NACHWORT: WAS DANN GESCHAH

 

Dirk lümmelte sich quer über seinen Schädelthron im Großen Saal der Finsternis im Eisernen Turm der Verzweiflung, der jenseits der Jammerebenen in den Himmel über den Darklands ragte. Nur dass der Große Saal gar nicht mehr so finster aussah.

Sämtliche Lampen leuchteten, die Statuen, die an den Wänden entlang aufgereiht standen, waren in fröhliche, leuchtend bunte Flaggen und Banner gehüllt und von der gewölbten Decke der Halle hingen … Disco-Lichtkugeln und Scheinwerfer. Ja, genau – Disco-Lichtkugeln, den ganzen Weg von der Erde hierher geschafft. Betrieben mit einem Generator, der hinter dem Thron brummte und summte.

Der Große Saal war proppenvoll mit Goblins, Orks und Menschen. Sie tanzten zur Musik der berühmtesten und angesagtesten Band der gesamten Darklands – Suusie and the Nightwalkers (genau genommen derzeit die einzige Band, die es in den Darklands gab). Die Band spielte auf dem bühnenartigen Podest, auf dem auch der Thron stand, mit Suus-Suusie als Sängerin, Gargon als Leadgitarrist, Chris als Bassist und Rufino als Drummer. Agrasch war ebenfalls in die Band aufgenommen worden; meistens schlug er das Tamburin, trug aber auch den einen oder anderen Song vor – Goblin-Rap oder Kobold-Hip-Hop, wie er seine Songs nannte. Und er war sogar ziemlich gut. Nannte sich jetzt Aggy Z.

Dirk streichelte träge das Federkleid des großen schwarzen Vogels, der neben ihm auf der Armlehne hockte: Dave die Sturmkrähe. Er verfolgte die Show mit einer Mischung aus Belustigung und Nachsicht. Die Kobolde tollten herum wie durchgeknallte Ziegen auf der Weide, mit wild zuckenden Ellbogen und Knien, eine ausgelassene Bande kleiner grüner Goblins, deren Bäuche fast von zu viel Cola Heavy platzten. Der Tanzstil der Orks bestand hauptsächlich aus einem gelegentlichen Wechsel des Standbeins, aber ab und zu zuckten sie auch zusammen oder legten einen kleinen Sprung ein, wie Punkrocker, die einen Stromschlag abbekamen.

Oder sie spielten Luftgitarre.

Aknus Ekzemian, ganz in Weiß gekleideter Hofbutler des Dunklen Lords, streckte sich zu Dirk hinauf, eine Flasche in der Hand. »Darf ich Euch 'n wenig Cola nachfüllen, Eure Dirkness?« Dirk wedelte ihn lässig weg.

Die Rückreise war seltsam gewesen. Die Tränen der Lady Gram hatten viel besser gewirkt, als Dirk jemals erwartet hätte: Hasdruban hatte sich vollkommen verändert. Er war nun ein richtig freundlicher alter Mann, erfüllt von Lebensweisheit und Mitgefühl; nichts war geblieben vom unversöhnlichen Zauberer, der vor nichts zurückschreckte, um seine Ziele zu erreichen.

Unter diesen neuen Umständen hatten sich Licht und Dunkel ziemlich schnell einigen können. Suus und Dirk hatten sich mit Hasdruban und der Weißen Hexe (der es übrigens gut ging) zusammengesetzt und die Einzelheiten des Friedensvertrags ausgehandelt und festgeklopft. Daraufhin war überall der totale Friede ausgebrochen! Suusville, die Stadt, die Suus während ihrer Regierungszeit als Königin der Darklands gegründet hatte, blühte richtig auf. Orks, Kobolde, Menschen und Elfen handelten nun mehr miteinander, als dass sie gegeneinander kämpften. Sicher, gelegentlich brachen immer noch Streitigkeiten und kleinere Konflikte aus, aber es gab keine richtigen Kriege mehr. Suus, Dirk und Chris verbrachten die meiste Zeit zu Hause auf der Erde, besuchten aber die Darklands regelmäßig an den Wochenenden und in den Ferien. Jedes Mal brachten sie wertvolle Dinge oder Informationen mit, die in den Darklands und in den Gut-Staaten sehr nützlich waren: Medikamente, moderne Werkzeuge, neue Methoden für Ackerbau und Viehzucht. Und sie nahmen kunstgewerbliche Erzeugnisse der Orks und Kobolde mit auf die Erde. Und verhökerten sie dort an Menschen, die Gefallen an diesen fremdartigen, primitiven Kunstgegenständen und den unverfälschten Gefühlen fanden, die sich darin ausdrückten. Und außerdem verkauften sie einen ganz neuen Stil von Goth-Klamotten, der von Hans, dem Entleibten Diener, kreiert wurde und in der irdischen Modewelt wie eine Bombe einschlug, sowie die dazu passende Schmuckkollektion aus Mondsilber.

Schon bald hatten sie eine eigene Handelsgesellschaft gegründet, die Dark Lord GmbH, mit Rufino als Boss. Dazu hatten sie ihn zuerst ein wenig ausbilden müssen – er hatte lernen müssen, sich mehr wie ein irdischer Mensch und weniger wie ein Ritter von einem anderen Planeten zu benehmen, aber doch nicht zu sehr: Rufino hatte einen natürlichen altmodischen Charme, der besonders bei den weiblichen Menschlingen sehr gut ankam.

Hasdruban hatte sich erstaunlicherweise entschlossen, Schulleiter an der Gesamtschule von Weißschilding zu bleiben. Und er hatte sich zu einem hervorragenden Schulleiter entwickelt – freundlich, verständnisvoll, aber auch streng, wenn es sein musste, und er verfügte über eine selbstsichere Autorität. Gelegentlich kehrte er in den Weißen Turm zurück, aber im Allgemeinen zog er es vor, bei »meinen Kindern zu bleiben, so lieb, wie sie alle sind, nun ja, die meisten jedenfalls, ha, ha, ha!«, wie er oft mit einem vielsagenden Seitenblick auf Dirk erklärte. Aber nur im Scherz, natürlich.

Dirk grinste sein irre böses Grinsen, lehnte sich auf dem Schädelthron zurück und genoss die Musik.

Die Dinge liefen wirklich echt super …