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Kipp saß auf dem Beifahrersitz des Range Rover, hatte den Sicherheitsgurt angelegt und mochte den Geruch seines Retters.
Da waren Güte, Selbstvertrauen, eine Spur Seife, der frische Minzgeruch eines Kaugummis, der wohlriechende Saft von zertrampeltem Wildgras an seinen Schuhsohlen, dazu ein ganz kleines bisschen Ohrenschmalz, unter anderem.
Nirgendwo an ihm roch Kipp Aftershave, Handdesinfektionsmittel mit Kokosnussduft oder ungeschickt verspritzten Urin.
Als sie vom Campingplatz fuhren und den Weg zur State Route einschlugen, sagte der Mann: »Meiner Mom und meinem Dad hab ich’s zu verdanken, dass ich Brenaden heiße. Aber Leute, die wissen, was gut für sie ist, nennen mich Ben.«
Im Geschäftsraum des Campingplatzes hatte er Frank den Hasser angewiesen, die Reservierung für Hawkins zu löschen. Demnach war er Ben Hawkins.
»Und wie wirst du genannt?«, erkundigte sich Ben.
Kipp grinste ihn an.
»Bist einer von der starken, aber schweigsamen Sorte, hm?«
Sie fuhren nach Nordwesten. Das war gut. Aus dieser Richtung kamen die gemurmelten Gedanken des Jungen, der in der Leitung zu hören war.
»Ich werd mir einen Namen für dich ausdenken. Ich bin gut, was Namen angeht.«
Kipp beugte sich im Gurt nach vorn, um am Handschuhfach zu schnuppern. Darin befanden sich Käsecracker oder so etwas.
»Aber wir wollen das mit dem Namen nicht überstürzen. Namen sind wichtig. Bei meiner Arbeit muss ich mir ’ne Menge Namen einfallen lassen, die man sich merken kann.«
Kipp roch Erdnussbutter zwischen den Käsecrackern im Handschuhfach.
»Ich schreibe Romane«, fuhr Ben fort. »Und du, was machst du so?«
Um Dorothy bestimmte Emotionen mitteilen zu können, hatte Kipp einige spezielle Geräusche entwickelt. Um Erheiterung auszudrücken, stieß er eine Art leises, schnelles Hecheln aus: Hehehehehe.
»Ich war früher ein Navy SEAL. Als ich mich dort beworben habe, war mir noch nicht klar, wie viele Leute auf mich schießen würden. Daher hab ich dann, als ich acht Jahre oder so lebend überstanden hatte, beschlossen, mir doch lieber ’nen anderen Beruf zu suchen.«
Kipp wandte den Blick vom Handschuhfach ab, legte den Kopf zur Seite und betrachtete seinen Retter mit Interesse.
»Jetzt schießen nur noch ein paar Buchkritiker mit Kommentaren auf mich, aber damit töten sie niemanden. Allerdings habe ich bei einem von denen den Verdacht, dass er ein paar Leichen im Keller hat.«
Die Natur war voller Muster, das Leben voller Zufälle, und Kipp glaubte daran, dass so etwas wie das Schicksal überall am Werk war.
Dorothy hatte Bücher geliebt.
Kipp hatte seine Liebe für Geschichten von ihr geerbt.
Und hier traf er nun jemanden, der Geschichten schrieb.
Zusätzlich war er auch noch ein Krieger. Wenn das Schicksal Realität war, dann war seine Kriegereigenschaft wahrscheinlich genauso bedeutsam wie seine Schriftstellereigenschaft.
Und das konnte bedeuten, dass ihnen ernste Schwierigkeiten bevorstanden.
»Wird spät. Wir sollten irgendwo unser Lager aufschlagen.«
Die Wälder auf beiden Seiten des Highways füllten sich mit dem trüben Licht der Dämmerung.
Ben sagte: »Wir suchen uns ein Motel. Die lassen vielleicht keine Hunde rein, also wirst du deinen Unsichtbarkeitsmantel anziehen müssen.«
Kipp stieß wieder ein Hehehehehe aus und wand sich ein Stück aus dem Gurt heraus, damit er sich flach auf den Sitz legen konnte, unterhalb des Fensters.
Nachdem er fast eine Minute lang schweigend weitergefahren war und seinem Beifahrer mehrere Blicke zugeworfen hatte, sagte Ben: »Irgendwas an dir ist merkwürdig, Rin Tin Tin.«
Kipp grollte leise, aber es war kein richtiges Knurren.
»Gefällt dir der Name nicht?«
Kipp grollte wieder.
»Okay, na schön. Wir finden schon einen besseren, Scooby-Doo.«
Hehehehehe.