D irektorin Berens schloss die Türen des Konferenzraums und wandte sich der Gruppe von Lehrern zu, die sich versammelt hatte. Einige von ihnen waren bei der Party gewesen und hatten das Geschehen beobachtet, der Rest war aus ihren Hütten am Fuße des Hügels herbeigerufen worden, um die Situation zu besprechen. Die Lehrer murmelten durcheinander und die Angst unter ihnen war im ganzen Raum spürbar. Die Direktorin setzte sich an das Kopfende des Tisches, schlug die Hände zusammen und presste sie an ihre Lippen. Sie versuchte, sich nicht von der Angst überwältigen zu lassen, solange sie nicht ganz genau wusste, was passiert war.
»Jemand hat die Gestaltwandler vergiftet«, verkündete Professor Hudson lautstark und brachte die Gruppe zum Schweigen.
Es wurde mucksmäuschenstill. Keiner wollte es wirklich glauben, aber es war wahr. Irgendjemand hatte es geschafft, alle Wandler in ihre Wolfsgestalten zu verwandeln und jede Kontrolle, die sie über den Prozess hatten, zu zerstören. Misses Berens musste dies schon einmal erleben, aber es war zwanzig Jahre her, dass so etwas passiert war. Der Rest der Lehrer nahm Platz und starrte die Direktorin an.
»Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren«, erklärte sie ruhig. »Dies ist eine sehr ernste Situation und sie braucht unsere volle Aufmerksamkeit, ohne dass uns unsere Emotionen oder Angst leiten. Wenn Sie sich einen Moment Zeit nehmen müssen, tun Sie das, aber dann muss diese Diskussion fokussiert geführt werden.«
Professor Hodges sah die anderen an und wollte etwas sagen, war aber nervös, was sie denken könnten. Nach ein paar Momenten des Nachdenkens wurde ihm klar, dass er wahrscheinlich in der besten Position war, um etwas zu sagen. Er räusperte sich und holte tief Luft.
»Es ist offensichtlich, dass wir zuerst sicherstellen müssen, dass alle Wandler wohlauf und in der Schule geschützt sind. Dann müssen wir herausfinden, wer dahintersteckt. Das war kein zufälliges Ereignis. Es war auch nichts, das durch den Mond oder einen Zauber ausgelöst wurde. Wir hätten diese Art von Zauber gespürt und alle Wandler, also auch einige Professoren, wären davon betroffen gewesen.«
Die Tür knarrte und Horace trat ein. Er trug einen Becher mit Punsch von der Party bei sich, stellte ihn vor der Direktorin ab und flüsterte ihr ins Ohr. Sie schaute an die Decke und wieder auf den Becher hinunter, dann zog sie ihren Zauberstab und schwenkte ihn darüber. Als die Strahlen der Magie durch die Flüssigkeit darin wirbelten, wurde der leuchtend rote Punsch schwarz.
»Nun, ich denke, wir wissen, was passiert ist.« Misses Berens seufzte und steckte ihren Zauberstab weg.
»Ich denke, es ist offensichtlich, wer dafür verantwortlich war. Für eine sehr lange Zeit haben die dunklen Familien einen Krieg mit den Gestaltwandlern geführt. Ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass es, seit wir mehr Kinder der dunklen Familien an der Schule haben, plötzlich mehr Probleme bezüglich der Gestaltwandler gibt und diese auf einmal ihre Verwandlung nicht mehr kontrollieren können«, schnaubte der Bibliothekar und ballte seine Hände zu Fäusten. Die Mohnblume auf seinem Hut war ungewohnt still.
Seine Aussage rief wieder ein aufgeregtes Flüstern unter den Lehrern hervor und Direktorin Berens musste ermahnend die Hand heben, um sie alle zu beruhigen. »Also gut, beruhigen Sie sich. Ja, es könnte mit den dunklen Kindern zusammenhängen, aber wir dürfen ohne Beweise keine voreiligen Schlüsse ziehen. Als Lehrerschaft der Schule sind wir dafür verantwortlich, jedem Verdacht nachzugehen, bevor wir so etwas einer Gruppe von Kindern anhängen. Wenn wir nicht absolut sicher sind, dass sie dahinterstecken, könnte das zu einem fatalen Überkochen des Konflikts zwischen den dunklen Familien und den Lichtmagiern führen, nicht nur innerhalb der Schule, sondern auch außerhalb.«
»Da stimme ich zu«, antwortete Hodges. »Ich denke, dass das eine zu banale Lösung für die Situation wäre. Ich sage nicht, dass wir das nicht überprüfen sollten, aber ich denke, dass wer auch immer das getan hat, schlauer ist als nur eine Gruppe von dunkelmagischen Kindern, die einen Streich spielen wollten. Die Direktorin hat recht. Wir müssen alle Theorien in Betracht ziehen.«
»Was ist mit den Eltern unserer Schüler? Wenn sie mitbekommen, was passiert ist, wird es ernsthafte Beschwerden geben. Nicht nur bei uns, sondern auch bei der Regierung. Die werden ihre eigenen Schlüsse ziehen und es könnte ein ernsthafter Kampf zwischen der Dunkelheit und dem Licht beginnen. Das dürfen wir nicht zulassen.« Professor Regency sah besorgt aus.
Misses Berens nickte und dachte über die Situation nach. Professor Regency hatte ihre Sorgen auf den Punkt gebracht. Bevor die Neuigkeiten an die Eltern gelangten, mussten sie sich eine Erklärung einfallen lassen. Sie sollten die Verantwortlichen schnellstmöglich finden und für ihre Taten bestrafen. Andernfalls würden alte Wunden aufgerissen und Drohungen ausgesprochen werden, deren Folgen für die magische Gemeinschaft schrecklich sein konnten.
»Gut, dann sollten wir es für uns behalten, bis wir mehr wissen.«
* * *
Der nächste Tag war seltsam, nicht nur für die Schüler, sondern auch für die Lehrer. Ein merkwürdiges Gefühl des Misstrauens ging durch die Flure der Schule und obwohl nicht jeder direkt mitbekommen hatte, was am Vorabend geschehen war, gab es genug Gerüchte, die die Schüler beschäftigten.
Als die Schüler zu Professor Hodges in den Klassenraum kamen, wirkte dieser äußerlich genauso so ruhig und professionell wie sonst auch, doch er grinste sie nicht breit an, wie er es häufig tat. Innerlich kochte er. Er war aufgewühlt und erschöpft von den Ereignissen des Wochenendes, aber die Schüler sollten weiterhin etwas lernen. Am wichtigsten war es nun, den Schulalltag beizubehalten, also tat er sein Bestes, um seine Stimmung zu verbergen und seine Erschöpfung zu überspielen.
»Guten Morgen. Ich weiß, dass einige von euch im Moment andere Sorgen haben, aber ich möchte euch bitten, dass wir alle versuchen, uns zu konzentrieren. Heute werden wir lernen, wie man gewöhnliche Gegenstände verwandelt. Im Grunde ist es eine Art Gestaltwandler-Magie.«
Eine Welle an Geflüster ging durch die Klasse und der Professor wartete, bis sich alle beruhigten. Sobald sich die Atmosphäre wieder entspannt hatte, nahm er sich die Zeit, den Zauber zu erklären und ließ ihn von einigen Schülern für die Klasse demonstrieren. Nachdem es ein paar Schüler probiert hatten, wurden die Tische zum Üben präpariert. Jeder bekam einen großen Holzklotz und alle zückten ihre Zauberstäbe oder benutzten ihre innere Lichtmagie, um den Klotz in ein Spielzeug, eine Vase, einen Stift oder irgendeinen anderen gewöhnlichen Gegenstand zu verwandeln.
Alison fuhr mit den Fingern über das Holz und spürte die Maserung unter ihren Fingern. Langsam schloss sie die Augen, ließ ihre Energie durch ihren Körper und die Arme hinunterfließen. Sie spürte, wie die Hitze durch sie hindurch raste. Vorsichtig berührte sie die gemaserte Oberfläche erneut, ließ die Magie aus sich herausströmen und legte sie wie eine Decke darüber. Der Holzblock schimmerte unter ihrer Magie und wurde zunehmend heller, bis er sich schließlich in einen metallfarbenen Toaster verwandelte. Dies war weit mehr als das, was die anderen Schüler zustande brachten und ihr Lehrer konnte nicht anders, als es zu bemerken.
Professor Hodges ging zu Alison hinüber und legte ihr die Hand auf die Schulter. In seiner Energie erkannte sie müde blaue und graue Strähnen, die sich mit den Farben der Sorge und des Kummers mischten, die er zu verbergen versuchte. Es schien ihm allerdings schwer zu fallen, da er nicht zu der Art von Magie fähig war, die alle anderen im Raum beherrschten. Er beugte sich hinunter und flüsterte ihr zu.
»Komm mal bitte mit mir zur Tür. Ich möchte etwas mit dir besprechen.«
Alison nickte und folgte dem Professor quer durch die Klasse zur Tür. Nur Izzie und Kathleen bemerkten es, aber da Alison das Klassenzimmer nicht verließ, befassten sie sich wieder mit ihren Zaubersprüchen. Der Professor räusperte sich und begann zu sprechen, in der Hoffnung, dass er nicht zu weit ging.
»Du bist anscheinend ein Naturtalent und weißt es nur noch nicht.«
Alison hob eine Augenbraue und kniff die Augen zusammen. »Wie meinen sie das?«
»Drow können das Aussehen von anderen annehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob du das wusstest.«
Alison schüttelte den Kopf. »Ich versuche, so viel wie möglich über sie zu erfahren, aber das wusste ich noch nicht.«
»Sie können sich nicht vollständig in eine andere Spezies verwandeln, aber sie können das Aussehen von ihnen annehmen und sich unbemerkt anpassen. Das haben sie in der Vergangenheit genutzt, um sogar die zu täuschen, die ihnen am nächsten standen. Anscheinend ist die Drow-Magie so mächtig, dass man seine eigene Mutter täuschen könnte. Es ist kein Zauber dafür nötig, zumindest soweit ich weiß. Es hat mehr mit einem Bedürfnis zur Verwandlung zu tun. Wenn du es mit voller Überzeugung willst, übernimmt die Drow-Magie und erlaubt es dir, dich in jemand anderen zu verwandeln.«
Alison starrte ihn an, als ob er verrückt wäre. Sie war sich nicht sicher, warum er ihr das erzählte, aber sie fand es sehr interessant. Sie hatte noch nirgends von dieser Fähigkeit gelesen, aber das wunderte sie nicht. Nicht viele Leute wussten etwas über die Drow-Magie und sie war ein wenig überrascht, dass Professor Hodges so viel Wissen darüber zu haben schien. Wenn sie sich dessen bewusst gewesen wäre, hätte sie ihn früher aufgesucht, aber gleichzeitig war sie sich nicht sicher, was es ihr gebracht hätte.
»Ein Bedürfnis?« Alison neigte ihren Kopf zur Seite, nicht ganz sicher, was er meinte.
»Klar. Wie damals, als du den Nebel über dem Go-Kart-Rennen verbreitet hast. Ich meine, ich nehme an, das warst du. Ich muss es gar nicht wissen. Damals hatte ich nicht gewusst, was du kannst, aber ich muss sagen, du hast das wirklich gut gemacht. Ich wette, du hast es sogar ohne jegliche Vorbereitung oder Energieeinsatz geschafft.«
Alison schaute von rechts nach links, bevor sie nickte. Er schmunzelte und klopfte ihr auf die Schulter, um sie wissen zu lassen, dass sie nicht in Schwierigkeiten war. Sie hatte eine solche Situation wahrscheinlich schon Millionen Mal in ihrem Leben erlebt, aber nie wirklich den Unterschied zwischen einem Zauberspruch und dem puren Wirken ihrer Magie verstanden. Es war kein Schock für ihn gewesen, als er herausgefunden hatte, dass ihre Mutter eine Drow-Prinzessin war, was sie selbst zu einer Prinzessin machte. Natürlich hatte dies auf der Erde nicht das gleiche Gewicht wie auf ihrem Heimatplaneten, aber es bedeutete, dass sie über eine starke und mächtige Magie verfügte, die tiefer ging, als fast jeder an dieser Schule verstehen konnte.
»Siehst du? Du hattest ein Bedürfnis. Warum versuchst du es nicht mal? Konzentrier dich. Denke an etwas bezüglich deines Aussehens, wie zum Beispiel dein Haar. Versuche mal, dein silbernes Haar in eine andere Farbe zu ändern. Wenn es funktioniert, solltest du in der Lage sein, die Energieveränderung zu sehen.«
Alison atmete tief ein und nickte. Einen Versuch war es wert. Sie schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf ihr Inneres, erinnerte sich an die Energien, die um ihre Mutter geflossen waren und was ihr das über sich selbst sagte. Dann verglich sie es mit Izzies Seele und Energie und versuchte, sich so zu verändern, wie sie sich Izzie vorstellte. Die Magie floss durch sie hindurch und Licht schimmerte über ihren ganzen Körper, schlängelte sich wie Ranken um ihre Arme, ihre Beine hinauf und über ihren Bauch. Teile von Alisons silbernem Haar funkelten und schimmerten, wechselten von Braun zu Blond, zu Rot und schließlich wieder zu Silber.
Als sie die Intensität ihrer Magie spürte, atmete sie tief aus und ließ die Magie zurück in ihre Brust. Was sie versuchte, wurde dadurch erschwert, dass sie durch ihre individuelle Art zu sehen, nicht genau wusste, was sie sich vorstellen sollte. Sie öffnete die Augen und betrachtete die Aufregung, die durch die Energie des Professors floss. Er drückte ihre Schulter.
»Das wird noch. Du bist sehr klug. Gib der ganzen Sache Zeit. Außerdem bist du ein Teenager – Dramen gibt es ständig. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du das Bedürfnis, dich zu verwandeln, eher früher als später verspüren wirst.«