wie früher. Da hast du auch immer bei deiner Mummy gepetzt.“ Spöttisch fügte er hinzu: „Dabei war deine Mutter auch nicht gerade die Tugend in Person …“

Tödliches Schweigen senkte sich über den Raum.

„Wie kannst du es wagen, so etwas zu sagen!“ Denovans Stimme klang gefährlich leise. „Meine Mutter mag ja Fehler gemacht haben, sicher, aber nur, weil sie so unglücklich war.“

„Immer schiebst du mir die Schuld zu, Denovan! Stimmt, ich bin kein Heiliger, aber es ist wirklich nicht fair, mich für deine unglückliche Kindheit verantwortlich zu machen. Komm endlich darüber hinweg, verdammt noch mal!“

Mit geballten Fäusten standen die beiden Männer einander gegenüber. Kerry befürchtete schon, dass sie sich jeden Augenblick an die Kehle gehen würden.

„Hört euch doch selbst einmal zu! Ihr solltet euch beide dafür schämen, dass ihr euch so kindisch benehmt. Ich finde euch beide ganz schrecklich!“

Denovan trat einen Schritt zurück, woraufhin Kerry erleichtert aufatmete.

„Frank ist nicht hergekommen, um mit dir zu streiten, Denovan. Er wollte nur mit mir über die Praxis reden. Ich mache uns mal eine Kanne Tee.“

Frank stand auf. „Nicht für mich, danke. Mein Taxi wartet.“ Er maß Denovans eleganten Anzug mit einem abschätzigen Blick. „Du bist also Kerrys Verabredung. Wohin führst du sie denn aus?“

„Ins Farmer’s Plough.“

Mit einem ironischen Lächeln verabschiedete Frank sich. „Dann wünsche ich euch einen schönen Abend. Bis morgen, Kerry.“ Er nickte ihnen zu und ging.

Nachdem die Tür hinter ihm zugefallen war, funkelte Kerry Denovan wütend an. „Was war das denn eben für eine Nummer? Mag ja sein, dass Frank dich verletzt hat, aber …“

„Du hast ja keine Ahnung!“, unterbrach Denovan sie zornig.

„Schon möglich. Doch ich weiß, dass Frank noch immer sehr krank ist.“

„Und es war absolut leichtsinnig von ihm, sich selbst zu entlassen!“

„Nun, er ist Arzt und wird schon wissen, was er sich zumuten kann. Er hat sogar angeboten, für ein paar Stunden am Tag in die Praxis zu kommen.“

„Wie gnädig! Wenn er sich gesund genug fühlt, auf eigene Faust die Klinik zu verlassen, dann kann er wohl auch in seiner eigenen Praxis arbeiten. Schließlich hat er dir durch sein unvernünftiges Verhalten schon mehr als genug Arbeit aufgehalst!“

Kerry seufzte. Offenbar war es unmöglich, zwischen den Brüdern zu vermitteln, und sie wollte sich nicht den Abend verderben, auf den sie sich so gefreut hatte. Nach diesem Start würde es sowieso schwierig genug werden.

„Also – falls du lieber doch nicht ausgehen möchtest, können wir es auch lassen. Auf keinen Fall möchte ich den Abend mit einem Mann verbringen, der die ganze Zeit vor sich hin schmollt und schlechte Laune verbreitet. Was auch immer das Problem zwischen dir und Frank ist – ihr müsst es unter euch klären.“

Denovan sah sie gekränkt an. „Du denkst, es sei alles meine Schuld, nicht? Obwohl Frank unverzeihliche Dinge gesagt hat.“

„Du hast ja recht“, räumte Kerry ein. „Er hätte nicht so abfällig über deine Mutter sprechen dürfen. Trotzdem fand ich deine Reaktion unangemessen. Abgesehen davon ist er zu mir immer freundlich und hilfsbereit gewesen. Ganz im Gegensatz zu dir. Erinnere dich doch nur einmal an unser erstes Telefonat. Da warst du nicht gerade besonders höflich.“

„Ich werde es dir erzählen“, beschloss Denovan. „Dann siehst du die Sache bestimmt mit anderen Augen.“

Kerry maß ihn mit einem eisigen Blick. „Ja, vielleicht solltest du das.“

„Also gut. Das alles ist schon sehr lange her …“ Noch immer schien er unentschlossen, ob er ihr alles erzählen sollte. Doch dann begann er: „Vor vielen Jahren hat unser netter, allseits beliebter Frank meine damals noch sehr junge und sehr verletzliche Mutter verführt. Als mein Vater es herausfand, war sie so verzweifelt und beschämt, dass sie uns von einem Tag auf den anderen verlassen hat. Ich habe sie nie wiedergesehen.“ Er schluckte. „Verstehst du jetzt, weshalb ich meinen Halbbruder nicht mag?“

Einige Sekunden lang fehlten Kerry die Worte. Entsetzt sah sie Denovan an. „Was? Frank hatte ein Verhältnis mit deiner Mutter? Mit seiner eigenen Stiefmutter? Wie hast du es herausgefunden?“

„Nach dem Tod meines Vaters habe ich in seinem Schreibtisch ein Tagebuch entdeckt. Dort hatte er alles sehr detailliert aufgeschrieben.“

Noch immer konnte Kerry es kaum fassen. Der arme Denovan! Es musste furchtbar für ihn gewesen sein!

„Als das alles passierte, war mir das Ausmaß der Katastrophe natürlich nicht klar“, fuhr Denovan fort. „Ich war ja erst zehn Jahre alt. Mein Vater sagte mir nur, dass meine Mutter uns verlassen hätte. Kannst du dir vorstellen, wie das meine kleine Welt ins Wanken gebracht hat? Mum hat mir nur einen kurzen Brief geschickt, in dem sie versprach, bald wiederzukommen. Doch das ist nie geschehen …“

Kerry konnte kaum glauben, was sie da hörte. „Oh, Denovan. Es tut mir so leid!“

Er seufzte. „Meine Mutter war noch sehr jung, als sie meinen verwitweten Vater heiratete und mich bekam. Gerade erst achtzehn. Vorher war sie seine Sprechstundenhilfe gewesen. Schon bald stellte sich heraus, dass die Ehe nicht sonderlich glücklich verlief. Mum war traurig und verzweifelt – und Frank, nur wenige Jahre jünger als sie, nutzte ihre Unsicherheit aus und begann eine Affäre mit ihr. Als mein Vater es herausfand, ließ er sie natürlich fallen.“

Denovans Blick wurde hart. „Ich kann Frank nicht verzeihen, dass ich seinetwegen meine Mutter verloren habe.“

„Hast du je versucht, die Sache aus Franks Perspektive zu betrachten? Bestimmt war es für ihn nicht leicht, als er nach dem Tod seiner Mutter plötzlich seinen Vater mit einer neuen Frau und einem neuen Baby teilen musste. Vielleicht war auch er einsam und unglücklich.“

„Vielleicht. Aber auch schon vor der Affäre mit meiner Mutter sind Frank und ich nicht gut miteinander ausgekommen.“ Ein freudloses Lächeln legte sich um seine Lippen. „Nun kennst du die tragische Geschichte der O’Maras. Als ich nach Dads Tod davon erfuhr, habe ich Frank damit konfrontiert. Die darauffolgende Auseinandersetzung hat unser Verhältnis für immer zerrüttet.“

Kerry schluckte. „Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll. Ich kenne Frank nur als freundlichen Kollegen. Es tut mir sehr leid, was passiert ist, aber das ist alles schon so lange her. Wäre es nicht an der Zeit, die Vergangenheit ruhen zu lassen? Immerhin seid ihr Brüder!“

„Objektiv betrachtet hast du natürlich recht, Kerry. Allerdings ist es verdammt schwierig, diese Sache zu vergessen.“

„Dann wirst du wohl nie nach Braxton Falls zurückkehren, oder?“

Er zögerte einen Augenblick. „Ich weiß nicht. Ich liebe diesen Ort, aber es wäre schwierig …“ Aufstöhnend zog er sie in die Arme und sah sie aus seinen unglaublich blauen Augen an. „So, mein Liebling. Höchste Zeit, zu angenehmeren Dingen überzugehen. Sprechen wir nicht mehr über Frank, sondern lieber über dich. Du siehst einfach hinreißend aus, und wenn ich nicht fast vor Hunger umkäme, würde ich keine Zeit mit einem Restaurantbesuch verschwenden … Komm, wir wollen uns unseren letzten gemeinsamen Abend nicht verderben lassen!“

Das Farmer’s Plough lag ganz in der Nähe von Kerrys Cottage. Auf einem Hügel thronend, bot es einen hübschen Ausblick über das kleine Städtchen und die umliegenden Wälder und Felder. Man sah dem Gebäude deutlich an, dass es früher einmal eine Scheune gewesen war, denn dicke Eichenbalken stützten die hohe Decke ab. An den Wänden zogen sich diskrete kleine Nischen entlang, während in der Mitte des riesigen Raumes Tische für größere Gesellschaften standen.

Überall auf den Tischen brannten Kerzen, sodass fast vollständig auf elektrisches Licht verzichtet werden konnte, was dem Raum eine heimelige Atmosphäre verlieh. In einer Ecke gab es sogar eine kleine Tanzfläche mit einem Flügel, an dem ein junger Pianist gerade ein Jazzstück spielte.

„Es ist wundervoll hier, Denovan“, schwärmte Kerry überwältigt. „Wer hat dir diesen Tipp gegeben?“

Er lächelte triumphierend. „Ich habe Daphne gefragt, wohin ich dich ausführen soll, und sie sagte, dies sei das angesagteste Restaurant der Gegend. Es hat erst letzten Monat eröffnet.“

Nachdem man sie zu einem der Nischentische geführt hatte, setzten sie sich und studierten die Speisekarte. Immer wieder wanderte Denovans Blick zu Kerry. Das sanfte Kerzenlicht ließ ihre Haut rosig erscheinen, und ihre reizvollen Kurven raubten ihm den Atem.

Er holte tief Luft und versuchte, sich auf die Karte zu konzentrieren. Schon nächste Woche würde er wieder in London sein, den Vertrag für die neue Show hatte er so gut wie in der Tasche. Sein Leben würde vollkommen anders verlaufen als während der letzten beiden Wochen im malerischen Braxton. Er würde Kerry sehr vermissen …

Zur Feier des Tages hatte er Champagner bestellt, den der Kellner gerade in zwei Gläser füllte. Denovan prostete Kerry zu. „Auf die Zukunft! Es waren zwei fantastische Wochen – vor allem das letzte Wochenende.“

„Auf die Zukunft!“ Kerry gab sich Mühe, den Anflug von Traurigkeit zu ignorieren, der sie erfasst hatte. „Ich hoffe, in London entwickelt sich alles so, wie du es dir wünschst. Und ich möchte dir noch einmal für deine Hilfe danken. Keine Ahnung, was ich ohne dich getan hätte.“

„Gern geschehen.“ Nachdenklich sah er sie an. „Im Grunde müsste ich mich bei dir bedanken. Es hat mir sehr gutgetan, mal wieder in einer richtigen Arztpraxis zu arbeiten.“

Wenn er lächelte, war er einfach unwiderstehlich. Mit seinen leuchtenden Augen hielt er ihren Blick gefangen und sorgte dafür, dass ein Schauer der Erregung durch ihren Körper lief. Wie unfair, dass ein so toller Mann nur auf der Durchreise war. Nun, da sie wusste, wie sehr die beiden Brüder verfeindet waren, hielt sie es für ausgeschlossen, dass Denovan jemals nach Braxton zurückkehren würde. Sie würde ihn und auch den kleinen Archie so sehr vermissen!

Im Hintergrund spielte der Pianist einen romantischen Song.

Denovan bemerkte Kerrys traurigen Blick und drückte ihre Hand. „He, Kerry! Wir wollten uns doch amüsieren! Lass uns tanzen!“

Als er sie an sich zog, verflogen Kerrys schwermütige Gedanken sofort. Es war einfach himmlisch, in seinen Armen zu liegen und sein raues Kinn an ihrer Wange zu spüren. Langsam bewegten sie sich im Takt der Musik.

Obwohl sie ihn fast schmerzhaft begehrte, beschloss Kerry, dass heute Nacht nichts passieren würde. Franks Worte über Denovan, den Herzensbrecher, klangen noch in ihr nach, und sie hatte nicht vor, eine seiner zahllosen Eroberungen zu werden.

Die Nacht war kühl und der Himmel sternenklar. Es war ein traumhafter Abend gewesen, die Zeit war wie im Flug vergangen. Viel zu schnell. Kerry musste immerzu daran denken, dass dies ihr letzter gemeinsamer Abend war und Denovan schon am nächsten Tag fort sein würde.

Hand in Hand schlenderten sie die nächtliche Straße entlang, vorbei an kleinen Läden, die teilweise noch immer von der Überschwemmung beschädigt waren. Vor Kerrys Haus angekommen, schlang Denovan den Arm um ihre Taille. „Wollen wir noch einen Schlummertrunk nehmen?“

Kerry schluckte. Jetzt hieß es hart bleiben. Sie würde ihm eine gute Nacht wünschen und gleich nach oben gehen.

Ohne zu antworten, schloss sie die Eingangstür auf. Denovan nutzte die Gelegenheit, ihr einen Kuss auf den Nacken zu hauchen. Dann, als sie im Haus waren, zog er sie an sich.

„Endlich allein“, murmelte er. „Heute wird uns niemand unterbrechen.“ Vorsichtig löste er ihr Haar. „Das wollte ich schon den ganzen Abend tun.“

Verlegen strich Kerry sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Nicht …“

Denovan lachte. „Mit offenem Haar bist du noch schöner.“ Er seufzte. „Ach, Kerry, du bist eine so tolle Frau. Schade, dass wir nur so wenig Zeit hatten.“

Am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen und hätte ihn angefleht: „Dann bleib hier! Bleib bei mir und vergiss London!“ Doch sie brachte es nicht über sich, die Worte auszusprechen.

Und dann neigte er den Kopf und küsste sie. Erst sanft, schließlich immer leidenschaftlicher. Zärtlich strich er mit den Fingerspitzen erst ihren Hals entlang, streichelte dann ihre Brüste. Kerry stöhnte vor Verlangen.

Sie musste verrückt sein! Schon morgen würde Denovan Braxton verlassen und womöglich nie wiederkommen. Auch wenn sie sich sehnlich wünschte, geliebt zu werden, durfte sie nichts mit ihm anfangen! Er würde ihr das Herz brechen.

„Auch das hier wollte ich schon den ganzen Abend tun“, flüsterte er und zog sie sanft auf den Boden.

Kerry protestierte nicht, beobachtete atemlos, wie er erst sein Jackett und dann sein Hemd auszog und beides achtlos fallen ließ. Dann beugte er sich über sie und sah sie voller Verlangen an. „Ehrlich, ich hatte nicht geplant, dass der Abend so endet“, erklärte er mit rauer Stimme. „Aber irgendwie scheint es ein passender Abschluss zu sein.“

„Ja, die perfekte Art, Lebewohl zu sagen.“

Sehnsuchtsvoll schmiegte sie sich an ihn, genoss das Gefühl, seinen harten Körper an ihrem zu spüren. Jede seiner Berührungen ließ sie vor Erregung heftig erschauern. Hatte sie bei Andy jemals so eine verzehrende Leidenschaft empfunden? Nein, darüber würde sie jetzt nicht nachdenken! Im Augenblick gab es nur Denovan, der offenbar ganz genau wusste, welch wunderbare Dinge man mit einer Frau anstellen konnte. Wie selbstverständlich erkundete er ihren Körper mit seinen Händen und Lippen, zeigte ihr, wie sehr er sie begehrte.

Als er schließlich sanft in sie eindrang, bog sie sich ihm verlangend entgegen. Gemeinsam erreichten sie einen berauschenden Höhepunkt, wie Kerry ihn noch nie erlebt hatte.

„Meine wunderschöne, außergewöhnliche Kerry. Du bist einfach unglaublich!“, stöhnte Denovan, bevor er sich erschöpft auf sie sinken ließ.

Später, als sie glücklich und matt in seinen Armen lag, spürte sie, wie die Vergangenheit von ihr abfiel. Von heute an würde sie nur noch in die Zukunft blicken. In eine Zukunft, in der Denovan eine wichtige Rolle spielen würde. Nach dem wundervollen Sex von eben gerade konnte ihre Beziehung unmöglich schon vorbei sein, bevor sie richtig angefangen hatte.

Als hätte er ihre Gedanken erraten, strich er ihr zärtlich durchs Haar. „Bitte lass dies kein Abschied sein.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Bezeichnen wir es einfach als den Anfang eines Versuchs.“