Mit Fieldlink sahen sie sich bestens positioniert. Die Verschlüsselungssoftware von Levchin konnte für die Sicherheit und Vertraulichkeit im Bezahlverkehr fungieren. Die Palm Pilots könnten zudem als digitale Geldbörse fungieren. Um das Ganze sehr benutzerfreundlich zu gestalten, sollten die verschlüsselten Zahlungsströme einfach über die Infrarotschnittstelle von einem Palm Pilot zum anderen »gebeamt« werden. Eine Killerapplikation schien geboren.111

Das einzige Problem war noch der Unternehmensname. Fieldlink schien für den nun klar herauskristallisierten Geschäftszweck unpassend zu sein. Schließlich einigte man sich auf »Confinity«, eine Wortschöpfung aus den Begriffen »confidence« (Vertrauen) und »infinity« (Grenzenlosigkeit).

Mit Thiel an der Spitze und der Ausrichtung des Business Plans auf das Thema »Bezahlvorgänge« ging es in die Akquise erster Mitarbeiter. Levchin rekrutierte drei Informatiker von seiner Alma Mater, Thiel brachte mit Ken Howery einen ehemaligen Review-Redakteur an Bord. Howery sollten weitere Thiel-Getreue folgen, die alle sein Vertrauen bei der Review erworben hatten. Howery sollte eine Schlüsselrolle bei PayPal zukommen. Er half nicht nur, über 200 Millionen Dollar Risikokapital für PayPal einzuwerben, sondern war als Finanzvorstand (CFO) maßgeblich am Börsengang und dem späteren Verkauf an eBay beteiligt. Zudem gewann das junge Start-up mit Marty Hellman, dem Erfinder der Public-Key-Kryptographie, und mit Bill Melton, dem Gründer des Zahlungsdienstleisters Verifone, zwei prominente Persönlichkeiten mit hoher Branchenexpertise. Das Unternehmen wurde schließlich im Dezember 1998 von Thiel, Levchin, Howery und Nosek als »Confinity« gegründet.112

Nachdem das Unternehmen an Fahrt aufgenommen hatte, kam die nächste Herausforderung: Wie können Venture-Capital-Investoren von dem revolutionären Geschäftsmodell überzeugt werden, ohne dass entsprechende Umsätze vorzuweisen waren? Wie so viele Silicon-Valley-Unternehmer verstanden sich Thiel und Levchin auf eine perfekte Inszenierung ihres jungen Start-ups. Auf einer Pressekonferenz im Juli 1999 gewannen sie mit Nokia Ventures und der Deutschen Bank zwei prominente Investoren. Diese »beamten« 4,5 Millionen Dollar via Palm Pilot an Peter Thiel.113 Und das vor den Augen einer erwartungshungrigen Medienschar. Hollywood ließ grüßen. Der Auftritt entwickelte sich zu einem PR-Hit. Sowohl Wired, das führende Internet-Magazin und Meinungsführer für neue Trends im Valley, als auch die renommierte International Herald Tribune berichteten von dem Ereignis in den höchsten Tönen.114 Levchin schlief nach dem erfolgreichen Geldtransfer direkt am Tisch ein. Wenig verwunderlich, hatte er doch drei Tage ohne Pause durchgearbeitet!115

Ironie des Schicksals: Mit Nokia und Deutscher Bank leisteten zwei europäische Unternehmen Starthilfe, die beide heute nur noch Schatten ihrer selbst sind. Das aus Confinity hervorgegangene PayPal verfügt im Frühjahr 2017 über eine Marktkapitalisierung von 47 Milliarden EUR.116 Die Deutsche Bank (25 Milliarden EUR117) und Nokia (18 Milliarden EUR118) bringen zusammen mit 43 Milliarden EUR weniger auf die Waage als das von ihnen im Jahr 1999 maßgeblich finanzierte Unternehmen. Noch dazu ist der Deutschen Bank mit PayPal ein veritabler Konkurrent im Zahlungsverkehrsgeschäft erwachsen.

Schnell erwies sich die einseitige Ausrichtung auf die Palm Pilot Geräte und damit die starke Abhängigkeit von einer proprietären Plattform als Limitierung für das aufstrebende Unternehmen. Da man für das Hochladen der verschlüsselten Finanztransaktionen von den Palm Pilots eh eine Webseite benötigte, lag es nahe, den Dienst auch über die Website anzubieten und damit allen Internetnutzern zugänglich zu machen. Die Eintrittsschwelle für die Nutzung von PayPal war damit dank kostenloser Registrierung sehr niedrig. Zum Dreh- und Angelpunkt des Diensts wurde die E-Mail-Adresse. Sie war der eindeutige Schlüssel zur Identifikation des Nutzers. Anwender konnten auf der Website von PayPal einfach in ein Feld den gewünschten zu versendenden Betrag und die E-Mail-Adresse des Empfängers eintragen und versenden. So konnte auf einfache Weise Geld »gebeamt« werden, wie es im PayPal-Slang hieß, auch wenn der Empfänger noch kein PayPal-Nutzer war. Laut der damaligen Website bestand das Geschäftsmodell darin, die im PayPal-System geparkten Gelder kurzfristig zu verzinsen und daraus Erträge zu generieren.119

Doch PayPal hatte noch mehr als einen kostenlosen und komfortablen Geldtransferdienst zu bieten. Das Unternehmen war auch Vorreiter in Sachen Marketing und Vertrieb. Während andere Start-ups des dot-com-Zeitalters große Budgets für wenig zielgerichtete Werbung wie TV-Spots, Zeitungsanzeigen oder die im Silicon Valley und den USA so beliebten Werbetafeln (Billboards) investierten, hatten die Gründer eine andere Idee. PayPal initiierte ein Bonusprogramm, bei dem jeder Nutzer, der sich registriert und seine Kreditkarte hinterlegt hatte, zehn Dollar gutgeschrieben bekam. Doch damit nicht genug: Jeder PayPal-Nutzer bekam für jeden weiteren Nutzer, den er einwarb, weitere zehn Dollar gutgeschrieben. Später wurde diese Form als virales Marketing bezeichnet. Das Bonusprogramm entfaltete denn auch schnell große Wirkung. Nachdem die Plattform im Oktober 1999 unter der Marke PayPal offiziell gestartet war, konnte man im März 2000 bereits den millionsten Nutzer begrüßen.120 Für Thiel war dies gleich aus drei Gründen befriedigend:

1. Die Werbeaufwendungen konnten nicht besser in Nutzerwachstum investiert werden.

2. Ein Schneeballeffekt wie aus dem Bilderbuch setzte ein: Neu registrierte Nutzer luden weitere Freunde ein, diese wurden ebenfalls zu Nutzern und luden wiederum ihre Freunde ein.

3. PayPal entwickelte sich zum Marktführer, und mit jedem neuen Nutzer wurde der angebotene Geldtransferdienst um ein Vielfaches wertvoller.

Thiel nutzte die Gunst der Stunde: Mit dem enormen Nutzerwachstum konnte er im Januar 2000 in einer neuen Finanzierungsrunde unter Beteiligung von Goldman Sachs insgesamt 23 Millionen Dollar einsammeln (Crunch base Series B). Das Geld war auch dringend notwendig, stiegen doch auch die Ausgaben in besorgniserregendem Tempo. Das junge Unternehmen generierte praktisch noch keine Einnahmen, musste aber jedem neu hinzugekommenen Nutzer zehn Dollar überweisen. Auch die hinterlegten Kreditkarten sollten sich als schwarzes Loch für die Firmenkasse erweisen. Die Kreditkartenanbieter Visa und Mastercard kassierten für jede Transaktion, die über eine an PayPal angebundene Kreditkarte abgewickelt wurde, zwei Prozent Gebühr.121 Neues Personal und die damit verbundenen Kosten schlugen sich ebenfalls in der Bilanz des noch jungen Unternehmens nieder. Und damit nicht genug des Unheils: Ein neuer Wettbewerber mit dem klingenden Namen X.com tauchte wie aus dem Nichts auf.

Fusion statt Krieg

PayPal war gerade dabei abzuheben, da sahen sich Thiel und sein Team dem Mitbewerber X.com ausgesetzt, der von dem smarten Seriengründer Elon Musk im März 1999 gegründet worden war. Musk, in Südafrika geboren, wanderte als 17-Jähriger nach Nordamerika aus, um dem Wehrdienst unter dem damaligen Apartheidregime zu entgehen. Er kam nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre und Physik 1995 ins Silicon Valley. Zusammen mit seinem Bruder baute er unter dem Namen Zip2 an einem ersten Start-up. Zip2 war eine Art elektronisches Branchenbuch und ein Vorläufer von Google Maps. Im Zuge des sich entwickelnden Internethypes wurde Compaq auf das Unternehmen aufmerksam und kaufte es im Februar 1999 für stolze 307 Millionen Dollar.122 Musk erlöste aus dem Verkauf rund 22 Millionen Dollar für sich.123 Umgehend investierte er 10 Millionen in sein neues Venture X.com.124 Musk wollte mit X.com das ultimative Finanzportal bauen. Anwender sollten alle notwendigen Finanzdienstleistungen aus einer Hand und über das X.com-Portal erhalten. X.com verfügte über eine eigene Banklizenz und konnte so seinen Kunden auch echte Bankkonten anbieten. Obendrauf verfügte es noch über einen Geldtransferdienst, der dem von PayPal stark ähnelte. Statt zehn Dollar Bonus für einen Neukunden bot X.com gleich 20 Dollar. Bei Thiel und den anderen Teammitgliedern läuteten die Alarmglocken. Wie konnte ein Mitbewerber sie innerhalb kürzester Zeit in fast allen Belangen kopieren?

Für Thiel war immer klar, dass sich nur über hohes Kundenwachstum ein echter Netzwerkeffekt einstellt. Wachstum war für ihn der alles entscheidende Faktor. Schon damals war er seiner Zeit voraus und dozierte vor den Mitarbeitern die Gesetze der Netzwerktheorie. Auf Robert Metcalfe, dem Erfinder des Ethernet Netzwerkstandards und Gründer des Unternehmens 3Com, geht das Metcalfesche Gesetz zurück. Demnach ist ein Netzwerk, das doppelt so viele Anwender bedient, viermal (also im Quadrat) wertvoller. Anders ausgedrückt: steigende Nutzerzahlen führen zu einer Potenzierung des Unternehmenswerts, da die Kosten für die Gewinnung eines neuen Netzwerkteilnehmers mit zunehmendem Wachstum des gesamten Netzwerks immer geringer werden. Die entscheidende Voraussetzung also, um ein Internetunternehmen in die Profitabilität zu führen und langfristig zu einer Goldgrube zu machen.

Nachdem PayPal rundum auf Wachstum gepolt war, versuchte man sich zunächst darin, neue Features zu lancieren, um sich gegenüber X.com abzusetzen. X.com erwies sich aber als zäh und kopierte die Funktionalitäten nahezu umgehend. Thiel stand vor einer fatalen Situation: Er wusste, dass es im Plattformgeschäft nur einen Gewinner geben kann. Umgekehrt verabscheute er Wettbewerb und eine direkte Konfrontation. Aus seiner bisherigen Laufbahn, die stark vom Wettbewerbsgedanken geprägt war, wusste er, dass die weitere konfrontative Auseinandersetzung zu Abnutzungserscheinungen im Team, aber auch in der Unternehmensbewertung führen kann. Geschult durch die Theorien und Schriften von René Girard fand er es sinnvoller, dem finalen Konflikt aus dem Weg zu gehen.

Es kam zum Paukenschlag: Im März 2000 kündigten X.com und Confinity (das Mutterunternehmen von PayPal) an, zu fusionieren. Die Logik der Fusion schien bestechend zu sein: Man schloss Frieden mit dem bisher hartnäckigsten Mitbewerber, und mit vereinten Kräften konnte man daran gehen, die Thielsche Vision eines echten Weltmarktführers für digitales Bezahlen umzusetzen. X.com brachte mit seiner Banklizenz, dem Zugriff auf Bankkonten und der breiten Finanzproduktpalette eigentlich alles mit, um das starke Kundenwachstum auch in klingende Münze umzuwandeln. Alles klang nach einem strategischen Plan und einer bestechenden Logik. Und mit Elon Musk kam ein charismatischer und erfolgreicher Jungunternehmer an Bord.

Thiel erkannte wiederum, was die Stunde geschlagen hatte. Anfang 2000 befand sich die Börse in einer absoluten Hochstimmung. Analysten und Ökonomen sahen mit der New Economy ein neues Wirtschaftszeitalter anbrechen, das beständiges und langanhaltendes Wirtschaftswachstum versprach, ohne lästige Rezessionen. Thiel, der die makroökonomischen Zusammenhänge wie kein Zweiter analysieren kann, wusste, dass nun noch stärker aufs Gaspedal gedrückt werden musste. Nicht ganz ungelegen kam ihm die Tatsache, dass das Wall Street Journal im Februar 2000 PayPal auf einen Unternehmenswert von 500 Millionen Dollar taxierte.

Im März 2000 steuerte die Computerbörse NASDAQ auf ein neues Rekordhoch von 5000 Punkten zu. Ein Anstieg von rund 2000 Punkten innerhalb von nur vier Monaten. Neuemissionen waren meist hundertfach überzeichnet und verdoppelten oder verdreifachten sich bereits am ersten Börsenhandelstag. Für Thiel war klar, die Märkte befanden sich in einer großen Blase.125 Hatte nicht Notenbankpräsident Greenspan bereits im Dezember 1996 das Treiben an den Börsen als »irrationalen Überschwang« kommentiert?126 Man musste also die Chance nutzen und so schnell wie möglich eine große Finanzierungsrunde durchziehen, um das kapitalhungrige Startup für die kommende Zeit krisenfest zu machen.

Genau wie ein Formel-1-Rennfahrer, der in Millisekunden entscheiden muss, wann er zum Tanken an die Box fährt und wie viel Sprit er aufnimmt, ist es für Gründer die höchste Kunst, den möglichst optimalen Zeitpunkt für eine neue Finanzspritze zu erwischen. Wie sich bald herausstellen sollte, hatte Thiel einen fantastischen Riecher. Unter Führung von Madison Dearborn Partners aus Chicago und J.P. Morgan sowie der japanischen Internet-Investmentfirma Hkari Tsushin sowie zahlreichen bisherigen Investoren von PayPal und X.com gelang es, 100 Millionen Dollar frisches Geld einzusammeln.127 Auch die US-Notenbank erkannte die Situation. Sie hob im März 2000 die Zinsen um 125 Basispunkte an, um Inflationstendenzen entgegenzuwirken. Bis Mitte April sollte NASDAQ dann rund 1500 Punkte abgeben. Thiel instruierte sein Finanzteam, dafür zu sorgen, dass die 100 Millionen Dollar der Investoren schnellstmöglich an PayPal überwiesen wurden. Er wusste, Investoren können schnell wankelmütig werden, wenn die Märkte ins Minus drehen. Es schien nun alles in bester Ordnung: Genug Geld an Bord, das Unternehmen weiter auf Wachstumskurs und eine erfolgreich durchgezogene Fusion mit dem wichtigsten Mitbewerber.

Elon Musk als CEO – Fusionswehen und Meuterei

Um PayPal nach außen hin noch solider und seriöser aufzustellen, wurde mit Bill Harris ein erfahrener Manager als neuer Unternehmenschef berufen. Harris hatte sich als Chef von Intuit, dem Hersteller der bekannten Finanz- und Steuerprogramme Quicken und QuickBooks, einen exzellenten Ruf erarbeitet. Musk übernahm zunächst die Rolle als Aufsichtsratschef (Chairman) im fusionierten Unternehmen. Thiel teilte seinen Mitarbeitern mit, dass es für ihn an der Zeit sei, den Staffelstab als CEO an Harris zu übergeben, um PayPal auf den nächsten Level zu führen. Für viele im Unternehmen sah es nun so aus, als ob die Fusion unter »Mergers of Equal« eher eine Übernahme durch X.com und Elon Musk war. Schnell machte sich aber bemerkbar, dass Bill Harris' Konzernerfahrung und Denke eher hinderlich als förderlich für das sich dynamisch entwickelnde Start-up PayPal war. Anstatt sich um die Eindämmung der hohen Verluste und die Integration der technischen Plattformen der zwei zu fusionierenden Unternehmen zu kümmern, baute Harris einen großen Nebenkriegsschauplatz auf, indem er die Kapazitäten des Unternehmens auf neue strategische Kooperationen mit anderen Internetunternehmen lenkte.

Diese Maßnahmen zeigten aber keinen kurzfristigen Niederschlag in den Geschäftszahlen. Dementsprechend ungeduldig wurden die Mitarbeiter. Nach kurzer Zeit wurde Bill Harris von seiner Rolle als CEO entbunden. Musk übernahm in der Folge seine Rolle und Peter Thiel wurde Aufsichtsratschef. Musk versuchte denn auch unmittelbar gegenzusteuern und die hohe Geldverbrennungsrate im Unternehmen zu reduzieren. Dies gelang ihm auch teilweise. So wurden die Bonusprogramme für neue Kunden von zehn auf fünf Dollar gesenkt, und er versuchte auch, den hohen Anteil an Kreditkartenzahlungen und den damit verbundenen Gebührenaufwand zu reduzieren. Doch nun sollte es ans Eingemachte gehen. Musk bestand darauf, dass die kompletten Ressourcen des Entwicklungsteams auf die Migration der technischen Plattform von X.com gelenkt werden sollten. Dies hatte gravierende Nachteile: Zum einen blieben keinerlei Kapazitäten, um neue Features zu entwickeln, die neue Umsatzströme boten und damit auch die starke Konkurrenz auf Abstand halten würden. Die Gefahr war, dass das neu fusionierte Unternehmen über Monate quasi mit sich selbst beschäftigt wäre. Für ein schnell wachsendes Start-up ein geradezu fataler Zustand. Zum anderen basierte die X.com-Plattform auf Windows NT, während die PayPal-Plattform auf Unix lief. Max Levchin als Technologiechef und seine getreuen Entwickler sahen große technische Probleme auf sie zukommen. Windows NT hatte sich zu diesem Zeitpunkt um die Jahrtausendwende noch nicht den Ruf erarbeitet, in geschäftskritischen Umgebungen wie bei Finanztransaktionen eingesetzt werden zu können, da es bei Performance, Skalierung, Stabilität und Sicherheit den Unix-Systemen noch unterlegen war. Da PayPal in rasender Geschwindigkeit neue Kunden gewann, wäre der Wechsel auf eine andere Plattform eine Operation am lebenden Patienten mit unsicherem Ausgang gewesen.

Zu allem Überfluss machte Elon Musk noch eine weitere Baustelle auf, die vielen im Unternehmen Bauchschmerzen bereitete: Er wollte das PayPal-Logo von der Website verbannen und durch die Marke X.com ersetzen. Obschon sämtliche Marketinguntersuchungen zeigten, dass die Anwender die Marke PayPal breit akzeptierten und sie wenig Affinität zu »X.com« hatten, bestand Musk darauf.

Es musste die Notbremse gezogen werden. Nach nur einem halben Jahr in der Verantwortung, im Oktober 2000, wurde Elon Musk von seiner Rolle als Chef von PayPal entbunden. Just zu diesem Zeitpunkt weilte er bei den Olympischen Sommerspielen in Australien. Der Aufsichtsrat erkannte die Gefahr und nahm die Bedenken der Führungsmannschaft und der Mitarbeiter ernst. Ansonsten wäre es zu einem Personalexodus gekommen, die PayPal in starke Turbulenzen geführt hätte. Als neuer vorläufiger CEO wurde ein Altbekannter eingesetzt: Peter Thiel. Musk akzeptierte seine Abwahl, es wurde keine schmutzige Wäsche gewaschen. Mit Thiel kam der Start-up-Spirit wieder zurück. Die kreative Streitkultur im Unternehmen, das »Fighting for the best solution«, kam wieder ins Rollen, und man fokussierte sich auf die Entwicklung neuer Features, um die missliche Situation auf der Einnahmeseite peu-à-peu zu verbessern. Thiel entschied sich, PayPal als Bezahldienstleister zu positionieren und nahm Abstand von der Vision des Finanzsupermarkts von Musk.128

Spiel mit dem Feuer – Ritt auf dem Elefanten

Der e-Commerce-Markt hob regelrecht ab. Online-Auktionen und eBay als Marktführer entwickelten sich zu einem Phänomen. eBay wurde zum eigentlichen Treiber des PayPal-Wachstums. Immer mehr Händler erkannten den Nutzen einer Online-Präsenz auf dem führenden Marktplatz. Das PayPal-Team reagierte schnell und entwickelte ein kostenpflichtiges Geschäftskundenkonto, das Gewerbetreibenden deutliche Preisvorteile gegenüber Kreditkartenabrechnungen bot. Die gewerblichen Kunden, die eine große Kundengruppe bei PayPal darstellten, sollten zur Monetarisierung und damit zum Umsatzwachstum einen deutlichen Beitrag leisten. Mit zielgerichtetem Marketing funktionierte dies immer besser. Trotzdem waren die Verluste immer noch enorm. Und mit der zunehmenden Sichtbarkeit von PayPal auf den eBay-Seiten kam man immer mehr auf den Radar von eBay. eBay selbst war PayPal ein Dorn im Auge und entwickelte mit der Marke »Billpoint« einen eigenen Bezahldienstleister. Es war nun ein ständiges Hase-Igel-Spiel zwischen PayPal und eBay um neue Funktionen. eBay versuchte geschickt, seine Rolle als Monopolist und Inhaber der Plattform gegenüber PayPal auszuspielen. Trotz aller Anstrengungen gelang es eBay nicht, signifikante Marktanteile mit seinem Dienst zu erzielen. Die Kunden von eBay schätzten PayPal, und egal was eBay auch tat, die Kunden blieben ihrem PayPal-Konto treu. Der Beginn einer Markenbildung war geschaffen, und das auf dem Rücken des Auktionselefanten eBay. Gleichzeitig wuchs aber auch die Umsatzabhängigkeit von eBay. Mehr als 60 Prozent der Umsätze waren auf die eBay-Plattform zurückzuführen. Man brauchte dringend neue Märkte, die für frisches Wachstum, aber auch für eine Reduzierung der Abhängigkeit zum Monopolisten eBay sorgten. Die Gefahr war immanent, dass eBay von heute auf morgen PayPal den Stecker ziehen und damit dessen Wachstumsstory wie ein Kartenhaus zusammenfallen würde.

Die »Las-Vegas-Strategie« sollte schließlich die Lösung sein. PayPal schielte auf den riesigen Markt der Online-Spiele und Kasinos. Es wurden in dieser Branche schon damals Milliardenbeträge umgeschlagen. Davon wollte PayPal ein gehöriges Stück für sich beanspruchen. Mit einem fokussierten Vertriebsansatz wurden die wichtigsten Betreiber angesprochen und ihnen PayPal als Bezahlverfahren schmackhaft gemacht. Der Erfolg stellte sich dann auch zügig ein. Die Umsätze stiegen, die Abhängigkeit zu eBay reduzierte sich, doch noch immer hing PayPal an dessen Rockzipfel.129

Nuklearer Winter und Börsengang

Seit dem März 2000 befanden sich die weltweiten Börsen, und besonders die NASDAQ und die Technologiewerte, in einem kontinuierlichen Abwärtsstrudel. Neben etlichen Bilanzskandalen erwiesen sich viele Internetunternehmen und Geschäftsmodelle als Luftnummern. Analysten erstellten »Todeslisten« von Unternehmen, denen als Nächstes das Geld auszugehen drohte. Das Internet entwickelte sich in Anlegerkreisen innerhalb von zwei Jahren von der Geldmaschine zur Geldverbrennungsanlage. Dann kam zu allem Unheil noch der 11. September. Mit den Terrorangriffen wurde Amerika und die westliche Welt in eine Schockstarre versetzt. Eine lange und tiefgreifende Rezession schien unausweichlich. PayPal hatte bis zu diesem Zeitpunkt rund 200 Millionen Dollar bei Risikokapitalinvestoren aufgenommen, und noch immer konnte man die Schere aus Einnahmen und Ausgaben nicht schließen, um profitabel zu werden.

Wieder einmal überraschte Thiel mit seiner Chuzpe alle. Nur wenige Wochen nach dem 11. September, als niemand wusste, wie es mit der Weltwirtschaft und mit den Kapitalmärkten im Besonderen weitergehen sollte, kündigte PayPal den Börsengang an die NASDAQ an. Thiel spekulierte darauf, dass der mehrere Monate Zeit in Anspruch nehmende IPO-Prozess inklusive der Prospekterstellung eine genügend große Zeitspanne für die Erholung der Kapitalmärkte und eine bessere Sichtbarkeit der Weltwirtschaftslage bot. Thiel sollte wieder einmal mit seinem konträren Denken recht behalten. Jeder rechnete damit, dass der 11. September dem Aktienmarkt den Todesstoß versetzen würde. Tatsächlich sollte sich die NASDAQ aber exakt im Zeitraum der Börsenvorbereitungen bis zum Frühjahr 2002 erholen.

PayPal versprach sich zudem als Eisbrecher in der IPO-Flaute Rückenwind: Sprich, wenn dieses Unternehmen unter den widrigsten Umständen den Börsengang schafft, dann muss in der Firma ein starker Kern stecken. PayPal nutzte dieses »Window of Opportunity« und ging schließlich am 15. Februar 2002 an die Börse. Angeführt von der Investmentbank Salomon Smith Barney wurden 5,4 Millionen Aktien zum Preis von 13 Dollar angeboten. PayPal wurde zum Börsengang mit 800 Millionen Dollar bewertet. Der vorsichtig gewählte Emissionspreis zahlte sich aus. Die Aktie stieg am ersten Tag bis auf 22 Dollar und schloss mit einem Kurs von 20 Dollar den ersten Börsentag. Ein Kurszuwachs von 50 Prozent am ersten Börsentag. So etwas hatte die Börse seit längerer Zeit nicht mehr gesehen. Thiel hatte sein erstes Etappenziel erreicht. Das IPO sollte nicht nur zusätzliches Kapital bringen, sondern vor allem auch Vertrauen und Visibilität, was für FinTech Unternehmen wie PayPal eminent wichtig ist. Nun war PayPal börsengelistet und zeigte, dass nun auch wirtschaftlich die Rechnung aufging. Thiels Setzen auf Wachstum der Nutzerzahlen wurde belohnt. PayPal war nun profitabel. Doch mit dem Börsengang traten neue Neider und Herausforderungen auf den Plan. Die Finanzaufsicht in den einzelnen Bundesstaaten nahm nun verstärkt Notiz von PayPal und bat um Aufklärung. PayPal war bis zu diesem Zeitpunkt elegant um eine stärkere Regulierung herumgekommen. Nach wie vor war die geschäftliche Situation bei PayPal fragil, da man sich immer noch in einer starken wirtschaftlichen Abhängigkeit zu eBay befand. Wie konnte man sich aus dieser Strangulierung befreien?130

Fressen oder gefressen werden – Verkauf an eBay

Im Sommer 2002 verdichteten sich dann die Gerüchte, dass PayPal übernommen werden sollte. Infrage kamen Banken, Kreditkartenunternehmen und eBay selbst. Zwischen dem Management von eBay und PayPal gab es immer wieder Avancen. Doch nun machte eBay-Chefin Meg Whitman Nägel mit Köpfen. Am 8. Juli 2002 kündigte eBay die Übernahme von PayPal für 1,5 Milliarden Dollar in Aktien an. Die Transaktion war bereits im Oktober 2002 formal abgeschlossen. Ebay musste sich eingestehen, dass sein eigener Billpoint Bezahldienst bei den eBay-Mitgliedern kein Land gegenüber PayPal gewinnen konnte. PayPal wurde von 70 Prozent und Billpoint von lediglich 30 Prozent genutzt. Schlussendlich war es eine Win-win-Situation für beide Seiten. eBay hatte vollen Zugriff auf die Wertschöpfungskette inklusive der Zahlungsströme auf ihrer Plattform. Für PayPal und deren Management war die Ungewissheit in Bezug auf die wirtschaftliche Beziehung zu eBay vorbei. PayPal blieb rechtlich eine selbstständige Einheit von eBay, der Bezahldienst aber wurde in der Folge vollständig in die eBay-Plattform integriert.

Im Zuge des Verkaufs wartete die Finanzpresse mit höhnischen Kommentaren auf. Ein Analyst meinte gegenüber der New York Times, dass PayPal angetreten sei, eine »einzigartige Bezahlplattform für das Internet zu schaffen und stattdessen auf einem Nischenmarkt, dem Auktionsmarkt, angekommen sei«.

Schnell wurde klar, dass sich die unterschiedlichen Managementkulturen von eBay und PayPal nicht vertrugen. Ebay war ein formalistisches Unternehmen und geprägt durch eine Firmenkultur, die eher einem Großunternehmen entsprach. Die Mitarbeiter hatten ein Faible für langatmige PowerPoint-Präsentationen. PayPals Mannschaft hingegen hatte den unternehmerischen Geist gelebt. Konsequenterweise hat sich praktisch die komplette Führungsmannschaft um Peter Thiel, Max Levchin, David Sacks, Reid Hoffman und Luke Nosek von PayPal Zug um Zug verabschiedet. eBay machte auch keine Anstalten, die Führungskräfte zu halten, war man doch mehr an der Technologieplattform PayPal interessiert.131

PayPal-Mafia – Weltklasse-Teambuilding

Geschichte wiederholt sich auch in der schnelllebigen Welt des Silicon Valley. Immer wieder gibt es ganze Personengruppen aus führenden Unternehmen, die für eine bestimmte Zeitperiode prägend sind. In den 1960er- bis frühen 1980er-Jahren waren es die acht Gründer von dem damals führenden Halbleiterunternehmen Fairchild, deren herausragende Köpfe Robert Noyce und Gordon Moore Intel gründeten und die unter dem Namen »die verräterischen Acht« über das Valley hinaus Bekanntheit erlangten. Sie besaßen damals alle den Mut, sich von ihrem bisherigen Unternehmen aus Führungspositionen zu verabschiedeten und etwas Neues anzufangen. Genauso prägend wie damals die Fairchild-Gründer sind es heute die Gründer von PayPal. Ohne PayPal gäbe es kein Tesla, kein SpaceX, kein LinkedIn, kein YouTube und vielleicht auch nicht das Facebook, wie wir es heute kennen.

Das Wirtschaftsmagazin Forbes porträtierte im Jahr 2007 die Gründer von PayPal in einer an die Mafia erinnernden-»Dark-Room«-Umgebung und staffierte sie mit Lederjacken, Trainingsanzügen und Goldketten aus, die an ein ziemlich halbseidenes Milieu erinnern. Damit war der Name »PayPal-Mafia« geboren132.

Wie kam es nun zu einer solchen Ansammlung prägender Gestalten, die das Valley in den letzten zehn Jahren stark beeinflussten und auch das aktuelle Jahrzehnt mit ihren Ideen und Unternehmungen in den Bann ziehen?

Für David Sacks, den vormaligen Chief Operating Officer, war es denn auch nicht die »PayPal-Mafia«, sondern eher die »Diaspora«. »Vereinfacht gesagt wurden wir aus unserem Zuhause vertrieben, und sie haben anschließend auch unseren Tempel niedergebrannt.«133 Für ihn war die Zeit bei PayPal ein »trial by fire«, »das Feuer pustete die ganzen Unreinheiten weg, und es blieb purer Stahl übrig«. Oder anders ausgedrückt: PayPal legte mit seiner Vorgehensweise eine Blaupause frei, die Maßstab werden sollte für viele erfolgreiche Start-ups.

Wie so häufig gehen auch die Wurzeln dieser Unternehmensgeschichte zurück auf die Stanford University. Was sind nun die Erfolgsfaktoren, die Paypal zu einer der wichtigsten Blaupausen für so viele erfolgreiche Technologieunternehmen gemacht haben?

Ende der 1990er-Jahre gab es noch keine sozialen Netzwerke. Für Peter Thiel war von Beginn an entscheidend, dass er »eine Firma schaffen wollte, in der alle untereinander eine echte Freundschaft pflegen, und dass diese Freundschaft über dem Unternehmen und dessen wirtschaftlichem Erfolg steht«. Alle Mitarbeiter wurden nicht über Headhunter, sondern direkt über ihr Netzwerk an der Stanford angeworben. Auf viele der leitenden PayPal-Mitarbeiter, u.a. die beiden ehemaligen Stanford Review-Chefredakteure Ken Howery und David Sacks, aber auch Reid Hoffman, konnte sich Peter Thiel blind verlassen.

Diese persönliche Verbundenheit war notwendig, da die technischen und regulatorischen Herausforderungen, denen sich das Start-up PayPal stellen musste, gewaltig waren. Dazu kam die Konkurrenzsituation mit eBay und mit Kreditkartengiganten wie Mastercard und Visa. Das PayPal-Team entwickelte einen extremen Produktfokus. Um die Geschwindigkeit hoch und die Konkurrenz auf Abstand zu halten, wurde eine schrittweise Entwicklung neuer Funktionen eingeführt. Sobald ein neues Feature fertig war, wurde es sofort in das bestehende Produkt integriert. Heute, im Jahr 2017, ist das eine Selbstverständlichkeit, vor 15 Jahren war es revolutionär. Die technische Einbettung des PayPal-Dienstes in eBay war die Grundlage für den YouTube-Dienst, der ebenfalls von den Ex-PayPal-Mitarbeitern Chad Hurley und Steve Chen gegründet und später für 1,6 Milliarden Dollar an Google verkauft wurde.

Diese »starken Freundschaften«, wie sie Peter Thiel beschreibt, haben dazu geführt, dass sich die ehemaligen PayPal-Gründer bei ihren neuen Unternehmungen jeweils gegenseitig auch als Investoren unterstützten. Mit dem Verkauf ihrer PayPal-Anteile haben sie zwar vordergründig Kasse gemacht, sich aber nicht zurückgelehnt, denn jeder Einzelne schaltete um auf Angriffsmodus, und das heißt Gründung eines neuen Unternehmens. Die Situation zwischen 2002 und 2004 war dafür jedoch denkbar ungünstig. Aufgrund des gerade zurückliegenden Dotcom-Crashs waren B2C-Start-ups, also Start-ups für Endkunden, praktisch nicht zu finanzieren. Dementsprechend hatten die risikofreudigen und durch ihren PayPal-Verkauf gestählten Gründer durch ihre gegenseitige fachliche und finanzielle Unterstützung den Nährboden für einige der größten Erfolgsgeschichten im Silicon Valley geschaffen. Das Valley wurde mehrfach für tot erklärt, ist aber immer wieder auferstanden. Die PayPal-Jungs haben ein entscheidendes Scherflein dazu beigetragen.134

Die wichtigsten Ex-PayPal-Mitarbeiter und was aus ihnen geworden ist:

Peter Thiel war Co-Founder und CEO von PayPal und gründete im Anschluss einen Hedgefonds und Venture-Capital-Fonds (Founders Fund). Sein spektakulärstes Investment war sein Angel-Investment in Facebook und Mark Zuckerberg, als er $500.000 für zehn Prozent der Unternehmensanteile von Facebook zeichnete. Thiel konzentriert sich wie gesagt auf Investitionen, die keine »Me-too«-Ideen sind, sondern echte weltverändernde Unternehmen hervorbringen. So hat er einen eigenen Fonds für Studenten aufgelegt, der jedem 100.000 Dollar gewährt, wenn der sein Studium für eine Unternehmensgründung aufgibt und dessen Unternehmenskonzept Thiel überzeugt.

Max Levchin war Co-Founder und Technologiechef (CTO) von PayPal. Levchin ist studierter Informatiker und »Innovator des Jahres 2002« des angesehen Magazins MIT Technology Review für seine Leistungen im Bereich Datensicherheit und Verschlüsselung. Levchin gründete im Anschluss an PayPal die Social Gaming Site Slide, die von Google für 182 Millionen Dollar aufgekauft wurde. Es sollte die Grundlage für das Google-eigene Social Network Google+ bilden. Levchin arbeitet bereits am »next big thing« und ist Vorstandschef bei Kaggle, einem BigData-Start-up. Levchin plante im Jahr 2012 zusammen mit Peter Thiel und dem Schachspieler Garri Kasparow das Buch »The blueprint« zu schreiben, in dem sie eine Stagnation des technischen Fortschritts anprangern, die nur durch massive Investitionen in Forschung und Entwicklung behoben werden kann. Das Buchprojekt wurde allerdings nicht umgesetzt.

Luke Nosek war Co-Founder und Marketingchef von PayPal. Nosek hatte bereits vor PayPal mit Max Levchin zusammen Start-up-Gründungserfahrung gesammelt. Er war von Haus aus Informatiker, verstand es aber aufgrund seiner außerordentlichen kommunikativen Fähigkeiten hervorragend, fachliche und technische Belange in den richtigen Zusammenhang zu bringen und damit neue Produktinnovationen bei PayPal voranzutreiben. Zusammen mit Thiel und Ken Howery startete er später den Venture-Capital-Fonds Founders Fund. Nosek sitzt unter anderem auch im Aufsichtsrat von SpaceX.

Ken Howery war Co-Founder und Finanzchef (CFO) von PayPal. Howery studierte an der Stanford Volkswirtschaftslehre. Nach dem Ausscheiden bei PayPal ging er wieder zu Thiels Hedgefonds Clarium Capital Management. Zusammen mit Thiel und Nosek startete er 2005 den Founders Fund.

Reid Hoffman kam erst nach Gründung zu PayPal und führte als COO (Chief Operating Officer) das Tagesgeschäft. Der am besten vernetzte Mensch im Silicon Valley gründete mit LinkedIn das führende soziale Netzwerk für die Geschäftswelt. Hoffman, der sehr unscheinbar und bescheiden auftritt, hat daneben ein sehr gutes Gespür für Investments in Start-ups. So gehört er zu den Investoren von Facebook, Zynga, Flickr, Digg und Last.fm und ist seit 2010 Partner bei dem Venture-Capital-Unternehmen Greylock Partners.

Elon Musk war beim Verkauf von PayPal an eBay der größte Einzelaktionär und erzielte daraus 165 Millionen Dollar. Das Magazin Business Punk titelte im Jahr 2011 über ihn: »Eier aus Stahl«, was auf eine Aussage seiner ersten Frau zurückgeht.135 Musk ist der Mann für die ganz großen Visionen und Herausforderungen. Mit dem Elektroautobauer Tesla, dem Raumfahrtunternehmen SpaceX und dem Solarunternehmen SolarCity steht er gleich drei Unternehmen vor, die es in ihren jeweiligen Märkten mit der etablierten Konkurrenz wie der Automobil-, Raumfahrt- und Energieindustrie aufnehmen. Musk ist ein Arbeitstier und Berserker, der sich auch in ausweglosen Situationen noch zu helfen weiß. In letzter Sekunde schaffte er unter Einsatz seiner gesamten privaten Finanzmittel den Turnaround bei Tesla und gehört heute mit einem Nettovermögen von rund 12 Milliarden Dollar zu den ganz Großen im Valley. Charlie Munger, Partner und rechte Gehirnhälfte von Investmentguru Warren Buffett, hat kürzlich Elon Musk mit der Aussage geadelt, dass er ihn für ein Genie und für einen der kühnsten Menschen überhaupt hält.136

Chad Hurley entwickelte als Designer das Logo von PayPal, Steve Chen war dort als Ingenieur tätig. Beide gründeten im Anschluss den Videodienst YouTube, den sie 2006 für 1,65 Milliarden Dollar an Google verkauften.

Jeremy Stoppelman gründete im Anschluss an PayPal das Vergleichs- und Bewertungsportal Yelp, bei dem Kunden Bewertungen für Restaurants und Geschäfte abgeben können. Stoppelman hatte mehrere Übernahmeangebote für Yelp (u.a. von Yahoo), blieb aber hartnäckig und brachte Yelp 2012 an die Börse. Stoppelman kämpft mit Yelp um die Unabhängigkeit und liefert sich dabei heftige Gefechte mit Google, die bis hin nach Washington reichen. Aber er gibt nicht klein bei.

David Sacks war bei PayPal für das Tagesgeschäft verantwortlich (COO) und gründete im Anschluss Yammer, das soziale Netzwerk für Unternehmen. Yammer wurde 2012 von Microsoft für 1,2 Milliarden Dollar übernommen. Das Geld zur Gründung kam unter anderem von dem VC-Fonds von Peter Thiel.

Dave McClure war Marketingdirektor bei PayPal und gründete im Anschluss den Start-up-Inkubator 500 Start-ups und gehört damit zu den wichtigsten Gründeraktivisten im Silicon Valley.

Keith Rabois investierte nach seiner Zeit bei PayPal unter anderem als Business Angel in LinkedIn, YouTube, Yelp und Xoom und war bis Anfang 2013 Verantwortlicher für das Tagesgeschäft bei dem viel beachteten Mobile-Payment-Start-up Square tätig. In der Zwischenzeit gründete er den Online-Marktplatz Opendoor und arbeitet für das renommierte Risikokapitalunternehmen Khosla Ventures. Rabois gehört zu den einflussreichen Leuten im Valley, die eher im Hintergrund die Fäden ziehen.137

Fazit

Die Zahlen der PayPal-Gründer sprechen eine deutliche Sprache und suchen ihresgleichen. Die 220 Leute, die PayPal im Anschluss der Übernahme durch eBay verlassen haben, stehen für die Gründung von sieben sogenannten »Unicorns«. Als Einhorn-Unternehmen werden in den USA solche bezeichnet, die eine Marktkapitalisierung im Milliardenbereich aufweisen.

Unternehmen und Marktkapitalisierung, von Ex-PayPal-Mitarbeitern gegründet:

1. Tesla Motors $39,5 Mrd.138

2. LinkedIn $25,3 Mrd.139

3. Palantir $20 Mrd.140

4. SpaceX $21 Mrd.141

5. Yelp $2,69 Mrd.142

6. YouTube $1,65 Mrd.143

7. Yammer $1,2 Mrd.144

Nicht einmal Google oder Apple und deren Ex-Mitarbeiter, die neue Startups gründeten, können mit diesen Zahlen auch nur ansatzweise mithalten. Und die Erfolgsgeschichte der Ex-PayPal-Gründer ist noch nicht zu Ende. Das Netzwerk trägt weiterhin gute Früchte. Reid Hoffman erklärte erst kürzlich in einem Bloomberg-Interview, wie wichtig ihm die Ratschläge seiner ehemaligen Kollegen sind und wen er jeweils kontaktiert. Demnach fragt er bei Herausforderungen und Themen, bei denen es um »Think Big« geht, Elon Musk, Max Levchin, wenn es um das Thema Big Data geht und Peter Thiel bei makroökonomischen Finanzfragen.145 Auch Thiel selbst betonte im Interview mit Emily Chang, dass das PayPal-Team eine »Erfahrung« war, »die in ihrer Intensität unübertroffen ist«.146

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Die legendäre Paypal-Mafia: Hintere Reihe von links: Jawed Karim, Co-Gründer YouTube; Jeremy Stoppelman CEO Yelp; Andrew McCormack, Managing Partner Laiola Restaurant; Premal Shah, Präsident von Kiva; zweite Reihe von links: Luke Nosek, Managing Partner The Founders Fund; Kenny Howery, Managing Partner The Founders Fund; David Sacks, CEO Geni und Room 9 Entertainment; Peter Thiel, CEO Clarium Capital und Founders Fund; Keith Rabois, VP Biz Development bei Slide und YouTube Investor; Reid Hoffman, Gründer LinkedIn; Max Levchin, CEO Slide; Roelof Botha, Partner Sequoia Capital; Russel Simmons, CTO und Co-Gründer von Yelp, Quelle: Fotovorlage Robyn Twomey Fortune, Illustration Marvin Adlhofer