Kapitel 7

D ie anderen Wände der Schule waren ebenfalls mit Plakaten behangen worden. Sie zeigten Schüler aus allen Stufen, die für das nächste Schuljahr kandidierten. Jedes Poster war aufwendig gestaltet und hob eine bestimmte Eigenschaft der Schüler hervor, für die es warb. Einige zeigten ihre sportlichen Fähigkeiten, indem sie Statistiken bezüglich ihrer Wettkämpfe präsentierten und auf Bildern ihre Muskeln zur Schau stellten.

»Wählt Brock. Ich habe die Stärke eines Königs«, rief ein Plakat, als eine Gruppe von Mädchen vorbeiging.

»Das musst du mir nicht zweimal sagen«, meinte eines der Mädchen, woraufhin die anderen kicherten.

Andere Kandidaten präsentierten ihre akademischen Fähigkeiten und wieder andere, wie Kathleen, zeigten ihr Leben außerhalb der Schule.

»Wählt Naomi. Ich bin schon überall gewesen und bringe viel Erfahrung mit, sowohl von der Erde als auch von Oriceran. Wenn jemand weiß, wie man ein Problem löst, dann bin ich das!«

»Wählt Alfie. Ich stamme nicht nur von der Erde, sondern habe auch bedeutende Beziehungen auf Oriceran – die perfekte magische Mischung, die diese Schule braucht!«

Einige der Plakate wurden von Musik oder einer kurzen Rede begleitet, um die Schüler mit Versprechungen und politischen Zitaten anzulocken. Unabhängig davon, was das Plakat sagte oder zeigte, waren sie alle verzaubert, was den Wahlkampf viel spannender machte als den einer normalen Schule.

Kathleen kandidierte als Stufensprecherin für ihr Schuljahr, während Wyatt gegen Scarlett in der Wahl zum Schülersprecher antrat. Sowohl Wyatt als auch Scarlett waren potenzielle Spitzenreiter, obwohl sie zwei sehr unterschiedliche Gruppen von Menschen ansprachen.

»Ich mag Wyatt«, sagte eines der Mädchen. »Er ist klug, gutaussehend, reich und der netteste Typ an unserer Schule. Ich habe das Gefühl, dass er sich aufrichtig kümmern wird.«

»Ja, aber … Scarlett ist unglaublich begabt in Magie und wir alle wissen, dass das wichtig ist, wenn es darum geht, die Schülerschaft zu vertreten und wichtige Dinge durchzusetzen. Außerdem will ich nicht das Risiko eingehen, dass sie rausfindet, dass ich gegen sie gestimmt habe. Sie kann furchterregend sein.«

»Toll, jetzt wählen wir denjenigen, der uns am meisten Angst macht? Ich werde anfangen, sie Stalin zu nennen.«

Es entsprach der Wahrheit. Die meisten Leute hatten tatsächlich Angst vor ihr, aber das war nicht immer nur ein Vorteil für sie. Einige Leute fühlten sich aus Furcht zwar verpflichtet, für sie zu stimmen, aber kaum einer tat es, weil er sie wirklich mochte. Es gab viele, die auf eine bessere Zukunft hofften und sich sofort zu Wyatt hingezogen fühlten.

»Hört mal«, begann Scarlett und wandte sich an ihr Gefolge. »Ich weiß, dass einige Angst vor mir haben. Ich weiß, dass einige zu Wyatt überlaufen werden, aber ich werde nicht zulassen, dass das meine Chance ruiniert. Dann muss ich halt nett sein und ihr auch, also ab sofort und bis auf Weiteres keine Streiche mehr.«

Scarlett wandte sich ab und ging mit einem aufgesetzten Lächeln den Korridor zu den Klassenzimmern hinunter. Sie versuchte, sich von ihrer besten Seite zu zeigen und winkte ein paar Schülern auf ihrem Weg zu. Gegenüber Izzie hatte sie sich aufgrund ihres anhaltenden Konfliktes über die Rollenbesetzung nicht zusammenreißen können, aber für den Rest der Schule wollte sie ein leuchtendes Vorbild sein – hilfsbereit, freundlich und vertrauenswürdig.

Natürlich wussten Izzies Freunde und viele der anderen Schüler in den höheren Jahrgängen es besser, also legte sie ihren Fokus allein auf die jüngeren Schüler. Sie wollten auf keinen Fall auffallen, sich Ärger einhandeln und schon gar nicht in Scarletts Visier geraten.

»Du musst dafür sorgen, dass keine anderen Poster in der Nähe von meinen hängen«, flüsterte Scarlett einem ihrer Lakaien zu. »Besonders nicht die von Wyatt. Seine Plakate verbreiteten einen magischen Nebel, der alle anderen um seine herum verdeckt, sodass man nur noch seins erkennen kann. Billig, aber nicht gegen die Regeln.«

Einer ihrer Freunde sah sie an und hob eine Augenbraue. »Seit wann interessierst du dich für Regeln? Warum machst du nicht einfach das Gleiche oder etwas anderes Fieses mit seinen Postern?«

Scarlett legte ihre Finger an ihre Lippen. »Idiot, wenn ich gewählt werden will, muss ich auch zeigen, dass ich fair spielen kann – oder zumindest während der Wahlen so tun. Ich muss mich besser präsentieren als Wyatt und wir alle wissen, dass er bereits ein Vorbild für viele hier ist. Ich verstehe zwar absolut nicht, warum man diesen ekelhaften Idioten wählen würde, aber sie tun es nun mal. Also bis ich gewählt werde – und ich werde mit Sicherheit gewählt – halten wir uns an die Regeln.«

Scarlett setzte ein weiteres falsches Lächeln auf. Sie ging zu einer der Erstklässlerinnen hinüber und drehte der Lehrerin am Ende des Flurs den Rücken zu. Die Schülerin kritzelte panisch die Antworten für eine Hausaufgabe, die sie vergessen hatte, in ihr Heft und sah Scarlett dann mit Angst in den Augen an. Scarlett lächelte und legte ihre Hand auf die des Mädchens.

»Hier, lass mich mal sehen«, bot sie freundlich an und fuhr mit der Hand über das Heft. Die Antworten erschienen in der Handschrift der Erstklässlerin auf dem Papier.

Diese schaute mit großen Augen in ihr Heft und wieder zu Scarlett und bedankte sich überrascht.

»Kein Problem.« Scarlett zwang sich zu einem Lächeln. »Erzähl es deinen Freunden. Wählt mich zur Schülersprecherin!«

»Ganz sicher«, rief die Schülerin, während sie zum Unterricht eilte.

Scarlett drehte sich zu ihren Freunden um und streckte ihre Arme in die Luft. »Seht ihr, genau so macht man das. Vergesst nicht, allen jedes Mal zu sagen, dass sie für mich stimmen sollen. Es ist wichtig – nein, lebenswichtig – dass ihr meinen Namen erwähnt und wofür ich kandidiere. Sonst nehmen sie vielleicht an, es seien Wyatt und seine Freunde, die ihnen helfen. Alle müssen wissen, was ich für sie getan habe, wenn sie meinen Namen auf dem Stimmzettel lesen.«

Es war nicht das erste Mal, dass Scarlett etwas für eines der jüngeren Kinder getan hatte. Sie hatte wochenlang hinter dem Rücken der Lehrer kleine magische Taten vollbracht, um die Gunst der Mehrheit zu gewinnen. Außerdem ließ sie ihre Freunde oder ihre Lakaien, wie Kathleen sie nannte, ihr überallhin folgen und zog dabei so viele Schüler auf ihre Seite, wie sie nur konnte. Es schien zu funktionieren, denn Wyatt war merklich frustriert von der Anzahl der Unterstufenschüler, die Scarlett unterstützten.

Links im Schatten stand der dritte, weniger bekannte Kandidat für das Amt des Schülersprechers und hielt einen Stapel Flugblätter in der Hand. Sein Name war Farrell.

»Wer ist das?«, fragte Claire.

Scarlett schaute mit einem falschen Lächeln herüber, das schnell verblasste. »Der andere Typ, der antritt. Er ist ein Gestaltwandler oder so etwas und anscheinend macht er es nur, um Aufmerksamkeit für die Probleme der Wandler zu erlangen. Niemand glaubt wirklich, dass er gewählt werden wird. Er ist schüchtern und still und dann ist da natürlich noch diese ganze Wolfssache.«

Einer von Scarletts Lakaien kam näher und folgte ihrem Blick in Richtung des Jungen. »Ich habe gehört, er ist ein Wandler der vierten Generation aus Maine und hatte Schwierigkeiten, seine Wolfsseite zu kontrollieren, also haben ihn seine Eltern hierhergeschickt.«

Die Wandler waren jahrelang immer nur unter sich geblieben und hatten nicht wirklich Kontakt zu den anderen Wesen in der magischen Gemeinschaft gehabt. Vor zwanzig Jahren war die Angst vor Wandlern nicht einmal annähernd so groß gewesen wie zu dieser Zeit. Während einer der vielen Versuche der dunklen Familien, auf der Erde an Macht zu gewinnen, hatte eine dieser dunklen Familien beschlossen, ein Experiment zu wagen. Sie entführten Menschen und machten Gestaltwandler aus ihnen. Zuerst schien es, als würde ihr Plan aufgehen. Die dunkle Familie dachte, sie hätte eine Armee wilder Bestien erschaffen, die sie befehligen konnte, die Lichtwesen und jeden, der sich ihnen in den Weg stellte, anzugreifen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis die dunkle Familie erkannte, dass die Umsetzung ihres Plans fehlerhaft war.

Die Gestaltwandler hörten nicht auf jeden. Ihr Gehorsam galt nur ihrem Rudelführer, dem Alpha. Seit ihrer Erschaffung hatten sich die Wandler zunehmend von den dunklen Familien abgewandt, einige der Hauptmitglieder ausgeschaltet und versucht, ihr freies Leben zurückzuerobern.

Jeder, der die dunklen Familien kannte, war sich sicher, dass sie Vergeltung üben würden und während einer sehr schwierigen Phase zwischen den Menschen und der magischen Gemeinschaft begannen die dunklen Familien mit ihrer Rache. Sie vergifteten die Wandler an öffentlichen Orten, einschließlich Arbeitsplätzen innerhalb der menschlichen Gesellschaft, Veranstaltungen inmitten von Großstädten und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie taten es gerade dann, wenn ein Wandler gezwungen war, seine Kräfte zu kontrollieren. Die magische Gemeinschaft war sich des Problems bewusst, aber konnte viele Jahre lang nichts gegen das böse Blut ausrichten.

»Wählt Farrell als euren Schülersprecher«, rief er und reichte einer Gruppe eines seiner Flugblätter.

Er hatte einen der Professoren gebeten, ihm bei der Erstellung eines magischen Posters zu helfen, aber es war dennoch nicht so gelungen wie die der anderen. Er besaß einfach nicht die Fähigkeiten, die sie hatten, aber dies war auch kein großes Problem für ihn. Sein Wahlkampf basierte darauf, dass er versprach, ein hervorragendes Bindeglied zwischen den Zauberern, Hexen, Elfen und den Gestaltwandlern zu sein. Er wollte beiden Seiten helfen, einander zu verstehen, ohne dass einer benachteiligt wurde. Die Lehrer hielten es für eine fantastische Idee, aber für die Schüler klang es langweilig.

Einer der Jungen nahm den Flyer und schaute ihn sich spöttisch an, dann knüllte er ihn zusammen und warf ihn auf den Boden. »Wenn ich einen Hund als Anführer haben wollte, würde ich meinen Schäferhund von Zuhause mitbringen. Der weiß wenigstens, wie man sich in der Öffentlichkeit benimmt.«

Farrell sagte kein Wort, seufzte nur und beugte sich hinunter, um den zerknitterten Flyer aufzuheben. Er warf ihn in den Papierkorb. An diese Reaktion war er gewöhnt. Er wusste, dass es sehr unwahrscheinlich war, dass er gewinnen würde, aber er fand, dass es an der Zeit war, dass sich die Wandler mehr bemühten, Teil der magischen Gemeinschaft zu werden.

»Hey, Bro.« Allen, einer seiner Freunde und ebenfalls Gestaltwandler, lächelte, kam auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. »Du ziehst die Massen schon noch auf deine Seite.«

Farrell antwortete: »Wohl kaum. Ich stehe hier eher als leichtes Ziel für gestresste Zauberwesen, die sich zwischen den Unterrichtsstunden abreagieren müssen.«

»Hey, Mann, lass dich nicht unterkriegen. Du wusstest, dass es schwer werden würde, aber es ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.«

Am Ende des Flures tauchte eine Gruppe von dunklen Hexen und Zauberern auf, die lachten und sich unterhielten. Farrell umklammerte seine Flyer fester und seine Augen blitzten bernsteinfarben auf. Allen stellte sich neben ihn und beobachtete die Gruppe unauffällig.

»Ich hasse es, dass so viele Kinder der dunklen Familien hier sein dürfen«, brummte Farrell. »Natürlich passieren so noch mehr schlimme Dinge.«

»Ja, mich stört es auch und den Rest der Wandler ebenfalls. Einige der Älteren haben sogar schon im Sommer die Schule gewechselt. Ihre Familien wollten nicht, dass sie mit den dunklen Kindern zu tun haben – nicht, dass ich es ihnen verdenken könnte. Viele unserer Eltern waren schließlich entweder vor zwanzig Jahren selbst Opfer der Attentate oder erinnern sich bis heute nur zu gut an diese Zeit.«

Die dunklen Hexen und Zauberer entdeckten Farrell und Allen und stießen sich gegenseitig mit den Ellbogen in die Seiten. Der Anführer der Gruppe nickte seinen Freunden zu und versuchte, ein Grinsen zu verbergen, als er zu den beiden Wandlern hinüberging.

»Was dagegen, wenn ich einen Flyer nehme?«

Farrell starrte ihn nur an, aber Allen räusperte sich und blähte seine Brust auf. »Ich dachte, ihr feinen Zauberer kümmert euch nicht um dieses Zeug?«

Der Junge mit der dunklen Magie biss die Zähne zusammen und richtete seinen Blick auf Farrell. »Tun wir auch nicht. Ich war nur neugierig, wie es unseren Kreationen hier draußen in der Welt geht.«

Farrell machte einen Schritt auf den Zauberer zu. »Sag das noch einmal, aber beobachte dabei genau, wie eure Schöpfung , dir die Kehle aufreißt.«

»Farrell, hör nicht auf ihn. Er ist nur sauer, dass seine Eltern ihn hierher verbannt haben, anstatt ihn selbst auszubilden. Es muss sich scheiße anfühlen, einer der Zurückgewiesenen zu sein.«

Der Zauberstab des Zauberers rutschte aus seinem Ärmel in seine Hand, gerade als Direktorin Berens um die Ecke bog. Sie schaute zuerst an ihnen vorbei, blieb dann aber stehen, kam hinüber und musterte die drei. Die anderen liefen unauffällig weiter. Sie räusperte sich und hielt ihren Zauberstab in der Hand, neugierig, was hier vor sich ging.

»Ihr Jungs solltet im Unterricht sein. Es gibt doch kein Problem, oder?«

Der dunkle Zauberer grinste und nahm Farrell ein Flugblatt aus der Hand. »Nein, Frau Direktorin. Überhaupt kein Problem. Ich wollte nur sehen, was dieser Kandidat zu bieten hat. Aber ich glaube, es reicht nicht aus, um mein Interesse zu wecken.«

Die Direktorin sah den Zauberer mit zusammengekniffenen Augen an und blickte dann zu Farrell, der sich anscheinend nur schwer zusammenreißen konnte. »Geh in den Unterricht, ich will dich und deine Freunde hier nicht mehr sehen. Hast du das verstanden?«

Die dunklen Schüler nickten und verschwanden fluchend um die Ecke. Misses Berens stieß einen Seufzer aus und sah Farrell an, der immer noch seine Flugblätter umklammerte. Sie blickte zu Allen und nickte ihm zu.

»Warum geht ihr Jungs nicht etwas an die frische Luft, um den Kopf freizubekommen? Wir können dieses Jahr keine unangenehmen Vorfälle gebrauchen.«