II.

ERFOLGSFAKTOR KONTRÄRES DENKEN

Peter Thiel is »a Contrarian«, and Contrarians »Are Usually Wrong«

Jeff Bezos über Peter Thiel23

Die Million-Dollar-Frage – Die Frage aller Fragen

Peter Thiel mag gut gestellte Fragen. Nicht ohne Grund beginnt das erste Kapitel in seinem Buch ›Zero to One‹ auch mit einer Frage. Es ist keine gewöhnliche Frage, sondern für ihn die wichtigste überhaupt. »Welche Ihrer Überzeugungen würden nur wenige Menschen mit Ihnen teilen?« Mit dieser Frage konfrontiert er in der Regel auch Bewerber. Die Frage stellt selbst für Topbewerber eine intellektuelle Herausforderung dar, viele haben große Mühe, eine glaubwürdige und schlüssige Antwort zu finden. Vielleicht sind wir in unserer überbordenden Konsensgesellschaft viel zu sehr auf Mainstream programmiert, als dass uns darauf eine schlüssige Antwort einfällt?

Visionäre Menschen haben eigene Überzeugungen. Sie sehen Dinge, die es noch nicht gibt, Lösungen für Herausforderungen, die noch gar nicht bestehen. Gerade wir Europäer sprechen denn auch häufig eher von Problemen als von Herausforderungen. Unweigerlich denkt man bei der Frage aller Fragen an Steve Jobs. Er war ein großer, wenn nicht gar der größte Überzeugungstäter überhaupt. Er schuf gleich drei neue Produktinnovationen, die alle zu einem Welterfolg wurden und die jeweilige Branche komplett umkrempelten. Mit dem Macintosh revolutionierte er die Computerindustrie und machte den Personal Computer zu einem selbstverständlichen elektronischen Gerät für den Arbeitsplatz und für Zuhause. Mit dem iPod und iTunes veränderte er die Art, wie Menschen Musik konsumieren, nachhaltig. Das iPhone vereinigte die Funktionalität des Computers mit dem Telefon und wurde gleichzeitig zum multimedialen Abspielgerät und damit zum ultimativen elektronischen Gerät des 21. Jahrhunderts. Auf seiner legendären Vorstellung des iPhones meinte er, dass man stolz sein könne, wenn man einmal im Berufsleben ein Produkt an den Start bringt, das ein großer Erfolg wird und damit eine nachhaltige Wirkung erzielt. Doch Apple und Jobs schafften von 1984 (Vorstellung des Macintosh) bis 2007 (Vorstellung des iPhones), also innerhalb von 23 Jahren, gar derer Drei, obwohl Jobs zwölf Jahre außerhalb von Apple bei seinen Unternehmungen Next und Pixar tätig war. Parallel zu seiner Tätigkeit als Chef von Apple baute er aus einem kreativen Haufen filmverrückter Animationsspezialisten bei Pixar ein Blockbuster-Filmstudio, das von Disney später für einen Milliardenbetrag gekauft wurde und inzwischen zu einer tragenden und nicht mehr wegzudenkenden Säule des Konzerns gehört. Niemand außer Jobs hatte sich vorstellen können, dass Animationsfilme technisch so hochwertig produziert werden könnten und dann auch noch zu Welterfolgen und Kassenschlagern werden würden.

Dazu passt auch die extrem erfolgreiche Werbekampagne von Apple nach der Rückkehr von Steve Jobs im Jahr 1997, die den bezeichnenden Titel »Think different« trug. Jobs positionierte Apple als ein Produkt der »Rebellen, Idealisten, Visionäre, Querdenker, die sich in kein Schema pressen lassen, derer, die die Dinge anders sehen, sich keinen Regeln beugen.«24

Eine Art Stellenbeschreibung, die auch auf Peter Thiel und sein eigenes Lebensmotto gut passt. Thiel hatte als Gründer mit PayPal die Vision, eine neue Währung, unabhängig von Ländern und Regierungen, zu schaffen. Er war der festen Überzeugung, dass Menschen wie selbstverständlich Geld via E-Mail versenden würden, und setzte alles daran, seinen Erkenntnisvorsprung in Nutzerzahlen und Erträgen umzumünzen und PayPal als erstes Unternehmen nach 9/11 an die Börse zu führen. Und das inmitten eines für die Börsen im Allgemeinen und für Technologieunternehmen im Speziellen fürchterlich schlechten Stimmungsumfeldes. Thiel glaubte aber auch an Mark Zuckerberg von Facebook, als er als erster externer Investor 500.000 Dollar in das noch junge Start-up des Harvard-Studienabbrechers investierte. Unter dem Eindruck von 9/11 und der Terroranschläge gründete er mit Palantir ein Analytik-Unternehmen, das an den weltweit herausforderndsten Problemen arbeitet und Kriminellen und Terroristen dank digitaler Analytik das Handwerk legen will. Zusammen bringen PayPal, Facebook und Palantir eine Marktkapitalisierung von rund 500 Milliarden Dollar auf die Waage. Allen drei Unternehmen liegt die Thielsche Ausgangsfrage zugrunde. Ohne die von ihm so geliebte Frage gäbe es die drei Unternehmen gar nicht oder zumindest nicht in der heutigen Form.

Häufig erwischen wir uns mit der Aussage, »darauf hätte ich auch kommen können« oder »warum habe ich zum damaligen Zeitpunkt nicht in die Aktie x investiert«. Der Blick in den Rückspiegel ist einfach und macht die Erfolge von heute rückblickend erklärbar. Doch von der Vergangenheit können wir uns bekanntlich nichts kaufen. Hingegen ist die Zukunft ungewiss und eine Herausforderung.

Thiel sieht deshalb »die Zukunft als Aufgabe« und weiter: »Was die Zukunft so interessant macht, ist die Tatsache, dass sie noch nicht eingetreten ist und dass die Welt der Zukunft anders aussehen wird als die Welt der Gegenwart.« Darum braucht es Menschen mit visionärer, ja geradezu hellseherischer Kraft, die an das Neue, noch Ungewisse glauben und hart daran arbeiten, dass es erfolgreiche Realität wird.

Als Unternehmer und Risikokapitalgeber münzt Thiel seine persönliche Fragestellung auf Unternehmen um:

»An welcher großartigen Firma arbeitet noch niemand?«

Nur wenn er diese Frage erfolgreich beantworten kann, tätigt er ein entsprechendes Investment. Für Thiel sind alle »glücklichen« Unternehmen »different«. Das Wall Street Journal machte daraus die prägnante wie griffige Überschrift »Competition is for Losers«.25

Optimismus & konträres Denken – Chancen nutzen, die andere nicht sehen

Das Wirtschaftsmagazin Fortune titelte in der Septemberausgabe 2014 »Peter Thiel disagrees with you« und stellte ihn vor einem schwarzen Hintergrund in einer eng anliegenden Lederjacke auf das Cover. Der Bericht versprach Einblick zu gewähren in Thiels konträre Gedankenwelt.26 Thiel selbst bezeichnet sich als konträr denkender Intellektueller, der damit in seinem bisherigen Leben einen unbestreitbar großen finanziellen Erfolg erzielt hat. Jeff Bezos, Gründer von Amazon, meinte im Oktober 2016, dass konträr Denkende im Allgemeinen falsch lägen.27 In einem Interview mit der New York Times wurde Thiel mit der Aussage von Bezos konfrontiert, worauf er diese verneinte.28

Thiels Leben war nicht immer von einer konträren Weltanschauung geprägt. Er durchlief zunächst von der Schule über das Studium an der Stanford University einen klassischen Ausbildungspfad. Stark regelkonform. Als exzellenter Schachspieler war er neben den Prüfungen noch zusätzlich dem Wettbewerbsdruck in Form von Schachturnieren ausgesetzt. Später arbeitete er für eine große Anwaltskanzlei in Manhattan. Er war also Teil des Hamsterrads.

Heute würde er seinem jüngeren Ich folgenden Rat geben: »Stell dir die Frage: Warum tue ich diese Dinge? Tue ich sie, weil ich es wollte? Oder war es nur ein prestigegeladenes Spiel, das ich spielte?«29

Was macht nun einen konträren Menschen und im Speziellen einen konträren Investor aus? Wer überdurchschnittliche oder gar außergewöhnliche Ergebnisse als Investor erzielen will, muss andere Wege einschlagen als die vorgezeichneten Pfade. Großer Erfolg zeigt sich in nachhaltig hohen prozentualen Renditen. Nur wer bereit ist, Risiken einzugehen, gerade auch gegenüber einer erdrückenden Konsensmehrheit, kann zu den Gewinnern gehören. Hier gleichen der Finanzmarkt und seine Akteure durchaus einem Kasino oder gar einer Lotterie. Auch wenn Thiel diesen Ausdruck explizit nicht mag und sich auch ethisch davon distanziert, Start-ups und deren Gründer und Mitarbeiter als Lotteriescheine zu bezeichnen.30

Der erfolgreichste lebende Investor überhaupt, Warren Buffett, ist ein Konträr wie aus dem Bilderbuch. Für ihn bedeuten fallende Kurse und Panik an den Finanzmärkten große Glücksgefühle. Während Börsianer dann meist schweißgebadet vor rot durchtränkten Bildschirmen sitzen, wandelt sich Buffett zu einem hyperaktiven Investor und sammelt Qualitätsaktien zu günstigen Preisen ein, wenn sie andere aus ihren Depots regelrecht zum Fenster hinauswerfen. Buffett ist mit seiner konträren Strategie (»Sei ängstlich, wenn andere gierig sind, und sei gierig, wenn andere ängstlich sind«) zur lebenden Investorenlegende geworden. »Ich kaufe gern, wenn die Kurse fallen«, gibt Buffett denn auch unumwunden zu.31 Wir kennen das von der Tankstelle oder von den Sonderangeboten im Supermarkt, je tiefer die Preise, um so länger sind die Einkaufsschlangen. Interessanterweise verhalten sich dieselben Menschen an der Börse genau umgekehrt. Fallende Kurse werden genutzt, um sich von Aktien und Wertpapieren zu trennen, statt zuzukaufen.

»Es zahlt sich aus, anders zu sein« postuliert der Founders Fund auf seiner Internetseite und führt aus, dass die breite Basis von rund 80 Prozent der Risikokapitalindustrie nicht nur kein Geld mit den ihnen anvertrauten Finanzmitteln verdient, sondern sogar noch Geld verliert. Der Co-Gründer von Sun Microsystems und legendäre Risikokapitalinvestor Vinod Khosla wurde mit der Aussage zitiert, dass »95 Prozent der Risikokapitalgeber keinen Wertbeitrag leisten«.32

Der auf Konsens geprägte Ansatz funktioniert also in der Start-up-Welt, in der sich Thiel primär bewegt, nicht. Was heißt dies aber nun für die konträre Denkweise? Man macht sich die Sache zu einfach, wenn man unter konträrem Ansatz nur immer das genaue Gegenteil des allgemein Üblichen verstehen würde. Rein reaktiv zu handeln ist nicht besser, als dem Herdentrieb zu folgen. Schließlich kauft Buffett in einem Ausverkauf der Aktienmärkte auch nicht jede Aktie, sondern er hat ganz gezielt Unternehmen auf seinem Zettel, von denen er durch eigenhändiges Research überzeugt ist und die er dann zu günstigen Kursen einsammelt.33

Doch was zeichnet einen erfolgversprechenden konträren Ansatz aus? »Unabhängiges Denken« empfiehlt Bruce Gibney in dem Founders-Fund-Manifest. Er gibt allerdings zu bedenken, dass dies nicht ohne Risiko ist. Es gibt keine Rückendeckung oder Bestätigung von anderen, und es führt oft zu Schlussfolgerungen, »mit denen niemand sonst konform geht«. Hier schließt sich der Kreis wieder und wir sind bei Peter Thiels Fragen aller Fragen. »Nur das zu tun, was alle tun, ist nicht genug. In Unternehmen zu investieren, die Dinge tun, die so neu und ambitiös sind, dass sie einem den Atem rauben, ist provokativ.« So steht es im Founders-Fund-Manifest.

Leute wie Thiel und Buffett verfügen über einen außergewöhnlichen Intellekt und führen ihre zahlreichen Datenpunkte zu einem eigenen und unabhängigen Denkansatz zusammen. Sie sind in der Lage, den Lärm durch Drittmeinungen um sich herum auszublenden und wie in der Abgeschiedenheit eines buddhistischen Klosters mit sich im Reinen eine eigene Meinung zu formen. Diese vertreten sie im Anschluss mit großer Standfestigkeit und Konsequenz und setzen jeweils große Beträge auf das Ergebnis ihrer Erkenntnisse. Buffett kaufte 2009 auf dem Höhepunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise für über 26 Milliarden Dollar die Eisenbahngesellschaft Burlington Northern. Niemand wusste, wie lange die Rezession in den USA dauern würde und wie schnell sich der Kauf für Buffett auszahlen würde. Für Buffett war es bis dahin die größte Einzelinvestition in ein Unternehmen überhaupt und eine Wette auf die US-amerikanische Wirtschaft. Das Wall Street Journal kommentierte die Übernahme denn auch als »langfristig bullishes Signal«.34

Thiel steht dem mit seinen Investments im Technologiebereich in nichts nach. Im Gegensatz zu vielen anderen Investoren im Technologiebereich, die sich meist nur auf das Segment Internet und Mobile Apps konzentrieren und dabei ab und zu einen »Lucky Shot«, ein erfolgreiches Investment, tätigen, verfolgt Thiel eine völlig andere Herangehensweise. Er lässt sich nicht für bestimmte Branchen oder Hype-Themen wie Big Data oder Cloud Computing einnehmen, er sucht nach Start-ups und Gründern, die in ihren Unternehmen an Technologien arbeiten, die das Potenzial haben, die Welt nachhaltig zu verändern. Die Risiken dabei sind enorm, denn niemand kann mit Gewissheit sagen, ob die Technologie nachhaltig den Durchbruch schafft und dann auch noch zum richtigen Zeitpunkt auf einen Massengeschmack trifft, der in der Folge einen wirtschaftlichen und damit auch für die Investoren finanziellen Erfolg garantiert.

Thiels unternehmerische Aktivitäten in der Digitalwelt als Gründer von PayPal und Palantir oder als erster außenstehender Investor von Facebook belegen dies genauso wie seine mutigen Wetten auf die Raumfahrtfirma SpaceX von Elon Musk oder seine Investitionen in Biotech-Unternehmen.

Investitionen in hochriskante Technologieunternehmen sind vergleichbar mit schnellem Autofahren in dichtem Nebel. Der Griff ins Ungewisse bedarf viel Mut und noch mehr Standhaftigkeit. Die Entwicklungen in technologiegetriebenen Start-ups verlaufen nicht linear. Ganz im Gegenteil. Es ist ein tägliches Wechselbad aus »Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt«. War eben noch alles in Ordnung, kann in der nächsten Sekunde alles infrage gestellt und damit das hoffnungsvolle Start-up in seiner Existenz gefährdet sein. Das Raumfahrtunternehmen SpaceX hatte zunächst drei misslungene Raketenstarts, ehe der vierte erfolgreich war. PayPal durchlief fünf verschiedene Geschäftsmodelliterationen, bis sich ein nachhaltiger Erfolg einstellte. Auch Facebook war kein Selbstläufer, wie man rückblickend denken mag. Es war lange Zeit unklar, wie es seinen hohen Nutzerzuspruch in klingende Münze umwandeln kann. Zuckerberg und seine Vorstandskollegin Sherryl Sandberg schafften es, eine Werbemaschinerie in Gang zu setzen, obschon mit Google ein Platzhirsch am digitalen Werbemarkt vorhanden war, dem nur schwer Umsätze streitig zu machen waren. Auch die nicht minder große Herausforderung durch die mobile Nutzung wandelte Facebook in einen Erfolg um. Zum Börsengang 2012 musste das Unternehmen im Börsenprospekt noch die nicht vorhandene Monetarisierung über Smartphones in den Risikobericht aufnehmen: Inzwischen generiert Facebook den überwältigenden Anteil seiner Einnahmen über mobile Endgeräte.35

Start-ups gleichen also Experimenten. Ähnlich wie Wissenschaftler müssen die Gründer, Investoren und Mitarbeiter der Start-ups ständig an ihrem Unternehmen und Produkt experimentelle Veränderungen vornehmen. Die Ergebnisse sind meist nicht vorhersehbar.

Ähnlich wie Buffett auf der Aktienseite ist Thiel bei seinen Start-up-Engagements im Technologiebereich ein großer Fan von konzentrierten Portfolios. Er geht also große Wetten auf einzelne Start-ups ein und hält nichts von dem in der Branche weitverbreiteten Ansatz »Spray and Pray«, also dem Investieren mit der Gießkanne, um anschließend Gebete gen Himmel zu schicken und auf eine überdurchschnittliche Rendite zu hoffen. Bei Thiel besteht ein Risikokapitalportfolio denn auch meist aus nicht mehr als zehn Unternehmen. Dafür setzt er auf das einzelne Start-up größere Beträge. Nur so kommen in der Folge auch außergewöhnliche Renditen zustande, wie Facebook exemplarisch gezeigt hat. In den weiteren Kapiteln werden wir dieser Thematik noch ausführlich Raum geben.

»Misserfolg und Pessimismus können zum selbsterfüllenden Charakteristikum werden«, so Thiel. Viele Menschen machen es sich zu einfach: »Wenn du der Meinung bist, dass du eh nichts Neues finden kannst, dann versuchst du auch gar nicht, etwas zu tun.« Thiel ist ein positiv und optimistisch denkender Mensch, und er möchte gerne, dass die Gesellschaft auf einen Pfad des Zukunftsoptimismus und Fortschrittsglaubens wie in den 1950er- und 1960er-Jahren zurückkehrt. Gerade aufgrund der wirtschaftlichen Herausforderungen der jüngeren Vergangenheit ist die Chance groß, dass die Technologie wieder vermehrt als wichtiger Lösungsbaustein ins Bewusstsein dringt. Auch beim Thema Globalisierung hat Thiel eine konträre Ansicht. Nicht Globalisierung, sondern die Technologie ist für ihn der bestimmende Zukunftsfaktor. Für die Wachstumszahlen von China und Indien zahlt die Umwelt einen hohen Preis. Thiel gibt zu bedenken, dass der Industrialisierungsprozess der wachstumsstarken Schwellenländer nicht mit den alten Technologien der Industrienationen gelöst werden kann, man denke nur an den steigenden Kohlendioxidausstoß. Würden wir mit den existierenden Methoden und Prozessen weiter wirtschaften, »wäre dies eine Katastrophe für die Umwelt. In einer Welt mit begrenzten Ressourcen lässt sich Globalisierung ohne neue Technologie niemals aufrechterhalten.« Nicht umsonst gilt er als Verfechter des Ansatzes »Doing more with less«.36

Die zehn Start-up-Gebote des Peter Thiel – Erfolgreiche Start-ups beruhen auf Geheimnissen

Es gibt kein Geheimrezept und schon gar keine Blaupause für Thiels Erfolg und seine Vorgehensweise. In ›Zero to One‹ geht er gleich eingangs darauf ausführlich ein: »Doch obwohl ich viele Muster erkannt habe und hier beschreibe, bietet dieses Buch keine einfache Erfolgsformel. Das Paradoxe in der Unternehmenslehre ist ja gerade, dass es keine Patentrezepte geben kann: Jede Erfindung ist neu und einmalig und niemand kann konkrete Schritte zur Innovationsfähigkeit vorgeben. Eine der wichtigsten Regeln, die ich gelernt habe, ist gerade, dass erfolgreiche Menschen ihre Goldgrube an unerwarteten Orten finden und dass sie Unternehmen nicht von Erfolgsrezepten her denken, sondern von Grundprinzipien.«37

Für Thiel liegt einem großartigen Unternehmen immer ein »Geheimnis« zugrunde. Google mit seinem PageRank-Algorithmus als Grundlage für die Bewertung der Bedeutung von Internetseiten und der Verknüpfung mit dem auktionsbasierten digitalen Werbegeschäft oder Coca-Cola mit seiner geheimen Rezeptur sind zwei Beispiele von sehr erfolgreichen Unternehmen, die in ihrer DNA ein Geheimnis tragen. Thiel ist der Meinung, dass es »noch eine Menge an Geheimnissen gibt«, die auf ihre Entdeckung bzw. Entschlüsselung warten. Der Schlüssel für ein erfolgreiches Start-up besteht für Thiel aus den Faktoren »Einzigartigkeit«, »Geheimnis« und einer monopolhaften Stellung auf dem digitalen Marktplatz.38

Immerhin äußerte sich Peter Thiel in einem Interview über seine zehn Start-up-Gebote zum Erfolg.39

1. Du bist der Unternehmer deines Lebens.

Du kannst Prioritäten setzen. Du hast die größtmögliche Freiheit, die sehr grundsätzlichen Entscheidungen zu treffen, was du mit deinem Leben anfangen möchtest.

Thiel studierte Philosophie des 20. Jahrhunderts im Grundstudium an der Stanford University.

2. Mache eine Sache einzigartig gut.

Das wichtigste bei einem Start-up ist die Erkenntnis, dass Technologie ein globales Geschäft ist. Die wirklich guten Technologieunternehmen machen etwas signifikant besser als jeder andere auf der Welt. Und du solltest dich in eine solche Position bringen.

Als erklärter Libertärer gründete Thiel 1987 die Studentenzeitung Stanford Review.

3. Versichere dich, dass die Personen, mit denen du verbunden bist, gut zu deinem Leben und zum Unternehmen passen und dass sie sich auch untereinander ergänzen.

Thiel ist immer sehr fokussiert auf die Struktur von Unternehmen. Die Gründer und Mitarbeiter müssen gut miteinander harmonieren und an einem Strang ziehen. Thiel fragt deshalb die Gründer vor einem Investment, wie sie sich kennengelernt haben. Eine schlechte Antwort wäre seiner Meinung nach: »Wir starteten die Firma, weil wir beide Unternehmer sein wollten.« Schließlich, so Thiel, heiratet man auch nicht die erstbeste Person, die man an einem einarmigen Banditen in Las Vegas kennengelernt hat. Gute Antworten auf die Frage sind für ihn, wenn sich die Gründer schon länger kennen und sich über ihre Geschäftsidee bereits intensiv ausgetauscht haben und sich komplementär in ihren Fähigkeiten (z.B. Technik und Betriebswirtschaft) ergänzen.

Thiel schloss Freundschaften mit anderen Stanford-Studenten, von denen viele für seine Zeitung Stanford Review arbeiteten. Zahlreiche davon übernahm er später bei PayPal, woraus die verschworene Gemeinschaft der ›PayPal-Mafia‹ entstand. Auch bei Palantir und seinen Risikokapitalgesellschaften finden sich zahlreiche Freunde von ihm aus seiner Stanford- und PayPal-Zeit. Die Freundschaft zu LinkedIn Gründer Reid Hoffman, ebenfalls ein Stanford-Kommilitone und ehemaliger PayPal-Mitarbeiter, währt gar seit rund 30 Jahren.40

4. Monopolstatus anstreben. Baue eine Firma auf, die der Konkurrenz so weit enteilt ist, dass niemand mit dir konkurrieren wird. Arbeite daran, dich von dem Wettbewerb stark abzuheben.

Als Gründer muss man einen Monopolstatus anstreben, was bedeutet, dass man das Ziel verfolgt, eine Firma aufzubauen, die einzigartig ist und sich stark von Wettbewerbern differenziert, um nicht in eine Wettbewerbssituation zu kommen. Für weite Teile der Allgemeinheit gilt der Grundsatz, dass Kapitalismus und Wettbewerb Synonyme sind. Tatsächlich sind sie für Thiel aber Gegensätze.

5. Sei kein Fake-Unternehmer. Gründe eine Firma, weil du eine Antwort auf ein generelles Problem gefunden hast.

Die Antwort »Ich möchte Unternehmer werden« auf die Frage, was man mit seinem Leben anfangen möchte, ist für Thiel nicht zielführend. Das hat für ihn den Charakter wie »ich möchte reich werden« oder »ich möchte berühmt werden«. Niemand gründet mit einer derartigen Vorstellung ein erfolgreiches Unternehmen. Thiel sucht nach Unternehmen und Unternehmern, die ein wichtiges Problem erkannt haben, das bisher weder Unternehmen noch Behörden in Angriff genommen haben und das sie selbst lösen wollen.

6. Bewerte Substanz höher als Status und Prestige. Vom Status getriebene Entscheidungen sind nicht nachhaltig und langfristig ohne Wert.

Thiel hat dies am eigenen Leib erfahren. Zunächst Studium in Stanford, dann Anwalt in einer Kanzlei in Manhattan. Hinterher fragte er sich zu Recht, warum er nicht mehr darüber nachgedacht hat, welchen Weg er damit eingeschlagen hat. Er war zu sehr mit Dingen beschäftigt, die der Norm und dem Prestige entsprachen, als mit dem, was er wirklich tun wollte. Deshalb gilt für ihn die Lektion »Substanz vor Status«.

7. Wettbewerb ist ein zweischneidiges Schwert. Du kannst dich darauf konzentrieren, die Leute um dich herum zu besiegen, aber man bezahlt es mit dem Preis, die Sicht auf das zu verlieren, was wertvoller und wichtiger ist.

Thiel hatte als sehr guter Schachspieler in der Jugend bereits ein ausgeprägtes Verhältnis zum Wettbewerbsgedanken. Die starke Fokussierung auf den Wettbewerb in Schule, Sport, Studium und später als Anwalt in Manhattan hat ihn nicht glücklich und zufrieden gemacht.

Als Unternehmer und Risikokapitalgeber baute er seine Geschäfte auf Basis von starken Freundschaften und großem Vertrauen auf. Er versuchte mit seinen Gründungen und Investments dem Wettbewerbsdruck, soweit möglich, aus dem Weg zu gehen und sich mit einzigartigen Geschäftsmodellen zu beschäftigen. Folgerichtig erhielt Thiel im Februar 2013 den TechCrunch Crunchie Award als Risikokapitalgeber des Jahres.

8. Sämtliche Trends sind überbewertet. Strebe nicht nach den aktuellsten und heißesten Dingen, strebe nach einer soliden Lösung für ein generelles Problem.

Thiel hält die aktuellen Technologietrends wie Software für den Gesundheits- oder Bildungssektor für überbewertet, genauso die »Buzzword« Themen wie SaaS-Software für Unternehmenskunden (Software-as-a-Service), Big Data und Cloud Computing. Fallen diese Worte in einem Investment-Gespräch, dann empfiehlt Thiel, so schnell wie möglich wegzurennen. Die IT-Modewörter stellt er einem Bluff beim Pokern gleich. »Sie möchten nicht die vierte Hundefutterfirma werden, sie möchten nicht die 10te Solarpanel-Unternehmung sein, sie möchten nicht das 1000ste Restaurant in San Francisco sein.« Thiel schlussfolgert: Unternehmen, die sich mit diesen weithin bekannten Füllwörtern schmücken, haben zumeist eine schlechte Geschäftsidee als Grundlage.

9. Verharre nicht in der Vergangenheit. Sich auf Dinge zu konzentrieren, die nicht funktionieren, beeinträchtigt nur das Selbstvertrauen. Verwende nicht zu viel Zeit in die Analyse, warum etwas nicht funktioniert hat, bewege dich stattdessen nach vorne und ändere die Richtung.

In Westeuropa gilt Scheitern als Malus. Wer einmal gescheitert ist, kann nicht noch einmal durchstarten. In Kalifornien erlebt man genau das andere Extrem. In der Regel sagt man, dass man aus Fehlern klug wird. Scheitern kann also vordergründig lehrreich sein. Thiel widerspricht dieser These. Scheitern hat Thiel zufolge eine schädliche Wirkung auf Menschen. Vor allem dann, so Thiel, wenn man unter hohem Einsatz mit viel Energie an etwas Neuem arbeitet und sich dann eingestehen muss, dass man es nicht zum Erfolg führen kann. Das führt zu negativen psychischen Reaktionen. Thiel ist der Ansicht, dass man aus dem Scheitern keine Lehren für die Gründung eines neuen Unternehmens ziehen kann. Das Scheitern, so Thiel, geht auf fünf einzelne Gründe zurück: »Die falschen Leute, die Idee war schlecht, das Timing war falsch, es handelte sich um kein Monopol, das Produkt funktionierte nicht.«

10. Finde den geheimen Weg für deinen eigenen Erfolg. Folge nie der Allgemeinheit.

»Jeder versucht, aus der kleinen Tür nach draußen zu gehen, aber ums Eck ist ein schneller, aber geheimer Ausgang, den niemand benutzt. Du solltest immer den geheimen Weg finden. Geh voraus und nehme ihn.«41

Was ist also der Sinn und Zweck von Start-ups, was muss ein Start-up nun leisten? Auch hier hat Thiel eine einfache wie stimmige Erfolgsformel: »Es muss Gemeinplätze infrage stellen und das Unternehmen von Grund auf neu erfinden.«42