„Kannst du hier Kaninchen wittern?“, fragte Neona ihren zahmen Leoparden. „Ich habe keine Spuren gesehen.“
Zhan trottete vor ihr her, augenscheinlich dem Duft irgendeiner Beute folgend. Laut Tashi, die mit ihm kommunizieren konnte, wollte der Kater wieder seine Leibspeise fressen. Also hatte Neona ihn bei Sonnenaufgang mit auf die Jagd genommen.
Sie blieb stehen, als sie merkte, auf welcher Lichtung sie sich befanden. Hier war sie Zoltan begegnet. Die aufgehende Sonne sendete ihre gebrochenen Strahlen durch die Baumkronen und brachte den Morgentau auf den Grashalmen zum Funkeln. Es war ein wunderschöner Ort, der perfekte Hintergrund für eine Erinnerung, die sie nicht mehr loslassen wollte. Wer hätte gedacht, dass ein Mann so stark sein und doch so zart küssen konnte?
Ein heftiges Verlangen durchfuhr sie. Gott steh ihr bei, sie wollte für jemanden etwas Besonderes sein. In Beyul-La war sie von Freunden umgeben, aber seit ihre Schwester nicht mehr bei ihr war, fühlte sie sich so einsam. Es gab niemanden, dem sie ihr Herz offenlegen konnte, niemanden, der sie festhielt, wenn sie voller Leid war. Natürlich sollte sie als Kriegerin keinen Trost brauchen. Und ganz bestimmt sollte sie diesen Trost nicht bei einem Mann suchen. Auch nicht bei einem außerordentlichen Mann wie Zoltan.
Wo kam er her? Er sah ganz anders aus als die Dorfbewohner, die sie kannte. Hatte er sie wirklich küssen wollen? Oder hatte er nur gewollt, dass sie die Augen schloss, damit er entkommen konnte? Warum war er davongelaufen? Hatte ihm der Kuss nicht gefallen? Vielleicht mochte er sie nicht.
Sie schüttelte den Kopf. Warum sollte er sie mögen, nachdem sie ihn so verdroschen hatte? Sie atmete langsam aus und rief sich noch einmal in Erinnerung, dass sein Verschwinden am besten war. Sie durfte sich nicht in einen Mann verlieben und dafür ihre heilige Pflicht vernachlässigen. Besonders jetzt, wo sie am Beginn eines neuen Zyklus standen.
Aber warum musste sie sich das immer wieder in Erinnerung rufen? Selbst jetzt erwischte sie sich dabei, wie sie sich im Wald umsah in der Hoffnung, ihn dort zu erspähen.
Der Leopard lenkte sie ab, als er auf einmal einen Baum emporkletterte.
„Was machst du da? Ein Kaninchen wirst du da oben kaum finden.“ Ihr stockte der Atem, als sie entdeckte, dass ein Stück Papier mit einem Pfeil an dem Baum befestigt war. „Was ist das?“
Zhan riss mit seinen Krallen an dem Papier.
„Mach es nicht kaputt!“ Konnte es ein Brief von Zoltan sein?
Ein Teil des Papiers segelte zu Boden, und sie griff danach.
Liebe Neona,
Ich würde dich gerne wiedersehen. Bitte, triff dich mit mir hier um Mitternacht.
Zoltan
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. „Er will mich wiedersehen!“
Zhan fauchte verärgert und sprang wieder auf den Boden.
„Wie klug von dir, den Brief zu finden.“ Sie umarmte den Leoparden und kraulte ihm dann die Ohren. „Du musst seinen Duft erkannt haben.“
Zhan stieß sie mit seinem Kopf an.
„Braves Kätzchen“, lobte sie ihn, als sie den Zettel zusammenfaltete und in die Tasche ihrer Tunika steckte. Wagte sie es, sich mit Zoltan zu treffen? Und die noch größere Frage, wagte sie es, seinen Samen zu nehmen?
Sie musste heftig schlucken. Warum nicht? Er war einverstanden gewesen, sich mit ihr einzulassen. Es wäre feige, vor einer so guten Gelegenheit davonzurennen. Trotzdem musste sie es sich gut überlegen. „Lass uns etwas fürs Abendessen finden.“ Auf der Jagd konnte sie ihren Plan schmieden.
Sie ging den Hügel hinab auf den Bach zu. Dort im Schlamm war es einfacher, Spuren zu finden. Mit jedem Schritt pochte ihr das Herz heftiger als sonst. Sie könnte noch diesen Abend Zoltan wiedersehen! Eine innere Stimme warnte sie, dass es nicht klug wäre, aber die schob sie zur Seite. Sie wollte sich ja nicht vor ihrer Pflicht drücken. Wenn sie eine Tochter bekam, würde sie sie sogar erfüllen.
Sollte sie ihn zu Frederics alter Hütte mitnehmen? Sie war nicht weit von hier. Die Frauen hatten die Hütte vor zwei Wochen benutzt, um den Vampir, Russell, darin unterzubringen, als er verletzt war. Sie hatten sich verpflichtet gefühlt, sich um ihn zu kümmern, nachdem er in der Schlacht Königin Nima das Leben gerettet hatte.
Neona nahm an, dass die Hütte für ihre Pläne geeigneter war als der Wald. Sie musste frische Laken und ein paar Vorräte aus Beyul-La dorthin bringen, ohne dass jemand etwas bemerkte. Und sie musste noch baden und sich die Haare waschen.
Sie presste sich die Hand auf die Brust. Es war alles so aufregend! Sei vorsichtig, warnte eine innere Stimme sie. Du könntest dein Herz an ihn verlieren. Sie schob diesen Gedanken zur Seite. Zwei Wochen lang hatte sie mit Schwermut und Verzweiflung gelebt. Es war an der Zeit, positiver zu denken. Es musste so zum Besten sein. Denn zum ersten Mal, seit sie ihre Schwester verloren hatte, fühlte sie sich wieder lebendig.
Nachdem er in seinem Schlafzimmer in der Burg aus seinem Todesschlaf erwacht war, dachte Zoltan als Erstes an Neona.
Wartete sie am vereinbarten Treffpunkt auf ihn? Hatte der Leopard ihr geholfen, seinen Brief zu finden?
Während er duschte und sich anzog, wurde er immer aufgeregter. Dieses Mal zog er sich etwas Passenderes an – Jeans, ein braunes T-Shirt, Wanderstiefel und eine grüne Kapuzenjacke mit Reißverschlusstaschen. Er teleportierte sich in die Küche hinab, um schnell etwas zu essen.
„Da bist du ja“, sagte Howard, als er auftauchte.
„Guten Abend.“ Zoltan nickte dem Wer-Bären und seiner Frau zu, die am Küchentisch saßen und sich eine Schale Eiscreme teilten.
„Wir dachten uns schon, dass wir dich nach Sonnenuntergang hier finden“, meinte Howard, während er Zoltans Wanderstiefel musterte. „Willst du weg?“
Ihn ignorierend nahm Zoltan eine Flasche AB negativ aus dem Kühlschrank, drehte den Deckel ab und stellte sie in die Mikrowelle.
„Wir haben gehört, dass du dir Urlaub genommen hast“, hakte Elsa nach.
„Ja.“ Zoltan wühlte im Kühlschrank, bis er ein paar Beutel vakuumverpacktes Blut gefunden hatte. Er steckte sie in eine der Taschen an seiner Jacke. Ein Notvorrat, nur für alle Fälle.
„Milan steht unter Schock“, fuhr Elsa fort. „Er sagt, du hast dir seit fünf Jahren keinen Abend freigenommen.“
„Dann wird es wohl Zeit.“ Die Mikrowelle klingelte, also nahm Zoltan die Flasche heraus und goss sich das aufgewärmte Blut in ein Glas.
Howard löffelte sich etwas Eiscreme in den Mund. „Kommen wir gleich zur Sache, okay? Ich muss wissen, wohin du willst.“
Zoltan sah ihn genervt an. „Ich nehme dieses Mal ein Satelliten-Telefon mit.“
„Dann willst du wieder nach Tibet?“ Howard legte seinen Löffel hin. „Du triffst dich wieder mit deiner Amazonen-Kriegerin?“
„Vielleicht.“ Zoltan hob sein Glas und stürzte dessen Inhalt hinunter.
„Warum willst du eine Frau wiedersehen, die dich vermöbelt hat?“
Zoltan schluckte so heftig, dass ihm Tränen in die Augen traten. „Sie hat mich nicht – hör zu. Mit wem ich mich treffe oder nicht, geht dich überhaupt nichts an.“
„Es geht mich etwas an, wenn es deine Sicherheit gefährdet“, widersprach Howard. „Wie ich es bisher sehe, ist dir deine persönliche Sicherheit vollkommen gleichgültig. Hier gibt es keine Wachen. Keine funktionierenden Überwachungskameras. Du lässt Fremde in deiner Burg herumirren, die du als Vampirschloss bewirbst, und alle hier in der Gegend wissen, dass du ein Vampir bist.“
Zoltan zuckte mit den Achseln und trank noch etwas Blut.
Howard lehnte sich zurück, die Arme vor der Brust verschränkt. „Ich habe viel darüber nachgedacht, und ich glaube, ich weiß, was hier los ist.“
„Wirklich?“ Elsa machte große Augen, während sie noch mehr Eiscreme aß. „Was denn?“
Howard beugte sich zu ihr und senkte die Stimme. „Gregori hat es mir erklärt. Wenn ein Vampir fünfhundert Jahre alt ist, überkommt ihn normalerweise eine tiefe Depression.“
„Oh nein.“ Elsa warf Zoltan einen besorgten Blick zu.
Der schnaubte und trank den letzten Rest vom Blut.
„Und Zoltan hier ist ungefähr achthundert Jahre alt“, fuhr Howard fort. „Er könnte also unter schlimmsten Depressionen leiden.“
Elsa zuckte zusammen. „Der arme Mann.“
Zoltan knirschte mit den Zähnen. „Ich bin nicht so alt, dass ich nichts mehr höre.“
Howard beugte sich dichter zu seiner Frau. „Das erklärt alles. Warum ihm seine eigene Sicherheit nichts bedeutet. Warum ihn sein Job nicht mehr interessiert. Warum er weiter zu einer Frau geht, die ihn vermö…“
„Sie hat mich nicht …“ Zoltan atmete tief durch. „Das ist doch lächerlich. Ich bin nicht depressiv.“
Elsa sah ihn mitfühlend an. „Es kann erst besser werden, wenn du zugibst, dass du ein Problem hast.“
„Es geht mir gut!“ Zoltan warf die leere Flasche so heftig in den Recycling-Container, dass sie zu Bruch ging. Er zuckte zusammen. Manchmal vergaß er, wie stark er war.
Howard und Elsa sahen sich wissend an.
Zoltan stöhnte auf. „Ich bin nicht depressiv. Ich bin nur … müde.“ Und einsam. „Ich gehe jetzt.“
„Warte!“ Howard sprang auf. „Du kannst nicht ohne ein Satelliten-Telefon gehen. Und du solltest der Amazonen-Kriegerin nicht ohne Waffen begegnen. Du brauchst ein Messer, ein Schwert und eine Schusswaffe.“
„Ich kann doch nicht voll bewaffnet zu einer Verabredung gehen!“
Elsas Augen leuchteten auf. „Das ist eine Verabredung?“
Verdammt. Jetzt hatte er mehr gesagt, als er wollte. „Vielleicht.“
Elsa lächelte ihren Mann an. „Das ist ein gutes Zeichen. Wenn er sich verabredet, ist er vielleicht doch nicht so depressiv.“
„Aber wenn er klar denken könnte“, flüsterte Howard zurück, „würde er sich nicht mit einer Frau verabreden, die ihn vermö…“
„Sie hat mich nicht vermöbelt!“ Zoltan ging mit großen Schritten zur Tür. „Ich hole jetzt das Satelliten-Telefon, und dann verschwinde ich.“
„Warte!“ Elsa lief ihm nach. „Du solltest nicht mit leeren Händen zu einer Verabredung gehen. Hast du einen Blumenstrauß oder so?“
Zoltan zögerte. Elsa könnte recht haben. „Was sollte ich ihr mitbringen?“
Elsa runzelte nachdenklich die Stirn, doch dann erhellte sich ihre Miene. „Ich habe noch eine Schachtel Pralinen, die ich noch nicht aufgemacht habe.“
Howard erstarrte. „Die habe ich dir geschenkt.“
„Du kannst mir ja noch eine schenken.“ Sie drückte ihrem Mann den Arm. „Das ist ein Notfall. Zoltan braucht sofort etwas.“
Zoltan nickte. „Schokolade wäre bestimmt gut. Ich glaube nicht, dass sie viel davon bekommt.“
„Vielleicht hält es sie davon ab, dich wieder zu vermö…“ Howard unterbrach sich selbst, als Zoltan ihn nur wütend anstarrte.
„Die Schachtel ist bei uns im Schlafzimmer“, sagte Elsa schon auf dem Weg zur Tür. „Ich bin gleich wieder da.“
„Wir sind in der Waffenkammer“, rief Howard ihr nach.
Zoltan ging schnell hinab in die Waffenkammer. Howard blieb ihm dicht auf den Fersen und stellte ihm ununterbrochen Fragen.
„Wie heißt sie? Wo wohnt sie? Sieht sie aus wie Xena, die Kriegerprinzessin? Warum hat sie dich vermöbelt?“
Zoltan ignorierte ihn und nahm sich stattdessen ein Satelliten-Telefon aus dem Regal an der Wand.
„Lass mich das sehen.“ Howard nahm es ihm aus der Hand und fing an, auf den Knöpfen des Geräts herumzudrücken. „Okay. Es ist voll geladen und funktioniert einwandfrei. Ich programmiere meine Nummer ein und die von Angus und Mikhail. Wenn etwas schiefläuft, will ich, dass du anrufst. Entweder Angus oder Mikhail sollten sich sofort zu dir teleportieren können.“
„Verstehe.“ Zoltan streckte die Hand nach dem Telefon aus, aber Howard drückte weiter auf irgendwelche Knöpfe.
Als Howards Handy anfing zu klingeln, lächelte er. „Okay, jetzt habe ich auch deine Nummer.“ Er reichte Zoltan das Satelliten-Telefon. „Ich würde empfehlen, mindestens ein Messer mitzunehmen.“
„Ich komme schon zurecht.“ Er steckte sich das Telefon in eine Hosentasche. „Wenn ich wirklich in Schwierigkeiten gerate, teleportiere ich mich einfach hierher zurück.“
„Weiß sie, dass du ein Vampir bist?“
Zoltan schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht.“ Obwohl ihre Katze wusste, dass er nicht normal war. Glücklicherweise konnte sie mit ihrem Haustier nicht kommunizieren.
„Weiß sie von Vampiren?“
„Wahrscheinlich. Sie haben vor zwei Wochen gegen Lord Liao und einen Teil von Master Hans Armee kämpfen müssen.“
Howard kniff die Augen zusammen. „Was hat Lord Liao gegen sie?“
„Ich weiß es nicht.“ Zoltan zuckte mit den Achseln. „Es gibt vieles, was ich noch nicht weiß. Das ist einer der Gründe, warum ich noch einmal dorthin will.“
Howard nickte. „Vielleicht werden sie uns gute Verbündete gegen Master Han.“
„Hallo?“ Elsas Stimme hallte die Wendeltreppe hinab, dann tauchte sie im Eingang zur Waffenkammer auf. Lächelnd reichte sie Zoltan eine in Goldfolie verpackte Schachtel. „Bitte sehr.“
„Danke.“ Die Schachtel war zu groß für seine Taschen, also schloss er den Reißverschluss an seiner Jacke und steckte sie dort hinein.
„Viel Glück! Oh …“ Elsa hob eine Hand, um ihn aufzuhalten. „Das wollte ich dir noch sagen. Wir werden die Mumie am Dienstagmorgen verlegen, damit sie rechtzeitig für die Führung am Nachmittag in der Kapelle ist.“
„In Ordnung.“ Zoltan nickte. „Einen schönen Abend.“ Er wurde allmählich nervös. Würde Neona auf ihn warten? Er wollte nicht aus dem Nichts vor ihr auftauchen, deswegen plante er, sich ein Stück entfernt in den Wald zu teleportieren und den Rest des Weges zur Lichtung zu Fuß zu gehen.
Neona strich das saubere Laken auf dem Bett glatt und sah sich dann noch einmal in der Hütte um.
In der Feuerstelle brannte ein Feuer. Der Kessel war mit frischem Wasser gefüllt und bereit, über den Flammen gewärmt zu werden. Das alte englische Teeservice war abgewaschen und der Tisch damit eingedeckt, dazu eine Schale frischer Beeren, die sie früher am Tag gesammelt hatte.
Sie rückte die Schärpe um ihre Tunika zurecht. Es waren die schönsten Kleider, die sie besaß, eine bestickte Seiden-Tunika und die passenden Hosen. Den anderen Frauen hatte sie erzählt, dass sie mit Zhan auf die Jagd gehen wollte, sie hatte das Tal also in ihrer üblichen grünen und braunen Leinenkleidung verlassen, mit ihren guten Sachen, einem Handtuch und einem Stück Seife in der Tasche, die sie auf dem Rücken trug.
Sie hatte sich an ihrer Lieblingsstelle gewaschen, wo der Bach aus Beyul-La in das benachbarte Tal rauschte. Dann hatte sie sich in Frederics Hütte umgezogen und sich auf Zoltans Besuch vorbereitet. Die Katze geriet ihr dabei immer wieder in den Weg, als glaubte sie, nicht genug Aufmerksamkeit zu bekommen.
Sie tätschelte Zhan den Kopf. „Ich weiß, dass ich mich nicht weiter mit ihm treffen darf. Aber wenn ich doch nur eine Tochter bekommen könnte …“ Sie spannte sich an, als die Angst, einen Sohn zu bekommen, in ihre Gedanken drang. Nein, sie musste positiv denken. Sie würde eine Tochter bekommen, eine wunderschöne Tochter mit Zoltans Haaren und Augen. Dann hatte sie jemanden, den sie lieben konnte. Und sie musste nicht den Rest ihres Lebens an einem gebrochenen Herzen leiden.
Zhan rollte sich vor der Feuerstelle zusammen, um ein Schläfchen zu machen. Sie atmete tief durch und machte sich dann auf den Weg zur Lichtung. Mit jedem Schritt wuchs ihre Aufregung. Denk daran, die Oberhand zu behalten, rief sie sich selbst in Erinnerung. Nimm seinen Samen, wenn er willig ist, und dann schick ihn wieder fort. Fang nicht an, ihn zu mögen.
Sie blieb stehen, und ihr stockte der Atem, als sie ihn sah. Er betrachtete den Nachthimmel, den Kopf in den Nacken gelegt, sodass sein Profil vom Mondlicht beleuchtet wurde. Der scharf definierte Umriss seines Kiefers, die Form seiner Wangenknochen und seiner Nase, sein kräftiger langer Hals. Wie konnte er noch besser aussehen als in ihrer Erinnerung? Sein schulterlanges braunes Haar war aus einer breiten Stirn zurückgestrichen. Die Wunde an seiner Schläfe war vollkommen verheilt.
Er drehte sich zu ihr um, und die Intensität seines Blicks brachte sie zum Erstarren. Es war ein Fehler gewesen, die Intelligenz dieses Mannes jemals infrage zu stellen. Sein scharfer Blick durchdrang sie, als wollte er ihre Haut durchdringen und ihre Seele betrachten. Er senkte den Blick zu ihrer Kleidung und hob ihn dann wieder zu ihrem Gesicht. „Ich bin froh, dass du gekommen bist.“
Sie atmete tief durch, um sich Mut zu machen. „Zhan hat deinen Brief gefunden.“
Er trat auf sie zu. „Du siehst heute Abend wunderschön aus.“ Er lächelte. „Aber andererseits würdest du an jedem Abend schön aussehen.“
Ihr Herz setzte beim Anblick seines Lächelns einen Schlag aus. Wer war dieser Mann, dass er eine solche Wirkung auf sie hatte? „Wo kommst du her? Bist du in einem der Nachbardörfer untergekommen?“
Nach einigem Zögern antwortete er: „Ich bin nur zufällig hier vorbeigekommen.“ Er nahm eine Schachtel aus seiner Jacke. „Ich habe ein Geschenk für dich.“
Sie blinzelte überrascht. Erst Komplimente und dann ein Geschenk? Hatte sie nicht deutlich gemacht, dass sie nur mit ihm ihr Bett teilen wollte? Es gab keinen Grund für ihn, sich so galant zu verhalten. Als würde er … ihr den Hof machen.
Ihre Nerven spannten sich an. Warum sollte er ihr den Hof machen, wenn er nicht ihre Zuneigung gewinnen wollte? Das konnte sie niemals zulassen. Nach dem heutigen Abend würde sie sich weigern, ihn wiederzusehen.
Sie sah auf die golden glänzende Schachtel. „Das war nicht nötig, aber vielen Dank.“
„Magst du keine Schokolade?“
Sie dachte an all die Bücher zurück, die sie aus Frederics kleiner Bibliothek gelesen hatte. „Heiße Schokolade?“
„Nicht das Getränk.“ Zoltan sah sie neugierig an. „Hast du noch nie Schokolade gegessen?“
Sie spürte Hitze in ihre Wangen steigen. Als Frederic nach England zurückgekehrt war, war ihr einziger Kontakt zur Außenwelt verloren gegangen, und jetzt kam sie sich kläglich unwissend vor. „Komm mit mir, dann können wir Tee trinken.“ Sie drehte sich um und ging den Hügel hinab.
Zoltan ging neben ihr her. „Bringst du mich zu dir nach Hause?“
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das ist nicht erlaubt. Ich bringe dich zu Frederics Hütte.“
„Ist er ein Freund von dir?“
„Er ist der Vater von Freya und Freddie. Er hat uns Englisch beigebracht.“
„Das ist der, der nach England zurückgekehrt ist?“
Neona nickte und erinnerte sich daran, wie verzweifelt Freya und Freddie gewesen waren. Und Calliope, ihre Mutter, war am Boden zerstört gewesen. Für Königin Nima war es nur ein weiterer Beweis gewesen, dass man Männern nicht vertrauen konnte. Am Ende hintergingen sie einen immer.
Das würde sie nicht zulassen. Zoltan konnte ihr nicht wehtun, wenn sie ihn nicht in ihr Herz ließ.
„Die Hütte ist dort entlang.“ Sie deutete auf die Lichtung ein Stück den Bach hinab, wo die Steinhütte stand.
Er folgte ihr hinein und sah sich um. „Sieht dein Zuhause so ähnlich aus? Ohne fließend Wasser und Elektrizität?“
Sie war sich nicht sicher, was Elektrizität sein könnte. „Im Bach draußen fließt Wasser.“ Sie zögerte und fragte sich, ob sie ihm anbieten sollte, sich aufs Bett zu legen. Vielleicht sollte sie ihm Zeit lassen, damit er es sich bequem machen konnte. Er hatte letztes Mal gesagt, dass er erst in die richtige Stimmung kommen musste.
Sie hängte den Kessel über das Feuer. „Es dauert etwas, bis das Wasser kocht.“
„Das ist schon gut.“ Er legte die goldene Schachtel auf den Tisch vor dem Herd.
Zhan wachte aus seinem Nickerchen auf und fauchte.
„Schhh“, beruhigte sie den Kater. „Warum gehst du nicht nach draußen? Du kannst mich warnen, wenn jemand kommt.“
Auf seinem Weg zur Tür knurrte Zhan ihren Gast an. Zoltan folgte der Katze, lachend, als sie ihn noch ein letztes Mal anfauchte.
„Bis später, Kater.“ Er schloss die Tür und ging dann einmal um das Zimmer herum. „Hier ist es schön.“ Er blieb stehen, um ein seidenes weißes Banner zu bewundern, das jemand mit roten und rosa Blüten bestickt hatte.
„Frederics Frau hat das gemacht.“
„Lebt sie auch hier?“
„Sie … ist von uns gegangen.“
Zoltan drehte sich zu ihr um. „Das tut mir leid. Seid ihr euch nahe gewesen?“
Neona warf noch ein paar Zweige ins Feuer, um es weiter anzufachen. „Wir müssen nicht unbedingt über persönliche Dinge reden. Wenn wir unseren Tee getrunken haben, können wir … weitermachen.“ Sie deutete auf das Bett.
Er sah auf das Bett und dann wieder zu ihr, bevor er sie aus zusammengekniffenen Augen von oben bis unten musterte. „Was du anhast ist sehr hübsch. Hast du das selbst gemacht?“
„Ja.“ Sie zog ihre Schärpe zurecht. Warum fühlte es sich an, als würde er sich vorstellen, wie sie ohne ihre Kleider aussah? „Im Winter nähen wir viel. Manchmal sind wir monatelang eingeschneit.“
„Seid ihr nicht einsam?“
Sie musste heftig schlucken. Der nächste Winter würde ihr ohne ihre Schwester endlos scheinen. „Wir beschäftigen uns. Wir machen unsere Kleidung und unsere Schuhe. Und neue Pfeile. Ich mache Salben und Medizin. Einige der Frauen töpfern. Und natürlich üben wir jeden Tag unsere Kampfkünste.“
Seine Mundwinkel zuckten. „Da bin ich mir sicher. Man hat mir mehr als einmal versichert, dass du mich ordentlich vermöbelt hättest.“
Sie reckte ihr Kinn. „Das ist korrekt.“ Sein Lächeln verursachte ein merkwürdiges Flattern in ihrem Bauch. Er schien nicht eingeschüchtert oder wütend wegen ihrer Machtdemonstration. Im Gegenteil, er verhielt sich so, als würde es ihm gefallen. Und das machte ihn nur noch anziehender.
Du darfst dich nicht in ihn verlieben, rief sie sich in Erinnerung. Sie richtete die Teetassen und die Untertassen auf dem Tisch ordentlich aus.
Er ging zu einer großen Holzkiste, auf der ein paar Bücher aufgereiht standen. „Die sind in Englisch.“
Sie seufzte. Er schien entschlossen, mehr von ihrem Privatleben zu erfahren. „Die haben Frederic gehört.“
Zoltan sah sich die einzelnen Titel an. „Ein Weltatlas. Eine Bibel. Ein paar Romane – ‚Ivanhoe‘ und ‚Eine Geschichte von zwei Städten‘.“
„Das waren seine Lieblingsbücher.“
„Sie sehen alle gut gelesen aus. Dieses hier fällt fast auseinander.“ Er nahm das Buch hoch und las die verblassten Buchstaben auf seinem Rücken. „‚Stolz und Vorurteil‘.“
Sie nahm sich eine saftige wilde Beere aus der Schüssel auf dem Tisch. „Das ist mein Lieblingsbuch. Ich lese es jeden Winter.“
„Interessant.“ Er legte es vorsichtig wieder hin und sah sie dann an. Einer seiner Mundwinkel hob sich langsam. „In deinem Lieblingsbuch geht es also darum, wie ein Mann und eine Frau sich ineinander verlieben.“
Wärme stieg ihr in die Wangen, aber sie ignorierte das Gefühl und steckte sich die Beere in den Mund. Aus der Frucht platzte der Saft, als sie darauf biss, und sie legte sich schnell die Hand auf den Mund. Sie schluckte und leckte sich die Lippen, sich gänzlich bewusst, dass er sie eindringlich betrachtete, den Blick gebannt auf ihren Mund gerichtet.
Noch mehr Hitze stieg ihr ins Gesicht. Erinnerte er sich an ihren Kuss? Sie wendete sich der Feuerstelle zu. Das Wasser brauchte eine Ewigkeit zum Kochen. Aber so, wie er sie gerade ansah, könnte er gerade in der richtigen Stimmung sein.
Ihren Mut zusammennehmend, drehte sie sich zu ihm um und deutete auf das Bett. „Bitte mach es dir bequem.“
Er überraschte sie, indem er sich an den Tisch vor der Feuerstelle setzte. „Möchtest du eine probieren?“ Er öffnete die goldene Schachtel.
Sie trat näher an den Tisch heran und betrachtete neugierig die Pralinen. Sie kamen in verschiedenen Brauntönen und drei verschiedenen Formen – rund, quadratisch und rechteckig. Sie entschloss sich letztendlich für eine runde und biss hinein.
Augenblicklich füllte sich ihr Mund mit dem köstlichsten, cremigsten und süßesten Geschmack, den sie je gekostet hatte. „Meine Güte!“ Sie leckte sich die Lippen, um nicht aus Versehen zu sabbern.
Er lächelte. „Es scheint dir geschmeckt zu haben.“
Sie nickte und steckte sich den Rest der Schokolade in den Mund. Sie war wirklich himmlisch. Was für herrliche Dinge der Außenwelt hatte sie sonst noch verpasst? Sie legte den Deckel wieder auf die Schachtel und ging dann wieder an die Feuerstelle, um nach dem Wasser zu sehen.
„Hier hat Frederic also gelebt?“, fragte Zoltan.
Sie nickte. „Frederic Chesterton.“
„Und seine Frau und seine Töchter auch?“
„Nein, die Frauen leben in … einem anderen Tal.“
„Warum hat er nicht bei ihnen gelebt?“
„Das ist eine unserer Regeln. Männer sind nicht gestattet in …“ Neona sah ihn entschuldigend an. „Unsere Art zu leben muss dir sehr merkwürdig vorkommen.“
„Was ist mit deiner Familie?“
Neona wünschte sich seufzend, das Wasser würde schneller kochen. „Ich möchte lieber nicht über mich selbst reden.“
„Das war aber meine dritte Bedingung, weißt du nicht mehr? Wir müssen einander kennenlernen.“
Sie sah sich zu ihm um. Würde er sich wirklich weigern, bei ihr zu liegen, wenn sie ihm nicht mehr von sich erzählte? Vielleicht wären ein paar Informationen in Ordnung, solange sie keine Geheimnisse preisgab.
Sie ging zurück zum Tisch und öffnete die Dose, in der sich die Teeblätter befanden. „Meinen Vater habe ich nie gekannt. Er ist zurück nach Griechenland gegangen.“ War er das wirklich? Sie löffelte Teeblätter in die Kanne. „Meine Mutter ist unsere Anführerin. Königin Nima.“
Zoltan riss die Augen auf und musste dann grinsen. „Dann bist du wirklich eine Kriegerprinzessin?“
Sie schnaubte. „Nein. Ich bin keine Thronerbin.“
„Warum nicht?“
Der Kessel fing endlich an zu pfeifen, und sie eilte ans Feuer, erleichtert, kurze Zeit von seinen Fragen verschont zu werden. Sie wickelte sich ein Geschirrtuch um die Hand und trug den heißen Kessel dann an den Tisch.
„Warum kannst du nicht Königin sein?“
Sie goss das dampfende Wasser in die Teekanne. „Das … ist kompliziert.“
„Dann erklär es mir. Ich habe die ganze Nacht Zeit.“ Er lächelte sie schief an. „Und ich bin scheinbar intelligent.“
Neona lächelte, ohne es zu wollen. „Ja, das bist du.“ Sie setzte den Deckel auf die Kanne, um den Tee ziehen zu lassen. „Wir alle haben besondere Gaben, und ich habe die falsche.“
„Wie kann eine Gabe falsch sein?“
Würde dieser Mensch nie mit seinen Fragen aufhören? Sie deutete auf das Bett. „Es ist spät. Vielleicht sollten wir … uns eine Weile ausruhen?“
Seine Augen leuchteten wie heiße Glut. „Immer versuchst du, mich zu verführen.“
Sie musste heftig schlucken. Die Art, wie er sie ansah, brachte ihren Magen zum Flattern. „Willst du nicht verführt werden?“
Seine Mundwinkel hoben sich langsam. „Ich bin noch nicht in Stimmung.“ Er klopfte auf den Stuhl neben sich. „Rede mit mir. Ich möchte wissen, welche Gabe du hast und warum es die falsche ist.“
Sie ließ sich vorsichtig auf den Stuhl sinken, sich dessen sehr bewusst, dass er seinen Arm auf der Rückenlehne abgelegt hatte. „Ich bin Heilerin. Wenn ich eine Verletzung berühre, kann ich ihr den Schmerz entziehen und sie zum Heilen bringen.“
„Das ist eine ausgezeichnete Gabe.“
„Nicht so richtig. Ich muss den Schmerz auch spüren.“
„Oh. Das ist schlecht.“ Plötzlich setzte er sich auf. „Hattest du deswegen die Hand an meiner Hose? Hast du mich geheilt?“
Sie nickte. „Ich wollte, dass du tadellos funktionierst.“
„Verstehe.“ Seine Mundwinkel zuckten, doch dann sah er sie mit großen Augen unschuldig an. „Ich fürchte, ich leide immer noch unter übrig gebliebenen Schmerzen.“
„Von vor zwei Nächten?“
„Du hast mich wirklich fest getroffen. Ich könnte deine heilende Berührung gebrauchen.“
Sie kniff die Augen zusammen. „Ich glaube, du lügst.“
„Das stimmt.“ Er grinste. „Aber einen Versuch war es wert.“
Sie erwiderte sein Lächeln.
„Du hast ein hübsches Lächeln.“
Verlieb dich nicht in ihn. Bring es einfach hinter dich. „Dann funktionierst du jetzt also tadellos?“
„Aber sicher, sobald ich in Stimmung bin.“
Wie konnte ein so starker Mann voller Lebenskraft so langsam sein? „Vielleicht sollte ich dich doch anfassen. Um dir zu helfen, in Stimmung zu kommen.“ Sie streckte die Hand nach seinem Schritt aus, aber er nahm ihre Hand in seine.
„Was für eine Gabe braucht man, um Königin zu werden?“, fragte er und legte beide Hände um ihre Hand.
Innerlich stöhnte sie frustriert auf. „Warum musst du das wissen? Du kannst nicht Königin werden. Du bist ein Mann.“ Sie zog ihre Hand aus seinem Griff und warf einen argwöhnischen Blick auf seinen Schritt. „Ich meine, falls du jemals in Stimmung kommst.“
„Ich bin ja bald so weit. Nur noch ein paar Fragen. Welche Gabe braucht die Königin?“
„Sie muss mit … geflügelten Wesen kommunizieren können.“ Neona zuckte zusammen. Jetzt hatte sie zu viel gesagt.
Zoltan atmete scharf ein. „Vögel meinst du? Deine Mutter kann mit Vögeln reden?“
„Ja.“ Sie sah ihn wieder misstrauisch an. „Das klingt wahrscheinlich seltsam.“
„Nein. Tut es nicht.“ Er sah einen Moment ins Feuer. „Gibt es noch andere Frauen bei euch in der Gruppe, die diese Gabe haben?“
„Meine Zwillingsschwester, Minerva, aber sie …“ Neona erstarrte in Erwartung der Welle aus Trauer, die über sie hereinbrechen würde. Sie nahm jedoch all ihren Mut zusammen und fuhr fort. „Winifred hat die Gabe, sie wird also unsere nächste Königin.“
Zoltan drehte sich zu ihr um. „Du hattest eine Zwillingsschwester?“
„Lass mich nachsehen, ob der Tee schon fertig ist.“ Neona sprang auf und griff nach der Teekanne. Ihre Hände zitterten, sodass sie etwas Tee auf den Tisch verschüttete.
„Ist schon gut.“ Zoltan nahm ihr die Teekanne aus den Händen und stellte sie wieder hin. „Ich brauche nicht unbedingt Tee.“
Sie setzte sich wieder hin und legte die Hände in ihrem Schoß zusammen. „Ich finde, wir haben genug geredet.“
„Hast du deine Schwester verloren?“
Sie nickte. „Vor zwei Wochen.“
„Das tut mir so leid.“ Er beugte sich zu ihr und nahm ihre Hände in seine. „Auch ich habe meine Familie verloren.“
Sie sah zu ihm hoch und entdeckte den Schmerz, der in seinen bernsteingoldenen Augen schimmerte. „Das tut mir leid.“
Er drückte ihr die Hände. „Was passiert, wenn du verletzt wirst? Kannst du dich dann selbst heilen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Es gab noch eine weitere Heilerin. Frederics Frau, Calliope. Aber sie ist vor ungefähr sechs Jahren gestorben. Ich konnte ihr nicht helfen.“
„Und jetzt bist du allein? Du nimmst allen den Schmerz, aber dir kann niemand helfen?“
Tränen stiegen ihr in die Augen. „Meinen Schmerz kann niemand heilen.“
„Ich weiß.“ Er streckte die Hand aus und strich ihr das Haar aus der Stirn. „Aber ich würde dich trösten, wenn ich könnte.“
Er war so verlockend. Oh Gott, du darfst dich nicht in ihn verlieben. Sie sehnte sich nach jemandem, der sie festhielt und sich um sie kümmerte. Aber das durfte nicht Zoltan sein. Sie musste eine Tochter bekommen. Eine Tochter konnte sie festhalten und liebhaben.
Was aber, wenn sie einen Sohn bekam? Würde Zoltan so reagieren, wie Frederic es getan hatte, nachdem Calliope ihm einen Sohn geboren hatte? Frederic hatte gewartet, bis der Junge alt genug war, um zur Schule zu gehen, und dann hatte er ihn nach England gebracht. Seine Partnerin und ihre Töchter hatte er zurückgelassen. Verlassen.
Eine Träne lief ihr die Wange hinab. Was, wenn sie sich in Zoltan verliebte? Wie sollte sie es ertragen, ihn zu verlieren? Lieber Gott, sie könnte ihn und einen Sohn verlieren. Der Schmerz, den sie jetzt schon empfand, könnte sich noch verdreifachen. „Ich kann das nicht.“ Sie sprang auf und rannte zur Tür.
„Neona!“
Sie rannte nach draußen, auf den Bach zu.
„Neona.“ Zoltan packte sie am Arm, um sie aufzuhalten. „Was ist passiert? Habe ich etwas Falsches gesagt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nichts an dir ist falsch. Alles an dir ist zu richtig! Ich könnte mich in dich verlieben.“
„Wäre das so schlimm?“
Sie machte sich von ihm los. „Ich will deine Liebe nicht. Das Einzige, was ich von dir will, ist eine Tochter!“
Er erstarrte. „Was?“
„Ich habe es dir doch gesagt. Männer sind hier nicht gestattet.“ Ihr liefen Tränen die Wangen hinab, während sie sich weiter von ihm entfernte. „Ich wollte eine Tochter, aber ich habe es mir anders überlegt. Das Risiko ist zu groß. Ich darf dich niemals wiedersehen. Leb wohl.“