Die natürliche Reaktion gegen das sich nach allen Seiten hin schroff absperrende Königtum, dessen Majestät sich nur noch in steifem Pomp und leeren Zeremonien äußerte, weckte vor allem seit der Zeit, als dem Alleinherrscher keine glücklichen Siege mehr vollen Glanz verliehen, allmählich den Widerstand sowohl in den adligen Kreisen als auch im gehobenen Bürgertum. Die Sehnsucht nach einem freieren Leben wurde lebendig und fand in den Sitten und Anschauungen bald einen offenen Ausdruck. Die Kunst folgte dem Zug der Zeit und wechselte ihre Ideale. Dieser Umschwung ist in der Architektur, dem Dekorationswesen und in den malerischen Darstellungen abzulesen. Der Nachdruck wird auf Natürlichkeit gelegt, was nicht heißt, dass jetzt die rein volkstümliche Naturwahrheit schon den Sieg errungen hätte, aber im Verhältnis zum pomphaften und heroischen Charakter, den das Zeitalter Ludwigs XIV. angenommen hatte, waren vor allem die Mode und die Lebensregeln doch etwas natürlicher geworden. Es wird eine höfische Idylle gespielt – die Natur wird als Maske genommen.
In der Damenmode wird zu Beginn des 18. Jahrhunderts das Korsett wieder eingeführt. Da die Unterwäsche direkt mit dem Körper in Berührung kommt, ist sie schon immer ein – von den Trägerinnen natürlich bedacht aufrecht erhaltener – Gegenstand männlicher Phantasien gewesen, die durch geschickt angebrachte sichtbare Volants angeregt wurden. Dem Korsett kommt am Körper die gleiche Funktion zu wie einem Gerüst an einem Baukörper, nur mit dem Unterschied, dass hier das Gerüst einen bereits bestehenden Körper umschließt. Die Aufgabe des Korsetts ist und war es, die Körperformen entsprechend der Mode zur Geltung zu bringen. Das Korsett zwingt den Körper, der Mode zu gehorchen, wobei auf die natürlichen Formen oftmals keine Rücksicht genommen wird. Die Brüste werden rund, angehoben, schön geformt oder platt gedrückt, die Hüften werden schmaler oder breiter.