Das italienische Rokoko eröffnet etwa mit einer für seine Mäzenin geschriebenen großen Liebeskanzone des Dichters Metastasio (1698 bis 1782) und endet ungefähr im Jahr 1796 mit dem Tanz der Jakobiner in Rom und Venedig um den Freiheitsbaum. Wie viele völlig unterschiedliche Strömungen, wie viele neue Ideen gaben der beim Klang harmonischer Sonette eingeschlafenen Gesellschaft ein neues Gesicht! Es war eine uns heute seltsam anmutende gepuderte, geputzte, sich ständig höflich vor sich selbst verneigende Gesellschaft, die aber liebend gern die Pfeile vergifteter Verse abschoss. Auf den ersten Blick war nichts als Verfall zu sehen, aber diese neuen Ideen waren wie ein reißender Strom, der alles, was in den vergangenen Jahrhunderten errichtet worden war, fortzureißen schien – aber diese Flut trug bereits den Keim von etwas Neuem in sich.
Auch in Italien waren die Stützen des Barock die Macht der Aristokratie und das Übergewicht der Geistlichkeit. Die Machthaber bedurften des unterstützenden äußeren Pomps in Sitte, Toilette und Architektur, um ihren despotischen Standpunkt zu unterstreichen. Der Klerus, stolz auf den Sieg in der Gegenreformation, strebte ebenfalls danach, seine hervorragende Stellung in Kunst und Literatur zu behaupten. Dies ging aber alles nur so lang, bis die Aristokratie nicht nur verarmte, sondern sich sogar weitgehend verschuldete und damit ihre Sonderstellung endlich einbüßte. Der Klerus hatte Mühe, sich gegen die Philosophie zu verteidigen und musste alle Kräfte mobilisieren, um seinen früheren Einfluss wenigstens in etwa zu bewahren.
Es ist oft behauptet worden, die Geburtsstätte des Barock sei der Palast der Marquise de Pompadour gewesen. Aber Kulturströmungen entstanden auch damals kaum in Boudoirs oder den Schlafzimmern der Mächtigen. Das Rokoko entstand dort, wo das Barock verfiel. Auch der Einfluss Asiens darf für das Entstehen des Rokoko nicht unterschätzt werden. Schließlich folgten immer mehr Reisende den Spuren des venezianischen Händlers Marco Polo (1254 bis 1324) und machten bei ihrer Rückkehr Station in Rom, Genua, Neapel oder Venedig.