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Toni Cathomen und Holger Puchta (Hrsg.)CRISPR/Cas9 – Einschneidende Revolution in der Gentechnikhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-57441-6_8

Gentechnik im Tarnmantel

Stephen S. Hall1 
(1)
Journalist und Autor, New York, USA
 

CRISPR/Cas ist gerade dabei, die Landwirtschaft zu revolutionieren. Die Methode entzieht der alten Kritik an gentechnisch veränderten Organismen den Boden, weil sie ohne das Einpflanzen artfremden Erbguts auskommt. Und doch rollt eine fieberhafte Debatte auf uns zu, wie damit umzugehen ist.

Auf einen Blick

CRISPR/Cas, Die Präzisionsschere
  1. 1

    Mit dem neuen Verfahren CRISPR/Cas können Wissenschaftler das Erbgut eines Organismus verändern – und das nicht nur mit bislang unerreichter Genauigkeit, sondern auch noch sehr einfach und preisgünstig.

     
  2. 2

    Die Methode hat enormes ökonomisches Potenzial, da sie kleinen landwirtschaftlichen Unternehmen – und nicht nur den großen Agrarkonzernen – ermöglicht, genetisch veränderte Nutztiere und ‑pflanzen sowie Pilze zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.

     
  3. 3

    Die Anwendung von CRISPR/Cas in der Landwirtschaft ist aber hoch umstritten. Befürworter halten das Verfahren für weniger bedenklich als bisherige Gentechnik und weniger rabiat als konventionelle Zuchtmethoden. Zulassungsbehörden neigen dazu, dem zuzustimmen. Skeptiker jedoch hegen die gleichen Vorbehalte wie gegenüber bisherigen genetisch veränderten Organismen (GVO).

     

Die etwa 100 Landwirte, die sich im Festsaal des Hotels Mendenhall Inn (Chester County, Pennsylvania) drängeln, haben vermutlich wenig Ahnung von Genome Editing. Dafür kennen sie sich bestens mit Pilzen aus. Zusammen züchten sie durchschnittlich 500 Tonnen Speisepilze pro Tag. Und nehmen damit eine dominante Stellung auf dem einschlägigen US‐Markt ein, der 1,2 Milliarden Dollar schwer ist.

Etliche Pilze, die diese Landwirte in den Handel bringen, werden allerdings nach kurzer Zeit braun und verderben in den Verkaufsregalen. Denn sie reagieren extrem empfindlich auf Berührungen. Schon das einmalige, behutsame Anfassen beim Ernten und Einpacken kann ein Enzym aktivieren, das den Verfall beschleunigt. Das Ergebnis ist ein schleimiges, vergammelndes Erzeugnis, das niemand kaufen möchte.

An diesem Herbstmorgen 2015 möchte der Biologe Yinong Yang im Mendenhall Inn den Pilzzüchtern eine Lösung für das Problem vorschlagen. Yang, Professor für Pflanzenpathologie an der Pennsylvania State University, ist nach eigenem Bekunden zwar kein Pilzexperte. Das hielt ihn aber nicht davon ab, das Genom von Agaricus bisporus zu verändern, dem Zweisporigen Egerling und in der westlichen Welt bekanntesten Speisepilz. Dabei nutzte Yang ein neues Werkzeug zum Schneiden und Verändern von DNA‐Molekülen, die CRISPR/Cas‐Methode.

Die Pilzzüchter im Saal haben wahrscheinlich noch nie etwas von CRISPR/Cas gehört. Die Relevanz dieses genomeditierenden Verfahrens wird ihnen aber schlagartig klar, als Yang zwei Fotos präsentiert. Das eine zeigt einen braunen, verrotteten Champignon. Das andere einen makellos weißen Pilz, dessen Erbgut mit CRISPR/Cas verändert worden ist. Alle Beteiligten begreifen sofort, welches wirtschaftliche Potenzial hierin liegt: Von Agaricus bisporus kommen hunderttausende Tonnen jährlich auf den Markt. Das hat auch Yangs Universität verstanden, die ein vorläufiges Patent an seiner Arbeit anmeldete.

In den nicht einmal vier Jahren seit ihrer Entdeckung hat die CRISPR/Cas‐Methode bereits Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Sie ist ein revolutionäres Werkzeug mit enormem biomedizinischen Potenzial, weit reichenden bioethischen Implikationen, verbissenen Patentstreits und milliardenschweren Auswirkungen auf Medizin und Landwirtschaft. Forschungslabore und Biotechunternehmen entwickeln daraus in atemberaubendem Tempo neue Therapien für Erbkrankheiten wie die Sichelzellanämie und die Beta‐Thalassämie. Selbsternannte Künstler und ehrgeizige Biounternehmer träumen davon, mit Hilfe der Methode rosa Kaninchen oder lebende Nippesfiguren zu erschaffen, ähnlich den Minischweinen, die in China kürzlich unter Verwendung von CRISPR/Cas als Haustiere erzeugt wurden. Die Vorstellung, mit dem Verfahren menschliche Embryonen zu »reparieren« oder unsere DNA via Keimbahneingriff dauerhaft zu verändern, hat fieberhafte Diskussionen ausgelöst. Solche denkbaren »Verbesserungen« des Menschen haben Forderungen nach internationalen Forschungsmoratorien laut werden lassen.

Ihre größten Auswirkungen dürfte die CRISPR/Cas‐Revolution in der Landwirtschaft haben. Im Herbst 2015, als Yang vor den Pilzzüchtern sprach, waren bereits etwa 50 Fachartikel über Pflanzen erschienen, deren Erbgut mit dieser Methode verändert worden war. Nur ein halbes Jahr später, im April 2016, gab das US‐Landwirtschaftsministerium USDA (U.S. Department of Agriculture) bekannt, es werde davon absehen, Yangs CRISPR/Cas‐Pilze einem speziellen Zulassungsverfahren zu unterziehen. Die genomeditierten Champignons dürfen nun ohne weitere Auflagen kultiviert und verkauft werden. Diese Entscheidung hatte sich zwar abgezeichnet, ist aber dennoch ein Paukenschlag. Denn sie ermutigt zahlreiche weitere Unternehmen, derart genetisch veränderte Agrarerzeugnisse in den Handel zu bringen.

Dahinter verbirgt sich eine komplexe Debatte – nämlich die, was man unter einem gentechnischen Eingriff zu verstehen habe. Klassische Methoden der Gentechnik führen neues Erbmaterial in Lebewesen ein. Stammt dieses aus einer fremden Spezies, entsteht dabei ein transgener Organismus. Der Einbau artfremder DNA ins Erbgut war immer ein wesentlicher Kritikpunkt von Gentechnikgegnern. Zudem ließ sich nie genau vorhersagen, wo im Erbgut die neuen Gene landen und was sie dort anrichten würden. Deshalb mussten gentechnisch veränderte Organismen ein aufwändiges Zulassungsverfahren durchlaufen, um ihre Unbedenklichkeit unter Beweis zu stellen.

CRISPR/Cas setzt all das außer Kraft. Die Besonderheit des Verfahrens liegt erstens darin, dass es häufig ohne Fremd‐DNA auskommt, und zweitens in seiner überragenden Präzision. Mit ihm ist es möglich, beliebige Gene auszuschalten, und das vergleichsweise einfach und billig. CRISPR steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats. Gemeint sind wiederholt auftretende Abschnitte im Erbgut von Bakterien, zwischen denen Teile von viralen DNA‐Molekülen liegen. Letztere dienen dem Bakterium als eine Art Virenarchiv und helfen ihm, sich an entsprechende Erreger zu »erinnern«, um sie bei einer Infektion rasch zu erkennen und zu bekämpfen. Das Bakterium stellt in diesem Fall so genannte Cas‐Enzyme her: Endonukleasen, die an der DNA der eingedrungenen Viren andocken und sie kappen (Cas steht für CRISPR‐associated).

2012 schlugen die Forscherinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna in der Fachzeitschrift »Science« vor, das CRISPR/Cas‐System als DNA‐Schere zu nutzen, um das Erbgut gezielt an bestimmten Stellen zu schneiden. Dazu muss man dem Enzym Cas9 lediglich statt einer viralen Sequenz eine so genannte Leit‐RNA vorlegen, welche passgenau an die jeweils gewünschte DNA‐Stelle bindet. Sie führt das Cas‐Enzym präzise dorthin, so dass es den Erbgutstrang an diesem Punkt zerteilt. Die Technik lässt sich nutzen, um beliebige Sequenzen aus beliebigen DNA‐Molekülen zu entfernen und damit gezielt Gene zu inaktivieren. Voraussetzung dafür ist, dass man die Sequenz des gewünschten Gens oder DNA‐Abschnitts kennt – sonst kann man die Leit‐RNA nicht herstellen. Liegt dieses Wissen jedoch vor, lässt sich das passende CRISPR/Cas‐Set innerhalb eines Arbeitstags für rund 20 Euro anfertigen – ein Spottpreis im Vergleich zu bisherigen Methoden. Mehr noch: Die Genschere funktioniert nicht nur in Bakterien, sondern auch in Pflanzen, Pilzen und Tieren.

Künstlich oder natürlich mutiert? Das lässt sich nicht beantworten

Befürworter sehen CRISPR/Cas als die biologisch am wenigsten eingreifende Form der Pflanzenzüchtung, die Menschen je erdacht haben – einschließlich der herkömmlichen Zuchtmethoden durch Kreuzung, die bereits seit Jahrtausenden angewendet werden. Weil das Verfahren in vielen Fällen ohne das umstrittene Einschleusen artfremder DNA auskommt, ist seinem Ergebnis oft nicht mehr anzusehen, ob es sich um eine geneditierte oder natürliche Mutante handelt. CRISPR/Cas‐veränderte Nutzpflanzen unterscheiden sich daher fundamental von transgenen Erzeugnissen wie jenen umstrittenen Mais‑ und Sojagewächsen von Monsanto, die gegen das Herbizid Roundup resistent sind. Viele Forscher erwarten deshalb schon lange, dass die neue genomeditierende Methode den Streit um die »grüne Gentechnik« völlig neu aufmischen wird. Und das tut sie nun tatsächlich.

Werden die Verbraucher da mitgehen? Oder werden sie die mit CRISPR/Cas veränderten landwirtschaftlichen Erzeugnisse auch nur als genmanipulierte Lebensmittel betrachten – als Eingriff in die Natur mit unvorhersehbaren Folgen für Gesundheit und Umwelt? Noch ist die große Welle entsprechender Marktzulassungen nicht ins Rollen gekommen, daher steht das Thema wenig im Fokus der Öffentlichkeit. Doch das wird sich bald ändern. Pilzzüchter werden wohl die Ersten sein, die dieses Terrain betreten – wahrscheinlich in den kommenden ein, zwei Jahren.

Kurz nachdem Yang seinen Vortrag vor den Landwirten gehalten hatte, sprach ihn ein Industrieforscher auf die Herausforderungen CRISPR/Cas‐veränderter Lebensmittel an. Er stimmte Yang zwar darin zu, dass die Herstellung entsprechend genomeditierter Champignons nur minimale Eingriffe in die DNA erfordert, verglichen mit konventionell gentechnisch veränderten Organismen. »Aber es ist und bleibt eine genetische Veränderung, und manche Leute werden das so auslegen, als spielten wir Gott. Wie kommen wir aus diesem Dilemma raus?« Welche Antworten Yang und andere Wissenschaftler darauf finden, wird mit darüber entscheiden, ob CRISPR/Cas sich durchsetzt oder am öffentlichen Widerstand scheitert.

Der Gradmesser einer jeden neuen Technologie ist, wie schnell Forscher sie auf ihre eigenen wissenschaftlichen Probleme anwenden. Demnach gehört CRISPR/Cas zu den leistungsstärksten Verfahren, die im zurückliegenden halben Jahrhundert Eingang in die biologische Methodik gefunden haben. Yangs modifizierte Pilze veranschaulichen das auf eindrucksvolle Weise.

Yinong Yang – sein Vorname bedeutet witzigerweise so viel wie »betreibt Landwirtschaft« – hat sich vor 2013 nie mit Pilzen beschäftigt. Geboren in Huangyan, einer Stadt südlich von Schanghai, arbeitete er Mitte der 1990er Jahre als Student an der University of Florida und später der University of Arkansas mit primitiven geneditierenden Enzymen. Er erinnert sich noch lebhaft an jene »Science«‐Ausgabe vom 17. August 2012 mit der Publikation von Jennifer Doudna (University of California, Berkeley) und Emmanuelle Charpentier (heute am Max‐Planck‐Institut für Infektionsbiologie in Berlin), in dem die beiden Forscherinnen das CRISPR/Cas‐System und sein Potenzial für das Genome Editing beschrieben. Yang war verblüfft. Innerhalb weniger Tage arbeitete er Pläne aus, wie man damit Eigenschaften von Reis‑ und Kartoffelpflanzen verbessern könne. Im Sommer 2013 veröffentlichte seine Arbeitsgruppe ihr erstes einschlägiges Paper.

Yang war nur einer von vielen. Zeitgleich mit ihm stürzten sich zahlreiche Pflanzenforscher auf die neue Methode. Chinesische Wissenschaftler sorgten 2014 für Aufsehen, als sie demonstrierten, wie sich Brotweizen mit CRISPR/Cas resistent gegen eine alte Plage machen lässt: den Mehltau.

Die Revolution im Genome Editing hatte allerdings schon Jahre vorher begonnen. Für Wissenschaftler wie Daniel F. Voytas ist CRISPR/Cas nur das jüngste Kapitel einer langen Entwicklung. Vor 16 Jahren versuchte er, damals an der Iowa State University, Erbgutveränderungen mit Zinkfingernukleasen vorzunehmen: künstlich hergestellten Enzymen, die DNA‐Stränge an bestimmten Positionen erkennen und schneiden können. Voytas’ erstes Genome‐Editing‐Unternehmen scheiterte an Patentfragen. 2008 wechselte er an die University of Minnesota und meldete 2010 zusammen mit anderen das Patent an einem genomeditierenden System für Pflanzen an, das auf TALENs basierte. TALENs (transcription activator‐like effector nuclease, auf Deutsch transkriptionsaktivatorartige Effektornuklease) sind künstliche Enzyme, die Ähnliches leisten wie Zinkfingernukleasen. 2010 gründeten Voytas und seine Kollegen das Unternehmen Calyxt mit Sitz in Minnesota. Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit erzeugten die Forscher dort mit Hilfe von TALENs genetisch veränderte Pflanzen, die bereits in Freilandversuchen in Nord‑ wie Südamerika angebaut wurden. Dazu gehören modifizierte Sojabohnen, die mehr ungesättigte Fettsäuren produzieren, und eine Kartoffelsorte, die bei kühler Lagerung weniger zur Bildung bestimmter Zuckerarten neigt – was sowohl bitterem Geschmack entgegenwirkt als auch weniger Acrylamid beim Braten oder Frittieren entstehen lässt.

Da diese gentechnischen Veränderungen nicht mit dem Einbau artfremder Gene einhergingen, entschied APHIS (Animal and Plant Health Inspection Service), die Überprüfungsstelle für Tier‑ und Pflanzengesundheit des US‐Landwirtschaftsministeriums, dass die modifizierten Nutzpflanzen nicht den Regulierungen für gentechnisch veränderte Organismen unterliegen. »Das Ministerium bewertete sie so, als seien sie mit chemischen Mutagenen, Gammastrahlen oder einer nicht genehmigungspflichtigen Methode entstanden, und gab grünes Licht für ihren Anbau«, beschreibt Voytas. »Das ist für uns natürlich von großem Vorteil und erlaubt uns, die Produktentwicklung deutlich zu beschleunigen.«

Nutztierforscher sind ebenfalls auf den Zug aufgesprungen. Wissenschaftler der kleinen Biotechfirma Recombinetics, die in Minnesota ansässig ist, haben bei Holsteinrindern, den wichtigsten Arbeitstieren der Milchindustrie, das für das Hornwachstum verantwortliche biologische Signal genetisch ausgeschaltet. Die Forscher erreichten das, indem sie mittels Genome Editing eine Mutation erzeugten, die bei Aberdeenrindern natürlich vorkommt und zur Folge hat, dass diesen keine Hörner wachsen. Scott Fahrenkrug, Geschäftsführer von Recombinetics, betont, dabei würden keine Fremdgene übertragen. Laut den Wissenschaftlern ist das ein tierfreundlicher Eingriff, denn er erspare Holsteinrindern jene fürchterliche Prozedur, bei der Tierhalter die Hornanlagen von Kälbern ausbrennen oder verätzen beziehungsweise bei heranwachsenden Tieren die Hörner heraussägen lassen – eine Maßnahme, die das Vieh und die Landwirte vor Verletzungen schützen soll. Unterdessen haben koreanische und chinesische Wissenschaftler Schweine mit mehr Muskelmasse erzeugt, indem sie per Genome Editing ein Gen ausschalteten, das für das Protein Myostatin kodiert.

Heißer Kampf um gewerbliche Schutzrechte

Die Schnelligkeit, unkomplizierte Handhabung und Wirtschaftlichkeit des CRISPR/Cas‐Verfahrens macht dieses sogar noch attraktiver als die TALENs. Nur die verfahrene Patentdebatte – sowohl die University of California als auch das Broad Institute, welches vom Massachusetts Institute of Technology und der Harvard University getragen wird, beanspruchen die Erfindung für sich – behindert dessen kommerzielle Verwertung in der Landwirtschaft. Biotechfirmen zögern, Produkte auf der Grundlage von CRISPR/Cas zu entwickeln, solange der Patentstreit nicht geklärt ist.

Die wichtigsten Methoden zur Pflanzenzucht im Überblick

Seit Jahrtausenden kultivieren Menschen Nutzpflanzen, und immer bestand das Ziel darin, ihnen vorteilhafte(re) Merkmale zu verleihen – etwa höhere Ernteerträge oder mehr Resistenz gegenüber Krankheiten. Zunächst erfolgte dies mittels konventionellem Kreuzen. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts gingen Wissenschaftler dazu über, das Erbgut von Pflanzen absichtlich zu schädigen – in der Hoffnung, dass dabei zufällig günstige Eigenschaften entstehen könnten. Heute ermöglichen Präzisionswerkzeuge wie CRISPR/Cas, einzelne Gene auszuschalten oder neues genetisches Material an ganz bestimmten Stellen des DNA‐Strangs einzufügen. All diese Techniken verändern das Erbgut des betroffenen Organismus, und dennoch muss das Ergebnis in den Augen vieler Forscher nicht unbedingt ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) sein.

Schlüsselbegriffe

Mutagenese: Seit den 1920er Jahren behandeln Forscher pflanzliches Saatgut mit Röntgenstrahlen, Gammastrahlen oder Chemikalien, um dessen DNA zu mutieren. Anschließend lassen sie es keimen und prüfen, ob bei der Prozedur günstige Merkmale entstanden sind. Falls ja, werden die mutierten Pflanzen mit vorhandenen Sorten gekreuzt. Die Gewächse, die daraus hervorgehen, bewertet das US‐Landwirtschaftsministerium (USDA) nicht als GVO. Auch nach dem deutschen Gentechnikgesetz gelten sie nicht als solche.

Gene Silencing: Etwa seit dem Jahr 2005 gelingt es Wissenschaftlern, Gene mit unerwünschter Wirkung auszuschalten, indem sie RNA‐Schnipsel in die jeweiligen Pflanzenzellen einführen. Diese interferierende RNA (iRNA) ist so konstruiert, dass sie an jene Boten‐RNA bindet, welche die Information des Gens an die Proteinsynthesemaschine der Zelle überträgt. Das führt entweder zur Zerstörung der Boten‐RNA oder zu ihrer »Stummschaltung« und somit zur Inaktivierung des Gens. Mit dieser Methode wurden unter anderem bräunungsresistente Kartoffeln und Äpfel erzeugt. Das USDA bewertet sie nicht als gentechnisch veränderte Organismen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit teilt diesbezüglich mit, es prüfe auf Antrag, ob es sich bei einem Organismus, der nach einem neuen Züchtungsverfahren erzeugt wurde, um einen GVO im Sinn des Gentechnikgesetzes handle oder nicht. Weiter heißt es, das Bundeslandwirtschaftsministerium strebe ein auf europäischer Ebene abgestimmtes Vorgehen bei den neuen Techniken der Pflanzenzüchtung an.

Cisgenese: Bei diesem Verfahren bringen Wissenschaftler Erbmaterial nur von solchen Spezies ein, die mit der behandelten Art kreuzbar sind; die entstehende cisgene Pflanze könnte also auch durch natürliche Kreuzung enstehen. Das soll das Risiko des Einbringens artfremder Erbanlagen (Transgenese) mindern. Die Übertragung des Erbmaterials erfolgt typischerweise mit Hilfe einer Pflanzen infizierenden Mikrobe namens Agrobacterium tumefaciens, welche die gewünschten Gene an einer weitgehend zufälligen Stelle der Pflanzen‐DNA einbaut. Bei cisgenen Pflanzen entscheidet das USDA von Fall zu Fall, wie sie reguliert werden sollen. Genauso verfährt laut Selbstauskunft das Bundeslandwirtschaftsministerium.

Transgenese: Erbanlagen, die für ein erwünschtes Merkmal kodieren, werden von einem Organismus auf einen anderen, artfremden übertragen. Wie bei der Cisgenese dient hier das Bakterium A. tumefaciens als Genfähre. Beispiele für transgene Nutzpflanzen sind Getreide, denen ein Herbizidresistenzgen eingebaut wurde. 90 Prozent aller in den USA angebauten Sojabohnen sind transgen. Sie gelten als gentechnisch verändert – sowohl laut USDA als auch nach deutschem Gentechnikgesetz.

Für wissenschaftliche Labore ist das allerdings kein großes Thema. Im Oktober 2013 nahm die Entwicklung genetisch veränderter Speisepilze eine entscheidende Hürde, als David Carroll in Yangs Labor auftauchte. Carroll ist Präsident des Unternehmens Giorgi Mushroom, des zweitgrößten Speisepilzproduzenten in den USA, und erkundigte sich danach, was die neuen Genome‐Editing‐Techniken leisten könnten. Yang fragte zurück, was genau an den Pilzen verändert werden solle. Carroll nannte deren Neigung, braun zu werden, und Yang erklärte sich bereit, nach entsprechenden Möglichkeiten zu suchen.

Yang wusste genau, auf welches Gen er zielen musste. Biologen hatten zuvor sechs Erbanlagen identifiziert, die für das Enzym Polyphenoloxidase kodieren, welches die Pilze braun werden lässt. Die gleiche Genfamilie lässt auch Äpfel und Kartoffeln braun anlaufen – ein Umstand, an dessen Vermeidung Gentechniker bereits arbeiten. Yang glaubte, wenn er eines dieser Gene ausschalte, würde dies die Bräunung verlangsamen.

Steckbrief mit 20 Buchstaben gibt genaue Zielbeschreibung

CRISPR/Cas9 findet seine Zielsequenz anhand der Leit‐RNA: einem kurzen Nukleinsäureschnipsel, dessen Sequenz komplementär zu jener der DNA im Zielbereich ist. Die spezifische Paarung zwischen den Nukleotidbasen Adenin und Thymin sowie Cytosin und Guanin sorgt dafür, dass bereits eine Leit‐RNA von nur 20 Nukleotiden Länge ausreicht, um jede gewünschte Stelle im Agaricus‐bisporus‐Genom mit seinen 30 Millionen Basenpaaren präzise aufzuspüren. Das Schneiden erfolgt dann durch das Enzym Cas9, eine Endonuklease, die ursprünglich aus Jogurtbakterienkulturen isoliert wurde und quasi auf dem Rücken der Leit‐RNA reitet. Nebenbei bemerkt: Der Name CRISPR/Cas9 für die Methode trifft streng genommen nicht ganz zu. Denn die als CRISPR bezeichneten Erbgutschnipsel kommen ausschließlich im Genom von Bakterien vor. Es ist das mit einer Leit‐RNA versehene Cas9‐Protein, das die DNA von Pflanzen, Pilzen und Menschen schneidet; CRISPR sind hierbei gar nicht involviert.

Was geschieht, sobald Gentechniker die DNA, die sie verändern möchten, mit Cas9 am gewünschten Punkt geschnitten haben? Die Zelle registriert das und macht sich daran, den Strangbruch zu reparieren. Üblicherweise schließt sie ihn einfach wieder. Man kann aber auch ein Stück DNA hinzugeben, und die zelluläre Reparaturmaschine wird es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an der betroffenen Stelle in den Strang einbauen. Auf diese Weise lässt sich CRISPR/Cas9 dazu nutzen, Erbmaterial in einen Organismus einzuschleusen.

Beim Champignon ging es darum, ein vorhandenes Gen auszuschalten, wofür die einfache Strangreparatur ausreicht. Denn während der genetischen Ausbesserung gehen gewöhnlich ein paar Basenpaare im DNA‐Strang verloren, gleichbedeutend mit dem Verlust einiger Buchstaben im genetischen Kode. Da der zelleigene Proteinsyntheseapparat die DNA in Form drei Buchstaben langer »Wörter« abliest, verändert das Verschwinden einiger Buchstaben den gesamten Text. Fachleute sagen: Das Leseraster verschiebt sich. Dadurch verliert das betroffene Gen in der Regel seine Funktion.

Genau das ist bei dem genomeditierten Champignon passiert. Durch die Entfernung eines winzigen DNA‐Stücks inaktivierten Yang und seine Kollegen eines der Gene, die für die Polyphenoloxidase kodieren – eine Mutation, die sich per DNA‐Analyse bestätigen ließ. Hierfür waren etwa zwei Monate Laborarbeit nötig. Der schwierigste Schritt, die Erzeugung der Leit‐RNA, kostete einige hundert Dollar. Diese Hürde ist mittlerweile leichter zu nehmen, denn verschiedene kleine Biotechunternehmen haben sich darauf spezialisiert, maßgeschneiderte CRISPR/Cas‐Konstrukte herzustellen, mit denen sich jedes beliebige Gen verändern lässt. Am teuersten dabei ist die menschliche Arbeitskraft. »Wenn man diese nicht berücksichtigt, hat das ganze Projekt wahrscheinlich weniger als 10.000 US‐Dollar gekostet«, schätzt Yang. In der landwirtschaftlichen Biotechbranche sind das Peanuts.

Noch viel wichtiger aber sind die Unterschiede auf regulatorischem Gebiet, die zwischen CRISPR/Cas und herkömmlichen gentechnischen Methoden bestehen. Im Oktober 2015 stellte Yang sein Pilzprojekt informell dem US‐Landwirtschaftsministerium vor. Die dort zuständigen Mitarbeiter entscheiden, ob genetisch modifizierte Nutzpflanzen unter besondere staatliche Regulierung fallen – wobei es im Wesentlichen um die Frage geht, ob die jeweiligen Gewächse als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einstuft werden. Yang verließ das Treffen ziemlich zuversichtlich, dass mit Nein entschieden werden würde – was im April 2016 tatsächlich geschah. Dieses Urteil ist von erheblicher Tragweite: Die gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsanforderungen an GVO zu erfüllen, kann laut Gentechnikunternehmer Daniel Voytas bis zu 35 Millionen Dollar kosten und bis zu fünfeinhalb Jahre dauern.

Speisepilze wie Champignons bieten einen weiteren Vorteil, um die Anwendbarkeit des CRISPR/Cas‐Systems in der Landwirtschaft zu demonstrieren: Sie wachsen sehr schnell. Sie benötigen nur etwa fünf Wochen, um auszureifen, und können zudem das ganze Jahr über in fensterlosen, klimatisierten Einrichtungen kultiviert werden. Die genetisch veränderten Sojabohnen und Kartoffeln hingegen, die das Unternehmen Calyxt erzeugt hatte, müssen monatelange Feldversuche durchlaufen. Außerdem lassen sie sich nur saisonal anbauen – weshalb das Unternehmen eine behördliche Genehmigung einholte, seine Sojabahnen während der Wintermonate 2014/2015 in Argentinien anpflanzen zu dürfen, wenn das in Nordamerika nicht möglich ist.

Mit genetisch modifizierten Organismen verbindet sich allerdings die grundsätzliche Sorge, dass sie unvorhergesehene Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten. Biotechnisch erzeugte Lebensmittel könnten Toxine oder Allergene enthalten, die ein Gesundheitsrisiko bedeuten – eine Befürchtung übrigens, die sich bei GVO bislang noch nie bewahrheitet hat. Zu den Horrorszenarien, die vor allem Gegner der grünen Gentechnik schüren, gehören pflanzliche GVO, die quasi Amok laufen und lokale Biotope zerstören. Die Marktzulassung von Yangs CRISPR/Cas9‐veränderten Champignons könnte aber auch unbeabsichtigte ökonomische Folgen haben. Wenn die Pilze langsamer verrotten, dürfte das zu einem geringeren Bedarf seitens der Händler führen. Zudem könnte eine Nachfrage nach ausländischen (nicht genomveränderten) Pilzen entstehen und deren Import ankurbeln. Für die Landwirte sind Yangs verbesserte Pilze also gewissermaßen ein zweischneidiges Schwert. Und noch ein weiterer Aspekt ist zu beachten: Es könnte sein, dass die genomeditierten Pilze anders schmecken und daher von den Kunden nicht angenommen werden. All diese Aspekte werden eine Rolle spielen in der noch jungen Geschichte CRISPR/Cas9‐veränderter Lebensmittel.

Als Yang seine Arbeiten vor den Landwirten und den Vertretern des Landwirtschaftsministeriums erläuterte, beschrieb er sein Verfahren mit der Formulierung »transgenfreie genetische Modifikation«. Damit wollte er unterstreichen, dass die neuen Genome‐Editing‐Techniken wie CRISPR/Cas9 ohne artfremde DNA (Transgene) auskommen. Yang und viele andere möchten damit die Debatte um GVO neu aufrollen. Tatsächlich hat die Abkürzung GEO (gen edited organisme) bereits begonnen, sich als Alternative zu GVO zu etablieren.

Herkömmlich gezüchteter Brotweizen: Eine genetische Monstrosität

Was genau bedeutet gentechnisch verändert? Das ist nicht leicht zu beantworten. Kritiker von biotechnisch erzeugten Lebensmitteln argumentieren, jede Form genetischer Modifikation sei eine Veränderung des Erbguts mit dem Risiko unbeabsichtigter Mutationen, die die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gefährden. Wissenschaftler wie Voytas und Yang entgegnen, alle Formen der Pflanzenzucht beruhten auf genetischen Veränderungen, einschließlich jener von Brotweizen durch neolithische Bauern vor vielen Jahrtausenden. Traditionelle Züchtungsmethoden, argumentieren die Forscher, würden oft als irgendwie im Einklang mit der Natur angesehen, seien aber alles andere als biologisch unbedenklich. Sie bringen, mit den Worten von Yang, »massive« Verwerfungen im Erbgut mit sich. Nina Fedoroff, Pflanzenbiologin und frühere Präsidentin der American Association for the Advancement of Science (AAAS), hat die domestizierten Formen des Brotweizens, die herkömmlich gezüchtet wurden, einmal als »genetische Monstrositäten« bezeichnet.

Landwirtschaftliche Gentechnik wurde erstmals in den 1970er Jahren verfügbar. Davor hatten Pflanzenzüchter meist auf brachiale Methoden zurückgegriffen, um die DNA von Nutzgewächsen zu verändern: etwa Röntgen‑ und Gammastrahlen sowie aggressive Chemikalien. Das war ungefähr so, als würde man eine Splittergranate in eine Jahrmarktsschießbude werfen, um auf einer Zielscheibe ins Schwarze zu treffen. Trotzdem führten einige der dabei entstandenen zufälligen Mutationen zu landwirtschaftlich günstigen Eigenschaften, etwa höherem Ernteertrag, formschöneren Früchten oder der Fähigkeit, unter widrigen Bedingungen wie Trockenheit zu gedeihen. Diese ließen sich dann mit vorteilhaften Merkmalen von anderen Sorten oder Arten kombinieren, allerdings nur durch Kreuzung der jeweiligen Pflanzen. Diese Form der Zucht ist sehr zeitaufwändig; sie nimmt oft fünf bis zehn Jahre in Anspruch, gilt aber als natürlich.

Was viele nicht wissen: Natürliche Zucht hat ein enormes Zerstörungspotenzial. Jedes Mal, wenn während eines Kreuzungsvorgangs die DNA‐Moleküle der beteiligten Individuen zusammenkommen, werden sie durchmischt. Dabei können riesige DNA‐Sequenzen mit Millionen von Basenpaaren ausgetauscht werden, und es entsteht laut Voyas ein gigantischer Mischmasch. »Es wird nicht bloß eine Erbanlage transportiert, sondern ein gewaltiger Batzen DNA mit vielen Genen.« Zusammen mit der jeweils gewünschten, vorteilhaften Eigenschaft werden dabei oft ungünstige Merkmale übertragen. Dieser Mitnahmeeffekt kann die gezüchtete Pflanze schädigen. Neue genetische Befunde über Reispflanzen deuten darauf hin, dass bei deren einstiger Domestikation nicht nur die offensichtlich nutzbringenden Eigenschaften herangezüchtet, sondern zudem nachteilige Mutationen eingeführt wurden, die sich nur nicht so deutlich im Phänotyp äußern.

CRISPR/Cas ist zwar wesentlich präziser als herkömmliche Zuchtverfahren, aber nicht unfehlbar. Die Endonuklease schneidet manchmal an einer unbeabsichtigten Stelle (»off‐target cut«), was Sicherheitsbedenken aufwirft. Hauptsächlich deshalb gilt das Genome Editing von menschlichen Keimzellen derzeit noch als zu unsicher und ethisch bedenklich. Forscher arbeiten daran, die Methode zu verbessern, um die Häufigkeit fehlerhafter Schnitte zu reduzieren.

Die geringen Kosten und die leichte Handhabbarkeit des CRISPR/Cas‐Verfahrens bringen Forschungslabore und kleine Biotechfirmen wieder in ein Spiel zurück, das lange Zeit den Großen der Agrarindustrie vorbehalten war. Lediglich finanzstarke Unternehmen konnten es sich leisten, die kostspieligen Zulassungsverfahren der grünen Gentechnik zu stemmen. Gentechnische Veränderungen von Nutzpflanzen dienten deshalb bisher fast immer dem Zweck, die Produktion von Lebensmitteln gewinnbringender zu machen – sei es über Ertragssteigerungen mit Hilfe herbizidresistenter Gewächse des US‐Konzerns Monsanto oder über bessere Transportfähigkeit mit Hilfe von Flavr‐Savr‐Tomaten (»Antimatschtomaten«) der kalifornischen Firma Calgene, die 1997 von Monsanto aufgekauft wurde. All diese Pflanzenmodifikationen dienten mehr der Agrarindustrie als den Verbrauchern und zielten kaum auf die Qualität der Lebensmittel ab.

Die innovativen Genome‐Editing‐Verfahren könnten das Feld nun neu aufrollen. Caixia Gao von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften weist darauf hin, dass Pflanzen viele Stoffe herstellen, die keinen direkten Nährwert haben, etwa Toxine. Mit Eingriffen ins Erbgut ließe sich das unterbinden, um den Nährgehalt ebenso wie den Geschmack zu verbessern. Letzteres trifft etwa bei der Kartoffelpflanze von Calyxt bereits zu.

Michael Palmgren, Pflanzenbiologe an der Universität Kopenhagen, hat vorgeschlagen, Nutzpflanzen mittels Genome Editing partiell rückzuzüchten. Er meint damit, nützliche Eigenschaften wiederherzustellen, die in vielen Generationen landwirtschaftlicher Zucht verloren gegangen sind. Wirtschaftlich bedeutsame Gewächse wie Reis, Weizen, Orangen und Bananen sind beispielsweise sehr anfällig gegenüber Krankheiten, und die »Wiederbelebung« inaktivierter Gene könnte ihre Resistenz erhöhen.

Vom Unkraut zur Nutzpflanze – dank weniger genetischer Eingriffe

Solche Rückzüchtungsversuche sind bereits im Gang. Daniel Voytas schlägt allerdings einen anderen Ansatz vor als Palmgren. Seine Mitarbeiter und er versuchen, landwirtschaftlich vorteilhafte Erbanlagen aus vorhandenen Hybridpflanzen in wilde Spezies zu übertragen, welche widerstandsfähiger und anpassungsfähiger sind – beispielsweise in Verwandte von Mais‑ und Kartoffelpflanzen. »Oft sind es nur eine Hand voll Veränderungen in fünf, sechs oder sieben Genen, die Früchte größer werden lassen oder mehr Ähren hervorbringen – und damit Pflanzen, die man bisher bloß als Unkräuter kannte, plötzlich wirtschaftlich interessant machen«, sagt der Gentechnikunternehmer. Statt Jahre darauf zu verwenden, Wild‑ mit Kulturformen zu kreuzen, könne man die ersten einfach per Genome Editing domestizieren, meint er.

CRISPR/Cas und andere genomeditierende Verfahren scheinen den Zulassungsprozess allgemein zu beschleunigen. Als das Unternehmen Calyxt erstmals beim US‐Landwirtschaftsministerium anfragte, welche Sicherheitsanforderungen seine mit TALENs modifizierten Kartoffelpflanzen erfüllen müssten, benötigten die Beamten mehr als ein Jahr, bis sie im August 2014 entschieden, die veränderten Gewächse bedürften keiner besonderen Regulierung. Als die Firma im Sommer 2015 die gleiche Anfrage bezüglich seiner genmodifierten Sojabohnen formulierte, dauerte es nur zwei Monate, bis die Gutachter zum gleichen Schluss kamen. Anscheinend bewerten zuständige US‐Behörden die neuen Techniken mittlerweile als grundsätzlich verschieden von transgenen Methoden.

Die schwedische Landwirtschaftskammer erklärte im November 2015, einige mutierte Pflanzen, die mit dem CRISPR/Cas‐System erzeugt wurden, fielen nicht unter die EU‐Definition eines gentechnisch veränderten Organismus. Argentinien entschied ähnlich. Die EU überprüft derzeit ihre Haltung zu den neuen Editing‐Techniken. Mit Spannung wird der Beschluss der EU‐Kommission erwartet, inwieweit CRISPR/Cas und andere Verfahren unter das Gentechnikrecht fallen. Die Kommission hat ihre Entscheidung jedoch wiederholt verschoben. Voytas und andere Forscher schlagen einen möglichen Kompromiss vor: Demnach sollten genomeditierende Eingriffe, die zu einer Mutation oder dem Abschalten (»knock out«) eines Gens führen, analog zu herkömmlichen Formen der Pflanzenzucht angesehen werden, bei denen etwa Röntgenstrahlung zum Einsatz kommt. Beim Einbringen neuer DNA hingegen (Transgenese oder »knock in«) sollten die Aufsichtsbehörden von Fall zu Fall entscheiden.

Der Tag, an dem genomeditierte Lebensmittel auf den Markt kommen, ist wohl nicht mehr fern. Voytas rechnet mit der Markteinführung der Calyxt‐Sojabohnen im Jahr 2017 oder 2018. Wie wird die Öffentlichkeit reagieren? Wahrscheinlich skeptisch, meint Jennifer Kuzma, politische Analystin an der North Carolina State University und Expertin für landwirtschaftliche Gentechnik: »Wer die erste Generation gentechnisch veränderter Organismen abgelehnt hat, wird das wohl auch bei der zweiten tun, einfach weil es ein Eingriff in die DNA ist.« Kuzma hält es für dringend notwendig, das Zulassungsprozedere zu überarbeiten und mehr Gutachter am Überprüfungsverfahren zu beteiligen. Ihrer Meinung nach stehen wir an einem Wendepunkt im Umgang mit genveränderten Lebensmitteln.

Was Yangs Pilze betrifft, so wird ihr Markterfolg oder ‑misserfolg wesentlich von den Landwirten abhängen. Die Champignons mögen noch so lange weiß bleiben. Doch wenn die Züchter an deren Geschmack zweifeln oder Absatzeinbrüche befürchten, weil die Kunden das neue Produkt nicht annehmen, wird es sich nicht durchsetzen.

Quellen

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  • Kokotovich, A., Kuzma, J.: Conflicting Futures: Environmental Regulation of Plant Targeted Genetic Modification. In: Bulletin of Science, Technology & Society 34, S. 108–120, 2014

  • Ledford, H.: Bitter Fight over CRISPR Patents Heats up. In: Nature 529, S. 265, 2016

  • Waltz, E.: Gene‐Edited CRISPR Mushroom Escapes US Regulation. In: Nature 532, S. 293, 2016

  • Waltz, E.: A Face‐Lift for Biotech Rules Begins. In: Nature Biotechnology 33, S. 1221–1222, 2015