I zzie umklammerte Lukes Hand, als sie Alison und Tanner die Treppe hinunter in die Eingangshalle folgten. Alison und Izzie hoben die Röcke ihrer Kleider so weit an, dass sie nicht über den roten Stoff stolperten. Izzies Kleid war lang mit einem Rock aus Tüll. Das von Alison war taillierter und reichte auch bis zum Boden. Kathleen hatte ihren beiden Freundinnen Hochsteckfrisuren mit losen Strähnen, die ihr Gesicht rahmten, gemacht. Alisons silbernes Haar kam dadurch besonders gut zur Geltung und schimmerte im Licht. Tanner und Luke trugen perfekt geschnittene Anzüge mit roten Westen und glänzenden Schuhen. Tanners Krawatte bestand aus rotem Paillettenstoff, während Luke eine Fliege mit Herzen darauf trug. Beide jungen Männer sahen elegant aus und blieben gleichzeitig ihrem persönlichen Stil treu.
Sie gingen in den Speisesaal, der für die Party zum Valentinstag romantisch dekoriert worden war. Auf den Tischen waren Rosen verteilt, die Horace den langen Winter über in den Gewächshäusern gezüchtet hatte. Die Decke war verzaubert, sodass sie wie ein Sonnenuntergang aussah, nur dass die Wolken nicht in Orange- und Rottönen schimmerten, sondern hellrosa waren und das Licht veränderte sich, je später es wurde. Der Boden schimmerte und funkelte in metallischen Rosa- und Rottönen und als die Mädchen ihn betraten, flogen kleine Herzen um ihre Knöchel. Der DJ stand wie immer auf dem kleinen Podest und eine knallrote Tanzfläche war herbeigezaubert worden.
Der Saal war bereits überfüllt, es wimmelte überall von Schülern, die sich darauf freuten, ihre Kleidung und ihre Dates zu präsentieren und sich mit ihren Freunden zu amüsieren. Ethan hatte Grace endlich dazu überredet, ihn zu begleiten. Kathleen hatte zugestimmt, Peters Date zu sein und Aya und Emma waren mit ein paar Oberstufenschülern gekommen. Alison, Izzie, Tanner und Luke gingen auf sie zu und begrüßten ihre Freunde.
»Aya, ich wusste nicht, dass du ein Date hast«, flüsterte Izzie neugierig.
Aya schüttelte den Kopf. »Nein, nein, es ist nicht so, wie du denkst. Emmas Date brauchte ein Date für seinen besten Freund. Wir sind nur als Freunde hier. Er weiß, dass ich zu Hause einen Freund habe.«
Izzie nickte verständnisvoll und drückte Ayas Hand. »Das ist wirklich lieb von dir. Sei nicht nervös, hab einfach eine gute Zeit mit uns allen.«
Aya nickte und sah ein wenig erleichtert aus. Kathleen und Peter näherten sich mit Ethan und Grace im Schlepptau an und umarmten die anderen, aufgeregt. Bevor sie die Chance hatten zu reden, ertönte Musik aus den Lautsprechern und die Tanzfläche wurde freigegeben. Tanner wirbelte Alison auf die Tanzfläche, hielt sie aber immer nah bei sich und nutzte den Moment, um etwas Zeit mit ihr allein zu verbringen. Luke und Izzie tanzten mit den anderen und lachten über die verrückten Bewegungen von Ethan und Peter. Sie waren überrascht, aber begeistert, als Grace mitmachte. Sie war albern, was keiner von ihr erwartet hatte und daher passte sie perfekt zu ihnen.
Nach fünf Liedern waren alle ins Schwitzen geraten und atmeten schwer. Luke beugte sich vor und küsste Izzie auf die Wange. »Ich hole mir schnell etwas zu trinken.«
Izzie nickte und lächelte. »Ich warte hier.«
Sie schmunzelte glückselig vor sich hin, als Luke wegging. Izzie lief zu Alison hinüber und griff nach ihrer Hand. Alison wusste, dass es Izzie war, ohne dass diese etwas sagen musste. Sie nutzte den Moment, um sich nach den Seelen bekannter und neuer Personen umzusehen. Es war seltsam, wie viele der Leute in diesem Raum, dunkle Magie in sich trugen. Sie bemerkte, wie sich fast alle von ihnen an einem Ort versammelt hatten und sich von der Lichtmagie entfernten, als ob diese sie abstoßen würde.
»Hier, bitte.« Luke lächelte und verteilte die Becher mit Punsch, die er vom Buffet mitgebracht hatte.
Alison lächelte dankbar, nahm einen Schluck und stellte den Becher auf dem Tisch neben ihr ab. Der Punsch hatte einen seltsamen Geschmack, den sie nicht zuordnen konnte. Izzie nahm auch einen Schluck und stellte ihren Becher ebenfalls ab, während Luke sein Getränk in zwei Schlucken runterkippte. Er atmete laut aus, wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen und schenkte Izzie ein breites Grinsen, dann hustete er und klopfte sich mit der Faust auf die Brust, als hätte er sich verschluckt. Er schüttelte den Kopf, lächelte und hielt Izzie seine Hand hin. Als sie danach griff, zog er sie zurück auf die Tanzfläche. Sie lachte und die beiden tanzten wild durch den Raum.
Er drehte sie, ließ eine Hand los und wirbelte sie vor sich her. Luke konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte, was über das Jahr, das er hinter sich hatte, eine ganze Menge aussagte. Er hatte es in das Louper-Team geschafft, Izzie geküsst und jeden Tag seit den Winterferien damit verbracht, sich zum ersten Mal in seinem Leben als Teil der magischen Gemeinschaft zu fühlen. Es war ein ekstatisches Gefühl, das er nicht erklären konnte.
Kurz darauf wurde Luke jedoch ein wenig schwindelig. Er massierte seine Stirn und schloss die Augen, als der Raum anfing, sich zu drehen. Als er die Augen wieder öffnete, sah er Izzie immer noch grinsend und tanzend vor ihm stehen, doch nach etwa drei Sekunden nahm er alles nur noch verschwommen wahr. Er schüttelte den Kopf und blinzelte, um sich zu konzentrieren, aber nichts half. Der Raum drehte sich immer noch und er schwankte, leicht besorgt, dass er jeden Moment ohnmächtig werden könnte.
Izzie legte ihre Hand auf seine Schulter, als sie bemerkte, dass etwas nicht stimmte. »Luke, alles okay? Du bist ja ganz blass und schwitzt. Setzen wir uns mal hin!«
Izzie versuchte, ihn von der Tanzfläche zu führen, aber er schüttelte den Kopf und riss sich los, weil ihm plötzlich klar wurde, was gerade passierte. Darauf war er wirklich nicht vorbereitet gewesen. Als Kind hatte er Jahre damit verbracht, zu lernen, den Drang zu kontrollieren, aber in diesem Moment war es, als wäre ihm die Kontrolle entrissen worden. Er war sich nicht sicher, ob er sich noch lange zurückhalten konnte.
»Etwas stimmt nicht«, murmelte er und schob Izzie zur Seite, um sie zu schützen. »Bleib bitte hier und folge mir nicht. Es könnte gefährlich werden. Irgendetwas ist hier falsch.«
Bevor Izzie etwas sagen konnte, rannte Luke eilig zur Tür hinaus. Er wollte Izzie abhängen, bevor sie ihm folgen konnte. Luke bahnte sich einen Weg durch die anderen Schüler, wobei er mehrere Blumenvasen umwarf und sprintete nach draußen. Als er die Treppe erreichte, hielt er nicht an. Er rannte so schnell er konnte in Richtung Wald und mit jedem Schritt zog er ein Kleidungsstück aus. Erst die Krawatte, dann die Jacke und schließlich das Hemd. Er knüllte alles in seinen Händen zusammen und warf die Klamotten ins Gebüsch, in der Hoffnung, dass er sich später daran erinnern konnte, wo sie lagen.
Im Wald angekommen, sah er, dass Farrell ein paar Meter weiter das gleiche Problem hatte. Seine Augen leuchteten bernsteinfarben und an seinem Hals, seinen Armen und den Handrücken hatte sich bereits Fell gebildet. Luke konnte spüren, wie das Gleiche mit ihm geschah. Die stumpfen Kanten seiner Zähne verwandelten sich in die scharfen Reißzähne eines Wolfes. Sein Herz pochte, nicht wegen der Veränderung seiner Gestalt, sondern weil er wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Er war schließlich nicht der Einzige, der die Kontrolle über seine Fähigkeit verloren hatte. Irgendetwas lief ernsthaft schief und es schien, als würden die Wandler angegriffen werden.
Als er tief genug im Wald war, ließ er die Verwandlung geschehen. Er war nicht mehr in der Lage, sich dagegen zu wehren und er wusste, dass er besser denken konnte, sobald er sich verwandelt hatte. Seine Füße wurden zu Pfoten und seine Knochen verschoben sich und knackten, während er die Wolfsgestalt annahm. Als die Verwandlung abgeschlossen war, blieb er in einem Blätterhaufen stehen. Er hörte Izzies Atmen auf der anderen Seite der Felder. Vorsichtig trat er ein paar Schritte in Richtung des Waldrands und blickte zurück zum Haus, wo das schöne Mädchen in dem roten Kleid im Hof stand und das Gelände verzweifelt absuchte.
Alles, was er wollte, war sie zu beschützen und was war nun passiert? Es endete darin, dass er auf dem Schulball mit ihr in seinen Armen die Kontrolle verlor. Die Situation hätte wirklich schlimm ausgehen können, besonders mit all den dunklen Schülern, die nur auf ihre Chance warteten, einen der Wandler anzugreifen. Er hätte sich nie verzeihen können, wenn Izzie seinetwegen in Gefahr geraten wäre, egal, was mit ihm passierte.
* * *
Izzie beobachtete panisch, wie Luke mit dem vertrauten Gelbton in den Augen und einem wilden Gesichtsausdruck aus dem Saal stürmte. Sie hatte seine Wolfsgestalt schon einmal gesehen und wusste, dass er sich jeden Moment verwandeln könnte. Es schien, als hätte er keine Kontrolle mehr darüber. Das war nicht seine Art, also musste etwas nicht stimmen.
Izzie weigerte sich, beiseite geschoben zu werden. Sie war viel zu tapfer, als dass er sie schützen müsste und hatte nicht vor, einfach nur dazusitzen und zu warten, bis Luke zurückkam – falls er überhaupt zurückkam. Sie griff nach dem Rock ihres Kleides und lief durch das Foyer und die Treppe hinunter in den Hof. Dort blieb sie stehen, schaute nach links und rechts und kniff die Augen zusammen, als sie einen Wolf in den Wald rennen sah. Sie begann, über den Hof zu eilen, blieb aber stehen, als Tanner sie am Arm packte.
»Izzie, es ist nicht sicher. Wenn Luke nicht wollte, dass du ihm nachgehst, war es zu deinem Schutz. Da ist offensichtlich etwas im Gange. Bleib hier. Wir holen die Direktorin. Sie hat bestimmt eine Idee, was wir tun könnten.«
Izzie schüttelte den Kopf, sie wollte das nicht hören. Sie hatte nicht vor, Luke einfach so verschwinden zu lassen. Etwas hatte ihn gezwungen, sich zu verwandeln, etwas Dunkles. Sie konnte es in ihrer Brust spüren. Es zerrte an ihr, als ob es nach dem Licht in ihr suchte. Mithilfe eines Energieschubs versuchte sie, Tanner abzuschütteln. Dieser wurde von der starken Energiewelle überrascht, stolperte rückwärts und fiel hin. Es hatte ihn wortwörtlich umgehauen und einen Moment lang starrte Izzie ihn schockiert an. Er wusste, dass sie ihn nicht mit Absicht verletzen wollte und er winkte ab, um ihr zu signalisieren, dass es ihm gut ging.
Tränen füllten ihre Augen, aber sie wollte sich nicht von ihm ablenken lassen. Sie zog ihre hohen Schuhe aus und rannte in Richtung Wald, fest entschlossen, Luke zu suchen und herauszufinden, was los war. Draußen war es eiskalt und es lag immer noch eine dünne Schneedecke auf dem Boden, aber das war Izzie egal. Sie konnte nicht einmal die Kälte an ihren Füßen spüren. Sie stürmte über die Hügel zum Waldrand, kam auf einer Kuppe zum Stehen und suchte die Büsche und Sträucher vor sich ab.
Sie drehte sich nach rechts und ging am Waldrand entlang, in der Hoffnung, dass sie einen Blick auf Luke erhaschen, ihn herauslocken und ihm helfen könnte, sich wieder in seine menschliche Form zu verwandeln. Sie stolperte über etwas und sah auf einen von Lukes Schuhen hinunter. Izzie packte den Schuh und hielt ihn vor sich, bevor sie ihn an ihre Brust drückte. Sie schüttelte den Kopf und blickte tief in den Wald.
»Luke?«, flüsterte sie besorgt.