Die Architektur

Durch Gian Lorenzo Bernini (1598 bis 1680), Carlo Fontana (1638 bis 1714), Francesco Borromini (1599 bis 1667), dem großen Konkurrenten Berninis, und Baldassare Longhena (1598 bis 1682) hatte Italien die ihm zusagenden Formen der Architektur gefunden. Der Einfluss dieser Meister war so stark, dass auch die folgenden Generationen zumindest teilweise ihre Vorgaben übernahmen, zumal keine großen Ereignisse das Land erschütterten.

 

Longhena war der letzte der großen Barockarchitekten, der in Venedig nicht nur die Santa Maria della Salute (1637/1687), sondern neben anderen auch den Palazzo Rezzonico (1649/1756) errichtete, dessen lange Bauzeit auf den schon kurz nach Baubeginn angemeldeten Konkurs des ersten Bauherrn zurückzuführen ist. Der nur notdürftig gegen Wetterunbill geschützte Bau, fertig gestellt war bis dahin nur das Erdgeschoss, ist auf einem Gemälde Canalettos (1697 bis 1768) gut zu erkennen. Die Familie Rezzonico hatte sich in den Adel eingekauft, wartete auf die nächste Papstwahl und suchte vorsorglich ein repräsentatives Gebäude. Deswegen hatte man den halbfertigen Bau übernommen. Giambattistas Sohn Carlo della Torre di Rezzonico (1693 bis 1769) ist dann auch zwei Jahre nach Fertigstellung des Palazzo (1758) als Clemens XIII. zum Papst gewählt worden.

 

Die Fassadenarchitektur des Palazzo mit den einzelnen, durch Gesimse voneinander abgesetzten Geschossen folgt der traditionellen Anordnung dorisch, ionisch und korinthisch. Nach Longhenas Tod wurde der Bau durch Giorgio Massari (1687 bis 1766) fertig gestellt.

 

Das Innere der Paläste wurde aber nicht den Architekten überlassen, dort wirkten Anstreicher und Stuckateure unter dem Regiment der jeweiligen Hausfrau. Die Farben wurden gedämpft, sie sollten sanft sein und ineinander verschmelzen. Die Möbel wurden weiß lackiert, mit Gold verziert, hellgelb oder in leichtem Grünton gestrichen und gelegentlich mit leicht anämisch wirkenden Blumen oder chinesischen Figürchen verziert. Die Bezugsstoffe haben sich dieser milden Tonart angepasst. Die Wände waren mit Seidenstoffen bespannt, die seit der Renaissance eingesetzten Ledertapeten verschwanden allmählich. Die Fresken an der Decke erhielten Stuckrahmen. Als eine besondere Kunst galt es, die Farben der Kleidung denen der Einrichtung anzupassen. Dem künstlerischen Empfinden entsprachen die Farben des Reisstrohs, der Pistazien, Aprikosen und blassen, verwelkten Rosen. In die farbliche Harmonie passten sich Kleinplastiken gut ein, Buchsbaum und Ebenholz ersetzten die Bronze und die Möbel wurden immer kostbarer.

 

Francesco Borromini war es, der in seinen Grundrissen alles Gerade verbannte und durch Kurven und Schnörkel ersetzte, den Grundformen ihre Bedeutung entzog und den Dekorationen die größere Bedeutung zuwies. Erst unter seinen Nachfolgern kehrte wieder eine gewisse Ruhe und Strenge in die Bauwerke ein. Die bekanntesten dieser Nachfolger sind Filippo Juvarra (1678 bis 1736) und Luigi Vanvitelli (1700 bis 1773), der mit dem Schloss in Caserta den französischen Palastbau mit seinen beträchtlichen Ausdehnungen in Italien einführte und damit die bis dahin aufrecht erhaltene Isolation gegenüber der Baukunst des Auslands aufhob.

 

Der Neapolitaner mit dem italienisierten Namen Luigi Vanvitelli – sein Vater war der niederländische Maler Gaspar van Wittel – wurde zunächst von ihm zum Maler ausgebildet. Später wandte er sich aber der Architektur zu und wurde ein Schüler Juvarras. Dann ging er zu Nicola Salvi (1697 bis 1751) und war bei dessen Arbeiten an der Fontana Trevi beteiligt. Vanvitelli war der Architekt des für den Bourbonenkönig Karl IV. (1716 bis 1788) für dessen Herrschaft über die Königreiche Neapel und Sizilien nach Versailler Vorbild errichteten größten europäischen Königspalastes Caserta bei Neapel. Grundsteinlegung war am Geburtstag des Königs im Jahr 1752, und um den dabei Anwesenden die Dimensionen zu demonstrieren, sollen der Überlieferung nach zwei Regimenter und einige Schwadronen, also geschätzte 2000-2500 Soldaten, den Grundriss von etwa 250 * 180 m nachgebildet haben. Bei dieser Größe war Platz für etwa 1200 Räume und fast 2000 Fenster. Die gesamte Anlage mit dem bemerkenswerten, nach spanischem Vorbild gestalteten Park wurde erst 1852 fertig gestellt. Das Schloss gehört heute zum Weltkulturerbe der UNESCO.