MRS PURJOY ERLEBT EINE ÜBERRASCHUNG

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Dirk schloss die Schranktür wieder. Sollte sich Aknus doch ruhig weiter mit Fruchtgummis vollfressen! Er rief Dave die Sturmkrähe ins Zimmer. Dave trug eine Nachricht aus den Darklands am Bein, wie Dirk gehofft hatte. Die Abteilung »Tödliche Gifte« der Dunklen Bibliothek war wahrscheinlich der beste Ort im Universum, an dem man etwas über tödliche Gifte herausfinden konnte, und Agrasch hatte offenbar sehr gründliche Nachforschungen angestellt.

Das Gift, das die Schwarze Hexe verwendete, hieß »Schwarze Todesfäule« und wurde aus verschiedenen Zutaten zusammengebraut, vor allem Schwarzer Oleander, Orkswurz (beide Pflanzen wuchsen nur in den Darklands), Schwarze Tollkirsche und Schierling (die gab es auch auf der Erde). Agrasch schrieb, er habe alle Zutaten in eine kleine Medizinflasche gefüllt und an Daves Bein gebunden, aber er warne ausdrücklich davor, die Zutaten mit bloßen Händen anzufassen. »Midd Forsicht zu behanteln«, stand in ungelenker Schrift auf dem Etikett des Fläschchens.

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Dirk stützte nachdenklich das Kinn in die Hand und lächelte. In seinem Alchemielabor im Eisernen Turm wäre es schwierig gewesen, das Gegengift zusammenzubrauen, aber hier auf der Erde? Selbst das einfache Chemielabor in der Schule war hundertmal besser ausgestattet als sein Alchemielabor in den Darklands und allein im Internet gab es so viele Anweisungen, wie man Gegenmittel und Gegengifte zu allem Möglichen herstellen konnte, dass diese Sache wirklich kinderleicht werden würde.

Nun ja, kinderleicht war es natürlich nur dann, wenn man ein bösartiges Genie wie Dirk der Große war! Unwillkürlich legte Dirk die Fingerspitzen aneinander und es entfuhr ihm sein einzigartig böses Gelächter: »MUAH-HAH-HAAH!«

»Ach, hör endlich damit auf, Dirk«, ertönte die Stimme von Mrs Purjoy direkt vor seiner Zimmertür. »Mach mir lieber die Tür auf, ich bringe deine Wäsche.«

»Ah, exzellent, die Magd bringt frische Kleidung! Das ist gut, denn wenn ich die Welt erobere, will ich ein sauberes Hemd anhaben!«, verkündete Dirk hoheitsvoll.

»Jaja, sehr witzig«, sagte Mrs Purjoy, als sie, einen Berg Kleider auf den Armen, ins Zimmer kam. »Ich habe Stunden gebraucht, dieses grüne Zeug aus deinem Morgenmantel herauszubekommen – bitte sei in Zukunft vorsichtiger, Dirkilein!«

Sie ließ den Klamottenhaufen auf Dirks Bett fallen, drehte sich um und streckte die Hand nach dem Griff des Kleiderschranks aus. Dirk riss entsetzt die Augen auf. Natürlich wollte sie alles gleich ordentlich wegräumen! Bevor er sie daran hindern konnte, zog sie auch schon die Schranktür auf …

… und erblickte Aknus Ekzemian, der vor Schreck wie versteinert zwischen Dirks Kleidern hockte, eine warzenübersäte Hand mit Fruchtgummis auf halbem Weg zum Mund, und mit riesigen Augen voller Entsetzen zu ihr aufblickte. Kein in flagranti erwischter Kobold und Goblin hatte jemals schuldbewusster ausgesehen.

Mrs Purjoy blinzelte verblüfft. Dann kippte sie einfach ohnmächtig zu Boden.

Dirk starrte die ohnmächtige Gestalt ein paar Augenblicke lang regungslos an, während sich seine Gedanken überschlugen.

»Schnell, Aknus!«, bellte er dann, »unters Bett mit dir, sofort!«

»Jawoll, Eure Schrecklichkeit!«, sagte Aknus, sprang mit einem Satz über die ohnmächtige Vikarin hinweg und verschwand in der Dunkelheit unter dem Bett.

»Komm bloß nicht hervor, und wehe, du schmatzt auch nur einen einzigen Fruchtgummi! Du machst nicht das geringste Geräusch, hast du mich verstanden? Ich befehle es dir, ich, der Dark Lord persönlich, ist das klar?!«

»J…jawoll, M…meister«, tönte es völlig eingeschüchtert unter dem Bett hervor.

»Jack! Jack!«, brüllte Dirk. »Hilary ist ohnmächtig geworden!«

Sekunden später stürzte Dr. Jack ins Zimmer.

»Hilary!«, rief Jack entsetzt, während er neben ihr niederkniete. Dirk verschränkte die Arme und beobachtete die Sache aufmerksam. Dr. Jack vollführte an ihr instinktiv so ziemlich alles, was die Menschlingsärzte normalerweise machten – prüfte ihren Puls, hob ihr Augenlid an und so weiter. Schließlich hob er sie sanft auf und legte sie auf Dirks Bett.

Dirk runzelte die Stirn. Die beiden liebten einander, das musste er zugeben. Außerdem waren sie auch immer gut zu ihm gewesen, hatten ihn nie geschlagen und auch nie versucht, ihn mit einem Degen zu durchbohren, in Ketten zu legen, ihm das Dach über dem Kopf abzufackeln, ihm Weihwasser ins Gesicht zu schütten oder Meuchelmörder auf ihn zu hetzen. Nein, nichts von alledem.

»Sie ist nur ohnmächtig, Jack«, sagte Dirk. »Vielleicht isst sie nicht genug oder sie ist übermüdet oder diese Wohltätigkeitssache wächst ihr über den Kopf, die sie in der Kirche veranstaltet, und dann schleppt sie auch noch einen schweren Berg Wäsche die Treppe herauf. Das war einfach zu viel für sie.«

Mrs Purjoy wimmerte leise.

»Hilary, hörst du mich?«, fragte Jack.

»Ich räume die Kleider selber weg«, bot Dirk an. »Wir wollen schließlich nicht, dass sie sich überarbeitet, sie braucht nur ein bisschen Ruhe, oder nicht? Kann ich sonst noch etwas tun – irgendetwas? Ich will ja nur helfen.«

»Nein, schon in Ordnung, Dirk, danke. Du bist ein guter Junge, wirklich«, sagte Jack, während er Mrs Purjoys Stirn streichelte.

Darüber musste Dirk ein wenig grinsen. Vielleicht übertrieb er die Sache mit dem »guten Jungen« ein bisschen, aber es stand auch fest, dass er die Purjoys … na ja, man konnte nicht behaupten, dass er sie liebte oder auch nur besonders gernhatte, aber ganz bestimmt wünschte er ihnen nichts Böses. Gut, okay, vielleicht mochte er sie ein klein wenig. Solange sie nicht in der Nähe waren. Das würde doch wohl jedem so gehen.

Mrs Purjoy kam wieder zu Bewusstsein – und kreischte auf! »Iiiih! Da ist ein … Ding! So ein Ding … im Schrank!«

»Ein Ding? Was meinst du?«, fragte Jack entsetzt.

»Irgendein … seltsames Wesen … wie ein Kobold oder so – und er isst Fruchtgummis! Da! Im Schrank!«, jammerte Mrs Purjoy.

»Was … wie …?«, sagte Jack und drehte sich zum Schrank um.

Dirk schaute ihn so mitfühlend wie möglich an, öffnete die Schranktür und deutete hinein.

Er schüttelte den Kopf. »Da ist aber nichts drin.«

Jack wandte sich wieder seiner Frau zu. »Das hast du dir nur eingebildet, Liebling, genau wie die Sache mit den Kontaktlinsen.«

»Nein! Nein, hab ich nicht! Ich habe es gesehen, da im Schrank!«

»Komm schon, Hilary! Und auch noch ein Kobold! Der Fruchtgummis frisst! Also wirklich!«, sagte Jack.

Mrs Purjoy runzelte die Stirn. Dann verzog sie das Gesicht. »Jaja, schon gut …« Unsicher und verängstigt blickte sie ihren Mann an. »Glaubst du … glaubst du, dass ich langsam verrückt werde? Oder irgendwie durchdrehe?«

»Nein, nein, meine Liebe, natürlich nicht«, sagte Dr. Jack sanft. »Du bist wahrscheinlich nur überarbeitet und übermüdet und deshalb siehst du Dinge, die es gar nicht gibt. Sonst ist alles in Ordnung mit dir, ich bin ganz sicher.«

»Aber warum … ein Kobold?«, fragte sie zögernd.

Jack warf Dirk einen kurzen Blick zu. »Na ja, weißt du, das könnte etwas mit diesem Zimmer hier zu tun haben …«

Auch Mrs Purjoy schaute Dirk kurz an und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen – über die schwarzen Vorhänge mit dem Totenschädelmuster, die Bettdecke mit dem Totenschädelmuster, die Stuhllehnen, die mit geheimnisvollen Runen verziert waren, die Bücher und Lexika über Elektronik, Physik, Krieg, Eroberung, Foltermethoden, Dirks unheimliches Handy und all das andere düstere Zeug.

»Kann sein«, sagte sie schließlich, während ihr offenbar klar wurde, was passiert sein musste, »das Zimmer … ja, das erklärt wohl einiges, nicht wahr?«

Dirk verschränkte die Arme vor der Brust. Wie nett, dachte er, wieder mal bin ich schuld. Doch dann zuckte er die Schultern. Er musste zugeben, sie hatten nicht ganz unrecht.

»Genau. Und mach dir keine Sorgen, Liebling. Ich werde dich gleich mal untersuchen«, sagte Dr. Jack. Mrs Purjoy stand unsicher auf und wollte sich wie eine gute, aufopferungsvolle Mutter daran machen, Dirks Kleider in den Schrank zu räumen.

»Nein, das mache ich selber, Hilary. Du hast einen furchtbaren Schrecken erlebt, du solltest ins Bett gehen und dich ausruhen«, sagte Dirk, so lieb und fürsorglich, wie er nur konnte. Hilary lächelte ihn an und legte ihm sanft die Hand auf die Wange. Dirk fing an, seine Kleider in den Schrank zu legen, nun ganz der liebevolle Sohn.

»Danke, mein Lieber«, sagte sie.

Plötzlich war eine Art prustendes Zischen zu hören, als ob die Luft aus einem Ballon entweichen würde, und ein grauenhafter, ekelerregender Gestank breitete sich im Zimmer aus.

Koboldfurz!, schoss es Dirk durch den Kopf. Er verzog angewidert das Gesicht.

Mrs Purjoy wurde richtiggehend grün im Gesicht. Dr. Jack würgte einen Brechreiz hinunter, dann schaute er Dirk wütend an. Dirk schüttelte ganz leicht den Kopf und machte eine kaum wahrnehmbare Kopfbewegung in Hilarys Richtung, die überhaupt niemanden anschaute, sondern zu Boden blickte. Es sah fast so aus, als würde sie wieder ohnmächtig werden. Jack blieb buchstäblich der Mund offen stehen, als er seine Frau anschaute.

»Oh, oh, es geht ihr offenbar schlechter, als ich dachte«, sagte er, fasste sie unter dem Arm und führte sie schnell aus dem Zimmer. Dirk erstickte fast im Pesthauch der Kobolddarmgase.

»Aknus, du verdammter kleiner …«, murmelte er leise und riss das Fenster auf, weil auch ihm beinahe schlecht wurde. Weit beugte er sich hinaus und schnappte gierig nach der frischen, reinen Luft. Die arme Mrs Purjoy! Was sie seinetwegen nicht alles mitmachen musste! Visionen von einem unheimlichen Turm des Bösen in einem dunklen Land zu sehen, einen Kobold im Schrank zu entdecken, an dessen Ausdünstungen sie fast erstickt wäre – und nun würde auch noch Dr. Jack über sie herfallen und sie, was völlig überflüssig war, auf Herz und Nieren und bis zur letzten Zelle untersuchen. Na ja, sie würde es wohl überleben.

Hoffte er.

»Sie ist selber schuld, sie hätte mich eben nicht Dirkilein nennen dürfen, meinst du nicht auch, Aknus?«

27. November Herzausreißer

Geschafft! Ist zwar ganz schön kompliziert und kostet eine Menge Zeit, aber es ist mir gelungen, ein wenig Gegengift herzustellen. Nicht viel, aber es ist jedenfalls ein Anfang. Sonstige Neuigkeiten: Christopher ist zu Extraarbeiten im Haushalt verdonnert worden, weil er wegen der Sache mit dem Kuchen gelogen hat.

»Schluck's einfach runter, Christopher«, sagte ich zu ihm, was mir wegen des Kuchens ziemlich witzig vorkam, ihm aber nicht mal ein müdes Grinsen entlockte. In letzter Zeit schnappt er sowieso immer ziemlich schnell ein.

Außerdem ist mir eine hochinteressante Idee gekommen, wie ich Hasdruban für eine Weile von seinen Mordplänen ablenken könnte. Ich brauche nämlich unbedingt mehr Zeit, um noch mehr Gegengift zu produzieren.

28. November Herzausreißer

Ich sitze wieder einmal in der Tinte. Heute hat mir die alte Schachtel von Englischlehrerin die letzten Englisch­-Hausaufgaben zurückgegeben, die ich gemacht habe … oder genauer: die mein Speichellecker Aknus gemacht hat. Dieser kleine besch… Was hab ich mir nur dabei gedacht? Jetzt faseln sie von »grobem Ungehorsam« oder so ähnlich und ich muss beim Rektor antanzen! Er hat meinen Pflegeeltern schriftlich mitgeteilt, dass ich mich in einer Woche in seinem Büro einzufinden hätte. Interessant ist, dass es erst in einer Woche sein soll. Warum nicht schon früher? Weil er glaubt, dass ich bis dahin sowieso mausetot bin, deshalb. Ermordet von der Schwarzen Hexe.

Ich hänge hier die Hausaufgaben an, die dieser bescheuerte Kobold fabriziert hat. Wann, oh, wann bekomme ich endlich einen wirklich zuverlässigen Lakaien?

Kurzübungen: Grammatik
Arbeitsblatt: Konjunktionen

Verbinde die beiden Sätze durch die passende Konjunktion. In einigen Fällen muss die Satzstellung verändert werden.

1. Ich stieß die Tür auf. Sie öffnete sich quietschend.

und – aber – oder

Kigg die TÜR ein! Geht schnella, ha-ha!

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2. Es war ein sonniger, heißer Tag.

Im Zimmer war es kühl.

und – oder – aber

MÖBEL abfackeln! Dann wird's warm!

3. Im Zimmer war es dunkel. Außer einem großen Sessel konnte ich nichts erkennen.

aber – oder – deshalb

Is auch nich nötig, ich seh dich GENAU!

4. Ich machte ein paar Schritte in den Raum. Ich blieb wie angewurzelt stehen.

dann – oder – obwohl

IDIOT! Wer stehn bleibt, is mause.

5. Ich hörte ein Geräusch. Ein Angstschauder lief mir über den Rücken.

und – aber – oder

Aiiiiieee!!! Orks!!! Da pisste inne HOSE, wa?

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6. Meine Brust war wie eingeschnürt. Mein Atem kam mir viel zu laut vor.

und – oder – obwohl

QUADDSCH. Fürtze sin lauder!

7. Plötzlich kam etwas Hässliches aus dem Dunkeln geschossen. Es floh durch die offene Tür aus dem Zimmer.

und – oder – während

Du DÖDEL! Wir KOBOLDS sin nich hässlich!