D er nächste Spieltag stand unter einem schlechteren Stern als der letzte. Der Himmel über Charlottesville war grau und bewölkt. Ein paar Regentropfen fielen auf die Schüler, die in ihren SGM-Regenjacken und Gummistiefeln auf der Tribüne standen und ihr Team unterstützten. Wie immer saßen Alison, Tanner, Izzie, Kathleen, Emma, Aya und Peter in der ersten Reihe und drückten Luke und Ethan für ihr Spiel gegen die Philadelphia Coyotes die Daumen. Die Spieler der beiden Teams reihten sich auf dem Feld auf und hörten zu, wie der Schiedsrichter die Regeln erklärte und sie dann mit einem Zauber belegte.
Als sie die Augen öffneten, befanden sie sich auf Kauai, der ältesten hawaiianischen Insel. Ihre Stiefel sanken in dem weißen Sand ein, während sie das kristallklare blaue Wasser zu ihrer Linken betrachteten. Zu ihrer Rechten erhoben sich mit grünen Wäldern bedeckte Berge. Die Jungs holten tief Luft und erinnerten sich daran, dass sie sich von der Landschaft nicht ablenken lassen durften, trotz der wunderschönen natürlichen Wasserfälle, versteckten Höhlen, malerischen Berge und üppigen Wälder. Sie spielten gegen die Coyotes und sie mussten einen klaren Kopf behalten.
»Wie der Rest von euch, würde ich mich am liebsten hier hinlegen und Urlaub machen«, scherzte Wyatt. »Aber wir müssen uns alle daran erinnern, was wir hier erreichen wollen. Wir können der Meisterschaft heute einen Schritt näher kommen. Jedes Team, das wir schlagen, bringt unsere Schule näher an den Pokal heran. Wir müssen uns auf unser Spiel konzentrieren, auf jede Gefahr achten und uns gegenseitig den Rücken freihalten.«
Die Jungs nickten alle und klatschten in die Hände, bereit für das Spiel. Sie wussten, dass sich hinter der schönen Landschaft um sie herum die Dunkelheit versteckte und darauf wartete, sie auszuschalten. Manchmal erschien sie in Form einer Person oder Kreatur und manchmal war es die eigentliche Schönheit der Gegend, die einen aus dem Spiel warf. Aus diesem Grund konnten sie nichts und niemandem trauen, nicht einmal dem Sand unter ihren Füßen oder der hellen Sonne am Himmel über ihnen. Luke stand neben Wyatt, nickte und rieb seine Hände. Ethan befand sich gegenüber von den beiden und war bereit zu kämpfen.
Henry räusperte sich und schüttelte seine Arme aus, dann schaute er zu seinen Teamkollegen. »Die Coyotes sind bekannt dafür, unfair zu spielen. Letztes Jahr haben sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit gemogelt.«
Ethan grinste und nickte. »Dann ist das ja mal ein wirklich passender Teamname.«
Henry stimmte zu. »Allerdings, also bleibt wachsam und passt auf euch auf. Luke, du gehst mit deiner Truppe den Berg hinauf. Wyatt, du gehst mit deinem Team den Strand entlang und ich werde mit meiner Gruppe den Wald erkunden. Denkt daran, da draußen gibt es hilfreiche Hinweise und spezielle Waffen, mit denen wir das Spiel gewinnen können. Gebt euer Bestes, Leute. Unsere Trophäe wartet auf uns.«
Die Jungen legten ihre Hände in der Mitte zusammen, wie sie es immer taten. Diesmal riefen sie ihren Schlachtruf nur leise, um ihren Standort nicht zu verraten. Die drei Gruppen brachen in ihre zugewiesenen Richtungen auf. Henry und seine Gruppe schlichen sich wachsam in den Wald und hielten inne, um nach anderen Geräuschen als dem Zwitschern der Vögel zu lauschen. Während sie durch den Wald liefen, blieb Henry plötzlich stehen, um eine Lichtung rechts von ihnen zu erkunden. Dort befand sich eine Truhe, von der er wusste, dass sie diese so schnell wie möglich bergen mussten. Wenn das andere Team zuerst dort ankommen würde, konnte die Truhe verschwinden und sie würden nie erfahren, was in ihr gewesen war.
Als Henry vorwärts schlich, hörte er ein Knirschen von Blättern ein paar Schritte entfernt. Er erstarrte und sah sich einen Moment lang um, dann ging er weiter. Als er den nächsten Schritt machte, packte ihn einer der Spieler des gegnerischen Teams von hinten, hielt ihm den Mund zu und schleppte ihn in eine kleine Höhle hinter der Lichtung, wo er ihn aus dem Spiel nahm. Die anderen, die nicht wussten, dass Henry entführt worden war, gingen weiter und wurden überfallen, als sie den Rand der Lichtung erreichten. Mehrere Coyote-Spieler stürmten auf sie zu, schlugen die Cardinals nieder und verletzten sie sowohl im Spiel als auch im echten Leben.
Draußen auf der Tribüne schlug Izzie wütend ihre Hände auf das Geländer vor ihr, schüttelte den Kopf und zeigte auf die Gruppe. »Die Coyotes sollten sie nicht einmal sehen können. Das sind Betrüger.«
Im Spiel war die Hölle los. Die Coyotes hatten sich in das Spielfeld der Cardinals geschlichen und sie über den ganzen Spielplan hinweg gejagt. Jedes Mal, wenn ein Cardinals-Spieler eine kleine Chance hatte, stieß ihn ein gegnerischer Spieler von der Klippe oder stoppte ihn mit irgendeiner Waffe und schmiss ihn aus dem Spiel. Die Cardinals versuchten, sich zurückzuziehen, aber die Coyotes hatten sie fest im Griff. Es war ein einziges Gemetzel und die Cardinals wussten nicht, was sie tun sollten.
Wyatt und die anderen hatten Wind davon bekommen, was vor sich ging und machten sich auf den Weg in den Wald. Sie versuchten jede noch so kleine Chance zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie sprangen über umgestürzte Bäume und rutschten unter denen hindurch, die sie zu zerquetschen drohten. Die Gruppe wich Pfeilen und Felsbrocken aus, aber die Coyotes lauerten einem nach dem anderen auf. Die Strategie ihrer Gegner ging auf. Nacheinander tauchten die Cardinals alle wieder auf dem Spielfeld der Schule auf und konnten die Insel nicht mehr sehen. Einige von ihnen waren nur leicht verletzt, andere brauchten ernsthafte medizinische Hilfe. Dieses Spiel war anders als die anderen, was die Jungs motivierte, noch härter um den Sieg zu kämpfen.
Wyatt packte Luke am Kragen, zog ihn dicht an sich heran und schüttelte den Kopf. »Sie sind in unserem Spielfeld. Ich weiß nicht, wie sie es gemacht haben, aber sie sind hier drin. Sie attackieren uns. Wir müssen zuerst an die Truhe kommen. Wenn wir die nicht kriegen, finden wir die Trophäe nie und die anderen gewinnen das Ding. Ich glaube, wir sind die Einzigen, die noch übrig sind. Du gehst nach rechts, ich nach links und wir treffen uns in der Mitte der Insel.«
Luke nickte und die beiden stießen ihre Fäuste gegeneinander, bevor sie in entgegengesetzte Richtungen aufbrachen. Luke rannte so schnell er konnte los und wich allem aus, was ihm in den Weg kam. Er konnte in der Ferne etwas erkennen, das er für eine Lichtung hielt, aber als er den Waldrand erreichte, stellte er fest, dass es eine Klippe war. Er schlug mit den Armen um sich, um langsamer zu werden und kam direkt am Rande der Klippe zum Stehen. Er stütze sich auf seine Knie, atmete schwer und lachte. Als er sich umdrehte, um zum Zentrum der Insel zu gelangen, erstarrte er. Ein Coyote, der einen Meter größer als er wirkte, starrte mit einem Grinsen im Gesicht auf ihn herab. Luke hob die Hände und schüttelte den Kopf.
»Was machst du hier? Ihr habt hier nichts zu suchen.«
»Aber wir sind …«
Der Coyote packte Luke am Kragen, ging mit ihm aufs Kliff hinaus und ließ ihn über der Kante baumeln. Sein Gegner lachte und ließ Luke auf die Felsen unter ihnen fallen. Luke öffnete schwer atmend die Augen, sah sich auf dem Feld um und stellte fest, dass er aus dem Spiel genommen worden war. Er rannte zum Trainer hinüber und schüttelte den Kopf.
»Sie schummeln. Sie haben sich bei uns reingemogelt und jeden einzelnen von uns getötet, bis auf Wyatt. Ich weiß nicht, wie er es allein mit ihnen aufnehmen kann.«
Coach Regency verfolgte das Spiel jedoch einfach nur stumm weiter. Wyatt erreichte die Mitte der Insel und fand die Trophäe. Es schien niemand sonst in der Nähe zu sein, aber er ging vorsichtig und streckte seine Arme aus. Er war bereit, sich auf die Trophäe zu stürzen. Luke konnte nicht sehen, was vor sich ging, aber die Zuschauer schrien Wyatt zu, er solle aufpassen. Coach Regency schnitt eine Grimasse, als die Spitze eines Steins Wyatt am Hinterkopf traf.
Wyatt wachte auf dem Feld auf, ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen. Das ganze Team war rausgeflogen und die Coyotes hatten gewonnen. Das bedeutete nicht nur, dass sie die Trophäe verloren hatten, sondern auch, dass sie im Turnier nicht mehr mitspielen konnten. Es war eine ungerechte Tragödie und jeder wusste es, auch die Zuschauer, welche schrien: »Schummler, Schummler!«. Sie sahen, was passiert war und forderten ein faires Spiel, aber das Spiel ging weiter und zeigte die Coyotes in ihrem virtuellen Feld, die das Gelände durchsuchten. Das Spiel war zu Ende, als sie sich die Trophäe schnappten.
Alison, Izzie und der Rest von ihnen standen wie begossene Pudel im Regen. Das ganze Stadion war still, das einzige Geräusch, was man hören konnte, waren die Tropfen, die auf die Metalltribüne prasselten. Die Cardinals ließen ihre Ausrüstung fallen und stellten sich mit gesenkten Köpfen und geballten Händen in der Mitte des Feldes auf, zu wütend, um ihren Fans ins Gesicht zu sehen. Für einige Momente herrschte völlige Stille, dann begann eine Person aus dem Nichts zu klatschen. Eine weitere Person schloss sich an, dann noch eine und noch eine, bis jeder auf der Tribüne laut klatschte, um die Spieler zu ehren. Sie hatten vielleicht nicht die Trophäe gewonnen oder den Turniersieg errungen, aber sie hatten tapfer gekämpft. Sie waren besiegt worden, nicht durch Talent oder Stärke, sondern durch Betrug, zu dem sich die Cardinals nie herabgelassen hätten.
Direktorin Berens klatschte in die Hände, als sie sich auf den Weg zum Spielfeld machte. Sie ging an jedem einzelnen Spieler des Louper-Teams vorbei, schüttelte ihnen die Hände und sagte, dass sie einen fantastischen Job gemacht hatten. Die Menge jubelte, als die Spieler die Köpfe hoben und erkannten, dass sie sich für nichts schämen mussten. Die Direktorin ging zur Mitte des Feldes, hielt ihre glühende Hand an ihre Kehle und ließ ihre Stimme durch das Stadion hallen.
»Die Cardinals haben heute meiner Meinung nach besser gespielt als jedes andere Team, das ich je für eine Schule habe spielen sehen. Sie werden vielleicht nicht als Champions ausgezeichnet oder eine schicke Trophäe mit eingraviertem Namen erhalten, aber heute haben sie nicht nur uns, sondern allen Zuschauern, auch den Coyotes, gezeigt, dass wir eine Schule mit moralischer Stärke und Werten sind. Wir werden uns nicht auf ihr Niveau herablassen. Unter keinen Umständen dürfen wir es zulassen, dass das Betrügerische und Dunkle in unsere Schule einziehen kann. Ich könnte nicht stolzer auf diese Jungs sein und ich denke, sie verdienen eine kleine Belohnung.«
Die Direktorin lächelte, als alle jubelten und schnappte sich den Trainer. »Sagen Sie dem Küchenpersonal, dass es eine Eiscreme-Bar geben soll – genug, um die ganze Schule satt zu machen. Wir feiern die Cardinals dafür, dass sie sich an die Regeln gehalten haben, auch wenn es nicht einfach war.«