Kapitel 21

D as Jahr verging wie im Flug. Ehe man sich versah, zwitscherten die Vögel schon früh morgens vor den Fenstern, der Himmel klarte jeden Tag wunderschön blau auf und die Temperaturen lagen tagsüber nicht mehr unter zwanzig Grad. Es war die schönste Zeit des Jahres.

Izzie und Alison saßen an den Picknicktischen im Hof und genossen die frische Luft. Izzie konnte nicht glauben, wie lebendig alles war. Die Krokusse hatten begonnen zu sprießen und die Narzissen wogen sich in der erfrischenden Frühlingsluft. Alison lehnte sich zurück und schloss die Augen, während sie die Wärme der Sonne auf ihrer Haut spürte. Obwohl sie das Winterwunderland an der Schule liebte, war der Frühling schon immer ihre Lieblingsjahreszeit gewesen. Die Energien um sie herum wurden aktiver und die Seelen der Menschen wurden von fröhlichen und wilden Farben durchflutet.

Kathleen, Emma, Aya, Luke und Tanner folgten Peter und Ethan durch das Foyer und lachten, weil Ethan Peter mit Andeutungen über seinen Aprilscherz triezte. Sie waren alle darauf vorbereitet, an diesem Tag einen großen Bogen um den Speisesaal zu machen. Diejenigen, die doch dorthin gingen, wollten einfach nur herausfinden, welchen Streich Ethan sich ausgedacht hatte, auch wenn sie das in die Gefahr brachte, Opfer des Streichs zu werden.

»Ich denke, ich werde nicht nur darauf verzichten, im Speisesaal zu essen, sondern auch so viel Abstand wie möglich zu dir halten«, informierte Kathleen den Scherzkeks und schüttelte den Kopf. »Es ist mir egal, wie genial dein Scherz letztes Jahr war. Ich denke immer noch, dass der 1. April dämlich ist.«

Ethan schaute über seine Schulter zu Kathleen und zwinkerte ihr zu. »Wenn du denkst, dass das letzte Jahr schon beeindruckend war, dann warte dieses erstmal ab. Es wird dich aus den Socken hauen.«

Peter zeigte auf Ethan. »Ist das eine Andeutung? Hat es was mit Sprengstoff zu tun?«

Ethan lachte und schüttelte den Kopf. »Ich werde dir nicht sagen, was ich vorhabe. Nur so viel: Es wird episch. Okay, also ich kann euch verraten, dass es nicht die Art Explosion ist, die du meinst, Peter. Es tut mir sehr leid, dir das zu sagen, aber nicht jeder ist ein Fan von Feuer.«

Die Freunde prusteten los und gingen hinüber zu Izzie und Alison. Emma klopfte Peter auf die Schulter, was ihn rot werden ließ. Er beobachtete, wie alle anderen Schüler begannen, sich auf den Weg zurück ins Haus zu machen, rechtzeitig für das große Ereignis des Tages, das Debattierturnier.

»Seid ihr bereit, Leute?«, fragte Ethan, klatschte in die Hände und rieb sie aneinander.

Emma hob die Augenbrauen und sah Kathleen an. »Die eigentliche Frage ist, bist du bereit, Kathleen?«

Kathleen rollte mit den Augen und zuckte mit den Schultern. »Bitte! Ich kann diese Idioten im Schlaf in Grund und Boden debattieren.«

Obwohl Kathleen nach außen hin ruhig und kühl wirkte, wusste Alison es besser. Sie sah die wilden Farben der Nervosität, die durch Kathleens Energie rasten und sich dort verdrehten, wo ihre Brust sein musste. Alison fühlte sich schlecht, weil sie glaubte, dass Kathleen nicht wollte, dass jemand über ihre Aufregung Bescheid wusste und es würde sie nur noch mehr in Verlegenheit bringen, wenn Alison es ansprach. Stattdessen stand sie auf und legte ihren Arm um Kathleens Schulter.

»Lasst uns losgehen.«

Die Gruppe machte sich auf den Weg in die Turnhalle, wo der Club der zukünftigen Manager die Reden der Klassensprecherkandidaten vorbereitet hatte. Sie hatten auch eine Debatte zwischen den drei Schülern angesetzt, die für das Amt des Schülersprechers kandidierten. Als sie die Turnhalle betraten, zog sich Kathleen zurück und blätterte in ihren Notizen, während sie sich auf den Weg zur Bühne machte.

»Komm schon, Kathleen, reiß dich zusammen. Es gibt keinen Grund, nervös zu sein«, flüsterte sie sich selbst zu, als sie die Treppe hinaufstieg.

In Wirklichkeit war Kathleen verängstigt und sogar von ihrem Platz auf der Tribüne konnte Alison sehen, wie die Panik in ihrer Energie herumwirbelte.

Sie beugte sich vor und flüsterte Izzie zu: »Kathleen sieht vielleicht aus, als hätte sie alles im Griff, aber ich habe ihre Energie noch nie so nervös gesehen. Meinst du, du könntest ihr irgendwie helfen?« Alison zwinkerte Izzie zu, die leise kicherte.

»Ich denke, ich kann mir etwas ausdenken«, antwortete Izzie und rieb sich ihre Hände.

Izzie beschloss, etwas von ihrer neu entdeckten Kraft einzusetzen, um ihrer Freundin zu helfen. Sie atmete tief ein und drehte ihre Hände mit den Handflächen nach oben. Die Magie floss durch sie hindurch und ihre Haut glühte leicht, während Symbole ihre Arme und ihren Hals auf und ab wanderten. Izzie setzte einen Stoß beruhigender Energie frei, der über die Menge hinweg und auf die Bühne schwebte, wo er sich über Kathleen ergoss und in ihre Haut eindrang, bevor sie es merkte.

Professor Powell, der an der Seite stand, beobachtete die Schüler, als sie ihre Plätze einnahmen, um sicherzustellen, dass niemand Probleme verursachte. Er sah die Symbole auf Izzies Haut aus den Augenwinkeln und studierte sie genau. Er riss den Kopf zur anderen Seite, als er die Direktorin auf der Bühne hörte, aber sie hatte verpasst, was passiert war. Er warf einen Blick auf Kathleen, die jetzt etwas ruhiger wirkte. Sie hatte es geschafft, tief ein- und wieder auszuatmen und entspannte sich langsam, während sie ans Podium trat, um als erste Kandidatin ihre Rede zu halten.

»Willkommen zu den politischen Präsentationen und Debatten, liebe Schüler. Ich danke unserem Club der zukünftigen Manager ganz herzlich für die Organisation«, sagte Misses Berens und klatschte höflich, was den Rest des Publikums dazu zwang, ihrem Beispiel zu folgen. »Für unsere erste Präsentation werden wir Kathleen hören, die für das nächste Jahr als Sprecherin der Mittelstufe kandidiert.«

Die Schüler applaudierten. Ethan, Emma und Aya standen auf, pfiffen laut und machten so viel Lärm, wie sie konnten, bis Kathleen nah am Mikrofon stand. Izzie drückte Alisons Hand, als sie erkannte, dass ihr Zauberspruch funktioniert hatte. Kathleen war wieder so gesammelt und selbstbewusst wie immer, ordnete ihre Notizen auf dem Podium und richtete sich auf.

»Ich möchte meine heutige Rede damit beginnen, allen zu danken, die planen oder zumindest darüber nachdenken, mich bei der nächsten Klassensprecherwahl zu unterstützen. Ich kann euch jetzt schon sagen, dass es mir eine große Ehre wäre, euch während unseres vorletzten Jahres an der Highschool zu vertreten. Es ist ein Jahr der Vorbereitung, ein Jahr der Aufregung und ein Jahr, um Erinnerungen zu schaffen, die uns in unser letztes Schuljahr und darüber hinaus begleiten werden. Eine Sache, die ich gelernt habe, seit ich an dieser Schule bin, ist, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es insbesondere hier an der Schule und in der magischen Gesellschaft kein wir gegen sie geben sollte. In den letzten zwei Jahren gab es mehr Momente, als ich zählen kann, in denen mich Personen überrascht haben, indem sie für mich da waren, obwohl ich dies nie erwartet hätte. Wenn ich mir meine besten Freunde an dieser Schule ansehe, könnte ich mir keine bunter zusammengewürfelte Gruppe vorstellen, aber ich liebe sie alle von ganzem Herzen. Auch wenn wir häufig als Außenseiter zählen, motiviert mich das nur noch mehr, diese Grenzen zu überwinden und für alle, denen es auch so geht, da zu sein. Im Endeffekt geht es nicht darum, wer recht hat oder nicht, wer stärker oder schwächer ist. Dies liegt oft im Auge des Betrachters. Wir sind alle individuell, wir denken alle unterschiedlich, wir handeln alle unterschiedlich und wir haben alle unterschiedliche Wünsche. Ich möchte, dass wir zusammenarbeiten, um jedermanns Träume wahr werden zu lassen. Wenn ich als eure Stufensprecherin gewählt werde, werde ich dafür sorgen, dass wir die magische Welt für unsere Zukunft noch schöner gestalten, als sie schon ist. Danke, dass ihr mir zugehört habt und bitte wählt mich zur Stufensprecherin.«

Alle klatschten erneut und fast drei Viertel der Schülerschaft stand auf, pfiff und johlte laut. Kathleen lachte und knickste, bevor sie vom Podium zurücktrat. Der Rest der Kandidaten stand nacheinander auf und hielt seine Reden. Einer der Bewerber konzentrierte sich auf Ausflüge, die Möglichkeit, jederzeit ins Kemana zu gehen und die Gründung einer Schülergruppe, die den Professoren helfen würde, dunkle Magie aufzuspüren. Er war einer der Schüler, die Angst bekommen hatten, als der Junge im Jahr zuvor von einem Fluch niedergestreckt worden war. Dem letzten der Kandidaten ging es darum, die Erde zu retten, die Umgebung sicher und schön zu halten und alles umzusetzen, was mit Recycling und Umweltfreundlichkeit zu tun hatte.

Als sie fertig waren, betrat Direktorin Berens wieder die Bühne. »Danke, ihr drei, für diese wunderbaren Reden«, sagte sie und klatschte in die Hände. »Jetzt werden wir die drei Kandidaten für das Amt des Schülersprechers hören: Wyatt, Scarlett und Farrell.«

Sobald Farrells Name erwähnt wurde, schrie jemand im Publikum auf. Daraufhin drehte sich die Direktorin um, kniff die Augen zusammen und zeigte mit dem Finger auf den Übeltäter. Scarlett begann und hielt eine mitreißende Rede über das Miteinander und die Hilfe für ihre Mitmenschen. Als sie fertig war, bekam sie von ihren Freunden und der Hälfte der Leute, die Angst vor ihr hatten, stehende Ovationen, während andere verlegen auf den Boden starrten. Scarlett tat nett und behielt die ganze Zeit ein süßes Lächeln auf ihrem Gesicht, obwohl jeder wusste, dass sie tief in ihrem Inneren nicht so freundlich war. Als Nächstes kam Wyatts kurze Rede, dann die von Farrell. Beide waren ziemlich schnell durch, sodass sie mit der Debatte beginnen konnten.

Der Präsident des Club s der zukünftigen Manager trat an das Podium heran, wandte sich an die drei Kandidaten und räusperte sich. »In der Debatte wird es um den Platz der Magie in der heutigen Gesellschaft gehen und darum, ob wir Magie öffentlicher und in Gegenwart der Menschen verwenden sollten, um sie auf die Öffnung der Oriceran-Tore in Tausenden von Jahren vorzubereiten.«

Jeder Kandidat gab seine Meinung ab und diese waren sehr ähnlich. Als Farrell an der Reihe war, begann er zu sprechen, hielt dann aber plötzlich inne und beobachtete, wie eine magische Energiewelle in Form eines Wolfes den Gang hinunter auf ihn zu schoss und durch seinen Körper floss. Normalerweise wäre das ein lustiger Streich für einen Wandler gewesen, aber bei allem, was vor sich ging, wirkte es fast schon wie eine Drohung. Die meisten Schüler dachten, Scarlett sei dafür verantwortlich, aber als Alison sich zu ihr umdrehte und einen Blick auf ihre Seele warf, konnte sie sich das nicht vorstellen. Jemand hat sich in die Wahlen eingemischt und ein magischer Wolf war nur der Anfang.

* * *

Der März verging wie im Flug und ehe sie sich versahen, erwachten die Freunde an einem wunderschönen Frühlingsmorgen, der den April einläutete. Die Schüler schlichen durch ihre Schlafsäle und hielten die Augen nach allem offen, was mit Ethans Scherz zu tun haben konnte. Keiner wollte ihm zum Opfer fallen, aber sie konnten auch nicht den ganzen Tag damit verbringen, ängstlich davor wegzulaufen. Izzie und Alison blieben zurück, um sich fertigzumachen, während sich die anderen auf den Weg nach unten machten, um im Speisesaal zu frühstücken. Jeder ging möglichst vorsichtig durch die Türen und hielt inne, um zu überprüfen, ob er verzaubert worden war. Die Schüler stießen jedes Mal tiefe Seufzer der Erleichterung aus, als sie keine Veränderungen bemerkten.

»Ich weiß nicht, was er geplant hat, aber was auch immer es ist, wir werden es wahrscheinlich alle bereuen, heute unsere Zimmer verlassen zu haben«, flüsterte Alison und brachte Izzie damit zum Kichern, als sie sich auf den Weg nach unten machten.

Die meisten der Freunde saßen an ihrem Stammtisch und aßen, aber Ethan war verdächtig abwesend. Keiner wollte fragen, wo er mit seinen Gedanken war, denn sie glaubten alle, dass er einen Moment für sich brauchte. Als die erste Glocke läutete und das ganze Essen von ihren Tellern verschwand, waren sie erleichtert, dass sie wenigstens das Frühstück überstanden hatten, ohne dass ihnen ein verrückter Streich gespielt wurde. Der Speisesaal leerte sich und alle packten ihre Taschen, um zum Unterricht zu gehen.

Alison und Izzie unterhielten sich über das bevorstehende Louper-Spiel und das Musical. Als sie über die Schwelle des Speisesaals traten, schrien sie auf. Ihre Füße berührten den Boden nicht mehr und es fühlte sich an, als würden sie endlos fallen. Izzie sah sich um, aber nichts als weißes Licht umgab die Mädchen. Alison umklammerte Izzie fest und sah, wie die Energie um sie herumwirbelte. Schließlich verloren sie an Geschwindigkeit und ihre Füße landeten sanft auf dem Boden. Vögel zwitscherten um sie herum. Als sich das Licht auflöste, fanden sie sich inmitten einer großen Gruppe von Mitschülern etwa drei Meilen vom Herrenhaus entfernt am Rande der Obstwiesen wieder.

»Diese kleine Ratte«, stieß Kathleen hervor und kniff die Augen zusammen. »Wir werden alle zu spät zum Unterricht kommen und super verschwitzt und matschig sein, weil wir durch den Schlamm stapfen mussten. Er wird der Einzige sein, der pünktlich da ist, während die Professoren sich fragen, wo zum Teufel wir sind.«

Izzie lachte laut. »Das ist echt der größte Aprilscherz aller Zeiten. Also nicht, dass Ethan uns hierher verfrachtet hat, sondern dass er zum ersten Mal in seinem Leben pünktlich zum Unterricht erscheinen wird.«