A ls der Bus vor den Toren der Schule ankam, stiegen Alison und Izzie mit den Getränken und dem Gepäck, das Alison aus den Ferien mitgebracht hatte, aus.
»Ich wünsche euch einen guten Rutsch!«, rief Misses Beasley, während sie sich abmühte, die Tür des Busses zu schließen.
»Dir auch«, riefen die Mädchen und winkten zum Abschied.
Izzie lächelte. »Mir war bis jetzt nie klar, wie sehr ich Misses Beasley schätze.«
»Sie ist definitiv eine Süße, viel netter als der Busfahrer letztes Jahr. Weißt du noch, wie er auf der Rückfahrt von unserem Schulausflug fast in die Luft gegangen ist?« Die Mädchen kicherten.
Kaum hatten sie die Eingangstüren durchquert, kam die Schulleiterin aus ihrem Büro. Sie sah sie mit einem breiten Lächeln an. In ihren Armen hielt sie eine Kiste mit Silvesterhüten und Partygeschenken, von denen die Mädchen annahmen, dass sie für die Silvesterparty der Erwachsenen bestimmt waren.
»Wie ich sehe, seid ihr gut angekommen«, sagte die Direktorin in einem freudigen Tonfall. Sie zog zwei glitzernde Trillerpfeifen aus der Schachtel und reichte sie den Mädchen. »Nur zu, pustet mal. Das ist eine meiner Kreationen.«
Die Mädchen sahen sich an und steckten sich die Pfeifen in den Mund. Als sie hineinbliesen, ertönte kein Ton. Stattdessen stiegen magische Luftballons auf und schwebten zur Decke. Dort angekommen platzten sie, woraufhin es magisches Konfetti regnete, das direkt verschwand, als es auf den Boden traf. Alison beobachtete die schimmernde Energie um sie herum und lächelte.
»Das ist echt mega cool!«, rief Izzie aus.
Die Direktorin lachte und richtete sich voller Stolz auf. »Danke! Ich dachte mir, so haben wir den ganzen Spaß einer Silvesterfeier ohne den Stress des Aufräumens!«
»Ich bin sicher, dass das Reinigungspersonal Ihnen dafür danken wird«, kicherte Izzie.
»Wo wollt ihr Mädels hin?«
»Erst gehen wir hoch, um meine Sachen wegzuräumen«, antwortete Alison. »Was wir danach machen wollen, wissen wir noch nicht genau.«
»Okay, gut, wie auch immer. Viel Spaß und vergesst das Abendessen später nicht! Ihr könnt euch schick kleiden. Es ist ja schließlich Silvester.« Misses Berens zwinkerte den Mädchen zu und ging in den Speisesaal.
Izzie und Alison eilten die Treppe hinauf. In ihrem Zimmer angekommen, stellte Alison ihre Sachen auf dem Bett ab und strich über die Daunendecke. Sie atmete tief ein und nahm den Geruch von frisch gewachstem Mahagoni und dem blumigen Waschmittel auf, mit dem die Wäsche gewaschen worden war. Es roch so wie jedes Mal, wenn sie das Zimmer nach einer guten Reinigung betreten hatte und es gab ihr das Gefühl, zu Hause zu sein.
»Ist es seltsam, dass ich mich erst jetzt, wo ich wieder hier bin, endlich entspannen kann?«, fragte Alison.
Izzie zuckte mit den Schultern. »Überhaupt nicht. Ich fühle mich immer so, wenn ich aus Misses Berens Haus hierher zurückkomme und alle wieder da sind.«
Die Mädchen konzentrierten sich darauf, Alisons Sachen auszupacken. Sie brauchte die Hilfe zwar nicht, aber gemeinsam dauerte es nicht so lange und sie konnten schneller zu spaßigeren Aktivitäten übergehen.
»Was sollen wir machen? Solange die Schule noch nicht wieder begonnen hat, können wir tun und lassen, was wir wollen. Wir brauchen für nichts eine Erlaubnis. Ich meine, natürlich hat die Direktorin gern ein Auge auf mich, um sich zu vergewissern, dass ich in Sicherheit bin, aber trotzdem können wir so ziemlich alles anstellen.« Izzie setzte sich auf die Kante von Alisons Bett, während diese die letzten ihrer Socken verstaute.
Alison drehte sich zu Izzie um, lächelte und klatschte in ihre Hände. »Ich habe mir gedacht, da wir im Moment keinen Pass brauchen, könnten wir runter ins Kemana gehen und ein bisschen bummeln. Ich nehme an, da die Feiertage vorbei sind und noch niemand aus den Ferien zurück ist, wird es dort unten nicht so voll sein.«
»Das klingt gut. Ich wollte schon die ganzen Ferien über ins Kemana gehen, aber Misses Berens wollte nicht, dass ich allein dort unten bin und es gab niemanden, der mit mir gehen konnte.«
Alison hakte sich bei Izzie ein und zog sie vom Bett. »Nun, es sieht so aus, als hätten wir einen Plan für den heutigen Nachmittag.«
Die Mädchen schnappten sich ihre Jacken und Stiefel und gingen die Treppe hinunter. Der Weg zum Kemana war nicht allzu lang, aber sie hatten keine Ahnung, wie es dort unten während der Ferienzeit sein würde. Sie überquerten das Gelände und gingen zu der Treppe, die in die unterirdische Stadt führte. Die rot schimmernden Kristalle an den Wänden beleuchteten ihren Weg. Alison liebte es, mit ihrer Hand über die kühlen, glatten Steine zu streichen. Sie konnte fühlen, wie deren Energie durch sie hindurchströmte.
Als sie unten ankamen, traten sie auf die Straße und Izzie bestaunte die immer noch festliche Dekoration. Das Schild des Cafés unten an der Straße war wie eine Weihnachtstasse dekoriert und erregte Izzies Aufmerksamkeit.
»Wir sollten ins Café gehen. Dort gibt es ein saisonales Getränk, das ich unbedingt probieren möchte.« Izzie lächelte und ergriff Alisons Hand.
Alison lachte. »Wenn du noch mehr Koffein zu dir nimmst, schläfst du nie wieder.«
»Ich glaube nicht, dass es koffeinhaltig ist. Yumfuck hat mir davon erzählt. Anscheinend stammt es aus Oriceran.«
Die Mädchen kicherten, als sie die Straße hinunterliefen und zwischen den magischen Wesen hindurchhuschten. Die Leute nutzten den Ausverkauf nach Weihnachten, um günstig Kleidung für Silvester zu erwerben oder sich einfach um die günstigsten Angebote zu reißen. Izzie und Alison wichen einer Horde Kilomea aus und wechselten die Straßenseite.
»Ich frage mich, ob sie jemals lächeln?«, flüsterte Izzie zu Alison.
Alison zuckte mit den Schultern und lächelte amüsiert. »Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich den Anblick ertragen würde.«
Sie lachten immer noch, als sie das Café betraten. Izzie gab die Bestellung auf. Das Mädchen hinter dem Tresen schmunzelte und reichte ihnen jeweils ein Plätzchen auf Kosten des Hauses. Als Alison nach ihrem Portemonnaie griff, legte Izzie ihre Hand auf Alisons und schob sie zurück.
»Das geht auf mich. Ich lade dich ein.«
Alison kicherte. »Da sage ich nicht nein, danke!«
»Also, so wie ich es verstanden habe, verändert sich die Farbwahrnehmung. Ich weiß nicht, was das für dich bedeutet, aber es hält offenbar nur ein bis zwei Minuten an.« Izzie lächelte und reichte ihr das Getränk, während sie sich ihren Weg zurück durch die Menge zur Eingangstür bahnten.
»Wow, jetzt bin ich wirklich gespannt.«
Draußen schaute sich Izzie bei den magischen Heizungskörpern um, die Wärmeblasen um die Tische herum erzeugten. »Machen wir es uns an einem Tisch bequem, anstatt weiter herumzulaufen. Die Heizungen werden uns warm halten und wir können die Leute beobachten.«
»Ich bin voll dabei. Schließlich haben wir Ferien und sollten uns möglichst viel entspannen.«
Die Mädchen setzten sich an einen der runden, glänzenden Metalltische. Jede nahm einen Schluck, dann warteten sie einen Moment lang.
»Mmm«, genoss Alison. »Das schmeckt wie Schokolade, aber mit irgendeiner Frucht vermischt. Ich liebe es. Es ist irgendwie süß, aber nicht zu süß.«
Izzie nickte und als sie sich umsah, veränderten sich die Farben, die sie wahrnahm. Sie ergriff Alisons Hand und drückte sie ganz fest. Sie musste zugeben, dass es sie erstaunte, wie seltsam alles aussah, wenn es nicht die richtige Farbe hatte.
»Wow. Yumfuck hat nicht gescherzt. Die Farben sind anders.« Izzie sah auf ihre Hände hinunter und dann zu Alison. »Mein ganzer Körper sieht grün aus. Du – du siehst auch grün aus. Dein Haar hat diesen verrückten, blassen, lila schimmernden Farbton. Du solltest auf jeden Fall darüber nachdenken, sie so zu färben, denn es steht dir richtig gut!«
Alison lachte und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich mich trauen würde, mit lila Haaren herumzulaufen. Die einzige Person, die ich kenne, die das kann, ist Scarlett. Ich glaube, das liegt daran, dass ihr mir immer von ihren ständig wechselnden Haarfarben erzählt.«
Izzie lachte und sah zu einem Kristall auf, als er an ihnen vorbeiging. Sie lehnte sich zu Alison und nickte dem kalten magischen Wesen zu.
»Der Kristall leuchtet in Regenbogenfarben. Jeder seiner Eiszapfen hat eine andere Farbe. Magische Wesen sind so viel interessanter, wenn sie pink und neongelb aussehen«, kicherte Izzie. »Merkst du schon was?«
Alison blinzelte, als sie die vorbeiziehenden Seelen und Energien betrachtete. Tatsächlich hatten sich deren Farben auch verändert, was sie für einen Moment aus der Bahn warf. Sie konnte nicht mehr unterscheiden zwischen denen, die von der Menge genervt waren und denen, die glücklich waren, dort zu sein.
»Ja und es ist verrückt!« Alison blickte sich um. Sie wollte so viele Eindrücke wie möglich wahrnehmen. »Das macht es mir wirklich schwer, Emotionen zu lesen oder jemanden zu erkennen.«
»Welche Farbe hat meine Seele?«, fragte Izzie und setzte sich in ihrem Stuhl auf.
Alison richtete ihre Aufmerksamkeit auf Izzie und lächelte. »Da sind Ströme von allen möglichen Farben, die sich durch dich hindurchschlängeln. Dein Inneres sieht ähnlich aus, wie das Drachenei.«
Izzie grinste. »Oh, pass auf. Bevor du dich versiehst, wird er riesige Flügel haben und feuerspuckend über die Schule fliegen.«
Alison lachte und dachte darüber nach, wie absolut faszinierend dieses Getränk war, denn auch wenn sich viele Farben änderten, dunkle Magie blieb dunkel. Sie konnte immer noch die wirbelnden schwarzen Ströme sehen, die sich durch die Seelen der dunklen Wesen zogen. Etwas so Mächtiges und Dunkles konnte nicht durch ein einfaches Getränk oder einen Zauberspruch verändert werden.
Izzie kicherte, als sie die bunten Wesen vorbeilaufen sah. »Der normalerweise blaue Himmel vom Kemana ist im Moment neonorange mit erbsengrünen Wolken. Der Himmel sieht aus, wie ich ihn mir während einer Apokalypse vorstelle.«
»Seien wir einfach froh, dass es das nicht ist.« Alison gluckste und stellte ihren Drink ab.
Kurze Zeit später verwandelten sich die Farben zurück in ihren Ursprungszustand. Izzie musste lächeln, als sie all die Leute betrachtete, die ihre Zeit in Ruby Falls genossen, Besorgungen machten und sich in dieser großen magischen Gemeinschaft wohlfühlten. Sie dachte über ihre Visionen nach – oder Albträume, wie sie sie manchmal nannte. Soweit sie sich erinnern konnte, hatten sie bereits angefangen, als sie noch klein gewesen war, jedoch waren sie mit der Zeit immer intensiver geworden. Sie schienen ihr immer so real und lebendig zu sein. Wenn sie aufwachte, wusste sie nicht, was Erinnerung und was Traum war. So oder so, es gab einiges über ihre Vergangenheit, dass sie dringend herausfinden musste.
Sie sah Alison an und überlegte, ob sie ihrer besten Freundin von den Träumen erzählen sollte, hielt dann aber inne. Vielleicht war es besser, noch ein bisschen zu warten, bis sie selbst mehr Informationen hatte.
Alison lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und atmete tief durch. »Es ist wirklich schön, wenn wir nirgendwo sein müssen und nichts zu tun haben. Ich weiß, dass es sich vermutlich bald wieder ändern wird, aber es ist schon sehr entspannend, sich nicht von einem Drama zum nächsten zu hangeln, selbst wenn es nur für einen Nachmittag ist.«
Izzie beschloss, den Nachmittag mit Alison zu genießen, anstatt ihre Freundin mit ihren Problemen runterzuziehen. Sie hatten schließlich noch ein ganzes Schulhalbjahr vor sich. Das bedeutete, dass sie noch eine Menge Informationen über ihre Träume herausfinden konnte und mehr als genug Zeit hatte, um Alison davon zu berichten.
»Du hast recht. Sonst ist gefühlt immer etwas los – vor allem Dinge, mit denen sich normale Schüler nicht herumschlagen müssen. Lass uns einfach den Tag genießen und alles andere morgen angehen.«
Sie wusste, dass es nicht so einfach war. Es gab überall dunkle Magie, aber solange sie noch Ferien hatten und ihre beste Freundin bei ihr war, wollte sie sich amüsieren.
Das schlürfende Geräusch ihrer Strohhalme brachte die Mädchen zum Kichern. Izzie holte tief Luft und genoss die letzten Auswirkungen ihres Getränks. Sie warf einen Blick auf Alison, die offensichtlich das Gleiche tat.
»Sollen wir die Straße hinuntergehen? Wir könnten uns die verschiedenen Geschäfte ansehen.«
Alison nickte. »Hört sich gut an. Es gibt sowieso ein paar Läden, in die ich mal hineingehen möchte.«
Die Mädchen brachten ihre Tassen zurück und schlängelten sich die kopfsteingepflasterten Straßen von Ruby Falls hinunter. Es gab viele Läden, in denen sie noch nie gewesen waren und die Ferien boten ihnen die perfekte Gelegenheit, dies nachzuholen.
»Aya würde diesen Laden lieben«, bemerkte Izzie, als sie vor einem Geschäft mit magisch animierten Porzellanpuppen im Schaufenster stehen blieben. »Es ist zwar ein Puppenladen für Kinder, aber ich muss zugeben, dass er irgendwie gruselig wirkt.«
Alison kicherte, als sie die Energie spürte, die aus dem Inneren des Ladens kam. »Ich kann mir vorstellen, dass er von innen auch so gruselig ist, aber ich muss es nicht unbedingt herausfinden. Vielleicht sollten wir den Puppenladen auslassen.«
»Klingt gut. Schnell weg hier, die Puppen starren mich so bedrohlich an.«
Sie gingen an einigen weiteren Geschäften vorbei und entschieden sich nach einem Blick in die Schaufenster ebenfalls gegen das Eintreten. Es gab nichts, was sie wirklich brauchten und keine von ihnen war in der Stimmung, Kleidung anzuprobieren. Kathleen würde sie schon noch oft genug dafür dorthin schleifen. Als sie an einem alten Buchladen vorbeikamen, ergriff Izzie Alisons Hand und zog sie einen Schritt zurück.
»Oh, das ist genau das, wonach ich gesucht habe. Es ist der alte Buchladen, in dem Peter letztes Jahr sein Buch gefunden hat«, sagte Izzie aufgeregt.
»Los gehts! Ich brauche neuen Stoff zum Lesen, wenn ich mal wieder wach bin und sonst niemand.«
Sie gingen hinein. Die Energie der magischen Bücher reichte für Alison aus, um den ungefähren Inhalt erahnen zu können.
»Bitte sehr, Alison – ein Buch über Hexenfrisuren.« Izzie lachte. »Anscheinend aber aus den 50ern, 60ern und 70ern.«
Alison kicherte. »Oh, Dankeschön. Wir könnten es zu unserem Markenzeichen machen, du mit einem Bouffant und ich mit einer verrückten silbernen Frisur.«
»Hey, Halloween war schon immer meine Lieblingszeit.«
Die Mädchen lachten und durchstöberten weiter die Bücher.
»Wie wär’s mit dem hier? Ich glaube, es ist ein Liebesroman«, meinte Alison grinsend, zog ein Buch aus dem Regal und hielt es Izzie unter die Nase.
»Die 10 besten Liebeszauber der Welt«, las Izzie laut vor und kratzte sich an der Nase. »Ich glaube, ich passe.«
»Ich habe eher daran gedacht, es für Peter zu kaufen oder vielleicht sogar für Ethan, damit dieses Jahr kein Mädchen mehr von ihm angeschrien wird«, lachte Alison und stellt das Buch zurück.
Izzie drehte sich um und griff mit einem Lächeln im Gesicht nach einem Buch dicht vor sich. »Alles, was Sie jemals über Gnome wissen wollten.« Das ist die perfekte Chance, unseren Bibliothekar ein bisschen besser kennenzulernen. Vielleicht können wir sogar herausfinden, wie wir ihm dabei helfen, uns Schüler besser zu verstehen.«
Alison lachte und schüttelte den Kopf. »Oh, so schlimm ist er nicht. Man muss ihn nur besser kennenlernen.«
Izzie legte das Buch zurück und sah Alison gequält an. »Mal sehen.«
Izzie blieb bei der Abteilung für Zaubersprüche stehen und fuhr mit dem Finger über den leuchtenden Rücken eines lilafarbenen Buches mit grün schimmernder Schrift. Sie zog es aus dem Regal und blätterte die erste Seite auf.
»Hey, das ist das Buch, über das Professor Hudson am Anfang des letzten Schuljahres im Unterricht gesprochen hat. Es geht um die verschiedenen Arten von Magie und wie man sie nutzen kann, um stärker zu werden. Vielleicht kann es mir helfen, meine Magie ein bisschen besser zu kontrollieren.«
»Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert«, stimmte Alison nickend zu.
»Ich werde es mir holen. Hast du dir denn schon was ausgesucht?«
»Nee. Mit meinem Blindenschriftübersetzer kann ich jedes Buch aus der Bibliothek in der Schule lesen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dort etwas finde, um mir die Zeit zu vertreiben. Außerdem dürfen wir ab diesem Jahr tatsächlich Bücher ausleihen und nicht nur unter Deckers bösen Blicken an den Tischen in der Bib lesen.«
»Okay, bist du bereit zu gehen?«
»Ja. Nebenan gibt es noch ein Juweliergeschäft, das interessant aussieht«, meinte Alison.
Izzie und Alison gingen zur Kasse, wo eine junge, hübsche Hexe hinter dem Tresen stand und lautstark Kaugummi kaute. Sie sah die Mädchen an und grinste. »Das wären dann siebzehn RF, bitte.« Sie wartete, während Izzie Geld aus ihrem Portemonnaie kramte.
Nachdem Izzie das Buch bezahlt hatte, wickelte die Hexe es in goldenes Seidenpapier ein und überreichte es ihr.
»Danke«, sagte die Verkäuferin freundlich. »Vergessen Sie nicht, dass es am Neujahrstag fünfzig Prozent auf alles gibt! Außerdem veranstalten wir Lesungen. Der berühmte Zauberer Jeffrey Hiligan wird hier sein und über seine Zeit im Kampf gegen die dunklen Familien berichten.«
»Das klingt interessant.« Izzie nickte und warf einen Blick auf Alison. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns morgen auf den Beginn des Unterrichts vorbereiten müssen.«
»Schade«, antwortete das Mädchen und schmatzte mit ihrem Kaugummi.
Die Mädchen verließen den Laden und blieben vor dem Schaufenster des Juweliergeschäfts stehen. Izzie betrachtete ein funkelndes silbernes Freundschaftsarmband in der Auslage. Sie schaute hinüber und sah, wie Alison nach der Eingangstür griff und grinste, bevor sie ihr hinein folgte. Die Mädchen trennten sich und stöberten allein durch die Reihen, ehe sie sich an der Kasse wieder trafen.
Als Izzie an der Reihe war, zog sie ein Stück Papier heraus und schrieb eine Notiz an die Kassiererin, dann deutete sie auf das vordere Fenster. Sie wollte nicht, dass Alison wusste, was sie kaufte. Mit ihren Fingern zeigte sie der Verkäuferin, dass sie gleich zwei Exemplare haben wollte. Eines steckte sie in ihre Tasche, das andere hielt sie fest in der Hand und schlenderte hinüber zu einer Auslage mit Tieren aus Kristall, die entlang der Wand auf hohen Regalen platziert wurden. Sie fand einen gläsernen Hasen, hielt ihn gegen das Licht und bewunderte, wie das Licht verschiedene Farbsprenkel auf ihren Arm warf.
Plötzlich durchfuhr ein scharfer Schmerz ihren Kopf und sie umklammerte das Armband in der einen und das Glashäschen in der anderen Hand. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und geschlossenen Augen entstanden Bilder einer Erinnerung vor ihr. Sie ging ein paar Schritte hinter zwei Menschen, die sie aus dieser Perspektive nicht erkennen konnte. Izzie spürte den Drang, die beiden einzuholen, aber gerade als die Frau sich zu ihr umdrehen wollte, brach die Erinnerung ab und der Schmerz verging.
»Bereit?« Izzie öffnete ihre Augen und bemerkte, dass Alison mit einem Lächeln direkt vor ihr stand. Izzie schüttelte sich und stellte das Kaninchen vorsichtig in das Regal zurück.
»Ja, sicher«, sagte sie ein wenig zitternd. Sie gab sich Mühe, die Erinnerung zu verdrängen, aber die Kanten des Armbands bohrten sich immer noch in ihre Hand und erinnerten sie daran, was gerade passiert war.
Die beiden Mädchen verließen den Laden und gingen über die Straße zu dem großen Springbrunnen, einem Wahrzeichen von Ruby Falls, das von einem kleinen Park umgeben war.
Nachdem sie sich dort gesetzt hatten, drehten sie sich zueinander und sahen sich erwartungsvoll an. Gleichzeitig platzten sie mit ihren Geheimnissen heraus: »Ich habe etwas für dich.«
Sie lachten und reichten sich gegenseitig das exakt gleiche Armband. An dem schimmernden Silberband hing ein kleiner Anhänger. Es war ein Troll, der mit seinem grünen Haarbüschel auf dem Kopf Yumfuck nicht unähnlich sah.
Alison fuhr mit den Fingern über das Armband und lächelte. »Wir werden für immer Freunde sein, oder?«
Izzie griff nach Alisons Hand und drückte sie fest, bevor sie ihr das Armband umlegte. »Für immer ist eine lange Zeit für magische Wesen wie uns, also könntest du mich bis dahin echt satthaben … aber ich hoffe auch, dass wir für immer Freunde bleiben.«
Alison kicherte. »Ich verspreche, dass ich dich nie satthaben werde, du Spinner.«
»Daran erinnere ich dich das nächste Mal, wenn ich dir stundenlang von den Pferden erzähle«, lachte Izzie.
Alison hielt sich an Izzies Arm fest, als sie die Straße hinunter zum nächsten Laden schlenderten und sagte ein wenig ernster: »Wir beide sind zu seltsam, um viele Freunde zu finden und zu stur, um die loszulassen, die wir gefunden haben, also musst du dich einfach an den Gedanken gewöhnen, dass du mich nicht mehr loswirst. Ich gehöre für immer zu deiner Familie. Egal, was in deiner oder meiner Vergangenheit passiert ist oder auch in unserer Zukunft passieren wird, wenn ich sage, dass du für mich zur Familie gehörst, gilt das für immer.«
Izzie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und drückte Alisons Arm fest, gerührt von dem, was ihr gerade gesagt worden war. »Ich weiß nicht viel darüber, wie es ist, eine Familie zu haben, aber jetzt, wo du meine Familie bist, verspreche ich dir, dich nie im Stich zu lassen.«
Alison atmete erleichtert aus und lächelte. »Gut. Jetzt, wo das geklärt ist, lass uns noch ein bisschen weiter shoppen.«
Die Mädchen lachten und betraten den nächsten Laden, der voller seltsamer und geheimnisvoller Dinge war. Alison war in der Lage, die Energie von fast allen Gegenständen in diesem Geschäft zu spüren. Izzie ging einfach hindurch und betrachtete mit großen Augen die ungewöhnliche Ware in den Regalen. Es gab Auslagen mit gruseligen Totenköpfen und versteinerten Schlangen und eine ganze Wand mit kleinen, unbeschrifteten Kräuterfläschchen. In der Mitte des Ladens befand sich ein länglicher Glasbehälter, der einen halben Meter über dem Boden schwebte und eine schmierige blaue Flüssigkeit enthielt. Izzie ging darauf zu und beobachtete, wie sich die Flüssigkeit bewegte und blubberte. Darin schlängelte sich ein kaum zu erkennender silberner Film.
»Wenn du lange genug hinschaust, kannst du deine Vergangenheit, deine Gegenwart und deine Zukunft sehen«, erklärte eine Stimme hinter ihr.
Izzie drehte sich erschrocken um und sah eine alte Frau an – eine Hexe. Ihr braunes Haar war mit weißen Strähnen durchzogen. Ihr Gesicht war faltig und ihr langer Rock am unteren Saum schmutzig, weil er beim Gehen über den Boden schleifte. Alison starrte die Seele der Frau an, ohne dass sie dies zu bemerken schien. Izzie schluckte schwer, wandte sich wieder dem Behälter zu und berührte das überraschend warme Glas mit ihren Fingerspitzen. Sie starrte auf den wirbelnden Silberfilm und Erinnerungen strömten durch ihren Geist. Fast fühlte es sich an, als würde sie wieder in einer ihrer Visionen versinken, doch Alison zog ihre Hand vom Glas weg.
»Ich denke, wir sollten in den nächsten Laden gehen. Ich möchte ein paar Sachen für Brownstone und Shay besorgen.«
»Sicher«, antwortete Izzie und schüttelte sich. Die alte Frau war weg.
Sie warf einen Blick zurück auf den Glasbehälter, als sie Alison aus dem Laden folgte. Selbst für eine Elfe wie sie war dies ein seltsames Erlebnis an einem seltsamen Ort gewesen und sie konnte nicht anders, als sich zu wünschen, der Moment hätte länger angedauert. Sie wollte ihre Vergangenheit sehen – wissen, was wirklich passiert war, woher sie kam und herausfinden, wer sie wirklich ist.
Alison hingegen spürte, dass dunkle Magie durch die Hexe floss und sah, wie die schwarz und grau schimmernde Energie in dem Glasbehälter pulsierte. Als Izzie ihre Hand darauf gelegt hatte, konnte Alison spüren, wie sich ihre Energie veränderte und es hatte so ausgesehen, als würden Teile ihrer Seele in das Glas fließen. Es hinterließ bei Alison ein ungutes Gefühl, aber sie wollte Izzie nicht beunruhigen, also hatte sie sie sanft weggezogen. Nun versuchte sie, Izzie abzulenken.
»Was hältst du von diesem Armband für Shay?«, fragte Alison und ließ ihre Finger über die baumelnden Anhänger eines Armbands im nächsten Laden fahren. »Die Formen sind interessant und es enthält viel Energie. Ist es hübsch?«
»Ich weiß nicht, was sie gerne mag, aber mir gefällt es«, antwortete Izzie und lächelte über den Dolchanhänger, der an dem seilartigen Band hing.
Alison nickte und suchte weiter nach Dingen für ihren Vater und Shay. Auch Izzie sah sich verschiedene Artikel an und stellte fest, dass sie niemanden hatte, für den sie etwas kaufen konnte. Sie hatte der einzigen Person, die sie als Familie betrachtete, ein Freundschaftsarmband gekauft und außer Direktorin Berens gab es wirklich niemanden, dem sie eine Freude machen konnte. Sie schüttelte die Traurigkeit ab und erinnerte sich daran, dass sie den Silvesterabend mit ihrer besten Freundin verbringen würde. Alles Weitere musste auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.