4. KAPITEL

»Was denken Sie, wen werden Sie am meisten vermissen?«, hatte Sasha gefragt und hinter der Kamera gelächelt, während eine Frau mir eine kurze Lockenfrisur verpasste und sich dann davonstahl.

»Da bin ich mir nicht ganz sicher«, erwiderte ich und suchte in Gedanken verzweifelt nach einer passenden Antwort. Ich schwitzte im Lichtkegel der Studioscheinwerfer und hatte Bedenken, das ungewohnte Make-up könnte zerlaufen. Wirklich, ich würde niemanden vermissen, zumindest nicht sehr. Die einzigen Leute, die ich in der Stadt kannte, waren meine Arbeitskollegen, und ich setzte alles daran, ihnen außerhalb des Büros nicht über den Weg zu laufen. Es war nicht so, dass es sich bei ihnen um schlechte Menschen handelte, ich spürte nur, wie anstrengend es für mich war, in den Augen dieser Leute normal zu erscheinen. Ich war es leid, so zu tun, als würden mich die Serien interessieren, die sie schauten, oder von den Diäten zu hören, die sie sich auferlegt hatten. Ich hatte keine Lust, mir dauernd ihre Storys von ihren Kindern und Ehemännern anzuhören; und was konnte ich schon beitragen außer ein paar Anekdoten aus meinem unbedeutenden Leben?

»Wahrscheinlich meine Freundin Becca«, sagte ich. »Wir sind zusammen zur Uni gegangen. Wir hatten dasselbe Arbeitsfeld – pharmakologische Botanik.«

Ich brauchte ja nicht zu erwähnen, dass ich schon zwei Jahre nicht mehr mit Becca persönlich gesprochen hatte und die letzte SMS vier Monate alt war. Auf der Uni waren wir gut befreundet gewesen, aber als wir dann im selben Labor arbeiteten, hatte sie ein paar Bemerkungen fallen lassen. Dinge über Mum und was für eine Glucke sie war. »Glucke« hatte sie gar nicht gesagt, sie hatte meine Mutter als Kontrollfreak bezeichnet. Dass Becca zu dieser Zeit mit Owen ausging, hatte die Sache nicht gerade einfacher gemacht. Owen stand arbeitstechnisch auf der gleichen Stufe wie ich, bürdete mir aber ständig seine Arbeit auf und erntete die Lorbeeren. Der gleiche Owen, der einmal zu mir sagte, ich würde Becca im Weg stehen und sie wäre nur viel zu nett, um dagegen aufzubegehren.

Nach diesen Episoden mied ich Becca, bis ich den ganzen Druck nicht mehr aushielt und den Job im Labor an den Nagel hängte. Ich wollte sie nicht mit der Neuigkeit belästigen, als ich meine Eltern verlor. Ich hatte das Gefühl, dass es nicht mehr die enge Freundschaft von früher war.

»Arbeiten Sie mit ihr zusammen?«

»Nein … sie arbeitet noch in dem Labor. Ich habe andere Wege eingeschlagen. Botanik ist inzwischen so etwas wie ein Hobby für mich, kein Job.«

»Und was ist dann Ihr Job?«, fragte Sasha. Natürlich kannte sie die Antwort, weil das Bewerbungsgespräch längst hinter mir lag. Sie fragte es nur für die Kameraaufzeichnung.

»Ich bin in der Verwaltung tätig. Verwaltungsangestellte. In einem Büro für Personalwesen. Zeitarbeit. Um Erfahrungen zu sammeln.« Nicht, dass Erfahrung vonnöten gewesen wäre, um Kaffee zu kochen und Tausende von Berichten alphabetisch zu sortieren. Dennoch, Zeitarbeit bedeutete, dass ich wie eine Fremde behandelt wurde, egal, wo ich angestellt war. Und die meisten Leute ließen mich mit meinen Podcasts allein.

»Was denken Sie, was werden Sie am meisten vermissen? Schokolade? Wein?«, fragte sie weiter.

Sie hatte die offensichtlichen Antworten vorweggenommen, was mich ärgerte. Hinter dem gleißenden Licht der Scheinwerfer bewegten sich Schatten. Irgendwelche Assistenten brachten Equipment an Ort und Stelle. Ich blinzelte, die Wimpern voller Mascara.

»Eine heiße Dusche«, lautete schließlich meine Antwort. »Es gibt nichts Besseres, als aufzuwachen und ausgiebig zu duschen.«

Unser erster Tag auf der Insel begann gleich mit einem Rückschlag. In der Nacht hatte der Wind die Plastikfolien von unserem Gepäck geweht, alles war nass vom Regen. Also keine frische Kleidung, und etwas von Franks Proviant war feucht geworden. Das Holz, das Zoe und ich gesammelt hatten, war ebenfalls nass und ließ sich nicht mehr anzünden.

Es war wieder Duncan, der Vorschläge machte. »Ich denke, als Erstes sollten wir eine sichere Stelle für die Unterkunft suchen. Ein paar von uns machen sich auf den Weg und erkunden die Gegend.«

»Ich glaube nicht, dass wir die Gegend groß erkunden müssen«, entgegnete Maxine. »Wir wissen ja schon, dass die Unterkunft in der Nähe der Wasserquelle sein muss, beim Bachlauf. Der Wald darf auch nicht weit entfernt sein, damit wir das Holz nicht so weit schleppen müssen.«

»Aber wir müssen nicht alle unser Zeug mitnehmen, wenn wir den besten Platz für die Unterkunft suchen«, hielt Duncan dagegen. »Daher wäre es sinnvoll, wenn ein paar von uns nach diesen geheimen Lagern stöbern, die wir finden sollen.«

»Klar, wir brauchen nicht all unser Zeug mitzuschleppen, trotzdem sollten wir uns alle zusammen auf den Weg machen und nach dem geeigneten Standort Ausschau halten. Denn diese Entscheidung sollten wir gemeinsam treffen, denke ich.« Maxine konnte hartnäckig sein. »Außerdem sollten wir festlegen, wie wir in Zukunft Entscheidungen treffen wollen – die einfache Mehrheit scheint mir die beste Option zu sein.«

Duncan quittierte das mit einem Schulterzucken. »Okay, mir soll’s recht sein.«

»Wir sollten uns ranhalten«, meinte Andrew. »Wir haben kein Feuer, und meiner Meinung nach gibt es keinen Grund, hier rumzusitzen und zu palavern. Also los.«

Wir nahmen Wasserflaschen und ein paar andere Dinge mit, die wir im Augenblick für wichtig hielten, und folgten Maxine und Gill zu dem Bach, aus dem sie am Vortag Wasser geholt hatten. Allerdings erwies sich der Weg durch den Wald als ziemlich schwierig. Im Schatten der Bäume war der Boden uneben, bestand aus Unmengen kleinerer moosbewachsener Hügel und Senken, durchzogen von spitzen Steinen. Umgestürzte Baumstämme erschwerten das Vorwärtskommen zusätzlich. Frank fiel bald zurück, ebenso Gill, die vor Anstrengung ganz rote Wangen bekommen hatte. Mein eigenes Fitness-Level war auch nicht besonders, aber ich biss die Zähne zusammen und war entschlossen, mein Bestes zu geben.

Nach einer Weile kamen wir an eine steile Anhöhe, wo der Baumbestand etwas abnahm, und legten eine Rast ein. Der Wildbach hatte sich seinen Weg durch Felsgestein gebahnt, am höchsten Punkt der Anhöhe ergoss sich das Wasser in ein natürliches Becken. Große Steinblöcke säumten den Verlauf des Bachs.

»Das wäre doch keine schlechte Stelle«, meldete sich Zoe zu Wort. »Und das sage ich nicht nur, weil ich außer Puste bin.«

»Sieht fruchtbar aus«, sagte ich und betrachtete das Farnkraut und das satte, dichte Gras. »Wenn wir etwas in der Nähe der Unterkunft anbauen wollen, brauchen wir eine Lichtung wie diese hier, damit die Pflanzen genügend Licht kriegen.«

Gillian, unsere Kleingärtnerin, nickte zustimmend. Ich fragte mich, was für Samen sie wohl mitgebracht hatte. Man hatte uns aufgefordert, »spezielle Vorräte und Ausrüstung« mitzubringen. Für mich bedeutete das, mein schlaues Buch über essbare Pflanzen und Heilkräuter einzupacken.

»Ja, hier ist definitiv genügend Platz für eine anständige Unterkunft«, sagte Duncan zuversichtlich und fing an, die Abmessungen der zukünftigen Behausung abzuschreiten. »Und ausreichend hohe, gerade Kiefern für die Außenwände der Blockhütte.«

»Ist das wirklich die beste Option?«, warf Maxine ein. »Eine Blockhütte? Dafür müssten wir eine Menge Bäume fällen. Wer hat alles richtige Äxte mitgebracht?«

Nur Duncan und Andrew hoben die Hände. Duncan runzelte die Stirn.

»Es hieß, wir alle sollten Werkzeug mitbringen, dazu gehört auch eine Axt.«

»Ich hab eine«, sagte Zoe. »Aber die sieht nicht so aus wie die von Jack Nicholson in Shining . Ist ziemlich klein. Damit kann ich bestimmt keinen Baum fällen – nur Äste fürs Brennholz.«

Ich nickte und sah, dass Shaun und Gillian ebenfalls nickten. Die Axt, die ich eingepackt hatte, war auch nur ein Beil – mit kurzem Griff und kleiner Schneide. Perfekt, um einen Stamm von Ästen zu befreien, aber damit würde ich wohl kaum eine der hohen Kiefern fällen, die über unseren Köpfen im Wind knarrten.

Andrew sah hingegen nicht allzu besorgt aus. »Es würde sowieso zu lange dauern, eine richtige Blockhütte zu bauen. Wir brauchen etwas, das wir schnell hochziehen können und das hält. Denn sonst stapfen wir monatelang jeden Tag vom Strand bis hier oben, ehe wir eine gute Unterkunft fertig haben.«

Das warf weitere Fragen auf. Duncan und Maxine waren offenbar davon ausgegangen, wir würden sofort mit Sack und Pack zu der neuen Stelle umziehen. Am liebsten hätten sie die Paletten und die Plastikfolie geholt, um unseren gegenwärtigen Unterstand auf der Lichtung bei der Anhöhe zu errichten. Frank betonte ruhig, aber nachdrücklich, wie vorteilhaft es sei, eine Notunterkunft unten am Strand zu haben. Denn dort wollte er sein Angelzubehör aufbewahren oder sich unterstellen, wenn ihn der Regen beim Angeln überraschte.

Die Debatte zog sich in die Länge, weil jeder seinen Senf dazugab. Ich musste gleich an die Meetings in dem Büro denken, in dem ich gearbeitet hatte. Uns fehlten nur noch Tee und Kekse. Dennoch, es war unser erster Tag fern der Zivilisation, und keiner von uns war sauer oder versuchte lautstark, sich durchzusetzen. Ich für meinen Teil gab mich damit zufrieden, den anderen zuzuhören und die Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen.

»Also gut, stimmen wir ab«, schlug Duncan vor. »Treffen wir eine Entscheidung. Dann fangen wir an, unser Gepäck zu holen, und legen fest, wohin wir was bringen. Wer ist dafür, dass wir unsere Unterkunft hierherverlegen?«

Duncan, Andrew, Gillian und Shaun hoben die Hände. Duncan seufzte.

»Unentschieden. Kommt, Leute, wir können doch nicht an der ersten Hürde scheitern.«

»Wie wäre es mit einem Kompromiss?«, sagte ich, als sich das Schweigen in die Länge zog. Alle sahen mich an. Ich spürte sofort, dass mir die Aufmerksamkeit zu viel wurde. »Wir … äh, wir könnten ja die nächsten Tage in dem Unterstand bleiben, bis wir genügend Material hier haben, um den Standort zu verlegen. Auf diese Weise bleibt die Fischerhütte, wo sie ist, aber … wir bräuchten nicht wochenlang hin- und herzupendeln.«

Shaun nickte langsam. »Ergibt Sinn. Ich bin dafür.«

Maxine hob die Hand, Zoe, Frank und Shaun taten es ihr gleich. Ich meldete mich ebenfalls.

Duncan zuckte mit den Schultern. »Das wäre dann geklärt.«

Ich war ein bisschen aufgeregt, dass ich einen Weg gefunden hatte, eine Entscheidung herbeizuführen, die uns nicht entzweite. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt bei einem Meeting freiwillig eigene Ideen beigesteuert hatte. Irgendwann hatte ich offenbar aufgehört, mich selbst einzubringen. Wie bei jedem anderen Bereich meines Lebens hatte ich mich gleichsam aufgegeben. Vielleicht war dieses Experiment genau das, was ich brauchte. Vielleicht war es richtig gewesen, die Herausforderung anzunehmen.

Wir losten, wer den Rückweg antreten sollte, um das Werkzeug zu holen. Gill und ich zogen buchstäblich den Kürzeren. Es war mir egal.

»Wie es aussieht, kommen wir alle ganz gut miteinander aus, findest du nicht?«, fragte Gill, während wir dem Verlauf des Wildbachs durch den Wald folgten. »Ich hatte schon befürchtet, einige würden quertreiben, aber bisher halten wir alle zusammen.«

»Ja, so weit, so gut«, stimmte ich zu. »Zumindest haben wir einen guten Standort gefunden. Aber ich freue mich schon, wenn ich ein stabileres Dach über dem Kopf habe.« Nach einigen Schritten fügte ich ein bisschen umständlich hinzu: »Tut mir übrigens leid wegen deiner Mum. Ich hab selbst vor Kurzem meine Eltern verloren. Ist nicht leicht.«

»Ja, war ein Schock für mich. Ich meine, sie war alt und hatte in letzter Zeit eine Menge gesundheitlicher Probleme. Trotzdem, als ich sie fand … Seit der Scheidung hatte ich bei ihr gewohnt und mich um sie gekümmert. Meine Schwester hatte dafür keine Zeit, weil sich bei ihr noch alles um die Kinder dreht. Dann, eines Tages, ging ich nach oben ins Bad, um ihr aus der Wanne zu helfen, doch sie hatte einen Schlaganfall. Sie war in der Wanne ertrunken.«

»Wie schrecklich!«

»Ja, ganz schön scheiße, das kann ich dir sagen. Und dann die Polizei und die Rettungssanitäter im Haus … was für ein Tohuwabohu.« Sie zog eine selbstgedrehte Zigarette aus der Tasche und zündete sie an, nahm einen Zug und räusperte sich.

»Man kann sich gut vorstellen, dass Duncan Captain eines Teams ist, oder?«, sagte sie.

Ich nickte und merkte, dass ich vielleicht zu weit gegangen war. Gut möglich, dass Gill aufgewühlt war und lieber das Thema wechseln wollte.

»Er ist sehr fit und will’s wissen«, sinnierte Gill weiter, während wir das Zubehör durchgingen, das wir im Camp zurückgelassen hatten.

Vermutlich hätte man es nicht diplomatischer ausdrücken können. Bislang hatte ich keinen Grund, Duncan nicht zu mögen, aber etwas an seiner Art ließ mich vermuten, dass er nicht richtig zuhörte, wenn andere etwas sagten. Vielleicht war das unfair von mir. Er konnte einfach besser mit Leuten umgehen als ich. Er war viel selbstsicherer.

Ich hätte mich auf meinen Instinkt verlassen sollen.

»Schätze, die neue Hütte haben wir schnell gebaut«, meinte Gill und schnaufte, als wir schwerbeladen die Anhöhe zum neuen Lagerplatz erklommen. »Jedenfalls hoffe ich es. Das und der Kräutergarten sind die wichtigsten Punkte, um eine gute Grundlage zu haben, auf der wir aufbauen können.«

»Wenn wir alle mit anpacken, schaffen wir das schon«, meinte ich.

Als wir zurückkamen, stand Duncan etwas abseits und erzählte irgendetwas – offensichtlich für die Body-Cam auf seiner Brust. Unterdessen hatte Andrew mit einem Stummelbleistift eine Art Skizze in einem kleinen Notizbuch gemacht. Als Duncan damit fertig war, die Lage für unsere Zuschauer zu umreißen, erklärte uns Andrew, was es mit der Skizze auf sich hatte. Wiederholt zeigte er auf die Lichtung, als könnte er bereits sehen, wie die neue Hütte vor seinen Augen Gestalt annahm.

»Ich habe mich an den Rundhäusern aus der Eisenzeit orientiert. Das ist die beste Wahl, wenn wir unsere Unterkunft schnell hochziehen wollen, sie aber auch groß und stabil genug sein soll, damit wir uns wohlfühlen.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Skizze. »In regelmäßigen Abständen rammen wir dicke Stämme in den Boden. Im Kreis. Die Wände zwischen den Pfählen bauen wir aus Flechtwerk und Lehm. Das Dach läuft spitz zu, wir decken es komplett mit Kiefernzweigen ein.«

»Was ist mit der Feuerstelle?«, wollte Shaun wissen. »Kochen wir im Freien, oder wie?«

»Nein, wir heben in der Mitte der Hütte eine Feuerstelle aus«, erklärte Andrew. »Der Rauch steigt über unseren Köpfen nach oben, sammelt sich unter dem konisch zulaufenden Dach und entweicht langsam durch ein Loch ganz oben in der Spitze.«

»Und woraus bestehen die Außenwände dann genau?«, erkundigte sich Zoe.

»Stellt euch einen Weidenkorb vor – wir brauchen nur dickere Zweige. Dieses Geflecht bewerfen wir mit jeder Menge Schlamm und Lehm, vermischt mit Gräsern und Moos, um die Löcher zu stopfen. Auf diese Weise entsteht eine wasserfeste Außenwand.«

Ich schaute zu Duncan, der auf einem Felsbrocken saß, die Axt mit der Schneide nach unten zwischen den Beinen. Immerhin war er der Zimmermann.

Andrew kam zum Ende seines Vortrags. »Also … brauchen wir eine Abstimmung, oder sind wir alle damit zufrieden?« Wir sahen einander an. Niemand schien weitere Fragen zu haben.

»Meine Sorge ist«, begann Duncan und prüfte das Gewicht der Axt, »dass wir bei dem Bau der Hütte zu viel auf Komfort setzen, aber zu wenig auf Tauglichkeit. Es sagt sich so leicht ›Oh, okay, Bäume fällen ist harte Arbeit‹, aber letzten Endes bekommen wir mit den gefällten Bäumen ein besseres und wärmeres Haus.«

Zoe nahm dankend eine gedrehte Zigarette von Shaun an. »Ich glaube nicht, dass einer von uns das sagt. Es ist nur so, dass wir nicht das entsprechende Werkzeug haben, um schnell so viele Bäume zu fällen. Und wenn ihr mich fragt, möchte ich so bald wie möglich einen festen und trockenen Schlafplatz haben. Also, wenn diese Hütte, die Andrew vorschlägt, zügig gebaut werden kann und auch warm ist, dann wäre das die beste Option.«

Shaun nickte. Ich hatte das Gefühl, dass er bei den meisten unserer Entscheidungen seine Fahne nach dem Wind drehte. Bisher hatte er noch nicht viel eigene Ideen eingebracht. Dennoch, wir hatten Duncan, Maxine und Andrew in der Gruppe, da fehlte uns ein weiterer potenzieller »Anführer« gerade noch.

Duncan schlug wie abwesend mit dem Kopf der Axt auf den Boden. »Gut, wenn nur zwei von uns daran gedacht haben, richtige Äxte mitzubringen, dann ist das wohl die beste Option.«

Ich sah, wie Zoe die Augen verdrehte. Ich konnte ihren Frust nachvollziehen. Es war nicht fair von Duncan, so etwas zu sagen. Niemand hatte uns explizit erklärt, dass alle große Holzfälleräxte bräuchten, außerdem musste jeder an andere Sachen denken, die unerlässlich waren. Maxine hatte alles Nötige zum Einkochen dabei, konnte Nahrung pökeln und überhaupt Essen haltbar machen. Ich hatte mein Botanik-Bestimmungsbuch mitgebracht, und Frank hatte an die Angelausrüstung gedacht. Zum Glück blieb Duncans Bemerkung unkommentiert. Ich denke, da es unser erster Tag war, den wir auf uns gestellt waren, wollte es niemand auf einen Streit ankommen lassen.

Nachdem wir uns auf das Rundhaus geeinigt hatten, teilten wir uns in zwei Arbeitsgruppen auf. Andrew und Duncan sollten mit Hilfe von Shaun und Zoe die ersten Kiefern fällen, um die äußeren Pfähle für die Hütte in den Boden versenken zu können. Äste und Zweige wollten sie mit Sägen entfernen. Der Rest von uns grub Löcher für die Pfähle, später wollten wir Zweige und Stöcke sammeln und mit den Flechtwänden beginnen.

Duncan, über dessen rechthaberisches Verhalten ich mich ein bisschen ärgerte, erwies sich zumindest als jemand, der mit anpacken konnte. Als die Sonne allmählich unterging, hatten wir die Hälfte der erforderlichen Pfähle bereits im Boden verankert, zwei weitere Stämme lagen im Gras und warteten darauf, entastet zu werden. Andrew hatte recht behalten. Bei diesem Tempo hätte es Monate gedauert, eine solide Blockhütte zu konstruieren.

Wir waren alle erschöpft, uns taten Rücken und Arme weh. Die Hände klebten von dem ganzen Harz, unsere Handrücken waren zerkratzt von der rauen Rinde der Kiefern. Auf dem Weg hinunter zum Unterstand am Strand unterhielten wir uns in Zweiergruppen. Alle lächelten.

»Ist das nicht toll?«, meinte Zoe und drehte sich wie eine Tänzerin unter den Kronen der Bäume, die kaum noch Licht durchließen. »Als würde die Welt uns gehören!«