Kapitel 13

W ährend der letzten Schulwoche hatten Ethan und einige seiner Freunde, die er inzwischen in der Schülerfirma und im Louper-Team gefunden hatte, heimlich daran gearbeitet, magische Go-Karts für ein Rennen zu bauen. Als sie fertig waren und alle Professoren am Abend zu Bett gegangen waren, schuf die Gruppe eine Rennstrecke auf dem hinteren Teil des Schulgeländes, so weit wie möglich entfernt von den neugierigen Blicken der Lehrer. Einer der Oberstufenschüler, ein Zauberer, den Ethan durch das Team kennengelernt hatte, stand am Rand der Strecke und legte großflächig um sie herum einen Zauber. Solange man sich außerhalb dieser Begrenzung befand, würde man nichts von dem Lärm der Go-Karts oder den jubelnden Fans hören können.

Alle Go-Karts waren magisch ausgestattet und designt worden, um ihre Fahrer zu repräsentieren. Die skurrileren Autos gehörten den Lichtelfen und die edleren Kreationen waren von einigen der älteren Zauberer und Hexen. Es gab sogar Rennautos, die so gestaltet worden waren, dass sie wie Gestaltwandler aussahen. Den Wandlern war offensichtlich von ihren Freunden mit magischen Fähigkeiten geholfen worden. Die einzigen Regeln waren: den Mund halten, pünktlich da sein und niemandem etwas erzählen, der sie bei den Professoren verpetzen konnte. Ethan betrachtete das Rennen als eines der bisher besten Events an der Schule.

»In Ordnung, Rennfahrer, macht euch bereit«, rief eine der älteren Lichtelfen und streckte ihre Hand in die Luft. »Bevor wir beginnen, gehen wir die Regeln durch. Die Strecke ist magisch. Ihr werdet nur ein paar Meter weit vor euch sehen können und die Strecke wird hinter euch verschwinden. Das ist notwendig, damit wir die ganze Angelegenheit einfacher vor den Lehrern verheimlichen können, falls sie doch auf uns aufmerksam werden sollten.« Die Lichtelfe machte eine kurze Atempause. »Hier sind die Rennregeln. Es ist absolut verboten, auf die Spur eines anderen zu fahren, also bleibt in euren eigenen Fahrspuren. Wir wollen keine gefährlichen Unfälle haben. Alle Zaubersprüche sind erlaubt, aber ihr sollt sie nur auf euren eigenen Wagen anwenden. Das bedeutet, dass keine Zaubersprüche gegen jemand anderen eingesetzt werden dürfen, egal wie sehr man gewinnen möchte. Bei Regelverstößen wird die verantwortliche Person vom Rennen ausgeschlossen. Der erste Fahrer, der die Strecke fünfmal gefahren ist, gewinnt das Recht mit dem Sieg zu prahlen und bekommt die Genugtuung, das erste Rennen des neuen Go-Kart-Spektakels gewonnen zu haben, das von unserem großartigen Mitschüler Ethan entwickelt wurde.«

Alle jubelten, woraufhin Ethan in seinem Go-Kart aufstand und sich verbeugte. Auf einem Hügel, ein wenig entfernt, saß Horace in seinem Stuhl und streichelte seinen Hund. Er beobachtete die Schüler, die sich auf das Rennen vorbereiteten und wollte sicherstellen, dass sie es nicht übertreiben würden. Das Letzte, was er wollte, war, dass sich einer von ihnen bei ihrer geheimen und illegalen Aktion schwer verletzte. Jedes Jahr fand ein Haufen von Schülern einen Weg, sich in Schwierigkeiten zu bringen und dieses Schuljahr würde es nicht anders sein. Er seufzte, schüttelte den Kopf und blickte auf die hohen Bäume in der Nähe der Schüler. Vorsichtig zog er ein Fernglas aus seiner Tasche und beobachtete den silbernen Drachen, der von einem Ast aus dem Wettkampf zusah.

Der Ast bog sich unter ihm und Horace konnte sich gut vorstellen, wie er bei jeder Bewegung des Drachens knarrte und knackte. Dorvu war deutlich größer geworden, seit Horace ihn das letzte Mal gesehen hatte und das war erst vor wenigen Wochen gewesen. In Anbetracht dessen, was die Kreatur fraß, war das nicht gerade eine Überraschung. Tatsächlich war der Drache, während er das Treiben der Schüler beobachtete, damit beschäftigt, einen nächtlichen Snack zu sich zu nehmen.

Horace streichelte seinen Hund. »Sieht aus, als würde es noch ein aufregender Abend werden, nicht wahr, mein Junge?«

Der Hund winselte und legte seine Schnauze zwischen seinen Vorderbeinen ab. Horace verfolgte, wie sich die Go-Karts perfekt aufreihten, kein Fahrzeug auch nur einen Zentimeter vor den anderen. Er konnte nicht hören, was gesagt wurde, aber er vermutete, dass das Mädchen vor den Wagen die Regeln erklärte. Einige der Schüler nickten zustimmend, während andere mit den Augen rollten und kicherten, da sie offensichtlich nicht vorhatten, die Regeln zu befolgen. Horace hatte keine Ahnung, warum sie diese Aktion für eine gute Idee hielten, besonders bei so viel Feindseligkeit zwischen den Lichtmagiern, den Gestaltwandlern und den dunklen Kindern. Es war eine dumme Idee, aber was sollte er tun? Sie waren schließlich nur ein Haufen Teenager, die Spaß hatten und ein wenig Energie loswerden mussten.

Als Horace die Menge genauer betrachtete, bemerkte er Izzie und Alison, die auf einem ihrer üblichen nächtlichen Spaziergänge waren und das Geschehen aus dem Schatten am Waldrand heraus beobachteten. Es sah so aus, als würde Izzie jedes Detail der einzelnen Go-Karts und Fahrer auf der Strecke beschreiben, damit Alison es sich besser vorstellen konnte. Horace biss sich auf die Innenseite seiner Wange und sah auf seinen Hund hinunter, dann blickte er wieder auf die immer größer werdende Menge. Langsam glaubte er, dass er doch seinen Hund schicken sollte, um die Direktorin zu warnen. Die Verletzungsgefahr schien ihm immer größer zu werden.

Doch bevor er sich entscheiden konnte, war es schon zu spät. Eine der älteren weiblichen Lichtelfen trat vor die Autos und hob einen Arm. Sie trug einen kurzen Rock, kniehohe Socken und Mary Janes. In ihrer Handfläche begann ein Feuerball zu brodeln, der immer größer wurde, bis er ihre gesamte Hand ausfüllte. Die Menge zählte mit ihr herunter. »Fünf … vier … drei … zwei …«

Als das Mädchen das Startsignal gab, warf sie den Feuerball nach oben, woraufhin dieser wie ein Feuerwerk explodierte. Wegen des Schutzzaubers, den sie um die Strecke gelegt hatten, konnte Horace die Explosion nicht hören, aber sie dennoch sehen. Die Go-Karts starteten, jedes raste seine Strecke entlang und der Staub auf dem Gelände wurde heftig aufgewirbelt. Die Schüler zeigten auf die Wagen und grölten lautstark hinter ihnen her, während die Fahrer versuchten, sich gegenseitig zu überholen.

Horace lehnte sich vor, als der Wald durch die hellen Scheinwerfer und Rücklichter aufleuchtete. Unten auf der Strecke hielt Ethan das Lenkrad fest umklammert, während die Bäume hinter ihm verschwanden und vor ihm wieder auftauchten, ohne seinem Wagen im Weg zu stehen. Ethans Herz klopfte wie wild. Gesichter huschten vorbei und feuerten ihn an. Er blinzelte, konzentrierte sich auf die kurze Strecke, die er vor sich erkennen konnte und riss das Lenkrad nach links, als er merkte, dass er kurz davor war, einen Fahrer neben sich zu rammen. Vor Schreck blieb ihm der Atem kurz stehen, während er vorbeischlitterte und weiter geradeaus raste.

»Führ das Rudel an«, flüsterte Ethan zu sich selbst und sah sich um. Er übernahm die Führung, wenn auch nur für den Moment. Einer der jungen dunklen Zauberer sah mit verengten Augen zu Ethan herüber und griff nach seinem Zauberstab, dann richtete er den Stab auf Ethans Wagen und sendete einen dunklen Sprühnebel aus Magie in seine Richtung. Die Funken waren fast zu dunkel, um sie zu sehen. Die Magie traf Ethans Räder und ließ ihn im Kreis rotieren, sodass er die anderen Autos nur knapp verfehlte, bevor er ins Schleudern geriet und dann zum Stillstand kam.

Ethan schlug mit der Faust auf das Lenkrad, als der dunkle Zauberer mit einem Grinsen im Gesicht davonfuhr. Er konnte nicht glauben, dass er noch vor wenigen Minuten in Führung gelegen und nun keine Chance mehr hatte. Die Regeln waren aus einem bestimmten Zweck aufgestellt worden und obwohl Ethan normalerweise nicht viel von festen Richtlinien hielt, machte es ihn sauer, dass er aufgrund deren Missachtung in seinem eigenen Spiel geschlagen worden war. Er schnallte sich ab und stieg aus, um gegen die Magie seines Rivalen zu protestieren, doch er erstarrte in seinen Bewegungen.

Vom Waldrand her kamen die Direktorin und Professor Hudson über den Hügel angestürmt und direkt auf ihn zu. Schreie ertönten aus der Schülerschaft und die Menge löste sich in verschiedene Richtungen auf. Die älteren Schüler ließen ihre Autos schnell auf die Größe einer Streichholzschachtel schrumpfen, sammelten sie ein und steckten sie in ihre Taschen, bevor sie davonliefen. Ethan zückte seinen Zauberstab und schwenkte ihn. Sein erster Versuch vergrößerte das Go-Kart und er fluchte leise, während er sich Mühe gab, um den Zauberspruch richtig hinzubekommen. Er probierte es immer noch, als die Direktorin näher kam. Panik machte sich in ihm breit.

Nach mehreren Versuchen gelang es Ethan, das Auto so weit zu verkleinern, dass er es packen und im Sprint davonrennen konnte. Ein paar Hügel weiter beschwor Alison einen dichten Nebel, der sich über das Gelände legte und Ethan genug Zeit gab, in die Schule zurückzukehren und sich im Schlafsaal zu verstecken, ohne erwischt zu werden. Izzie sah Alison beeindruckt an, aber sie war nicht völlig überrascht. Alison war einer der loyalsten Menschen, die sie kannte, insbesondere ihren Freunden gegenüber, selbst wenn diese die Regeln brachen.

Professor Hudson packte Misses Berens am Arm, während sie ihren Zauberstab benutzte, um die Nebelwand zu durchbrechen. »Nur Drow verfügen über diese Art von Magie und wir haben nur eine Drow an unserer Schule. Diese beiden Mädchen sind sehr mächtig. Wenn sie ihre Magie jemals gemeinsam zu dunklen Zwecken einsetzen sollten …«

Misses Berens schüttelte den Kopf. »Aber sie sind doch hier an der Schule, damit sie in einer kontrollierten Umgebung lernen, ihre Magie mit Bedacht einzusetzen.«

Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und verschwendete keine weitere Zeit mehr, um in der Dunkelheit nach Schülern zu suchen, die vielleicht noch da draußen waren. Sie wusste, dass sich die Verantwortlichen bereits wieder in den Schlafsälen befanden. Alison hatte dafür gesorgt, dass sie sicher entkommen konnten. Sie stürmte durch den Innenhof und in das Schulgebäude. In ihrem Büro verriegelte sie die Tür hinter sich, nahm die große Box aus ihrem Regal und setzte sich an ihren Schreibtisch. Sie schwenkte ihren Zauberstab über der Kiste und wartete, bis sich die Verriegelungen lösten, bevor sie den Deckel zurückkippte.

Im Inneren bedeckte eine deutlich gestiegene Anzahl schwarzer Flächen die glühenden Lichtkugeln. Die Direktorin wusste, dass sie keine Möglichkeit hatte, aufzuhalten, was auch immer passieren würde. Dennoch fürchtete sie sich davor, zu welchen Konsequenzen es nun führen konnte, dass sie Izzies Erinnerungen gelöscht hatte. Erschöpft schloss sie den Deckel, stützte sich auf die Ellbogen und rieb sich das Gesicht. Sie erkannte immer mehr, dass es ein Fehler gewesen war, den Kindern der dunklen Familien zu erlauben, die Schule zu besuchen. Aber es waren nur Kinder und sie hoffte, dass der Einfluss des Personals und die Lichtmagie um sie herum einen bleibenden Eindruck bei ihnen hinterlassen würden. Außerdem war es wichtig, dass die Schüler lernten, zusammenzuarbeiten, sonst würden sie auch in Zukunft versuchen, sich gegenseitig umzubringen.

Misses Berens wusste, dass jemand mit gutem Beispiel vorangehen musste. Jemand musste sich für den Frieden zwischen den magischen Wesen einsetzen und das war nun einmal am einfachsten, wenn sie noch jung waren. Sie hoffte, dass ihr Handeln zu einer besseren Zukunft führen würde, aber da war immer noch dieses anhaltende Gefühl, dass sie vielleicht die falsche Entscheidung getroffen hatte. Nun konnte sie nur noch abwarten.