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Megan und Ben arbeiteten gut zusammen. Sie schnitten eine doppelte Schicht Plastikplane zurecht und nagelten sie über das große Seitenfenster neben der Haustür. Dann strafften sie sie, damit der Wind sie nicht aufblähen konnte wie ein Segel und weder an den Nägeln noch an dem dicken Plastik reißen konnte. Der Rahmen würde repariert und neu gestrichen werden müssen, nachdem der Glaser die Scheibe ersetzt hatte. Weil es sich nicht um ein Fenster gehandelt hatte, das sich öffnen ließ, war es auch nicht mit der Alarmanlage verbunden gewesen. Megan konnte den Alarm wieder aktivieren, wann sie wollte. Sie fegten die Glassplitter und den hereingewehten Dreck zusammen, räumten das Chaos auf, das Shacket in der Küche angerichtet hatte. Während sie diese Arbeiten erledigten, erzählten sie sich ihre Geschichten.
Sie hatte nicht geglaubt, dass irgendetwas, das Ben Hawkins ihr erzählte, sie von dem Schrecken ablenken könnte, den Lee Shacket in ihr Leben gebracht hatte, von diesem Fleck des Entsetzens, den er in ihrem Gedächtnis hinterlassen hatte. Doch die unglaubliche Geschichte über die außergewöhnliche Intelligenz des Golden Retrievers und dessen Beharren darauf, Ben den Weg zu weisen von Olympic Village bis zu diesem Haus bei Pinehaven, brachte sie zum Staunen und warf zahllose Fragen auf, auf die es keine Antworten gab. Zumindest für den Moment beherrschte Lee Shacket nicht mehr unmittelbar ihre Gedanken.
Sie kochte Kaffee und sie trugen ihre beiden Becher nach oben in Woodys Zimmer. Dort setzten sie sich an den kleinen runden Tisch, an dem Megan und der Junge manchmal zusammen Puzzles lösten.
Die tobende Nacht drückte ihr ausdrucksloses Gesicht an die Fensterscheiben. Sie stöhnte im Glas, wollte hinein. Der Dachboden knarrte, als würde sich irgendein schwergewichtiger Eindringling dort oben zwischen den Dachsparren winden. Seit der starke Wind sich spät am vorigen Abend erhoben hatte, war die Nacht nicht weniger seltsam geworden. Doch nun schien das regenlose Unwetter nicht mehr nur Salven von Drohungen auszustoßen, sondern auch etwas Großartiges, eine angenehme Art von Umgestaltung zu versprechen.
Der Junge und der Hund lagen noch genau so da wie zuvor. Keiner schien sich auch nur einen Zentimeter bewegt zu haben. Für Woody war das kein allzu merkwürdiges Verhalten, aber für einen Hund, der nicht schlief, schien es äußerst ungewöhnlich.
»Woody hat irgendeine besondere Verbindung zu Tieren«, sagte Megan. »Er füttert die Hirsche, die aufs Grundstück kommen. Manchmal fressen sie ihm die Äpfel fast aus der Hand. Kaninchen, Eichhörnchen – die kleinen Tiere laufen nicht vor ihm weg.«
»Als ich noch ein Kind war, hatte ich immer Hunde. Bis vor Kurzem hatte ich noch Clover. Sie waren alle wunderbar, aber keiner war so wie dieser.«
»Was spielt sich da zwischen ihnen ab?«, fragte sich Megan.
Ben schüttelte den Kopf. Er stand auf, trat zum Fußende des Bettes und fragte mit leiser Stimme: »Scooby?«
Der Hund schlug einmal deutlich mit dem Schwanz auf das Bett, bewegte sich ansonsten aber nicht.
Megan ging ebenfalls zum Bett. Als sie den Namen ihres Sohnes aussprach, erhielt sie keine Antwort. Dann fragte sie: »Scooby?«
Wieder reagierte der Hund mit einem kräftigen Schwanzklopfen auf die Matratze.
Ohne den Blickkontakt zu dem Retriever zu unterbrechen, flüsterte Woody: »Nein. Er heißt Kipp.«