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Lee Shacket parkt seinen Dodge Demon in einer abgelegenen Ecke des Parkplatzes vor dem Best Western Motel in der kleinen Stadt Delta, Utah. Er bleibt im Wagen sitzen und rasiert sich den akkurat gestutzten Bart ab, den er getragen hat, seit er 24 war. Dann wäscht er sich die Hände mit Desinfektionsmittel und setzt sich Kontaktlinsen ein, die seine Augenfarbe von Wolframgrau zu Braun ändern.

Nachdem er eine Baseballmütze aufgesetzt hat, die den Großteil seiner blonden Haare verdeckt, fährt er auf der State Route 257 nach Süden, wechselt auf die Route 21, dann die Route 130. Nach 125 Meilen trifft er in Cedar City ein, wo er im Holiday Inn eincheckt. Er verwendet dabei einen Führerschein und eine Kreditkarte, die auf den Namen Nathan Palmer ausgestellt sind.

Bevor er sich in seinem Zimmer die Haare färbt, muss er erfahren, wie die Ereignisse in der Einrichtung in Springville in den Nachrichten dargestellt werden. Er steht vor dem Fernseher, und das Erste, das er sieht, ist ein Video, das kurz vor dem Ende des Arbeitstages aufgenommen wurde, vor Einbruch der Nacht. Als er geflohen ist, hat der Laborkomplex noch nicht in Flammen gestanden. Das Feuer ist wenige Minuten nach seiner hastigen Flucht ausgebrochen. Die gierigen Flammen schießen über dem Komplex 20 oder 25 Meter in die Höhe und hüllen diesen vom einen Ende zum anderen ein.

Das Feuer muss ausgelöst worden sein, um die Wahrheit über die Ereignisse zu verbergen. Ohne sein Wissen muss jemand irgendeine Art von Brennstoff und ein Zündsystem in dem Gebäude installiert haben, um sicherzustellen, dass alle Beweise über die Natur der dort verrichteten Arbeit im Katastrophenfall niemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken.

Er hat keinerlei Zweifel daran, dass die Forscher absichtlich bei lebendigem Leib verbrannt worden sind – eingeäschert, bis auf die Knochen vernichtet, wenn überhaupt noch Knochen übrig waren –, damit kein Gerichtsmediziner Beweise finden kann. Obwohl sie vielleicht ohnehin innerhalb von Tagen oder Wochen gestorben wären, schockiert die tiefe Grausamkeit der Verbrennung der Mitarbeiter Lee und lässt ihn weiche Knie bekommen, sodass er sich auf die Bettkante setzen muss.

Ja, er hat diese Leute ihrem Schicksal überlassen, aber ihr Schicksal ist von Dorian entschieden worden. Es gibt verschiedene Grade des Bösen, und Lee Shacket sucht Zuflucht bei dem Gedanken, dass seine Taten verblassen im Vergleich zu dem, was sein Boss getan hat.

Sicherlich hat Dorian Purcell diese extreme Maßnahme insgeheim autorisiert, seine Vorstellung einer Fail-safe-Funktion. Dorian hält sich für einen Visionär so wie fast jeder von der Presse, der über ihn schreibt. Ein echter Visionär weiß, dass der Fortschritt Opfer erfordert, dass es nicht auf die kurzfristigen Verluste von Leben und Vermögen ankommt, sondern auf den großen Nutzen, den die Menschheit auf lange Sicht davon haben wird. Um die Ermordung vieler Millionen Menschen zu rechtfertigen, hat Stalin angeblich gesagt: »Ein Toter ist eine Tragödie; eine Million Tote sind eine Statistik.« Vielleicht sind auch 92 Tote für Dorian nicht mehr als eine Fußnote zu den großen Anstrengungen, die in den Refine-Laboren in Springville unternommen wurden und in einem Jahr irgendwo anders neu begonnen werden.

Mit ernster Miene berichtet der Nachrichtensprecher im Fernsehen, dass die Forschungen in dieser Einrichtung der Entdeckung eines revolutionären Heilmittels gegen Krebs galten. Das ist eine lächerliche Lüge, aber ohne Zweifel glaubt der Sprecher daran. Die Krebsforschung ist nicht so gefährlich, dass sie auf einem von Mauern umgebenen, isolierten Gelände eine Meile von den letzten Häusern eines Vorortes von Provo, Utah, stattfinden müsste. Aber in einer Zeit, in der die Budgets der Nachrichtenredaktionen knapp sind, neigen viele Medienvertreter dazu, alles zu glauben, was sie von Informanten hören, denen sie vertrauen, während sie sich die Mittel des investigativen Journalismus für diejenigen aufsparen, die sie für verdächtig oder nicht ehrenwert halten. Zumindest in der Öffentlichkeit nimmt Dorian Purcell zu den Themen, die für die Meinungsmacher wichtig sind, die richtigen Standpunkte ein und wird so gut wie überall für einen von den Guten gehalten.

Die vorläufige offizielle Erklärung für das Feuer lautet, dass die Einrichtung über ein eigenes Kraftwerk verfügt, um Stromausfälle zu verhindern, die die Forschungsprojekte beeinträchtigen würden. Dieses Kraftwerk wird mit Erdgas betrieben. Möglicherweise ist ein Leck unterhalb des Fundaments so lange unbemerkt geblieben, bis das Gebäude gewissermaßen auf einer Bombe stand.

»Ja, klar doch«, sagt Lee und schaltet den Fernseher aus.

Später, als er sich in einen braunhaarigen, braunäugigen, glatt rasierten Mann verwandelt hat, geht er zu Abend essen. Er ist nie ein Snob gewesen, hat im Laufe der Jahre schon oft das Essen des Holiday Inn und ähnlicher Ketten genossen, aber diesmal schmeckt ihm einfach nichts. Der grüne Salat schmeckt bitter. Das Gemüse hat einen vage metallischen Beigeschmack. Die Kartoffeln überhaupt keinen. Es gelingt ihm, das Hühnchen zu essen, aber auch das ist nicht so herzhaft, wie es sein sollte.

Er sehnt sich nach etwas anderem, weiß aber nicht, was ihn zufriedenstellen würde. Nichts, das auf der Speisekarte steht, spricht ihn an.

Als er wieder in seinem Zimmer ist, mischt er gewürzten Rum mit Coca-Cola und trinkt, bis er schlafen kann.

Um drei Uhr morgens wacht er schreiend und in kalten Schweiß gebadet aus einem Albtraum auf, kann sich jedoch an kein einziges Detail erinnern.

Die Orientierungslosigkeit, die Träume oft mit sich bringen, bleibt bestehen. Vom Fenster dringt ein fremdartiges kobaltblaues Licht um die Vorhänge herein, als ob eine stille Katastrophe in der Welt jenseits der Hauswände eine tödliche Strahlung freigesetzt hätte. Er ist nüchtern, aber der kleine Raum fühlt sich riesig an und das Bett treibt auf einem Meer wogender Schatten. Als Lee die Bettdecke zurückwirft und sich an den Rand der Matratze setzt, wimmelt es auf dem Boden unter seinen nackten Füßen, als würde er in einem Insektenschwarm stehen. Er tastet nach der Nachttischlampe, findet den Schalter. Das plötzliche, schwache Licht strandet auf dem schwimmenden Bett, bringt jedoch keine Insekten zum Vorschein. Das Zimmer birgt jedoch immer noch fast ebenso viele Schatten wie in der Dunkelheit, und es ist nicht weniger schaurig.

Nachdem er vom Bett aufgestanden ist, bleibt er unschlüssig stehen. Er ist sicher, dass der Albtraum die drängende Vorahnung eines sich rasch nähernden Übels enthielt, die mehr ist als eine Schlaffantasie. Sie ist eine Wahrheit, nach der er sein Handeln ausrichten muss, wenn er sich retten will. Aber er kann sich nach wie vor nicht an den Traum erinnern.

Er lässt sich auf einen Sessel nieder, greift mit beiden Händen die gepolsterten Armlehnen und schaukelt vor und zurück, obwohl der Sessel kein Schaukelstuhl ist und sich nicht mitbewegt. Er kann nicht still sitzen. Er muss sich bewegen, wie um sich dadurch zu beweisen, dass er am Leben ist.

In dem Albtraum … Jetzt fällt ihm etwas ein. Er ist gefangen, gelähmt, fest umwickelt gewesen wie in einem Kokon und hat ein weißes durchscheinendes Material über den Augen gehabt. Formlose Schatten, die anschwollen und sich wieder zurückzogen. Um ihn herum Geräusche, die lauter wurden und wieder verklangen.

Schaudernd fragt er sich, ob zum Spektrum des genetischen Materials, mit dem seine Zellen kontaminiert wurden, vielleicht auch das eines Wurms gehört, der stirbt, um aus einem Kokon neu geboren zu werden.

Im Traum ist er hilflos gewesen, und einsam. Unablässig schaukelt er in dem unbeweglichen Sessel. Er hat genug Geld, um sofort zu fliehen, ein elegantes Domizil in Costa Rica und 100 Millionen Dollar an einem Ort, an dem die Behörden sie nicht finden können. Aber eine abgrundtiefe Einsamkeit macht ihn verwundbar, gibt ihm das Gefühl, ein Dasein ohne Sinn und Zweck zu führen.

Er fühlt sich machtlos, so, wie er sich als Kind gefühlt hat unter dem eisernen Regime seines gewalttätigen, alkoholabhängigen Vaters und seiner psychisch kranken Mutter.

Machtlosigkeit kann er nicht ertragen. Er kann sie nicht hinnehmen.

Nicht nur die Wissenschaftler in Springville, sondern auch 2200 Angestellte von Refine waren ihm unterstellt. Jetzt hat er keine Untergebenen mehr. Er hatte Macht, Ansehen, Respekt, 20 Tom-Ford-Anzüge, die er in Kombination mit farbenfrohen Sneakern trug. Das alles ist jetzt verschwunden. Er ist allein.

Erst jetzt wird ihm klar, dass das schlimmste Elend, das das Herz eines Menschen heimsuchen kann, die Einsamkeit ist.

Lee Shacket ist nie gut darin gewesen, Beziehungen zu führen. Er hatte Freundinnen. Heiße. Er ist schließlich nicht hässlich. Sein Äußeres gefällt den Frauen. Sie bewundern seinen Ehrgeiz. Er hat Sinn für Humor. Er kann tanzen. Er hat Stil. Er ist gut im Bett. Er kann zuhören. Aber es ist ihm nie gelungen, eine Affäre in etwas Dauerhaftes zu verwandeln. Früher oder später kommt ihm jede Frau auf die eine oder andere Weise unzureichend oder unauthentisch vor. Die Beziehung fängt an, sich seicht anzufühlen, ihr fehlt der emotionale Nährwert, und am Ende fühlt er sich immer, als würde er in diesem knöcheltiefen Wasser ertrinken, könnte nicht mehr atmen, müsste fliehen.

Er sitzt jetzt still im Sessel. Seine Reglosigkeit erschreckt ihn, als ob sein Überleben davon abhinge, dass er in Bewegung bleibt. Er springt auf und läuft im Zimmer auf und ab, wird zunehmend nervös.

Etwas Merkwürdiges geschieht mit ihm.

Im schwachen Lampenlicht wirkt sein ruheloses Spiegelbild gespenstisch, als wäre er der Geist eines früheren Gastes, der hier gestorben ist und weder oben noch unten Einlass findet, keinerlei Ziel mehr hat.

Während er im Zimmer umherstreift, versucht er sich zu entsinnen, wann und wo sein Leben aus den Fugen geraten ist. Nicht erst was die Ereignisse in den Laboren angeht, sondern davor. Wann ist er zum letzten Mal wirklich glücklich gewesen? Sich daran zu erinnern kommt ihm wichtig vor. Wann hat seine Zukunft am vielversprechendsten gewirkt?

Lee hat zwar große Erfolge zusammen mit Dorian Purcell erzielt, aber jede Beförderung ist mit einem so deutlichen Anstieg des Stresslevels verbunden gewesen, dass er, obwohl er dabei ein Vermögen verdient hat, nicht ehrlich behaupten kann, er sei während dieser Jahre glücklicher gewesen als zuvor.

Selbst vor Purcell ist Lee nicht immer voller Begeisterung gewesen, aber seine Aussichten auf das Glück waren damals größer. Damals hat er noch Hoffnung gehabt. Seine Optionen schienen endlos zu sein. Jetzt hingegen hat er nur wenige, vielleicht sogar nur eine einzige.

Und er ist allein. Niemand hört ihm zu. Niemand kann ihn verstehen. Niemanden kümmert es. Keiner muss seinen Anweisungen Folge leisten.

Der Wendepunkt, die Motivation hinter der Veränderung in Lees Leben, ist Jason Bookman, ein Freund aus seiner College-Zeit. Anfangs ist Jason beruflich rasant aufgestiegen, während Lees Karriere sich dahinschleppte. Dann hat Jason ihn in Dorian Purcells inneren Kreis eingeführt.

Plötzlich erschrickt er über sein Bild im Spiegel an der Kleiderschranktür. Sein Gesicht. Etwas Merkwürdiges passiert mit seinem Gesicht; irgendetwas stimmt damit nicht.

Schnell läuft er ins Badezimmer, wo das Licht heller ist. Seine Augen sind braun, sein Haar ist braun, sein Bart verschwunden. Vielleicht werden ihn andere nicht wiedererkennen, aber er selbst kennt sich gut genug. Diese schlammbraunen Augen beeindrucken nicht, verglichen mit dem stechenden wolframgrauen Blick, mit dem er so viele Nachwuchsführungskräfte eingeschüchtert hat. Abgesehen davon fällt ihm nichts Ungewöhnliches an sich auf.

Aber er fühlt sich ungewöhnlich. Sein Gesicht ist starr wie eine Maske. Er betätigt seine Gesichtsmuskeln – Gähnen, Stirnrunzeln, eine Grimasse. Mit den Fingerspitzen massiert er Kinn, Wangen und Stirn, kneift sich in die Nase, zieht an seinen Lippen, sucht nach … irgendetwas, das falsch ist. Schließlich gelangt er zu der Auffassung, dass die Starrheit nur eine Folge seiner Nervosität ist. Auch sein Körper ist starr vor Furcht.

Jason Bookman hat Lees Leben verändert, was zu den derzeitigen, katastrophalen Umständen geführt hat. Aber das Schlimmste, das Jason getan hat, war nicht, dass er Lee mit Purcell in Kontakt gebracht hat. Viel schlimmer ist, dass Jason Megan geheiratet hat.

Als er sich selbst im Badezimmerspiegel anstarrt, hat Lee plötzlich eine Eingebung. Jason ist so weitsichtig gewesen, war sich der langfristigen Risiken so bewusst, die die Arbeit für einen machthungrigen Narzissten wie Dorian Purcell mit sich brachte, dass er Lee in die Firma gebracht hat, damit dieser als Sündenbock dienen konnte, eine Rolle, die Jason sonst vielleicht selbst gespielt hätte. Warum wird ihm das erst jetzt klar? Ist diese Vorstellung etwa unfair, paranoid? Nein, nein. Was ihm einmal als ein Akt der Freundschaft erschienen ist, enthüllt sich nun mit Verspätung als ein machiavellistisches Manöver. Jason hat Lee nicht nur Megan gestohlen; er hat Lee auch vorsorglich als Sündenbock aufgestellt für den Fall, dass bei Refine etwas schiefgeht.

Lee denkt an Megans warme Küsse zurück. Megan Grassley. Jetzt heißt sie Megan Bookman. Vor fast 14 Jahren sind sie zwei oder drei Monate lang miteinander ausgegangen. Mehr als einen Kuss hat er von ihr nie bekommen. Er war leichte Mädchen gewöhnt, und sie bestand auf einer festen Beziehung, bevor es zum Sex kam. Damals wollte er ihr eine Lektion erteilen, indem er sich von ihr abwandte und mit einer heißen Braut namens Clarissa ausging. Megan sollte begreifen, dass sie sich um die Bedürfnisse eines Mannes kümmern musste, wenn sie eine feste Beziehung mit ihm wollte. Aber nach einem Monat begann Jason, sich mit Megan zu treffen; schließlich heirateten sie. Damals hat Lee Jason dafür keine Vorwürfe gemacht. Er war großherzig. Er hat dem Paar alles Gute gewünscht und sich gesagt, dass sein Freund es noch bereuen werde, sich mit diesem frigiden Miststück eingelassen zu haben.

Offenbar ist es Megan bei Jason jedoch nicht schwergefallen, sich hinzugeben. Zusammen sind sie aufgeblüht. Sie hat jedes Jahr heißer ausgesehen, viel heißer als Clarissa. Okay. Kein Problem. Lee hat sie nicht gewollt; sie war ihm zu langsam. Sie war ein Honda, und er brauchte ein Ferrarimädchen. Er konnte bessere haben als sie. Die Welt ist voll mit gut aussehenden Frauen, vor allem, wenn man über ein siebenstelliges Jahresgehalt und haufenweise Aktienoptionen verfügt.

Aber jetzt ist er arbeitslos und allein. Bald wird er ein flüchtiger Gesetzloser sein.

Wäre er bei Megan geduldiger gewesen, hätte sie sich ihm vielleicht geschenkt. Sie hätten vielleicht geheiratet, und danach wäre sicher alles ganz anders gekommen.

Plötzlich wird ihm klar, wann er am glücklichsten gewesen ist, wann seine Zukunft ihm am vielversprechendsten erschienen ist: damals, als er mit Megan ausging.

Als er dem eigenen Blick im Spiegel begegnet, stellt er fest, dass mit seinem Gesicht alles in Ordnung ist. Das Problem, wenn es eines ist, befindet sich hinter seinem Gesicht. Etwas passiert mit seinem Verstand. In seinem Hirn wütet ein Fieber. Hätte er ein Fieberthermometer gekauft, hätte seine Temperatur sich bestimmt als normal herausgestellt; er zweifelte nicht daran, dass das Gerät exakt 37 Grad angezeigt hätte. Aber da ist ein Fieber der Erregung in seinem Kopf: Unruhe, Gärungsprozesse, überschäumendes Temperament. Das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes. Er ist aufgekratzt, wie elektrisiert, unter Hochspannung.

Er weiß, was er zu tun hat. Er kann zwar nicht 14 Jahre in der Zeit zurückreisen und Megan heiraten, aber er kann sie in Kalifornien aufsuchen, wo sie heute lebt. Sie ist verwitwet. Seit drei Jahren. Heute wird sie sich leichter hingeben als damals, als sie jünger waren, sie wird bereit sein für ein neues Leben, das richtige Leben, dasjenige, das sie zusammen verbracht hätten, wenn Jason Bookman nicht aufgetaucht wäre. Lee wird sie nach Costa Rica mitnehmen. Auch den Jungen, wenn sie sich wirklich weiter mit einem geistesgestörten, stummen Kind herumplagen will. Die heiße Megan und das schwüle Costa Rica: Diese Aussicht stimuliert Lee, heizt seine Fantasie an. Er kann wieder glücklich werden, sieht eine rosige Zukunft vor sich.

Sein Bild im Badezimmerspiegel spricht mit ihm, aber es ist nicht mehr er selbst, sondern Jason Bookman, dieser diebische, machiavellistische Verräter. »Du bist infiziert«, verkündet Jason. »Es wimmelt in dir. Irgendwas läuft mit deinem Verstand schief. «

»Lügner«, erwidert Lee. »Du willst mich nur nicht an sie ranlassen.« Er nimmt die Halbliterflasche mit dem gewürzten Rum und wirft sie.

Die zersplitternde Flasche zerbricht den Spiegel, enthauptet und zerstückelt Jason Bookman. Messer und Dolche, Stilette und Säbel aus Glas fallen aus dem Rahmen, treffen das Waschbecken und den falschen Marmor, der es umgibt, wobei sie klirren wie die silbrigen Glocken einer dämonischen Feenkirche. Gewürzrum voller Aromen – Orangenschalen, Zimt, Kokosnuss, Vanilleschoten – bespritzt Lee Shacket, klatscht an die Wand hinter ihm.

In einem Zustand hoher Erregung kehrt er zwei Stunden vor Tagesanbruch ins Schlafzimmer zurück und zieht sich rasch um für die lange Fahrt.