35. KAPITEL

Es geschah irgendein seltsames Wunder, sodass ich nicht im Schlaf starb. Zumindest sah ich das damals so. Hätte ich geahnt, wie nah die Rettung war, hätte ich mich vielleicht mehr angestrengt, hätte mich stärker ans Leben geklammert. Aber so, wie die Dinge nun einmal lagen, hatte ich allen Grund zu glauben, dass mein Schicksal besiegelt war.

Die Kraftreserven, die ich noch gehabt hatte, waren verbraucht, als ich im Camp angekommen war. Ich stellte fest, dass ich nicht mehr allein auf die Beine kam. Die Gewissheit, dass die anderen fort waren, erfasste mich erneut mit Wucht. Die Ungerechtigkeit dessen entfachte in mir einen derart heftigen Zorn, so mörderisch, dass ich erschrak. Während ich nach und nach meinen Verstand verloren hatte, waren sie gerettet worden. Während ich nichts mehr zu beißen gehabt hatte und so gut wie verhungert war, hatte man sie von dieser Insel geholt. Verzweiflung und Zorn durchfluteten mich. Meine Emotionen waren so unbeständig wie der Rest von mir, ich flog von einem Extrem ins andere.

Auf allen vieren kriechend, durchsuchte ich die Hütte, so gut es ging. Ich rechnete im Grunde nicht damit, dass es nach so langer Zeit irgendwo noch Nahrung gab, aber das war alles, was ich zustande brachte. Inmitten der verstreut herumliegenden Klamotten, Schlafsäcke und Werkzeuge fand ich schließlich eines von Maxines Marmeladengläsern. Es war noch zu drei Vierteln voll, wenn auch überzogen von grünem Schimmel. Mit einem Finger kratzte ich die Schicht Schimmel fort und aß etwas von der Beerenmarmelade. Nach einer kurzen Pause kroch ich hinaus auf die Lichtung. Bei der alten Feuerstelle hatte sich Regenwasser auf einem Blechteller gesammelt. Ich trank es mit einem Schluck und lag dann einfach da, mit dem Kopf im Gras.

Als ich wieder aufwachte, wurde es dunkel und unheimlich kalt. Ich schaffte es zurück in die Hütte und merkte, dass ich immer noch meinen Feuerstarter an einem Band um den Hals trug, ebenso das Taschenmesser. Ich hatte Angst gehabt, beides in der Dunkelheit der Höhle zu verlieren. Es gelang mir mit den kürzeren Stöcken aus der Wandverkleidung an den angesengten Innenwänden, ein kleines Feuer zu entzünden. Danach baute ich mir eine Art Nest aus einem Stapel modriger Schlafsäcke und schlief an der Feuerstelle ein.

Am nächsten Morgen aß ich die Marmelade auf und fühlte mich ein kleines bisschen kräftiger als am Tag zuvor. Es ähnelte langsam dem Gefühl, als hätte man eine lange Krankheit überwunden und gewöhnte sich nun wieder daran, aus eigener Kraft gehen zu können. Ich humpelte über die Lichtung, suchte nach essbaren Wildpflanzen und versuchte zu verstehen, wie die Dinge lagen.

Es war klar, dass die anderen fort waren. Ich vermutete, dass sie gerettet worden waren. Denn wenn sie ein anderes Lager bezogen hätten – und dazu hatten sie wohl kaum einen Grund gehabt –, dann hätten sie auch ihre Sachen mitgenommen. Nein, es sah ganz danach aus, dass sie ein Boot entdeckt hatten, dass sie alles zurückgelassen und das Camp verlassen hatten, ohne sich noch einmal umzuschauen. Rund um die Feuerstelle im Freien lagen Teller und Tassen, wie zu den Mahlzeiten. Wäsche verrottete auf einer Leine beim Holzvorrat.

Ich ging davon aus, dass die halb verbrannte Seitenwand der Hütte ein Akt der absichtlichen Sabotage war. Ich wusste ja, wie Duncan und Andrew tickten: Sie waren ebenso rach- wie selbstsüchtig. Wie sie bereits mein Tipi niedergebrannt hatten, so hatten sie auch versucht, die Hütte samt Inventar zu zerstören. Obwohl sie alles zurückgelassen hatten, musste die Vorstellung für sie unerträglich gewesen sein, ich könnte irgendetwas von den Sachen noch gebrauchen. Wäre nicht alles so feucht vom Frühlingsregen gewesen, wäre die ganze Hütte in Flammen aufgegangen.

Am Feuer zerbrach ich mir den Kopf, weil ich herauszufinden versuchte, wann die anderen wohl verschwunden sein mochten. Aber da ich in der Höhle so orientierungslos und verwirrt gewesen war, konnte ich diese Frage kaum beantworten. Reale und eingebildete Stimmen waren ineinander übergegangen, bis ich nicht mehr gewusst hatte, was tatsächlich existierte und was nicht. Als ich an das Gras zurückdachte, das in der Feuerstelle im Camp gewachsen war, glaubte ich, dass ziemlich viel Zeit ins Land gegangen sein musste. Eine Woche vielleicht? Zwei? Wirklich, ich hatte keinen Schimmer. Was für einen Monat hatten wir eigentlich? Ich hatte schon vor langer Zeit den Überblick verloren.

Tatsache war, dass ich allein war. Die Insel war nun wirklich verlassen, und ich hielt es für unwahrscheinlich, dass die anderen ihren Rettern von der Frau erzählen würden, die sie lebendig begraben und zum Sterben zurückgelassen hatten. Nicht einmal Zoe würde etwas sagen, da sie davon ausging, ich hätte Shaun ermordet. Niemand würde kommen, um nach mir zu suchen. Irgendwann kam vielleicht ein anderes Boot vorbei. Aber da es Monate gedauert hatte, bis eines gekommen war, um die anderen zu retten, rechnete ich vorerst nicht damit. Daran konnte ich nichts ändern. Aber ich brauchte mir auch wegen der anderen nicht länger Sorgen zu machen. Ich fühlte mich frei, sicher. Nach den Monaten der Unsicherheit und Furcht erfasste mich dieses Gefühl wie eine Droge.

Natürlich war ich noch schwach, und es war anstrengend, länger als zehn Minuten am Stück auf den Beinen zu sein. Im Umkreis des Camps sammelte ich Sachen zusammen, die ich gebrauchen konnte, blieb aber in der Hütte, um wieder zu Kräften zu kommen. Obwohl sich die Situation nach dem Verlassen der Höhle verbessert hatte, sah es für mich insgesamt immer noch ziemlich düster aus. Ich hatte keine Essensvorräte, keinerlei Hilfe und keine Hoffnung auf baldige Rettung. Ich hauste in einer halb verbrannten Hütte, ohne Ressourcen, und hatte nicht genügend Kraft, irgendetwas in Angriff zu nehmen. Also war ich immer noch in Gefahr, wenn auch nicht mehr unmittelbar und so offensichtlich. Die Insel selbst war nicht mein Feind, aber wenn ich nicht schnell genug wieder zu Kräften kam, würde ich auf Buidseach trotzdem den Tod finden.

Das wilde Grünzeug würde mich niemals mit genügend Kalorien versorgen, um zu überleben. Aber es könnte mir etwas Energie geben und das Verhungern hinauszögern. Ich verbrachte einige Tage damit, in der Nähe der Lichtung nach Essbarem Ausschau zu halten, ehe ich mich weiter von der Hütte entfernte. Pilze waren meine Belohnung; schuppiger Stielporling und Judasohr. Das Sonnenlicht und die frische Luft taten mir genauso gut wie die paar nahrhaften Dinge, die mir jetzt wieder zur Verfügung standen. Meine Kraft kehrte zurück, Stück für Stück.

Während ich nach und nach das Camp erkundete, wurde offensichtlich, dass sich die Dinge verschlechtert haben mussten, ehe das Lager aufgegeben worden war. Die Latrine befand sich immer noch an der Stelle, an der ich sie zuletzt besucht hatte. Da war kein neues Loch ausgehoben worden, und den Unterstand hatte man nicht bewegt. Gestank schlug mir daraus entgegen, und im Wald ringsumher entdeckte ich in kleinen Kuhlen oder hinter Büschen lauter Spuren von Exkrementen.

Auf der Lichtung selbst lagen verstreut Knochen herum. Offenbar Kaninchenknochen, aber einige waren deutlich kleiner – Ratten oder andere Nagetiere. Es machte den Eindruck, als hätten die anderen hier gegessen und die Knochen an Ort und Stelle einfach fallen lassen. Vorher hatten wir eine Art Komposthaufen für Gemüseabfälle und anderen Müll gehabt. Wir hatten ihn regelmäßig umgeschichtet, damit sich alles gut zersetzte und sich kein Schimmel bildete. Der Kompost schien irgendwann übergequollen zu sein – niemand hatte sich mehr darum gekümmert. Jetzt war da nichts als ein ausufernder Haufen, mit Innereien und Kaninchenfellen obendrauf, in denen sich die Maden wanden.

Die Duschkabine fiel in sich zusammen, und wie es aussah, hatten sie Holz davon für das Lagerfeuer benutzt. Auch von dem halb angefangenen Blockhaus. Ich vermutete, dass sie kurz davor gewesen waren zu verhungern, bereits zu sehr geschwächt, um Bäume zu fällen und Stämme zu schleppen. Meinem Eindruck nach hatten sie sich in die Hütte zurückgezogen und sämtliche Arbeiten vernachlässigt. Ein Teil von mir konnte das nachvollziehen. Denn ich war in derselben Situation: Ich war schwach, hatte zu wenig Nahrung und war nicht ausgeruht. Dennoch hatten sie mehr gehabt als ich. Der Gedanke, dass ich in einen Eimer geschissen hatte und gezwungen war, alles da zu vergraben, wo ich lebte, während die anderen eine absolut taugliche Latrine hatten verkommen lassen, brachte mich auf die Palme.

Nachdem ich mir ein paar Tage lang Pilze zubereitet hatte, schaffte ich es bis hinunter zum Strand. Ich nahm einen Rucksack mit Kleidung und einen Schlafsack mit, denn ich traute mir noch nicht wieder zu, an einem Tag zum Strand und zurück ins Camp zu gehen. Ich fand die Überreste meines verbrannten Tipis und die Feuerstellen, die wir genutzt hatten, um uns warm zu halten, während wir auf das Boot gewartet hatten. In den Trümmern meiner alten Unterkunft entdeckte ich sogar meine Nagelschere. Sie sah aus wie ein archäologischer Fund, jahrhundertealt. Es fühlte sich seltsam an, wieder dort zu stehen. So viel hatte sich verändert seit jenem ersten Tag des nutzlosen Wartens. Alles war so schnell gegangen.

Nach dem Marsch zum Strand war ich vollkommen platt und verbrachte die Nacht in meinem Schlafsack neben einem kleinen Feuer. Jeden Tag erntete ich blau-schwarze Miesmuscheln, kochte sie und aß seit Monaten wieder eine gescheite Mahlzeit. Die Vegetation im Wald verriet mir, dass es Frühling sein musste. Vielleicht April oder Mai. Wenn es schon später im Jahr war, wären die Muscheln ungenießbar, aber mir wurde nicht schlecht davon. Immerhin etwas.

An einem Tag, der wärmer als sonst war, zog ich mich am Strand aus. Mein Shirt, das ich schon so lange am Leib trug, dass ich gar nicht mehr wusste, wann ich es überhaupt angezogen hatte, löste sich bereits unter den Achseln auf. Meine Leggings waren stellenweise nahezu mit meiner Haut verwachsen. Unter der Kleidung war ich erschreckend bleich. Die nicht bedeckten Hautpartien waren gebräunt oder vielleicht auch nur dunkler von dem Dreck, der mir in den Poren saß, aber der Rest meines Körpers war gräulich, fast durchscheinend und überzogen von wunden Stellen und Ausschlag. Ich hatte mich schon lange nicht mehr genauer bei Licht betrachten können, und ich hatte das Gefühl, als gehörte mein Körper jemand anderem. Rippen, Hüftknochen und Knie standen deutlich hervor. Meine Brüste waren so gut wie nicht mehr zu erkennen, sie waren zu faltigen Hautpartien geschrumpft. Wenn ich mit den Zehen im Sand wackelte, konnte man Sehnen und Knochen sich wie die Hämmerchen eines Klaviers bewegen sehen.

Nachdem ich mich ordentlich mit einer Handvoll Sand abgerubbelt hatte, nahm ich meine geschwärzte Nagelschere und schnitt mir das Haar büschelweise ab. Ich erkannte es nicht als mein Haar, als es von den Wellen fortgetragen wurde. Das Dunkelblond war einer grauen Schmiere aus Fett und Dreck gewichen, und in dem Filz steckten Zweige, tote Insekten und Spinnenfäden. Ich rieb mir Sand über den geschorenen Kopf, bis die Kopfhaut juckte. Mit ausgebreiteten Armen drehte ich mich im flachen Meer und spürte die Sonne auf meiner rauen, etwas saubereren Haut.

Etwas streifte meine Hüfte. Da es sich anfühlte wie Tang, schaute ich nach, welche Sorte es sein mochte.

Das Ding, das dort im Wasser trieb, war länglich und schmal und weiß und hätte eine Pflanze sein können. Ich brauchte einen Moment, bis ich kapierte, was ich da betrachtete: ein Stück Verbandsstoff. Eine Verbandsrolle hatte sich gelöst und war aufs offene Meer getragen worden. Ich machte einen halben Schritt zurück, als ich mit der Hand an etwas anderes stieß. Eine blutige Mullbinde. Ich schaute mich um und entdeckte andere Dinge im Wasser, die mit der Flut angespült wurden. Eine gelbe Sauerstoffmaske aus einem Flugzeug trieb in meine Richtung. Plastikstücke, ein verkohltes Reisekissen und ein Stück Sicherheitsgurt kamen an mir vorbei. Etwas weiter entfernt dümpelte eine orangefarbene Rettungsweste auf den Wellen.

Ich watete hastig zurück zum Strand und schlüpfte, ohne mich abzutrocknen, in ein langärmeliges T-Shirt. Beide Arme um den Körper geschlungen, weil mir so kalt war, stand ich da und blickte übers Meer. Ein Schauer durchrieselte mich, der nichts mit der Kälte zu tun hatte. Vor Monaten hatte ich mich gefragt, ob es auf dem Festland womöglich zu einer Katastrophe gekommen war. Ich hatte keine Ahnung, was für eine Katastrophe, aber eine, die das ganze Land erfasst hatte – eine Katastrophe, die sämtliche Rettungsdienste lahmgelegt hatte, die in der Lage wären, uns zu helfen. Und jetzt wurde auf einmal dieses Zeug angespült. Hatte es einen Absturz gegeben? Wenn ja, wo waren dann die Rettungsboote und Hubschrauber? Ich hatte nicht einmal in der Ferne Motorengeräusche vernommen. Woher kam dieses Verbandsmaterial? War es zu einem Unfall gekommen, zu einem Angriff? Was ging dort draußen bloß vor sich, während ich auf Buidseach festsaß?

Zum ersten Mal fragte ich mich, ob ich auf der Insel vielleicht sicherer war als auf dem Festland. Ich war davon ausgegangen, dass das, was sich dort draußen abspielen mochte, nicht so schrecklich sein konnte, wie auf Buidseach festzusitzen, mit nichts, ganz ohne Zivilisation. Aber was, wenn ich mich irrte? Was, wenn es dort draußen noch schlimmer war?

Und falls das stimmte, würden die anderen dann auf die Insel zurückkehren, zu ihrem einzigen Rückzugsort?

Bei diesem Gedanken bekam ich es mit der Angst. Ich hatte nicht im Traum darüber nachgedacht, dass sie auf die Idee kommen könnten, dorthin zurückkehren zu wollen, wo sie festgesessen hatten. Aber wenn die Dinge auf dem Festland so schlimm waren, wie ich es mir ausmalte … Welche andere Wahl blieb ihnen dann?

Während ich bis zum Horizont schaute, versuchte ich mir einzureden, dass das unmöglich sein konnte. Wir waren ja nicht im Mittelalter; nichts vermochte ganze Länder binnen Monaten auszuradieren. Wir hatten ein Gesundheitswesen und Elektrizität, globale Hilfsorganisationen, es gab Verträge. Ich musste an meine unbedachte Bemerkung Sasha gegenüber denken, vor all den Monaten. Zombies. Das war genauso lächerlich wie die Vorstellung, dass das Festland vollkommen vernichtet worden war. Doch die Reste, die in der grauen See trieben, erzählten eine andere Geschichte. Ich wollte das nicht an mich heranlassen.

Also machte ich kehrt, eilte in mein improvisiertes Camp und fing an, es abzubauen. Ich war müde, wollte unbedingt am Feuer sitzen und etwas essen. Ich betrachtete meinen Eimer Muscheln und schluckte. Bei der Vorstellung, irgendetwas aus dem Meer zu essen, in dem dies ganze Zeug schwamm, drehte sich mir der Magen um. Was, wenn dort Leichen trieben? Ein Teil von mir wollte den ganzen Inhalt des Eimers ins Wasser kippen. Doch die Stimme der Vernunft wusste, dass ich verhungern würde ohne dies essenzielle Protein. Seit Tagen verzehrte ich Schalentiere von der Küste von Buidseach und hatte bisher keine Probleme bekommen.

Ich legte die Sachen ab, die ich gefunden hatte, und entfachte das Feuer. Wenn ich die Wahl hatte zwischen hungrig sein oder Nahrung aus dem Meer zu mir zu nehmen, das an das betroffene Festland grenzte, dann fiel mir die Wahl leicht. Da ich gerade erst am eigenen Leib erfahren hatte, wie es sich anfühlte, langsam zu verhungern, fürchtete ich mich am meisten vor dem Hungertod.

Dennoch, als ich mich unter dem Sternenhimmel hinlegte, merkte ich, dass sich der Schlaf nicht einstellen wollte. Die See seufzte und rauschte, während die Wellen den Strand überspülten und noch mehr Gegenstände aus der Welt dort draußen anschwemmten. In der Dunkelheit hörte ich, wie die Stimmen zurückkehrten, lachten und in den Bäumen kreischten. Auch wenn ich meine Ohren mit beiden Händen zuhielt, blieben diese Geräusche. Aber ich versuchte trotzdem, sie irgendwie auszublenden. Daher summte ich ein Lied, das ich schon fast vergessen hatte, bis meine Albträume nicht länger warten wollten und mich heimsuchten.

Als das Wetter wärmer wurde, wusste ich, dass es an der Zeit war, zu der Lichtung zurückzukehren. Der Sommer kam. Schalentiere konnte man erst wieder guten Gewissens essen, wenn die kälteren Monate zurückkehrten. Doch bislang hatten sie mir gute Dienste erwiesen. Ich war wieder kräftiger und konnte längere Distanzen zu Fuß zurücklegen, ohne aus der Puste zu kommen. Am wichtigsten aber: Mein Verstand arbeitete wieder schärfer. Ich konnte mich besser konzentrieren und nachdenken, ohne den Faden zu verlieren.

Ich war ruhiger, jetzt, da ich sauber war und den nagenden Hunger gestillt hatte. Und ich bemerkte, dass ich mir wieder Gedanken um die Zukunft machte – was ich schon lange nicht mehr getan hatte. Inzwischen konnte ich nicht länger so tun, als würde bald Rettung nahen. Ein Boot könnte vorbeikommen, aber wie lange mochte das dauern? Vier Monate? Sechs? Ein Jahr? Ich musste planen, oder ich würde nicht lange überleben. Ich musste vorsorgen, damit ich am Leben blieb.

Als ich zur Lichtung zurückkehrte, blieb ich in der Mitte stehen. Eine Woche war es her, dass ich auf allen vieren hier herumgekrochen war, halb irre im Kopf und dem Hungertod nahe. Jetzt blickte ich mich um und stellte mich innerlich auf Arbeit ein. Alles, was wir errichtet hatten, war verfallen und würde bald wieder von der Natur vereinnahmt werden. Da ich bereits die Tage bis zum Winteranbruch zählte, machte ich mich ans Werk.