CHRIS KRIEGT WAS ANGEHÄNGT

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Am nächsten Morgen kam Dirk zum Frühstück die Treppe herunter. Ein bisschen wehleidig hielt er sich den bandagierten Arm. Als er Stimmen hörte, blieb er vor der Esszimmertür stehen. Mr und Mrs Purjoy waren in ein ernstes Gespräch mit Chris vertieft.

»Wir wissen, dass du es warst«, sagte Mrs Purjoy.

»Nein! Nein, ich war's nicht!«, widersprach Chris heftig.

»Es tut uns in der Seele weh, wenn du uns anlügst, Christopher!«, sagte sein Vater. »Schließlich haben wir in deinem Zimmer eine Menge Kuchenkrümel gefunden!«

»Du hättest uns doch fragen können, ob du ein Stück Kuchen haben kannst. Du hättest es doch gar nicht zu stehlen brauchen!«, ergänzte Mrs Purjoy. »Aber dass du es jetzt auch noch abstreitest – das macht die Sache nur noch schlimmer.«

Dirk ging an der offenen Tür vorbei zur Küche, so unauffällig wie möglich. Aber Chris sah ihn sofort und starrte ihn mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen an. Dirk konnte nicht verhindern, dass seine Mundwinkel ein wenig nach oben gingen – aber wenigstens gelang es ihm, ein höhnisches Gelächter zu unterdrücken.

»Nun, was hast du dazu zu sagen?«, wollte Dr. Purjoy wissen.

Chris seufzte. Dirk hatte ihm offensichtlich wieder mal die Schuld untergeschoben. War wohl besser, die Sache hinter sich zu bringen. »Okay, okay, schon gut, ich war's! Ich hab den Kuchen geklaut. Und hab ihn vollständig aufgegessen, bis auf ein Stück, das ich in die Schublade gelegt habe. Natürlich war ich es, wer denn sonst? Alles klar? Kann ich jetzt gehen?«

»Na gut, Chris, wenigstens hast du jetzt reinen Tisch gemacht«, seufzte Mrs Purjoy. »Aber wir sind noch nicht fertig. Ihr müsst jetzt zur Schule und wir zur Arbeit, aber später werden wir noch einmal darüber reden müssen.«

Die Purjoys verabschiedeten sich mit ernsten und traurigen Mienen von den Kindern, gerade so, als hätte Chris die Bank von England ausgeraubt, mindestens. Und die ganze Zeit schaute Chris Dirk misstrauisch an, während Dirk die gesamte Willenskraft eines Dunklen Lords brauchte, um nicht schallend loszulachen und nie mehr aufzuhören.

»Also«, sagte Chris, als sie endlich allein und auf dem Weg zur Schule waren, »erst mal herzlichsten Dank, dass du mir die Sache mit dem Kuchen angehängt hast. Die Frage ist nur: Warum? Das kapiere ich nicht.«

»Tut mir leid, Chris, aber ich musste deine Eltern von mir ablenken – und von Aknus.«

»Aknus? Du meinst wahrscheinlich Akne? Hat dir Hasdruban einen Pickelausschlag angehext oder was?«

Dirk erklärte Chris die Sache mit dem Kobold Aknus Ekzemian. Wie er, Dirk, mit dem kleinen Rest der Essenz des Bösen die Schattenbrille fabriziert hatte, wie ihm dann Agrasch eine Dämonenflasche geschickt hatte, dass er nun einen Kobold im Kleiderschrank verstecken musste und dass Aknus den Kuchen aus der Speisekammer gemopst hatte, weil es eben typisch Kobold war, immer alles zu mopsen, was essbar war.

»Das hättest du mir doch gleich sagen können!«, sagte Chris vorwurfsvoll. »Wahrscheinlich hätte ich die Sache lieber auf meine Kappe genommen, als zu riskieren, dass Mum und Dad in deinem Schrank einen Kobold entdecken. Natürlich ist mir klar, dass ihnen das ein bisschen seltsam vorgekommen wäre, ich bin schließlich nicht blöd, kapiert?«

»Aber so hat es mehr Spaß gemacht«, grinste Dirk.

»Ach so, klar, ich verstehe«, antwortete Chris bitter. »Ich bin eben doch nur ein nutzloser Lakai.«

»Nein, nein, so habe ich es nicht gemeint. Außerdem hatte ich gestern gar keine Gelegenheit, es dir zu erzählen, es war einfach zu viel los.«

Aber Chris gab keine Antwort. Überhaupt sagte er auf dem Rest des Schulwegs kein einziges Wort mehr, sosehr sich Dirk auch bemühte, ein Gespräch mit ihm anzufangen.