12. KAPITEL

»Wann haben Sie zum ersten Mal realisiert, dass es ernst wird? Wann merkten Sie – ›Ich bin in echten Schwierigkeiten?‹«, fragt Rosie.

Das bringt mich zum Lächeln. Ihre Frage klingt, als ginge es um einen geplatzten Business-Deal. Oder irgendeinen technischen Fehler. Genauso gut hätte sie mich fragen können, wann ich die Hände überm Kopf zusammengeschlagen und Dinge gesagt hatte wie »Wie unangenehm!« oder »Ich muss die Sache neu überdenken.«

Sie kann offenbar nicht nachvollziehen, dass es nicht nur einen Auslöser gab. Ich kann nicht genau sagen, wann es zu dieser Verwerfung kam, wann echter Krieg zwischen uns ausbrach.

Aber ich weiß, wie alles endete. Es endete nämlich damit, dass sie nachts über mich herfielen.

Ich stecke immer noch in meinen Albträumen fest. In der undurchdringlichen Dunkelheit, die es nur gibt, wenn man ohne Strom, Straßenbeleuchtung und erleuchtete Fenster lebt. Das Feuer flackerte noch auf meinen Augenlidern, als ich fortrannte. Ihr Feuer.

Es hatte tagelang geregnet, und die Schneeschmelze hatte den Boden in matschigen Brei verwandelt – das Moos löste sich wie verbrannte Hautfetzen. Ich rutschte, glitt aus, das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich rannte und rannte, wie in einem schlechten Traum, hatte aber das Gefühl, nirgends anzukommen.

Stimmen hinter mir.

»Maaaaddy! Wo biiiist duuuu?«

»Maddy! Komm zurück!«

Ich renne Hals über Kopf durch den Wald. Wenn ich stehen bleibe und die anderen mich finden, werden sie mich zerfleischen. Ich bezweifle nicht, dass sie mich im Wald auf der Stelle töten werden, mit ihren bloßen Händen.

Dann stochert mein Fuß in der Luft, kein matschiger Untergrund mehr. In dem Traum flattert mein Magen. Mein Herz rast. Es fühlt sich an, als würde ich ewig fallen.

Dann schlage ich hart auf dem Boden auf. Im ersten Moment bekomme ich keine Luft mehr, bin wie gelähmt vor Schmerz.

Ich höre wieder Schritte, genau über mir.

An dieser Stelle wache ich für gewöhnlich auf. Fahre aus dem Schlaf hoch, in meinem Bett. Nur dass in jener Nacht alles real gewesen war. Es gab kein Aufwachen. Ich lebte in diesem Albtraum. Mein Leben hing an einem seidenen Faden.