3. Kapitel

Zuerst war Zoltan sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte.

Vielleicht hatte sie ihm so fest eins übergezogen, dass er halluzinierte. Aber was für ein Traum das wäre! Diese wunderschöne Frau wollte ihm an die Wäsche? Allein der Gedanke reichte aus, um ihn zu erregen.

Aber in welcher Welt war das normal? Sie war aus dem Nichts aufgetaucht, hatte ihn angegriffen, ihn bewusstlos geschlagen, und jetzt wollte sie seinen Samen? Wenn er bei Verstand wäre, sollte er sich in Sicherheit teleportieren vor ihr und ihrem zahmen … Leoparden? Oder sich wenigstens per Teleportation von den Fesseln befreien, mit denen sie ihn an den Baum gebunden hatte.

Aber sobald er sich teleportierte, würde er sich ihr als Vampir zu erkennen geben. Das war ein Trumpf, den er lieber erst ausspielen wollte, wenn es notwendig war. Und außerdem, wenn er sich jetzt nach Hause teleportierte, würde er sie vielleicht nie wiedersehen. Wie konnte er gehen, ehe er mehr über sie erfahren hatte? Sie war die faszinierendste Frau, die ihm je begegnet war.

Also würde er noch etwas bleiben, aber zu seinen eigenen Bedingungen. Und das bedeutete, er musste die Situation unter Kontrolle bringen. Erstens, die größte Bedrohung beseitigen.

Er sah den Schneeleoparden an und schickte ihm in Gedanken eine Nachricht. Bist du wirklich ihr zahmes Haustier, oder tust du nur so?

Der Leopard schnaufte und wendete sich ab.

Ich weiß, dass du mich hören kannst, Kater. Schade einem von uns, und ich ziehe dir bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren.

Der Leopard drehte sich wieder zu ihm um, die goldenen Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. Große Worte für jemanden, der an einem Baum festgebunden ist. Was habe ich Angst.

Solltest du auch. Du würdest ein hübsches Paar Hausschuhe abgeben.

Der Leopard machte einen Buckel und fauchte ihn an.

„Zhan.“ Die Frau schüttelte den Kopf über den Leoparden. „Benimm dich.“

Die Katze trat dichter zu ihr und sah sie mit großen Augen unschuldig an.

„Braves Kätzchen.“ Sie kraulte ihm die Ohren, und er schnurrte. „Jetzt lauf und geh ein bisschen spielen.“

Hast du gehört, Kater? fragte Zoltan den Leoparden. Sie will, dass du verschwindest.

Das Tier starrte ihn unverwandt an. Ich bin ihr Liebling. Nicht du. Der Leopard stapfte über die Lichtung zu einem Baum und schärfte sich ausgiebig die Krallen, ehe er sie in dem Holzstamm vergrub.

Schritt zwei, dachte Zoltan, die Führung des Gesprächs übernehmen. Er betrachtete die Frau. Sie saß stumm neben ihm und biss sich auf die Unterlippe. Nervös. Das war ein gutes Zeichen. Er wollte nicht glauben, dass sie so etwas oft machte. „Habe ich dich richtig verstanden? Du willst meinen Samen?“

Ihre Wangen röteten sich, aber sie sah ihm direkt in die Augen. „Ja.“

„War das die ganze Zeit dein Plan? Mich niederschlagen, fesseln und vergewaltigen?“

Sie zuckte zusammen. „Das ist keine Vergewaltigung.“

„Wie würdest du es sonst nennen, wenn du mit Gewalt versuchst, mir den Samen zu nehmen?“

„Ich habe angenommen, du würdest einverstanden sein.“

„Mich vergewaltigen zu lassen?“

Sie verzog das Gesicht. „Es ist keine Vergewaltigung, wenn du einverstanden bist.“

„Was, wenn ich es nicht bin?“

Sie sah einen Augenblick lang verblüfft aus. „Ich dachte, Männer wären immer bereit.“

Er krallte die Hände fest um das Seil, als ein unerwarteter Wutschwall ihn erfasste. Wie viele bereite Männer hatte sie über die Jahre gefunden? Wahrscheinlich viele. Welcher Mann, der etwas auf sich hielt, würde sich nicht von einer schönen Frau in den Wäldern vernaschen lassen? Verdammt noch mal.

Er atmete tief durch. Behalt die Kontrolle. „Ehe ich über dein Angebot nachdenken kann, muss ich wissen, was genau du von mir erwartest.“

Ihr Blick senkte sich hinab auf seinen Schritt. „Ich dachte, das wäre offensichtlich.“

„Im Gegenteil, es gibt mehrere Punkte, die der Klärung bedürfen.“ Zum Glück sah sie ihm wieder ins Gesicht. Er wollte nicht, dass sie die anschwellende Beule in seiner Hose bemerkte.

Sie runzelte die Stirn. „Klärung?“

„Ja. Zum Beispiel, wie lange muss ich Leistung erbringen? Bekomme ich Entschädigung für etwaige Verletzungen, die ich mir während des Aktes zuziehe?

Sie riss die Augen auf. „Verletzungen?“

„Das kann passieren. Ich bin dafür bekannt, ziemlich wild zu werden. Glücklicherweise sieht es aus, als würdest du dich bester Gesundheit erfreuen, du solltest die Tortur also überleben. Würde es dir etwas ausmachen, eine Verzichtserklärung zu unterschreiben?“ Er genoss es, wie sie ihn immer entsetzter ansah. „Welche Position möchtest du benutzen? Oder wären dir verschiedene lieber? Wie viele Höhepunkte möchtest du erlangen?“

Daraufhin fiel ihr buchstäblich die Kinnlade herunter. Dann jedoch schüttelte sie sich und funkelte ihn herausfordernd an. „Zehn.“

Er blinzelte. Hatte sie gemerkt, dass er nur bluffte? „Zehn was? Positionen oder Höhepunkte?“

Sie zögerte eine Sekunde, reckte dann aber ihr Kinn. „Beides.“

Er verkniff sich ein Lachen. Sie ließ sich von ihm nicht unterkriegen.

Idiot, grollte der Leopard. Hör auf, mit ihr Katz und Maus zu spielen.

Zoltan hob den Blick und entdeckte, dass die Katze sich auf dem Ast eines nahen Eichenbaumes rekelte. Du solltest doch verschwinden.

Sie schlug mit dem Schwanz gegen den Ast. Ich verschwinde, wenn mir danach ist.

Geht sie jede Nacht irgendeinem Mann so an die Wäsche? fragte Zoltan.

Was glaubst du denn? Der Leopard kniff die Augen zusammen. Wer jetzt wohl eifersüchtig ist.

Ich bin nicht – oder war er es doch? Zoltan schob diesen Gedanken zur Seite und wandte sich wieder der Frau zu. „Bist du sicher, dass du zehn Höhepunkte durchhältst?“Sie zuckte mit den Achseln. „Bist du sicher, dass du sie lieferst?“

Er lächelte. Es gefiel ihm, wie sie ihm die Stirn bot. „Ich würde mein Bestes geben. Aber es könnte schon eine Stunde dauern, je nachdem, wie …“

„Oh nein! Wir müssen schneller sein. Nicht mehr als fünf Minuten. Tatsächlich sollten wir lieber sofort anfangen, ehe Freddie und die anderen uns finden.“

Wieder kochte die Wut in ihm hoch. „Freddie? Wer ist der schon wieder?“

„Freddie ist nicht …“

„Nicht an einen Baum gefesselt, was? War der deine fünf Minuten von gestern Abend?“

Sie starrte ihn entgeistert an.

Wie eifersüchtig kann man sein? Der Leopard sah ihn verächtlich an.

Bin ich nicht! Mist. War er doch. Eifersüchtig auf die unbekannten Liebhaber einer Frau, die er noch kaum kennengelernt hatte. Er musste den Verstand verlieren.

In den blauen Augen der Frau blitzte die Wut auf. „Du glaubst, ich mache das jede Nacht?“

„Woher soll ich wissen, wie viele Männer du schon gefesselt und missbraucht hast?“

„Ich habe dich nicht missbraucht!“ Sie stand wütend auf. „Ich glaube, ich will nicht mehr.“

Wollte sie wirklich gehen? „Es tut mir leid.“

Sie sah ihn zweifelnd an.

Fleh um Vergebung, fauchte der Kater.

Verzieh dich, antwortete er mental und wandte sich dann wieder der Frau zu. „Ich habe dich beleidigt. Das tut mir leid.“ Als sie ihn wenig überzeugt ansah, seufzte er. Wenn er wollte, dass sie blieb, musste er ehrlich sein. „Mir gefällt die Vorstellung nicht, ein namenloser Mann zu sein in einer langen Reihe von …“ Er unterbrach sich, ehe er „Liebhabern“ sagen konnte.

Ihr Blick wurde weicher. „Das würde mir auch nicht gefallen. Wenn es dir dadurch besser geht, ich habe es erst einmal versucht, und es hat nicht das erwünschte Resultat erbracht.“ Sie runzelte die Stirn. „Ich bin mir auch jetzt nicht sicher, ob es funktionieren wird. Spontan fallen mir mehrere gute Gründe ein, aus denen wir uns nicht miteinander einlassen sollten.“

„Irrsinn zum Beispiel?“

Sie sah ihn entsetzt an. „Bist du das?“

Er zuckte zusammen, ehe er sagte: „Nein.“

Lügner, spöttelte die Katze.

Geh deinen Schwanz jagen, entgegnete er.

Die Frau blieb misstrauisch. „Ich würde nicht wollen, dass jemand wegen mir ein heiliges Gelübde bricht. Ein außerordentlicher Mann wie du ist wahrscheinlich verheiratet.“

Außerordentlich? Sein Herz machte einen Sprung. „Ich bin alleinstehend.“ Als sie erleichtert aussah, machte sein Herz einen weiteren Sprung.

„Du könntest Männer bevorzugen.“

„Nein.“

„Oder du hast eine Krankheit, die du nicht …“

„Nein!“

„Oder vielleicht kannst du nicht …“

„Das ganz bestimmt nicht!“

Ihre Mundwinkel zuckten. „Dann war diese ganze Prahlerei von wegen verschiedene Positionen und …“

„Keine Prahlerei.“

„Ich weiß, dass du mir nur Angst machen wolltest, damit ich es mir anders überlege. Es kann also nur noch einen weiteren Grund geben.“ Sie ließ die Schultern hängen und sah auf den Boden. „Du findest mich nicht begehrenswert.“

„Ich mache es.“ Was zur Hölle sagte er da?

Sie riss überrascht den Kopf. „Du bist einverstanden?“

„Ja, aber … unter drei Bedingungen.“

Sie kniff die Augen misstrauisch zusammen. „Welche wären das?“

Woher zum Teufel sollte er das wissen? Er improvisierte das alles aus dem Stegreif. „Erstens. Ich muss deinen Namen wissen.“

„Oh. Das ist ja leicht.“ Sie setzte sich mit verschränkten Beinen neben ihn. „Ich bin Neona.“

Neona. Er wiederholte ihren Namen in Gedanken. Ihm gefiel, wie er klang. „Griechisch für ‚Neumond‘?“

Sie ignorierte seine Frage. „Was ist die zweite Bedingung?“

„Du musst mich losbinden.“

Sie zuckte zusammen. „Das halte ich nicht für klug.“

„Wie soll ich dich zu zehn Höhepunkten bringen, wenn ich die Hände nicht benutzen kann?“

Sie schnaubte. „Das war nur ein Scherz von dir.“

„Glaubst du? Binde mich los und finde es heraus.“

Sie biss sich nachdenklich auf die Unterlippe und zog dann ein Messer aus einer Hülle an ihrer Wade. „Ich werde nicht zögern, das zu benutzen, wenn du mir etwas antust.“

„Ich würde dir nie schaden.“

Zweifel spiegelten sich auf ihrem Gesicht, aber sie schnitt schließlich durch das Seil, mit dem sie seine Hände gefesselt hatte.

Als er frei war, setzte Zoltan sich auf, rieb sich die schmerzenden Handgelenke und sah ihr dabei zu, wie sie das tückisch scharfe Messer wieder zurück in seine Scheide an ihrem Bein steckte. Ihre Leinenhose sah abgetragen und am Saum ausgefranst aus. Selbst gemacht, vermutete er, genau wie die mokassinartigen Lederschuhe, die sie an den Füßen trug.

Wo lebte diese Frau? Warum hatte sie ihn angegriffen? „Die dritte Bedingung ist, dass wir uns kennenlernen.“

„Ich finde nicht, dass das nötig ist.“

„Ist es aber. Ich finde dich sehr … interessant.“ Ganz zu schweigen von schön, mutig und faszinierend.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass du mich kennen musst, um mich zu …“

„Im Gegenteil. Ich muss in Stimmung sein, um Sex zu haben. Und meine Stimmung wird besser, je besser ich dich kennenlerne.“

„Ich kann dir nicht viel erzählen.“

„Hast du Geheimisse?“ Er beugte sich zu ihr. „Jetzt finde ich dich noch viel faszinierender.“

Sie zuckte zurück. „Können wir bitte einfach loslegen? Mir geht die Zeit aus.“

„Weil Freddie bald auftaucht? Wer ist das?“

„Eine Freundin. Winifred.“ Nach einer Pause fügte sie noch hinzu: „Sie ist also weiblich.“

„Das hatte ich mitbekommen“, murmelte er. „Wie hast du Englisch gelernt?“

Sie zögerte und sah in Richtung Wald, während sie sich eine Antwort überlegte. „Von einem Engländer.“

Zoltans Mundwinkel zuckten. Sie war so klug, wie sie schön war. „Und wo ist dieser Engländer? Ist er irgendwo an einen Baum gefesselt?“

„Natürlich nicht. Er ist zurück nach Hause gegangen.“ Sie sah Zoltan an und ergänzte: „Nach England.“

Er knirschte mit den Zähnen. Anscheinend zweifelte sie immer noch an seiner Intelligenz.

„Weißt du jetzt genug?“ Sie löste die Verschlüsse ihres Brustpanzers. „Sollen wir anfangen?“

Er musste fest schlucken, als sie ihre Rüstung ablegte. Unter dem Panzer musste es heiß gewesen sein, denn der dünne Leinenstoff darunter war feucht von Schweiß und klebte an ihren Brüsten, die köstlich rund und doch fest waren. „Ich … ich bin noch nicht in Stimmung.“ Hoffentlich bemerkte sie die wachsende Beule in seiner Hose nicht.

Sie sah ihn stirnrunzelnd an. „Ist es normal, dass du so langsam bist?“

Er stöhnte innerlich auf, als er sah, wie ihre Brustspitzen sich an der kühlen Luft zusammenzogen.

Genieß es lieber, solange du kannst, grollte der Leopard. Du hast schließlich nicht mehr lange zu leben.

Zoltan sah zu dem Kater hinauf. Was soll das heißen?

Sie bringt dich um, wenn ihr fertig seid.

Du lügst!

Das hat sie mir selbst gesagt. Der Leopard schleckte sich eine Pfote. Wenn sie mit dir fertig ist, wirst du auf den Müll geworfen.

Zoltan lief ein kalter Schauer den Rücken hinab. Konnte das stimmen? Hatte Neona vor, ihn umzubringen? Alles in ihm wehrte sich gegen diesen Gedanken. Er konnte es nicht glauben. Er würde es nicht.

Aber hatte sie nicht von Anfang an versucht, ihn umzubringen? War sie so herzlos, dass sie mit einem Mann schlafen und ihn danach hinrichten konnte? Wenn er mit ihr Sex hatte, konnte er sie dann ausreichend beeindrucken, dass sie sich anders entschied?

Er zuckte zusammen. Das verlieh der Angst, keine Leistung zu bringen, eine ganz neue Dimension. Er wäre dumm, es zu riskieren.

„Uns geht die Zeit aus“, rief sie ihm in Erinnerung. „Diese Stimmung, die du brauchst – gibt es etwas, was ich tun kann, damit du sie erreichst?“

„Ja.“ Er musterte sie eingehend. Irgendwie kam sie ihm nicht wie eine kaltblütige Mörderin vor. „Ich brauche einen Kuss.“

Sie hob die Augenbrauen. „Ich verstehe nicht, was das bringen soll, aber von mir aus.“ Sie beugte sich dichter zu ihm und gab ihm ein Küsschen auf die Wange.

„Ich meinte einen richtigen Kuss.“ Der Blick, den sie ihm schenkte, zog sein Innerstes zusammen. Verdammt noch mal. War sie nun unschuldig oder eine Mörderin? „Hast du nicht gesagt, du hast so etwas schon einmal gemacht?“

„Ja, einmal. Aber er brauchte vorher keine Küsse.“ Sie warf Zoltan einen ungeduldigen Blick zu. „Er war nicht langsam. Im Gegenteil, ich fand ihn beeindruckend schnell und effizient.“

Zoltan schluckte hart. Und das war ihr erstes Mal gewesen? Dieses Schwein musste ihr wehgetan haben. Wenn sie ihn umgebracht hatte, hatte dieses Ekel es wahrscheinlich verdient. „Es sind nicht alle Männer gleich. Mach die Augen zu, und lass sie geschlossen, bis ich dir sage, dass du sie wieder aufmachen kannst.“

Sie legte die Stirn in Falten. „Was hast du vor?“

„Ich will dich küssen.“ Er legte die Hände auf ihre Schultern. „Jetzt mach die Augen zu.“

Ihre Lider schlossen sich flatternd, und er näherte sich ihr, bis sein Atem über ihre Wange strich. Sie erbebte leicht. Er fuhr ihr mit der Nasenspitze über die Wange, auf ihren Mund zu. Beim Hinabsehen bemerkte er die Bewegung ihrer Brüste, als sie schneller atmete. Sie reagierte auf ihn.

Er sah nach ihren Augen. Immer noch geschlossen. Er fuhr mit den Händen ihren Hals hinauf, um ihren Kopf zu umfassen. Leicht strich er mit seinen Lippen über ihre. Noch ein Beben.

Er küsste sie, die Lippen langsam und sanft bewegend. Als sie stöhnte, sah er auf und entdeckte, dass sie die Augen vor Staunen weit aufgerissen hatte. „Ist schon gut“, flüsterte er.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich fühle mich merkwürdig. In meinem Bauch … vibriert es.“

War sie wirklich so unschuldig, oder lockte sie ihn in eine tödliche Falle? „Schließ die Augen und küss mich zurück.“ Als sie zögerte, nahm er ihre Hände und legte sie sich auf die Schultern. „Neona.“

Sie sah ihm suchend in die Augen.

„Küss mich.“ Er zog sie eng an sich, und als sich seine Lippen dieses Mal an ihren Mund schmiegten, antwortete sie ihm. Zögerlich zuerst, und dann immer kühner. Er vertiefte den Kuss, drang mit seiner Zunge in ihren Mund ein. Sie zuckte zusammen, berührte dann aber seine Zunge mit ihrer eigenen.

Stöhnend legte er eine Hand auf ihre Brust. Sie keuchte gegen seinen Mund.

„Neona“, flüsterte er, zu ihr hinaufsehend, um sicherzugehen, dass ihre Augen noch geschlossen waren. Er fuhr mit dem Daumen über ihre harte Brustspitze, und sie reagierte mit einem Stöhnen. „Vergiss mich nicht.“

Er teleportierte sich auf die Spitze eines nahen Baumes.

Sie saß einen Augenblick da, die Augen noch geschlossen, die Lippen rosig und angeschwollen. Er wand sich wegen der unangenehmen Beule in seiner Hose. Selbst im Angesicht seines nahen Todes war er noch hart geworden. Er wollte sie. Er wollte glauben, dass sie süß und unschuldig war, keine kaltblütige Verführerin und Männermörderin.

Sie öffnete die Augen und sah sich keuchend um. „Wo bist du?“ Sie stand eilig auf. „Wie bist du verschwunden? Ich habe nichts gehört.“

Sich auf der Stelle drehend suchte sie den Wald nach ihm ab. „Zoltan? Wo bist du?“

Als links von ihr ein Geräusch ertönte, wirbelte sie herum. Der Leopard kam auf die Lichtung geschritten, und sie seufzte. „Ach, du bist es.“ Sie drehte sich um und sah sich noch einmal in den Wäldern um. „Warum ist er gegangen?“

Sie verschränkte ihre Arme, als wäre ihr auf einmal kalt geworden. „Ich dachte, er mag mich.“ Sie betrachtete die Stelle auf dem Boden, wo sie gesessen und sich geküsst hatten, dann sackten ihre Schultern zusammen. „Ich hätte wissen müssen, dass man Männern nicht vertrauen kann.“

Als sie ihren Brustpanzer wieder anlegte, stieß der Leopard mit dem Kopf gegen ihr Bein.

„Mach dir um mich keine Gedanken.“ Sie tätschelte dem Leoparden den Kopf. „Schließlich haben Männer keinen Platz in unserem Leben.“ Seufzend steckte sie ihr Schwert ein.

Ich weiß, dass du da bist. Der Leopard sah zu ihm hinauf. Du bist kein normaler Mensch, was?

Wollte sie mich wirklich umbringen?

Der Leopard streckte sich und machte einen Buckel. Das werden wir wohl nie erfahren, da du den Schwanz eingekniffen hast und weggelaufen bist.

Ich bin nicht weggelaufen. Zoltan zuckte zusammen. Den Schwanz eingezogen hatte er tatsächlich. Während sie sich dem Liebesspiel hingaben, hätte sie ihn überrumpeln können. Und wenn sie ihn zufällig mit dem Messer ins Herz gestochen hätte, wäre er zu Staub zerfallen.

Sie fand ihren Bogen und den Köcher, setzte sich beides auf den Rücken und nahm dann ihren Helm hoch. In schnellem Tempo ging sie den Hügel hinab, und der Leopard trottete neben ihr her.

Zoltan folgte ihr, indem er sich von Baum zu Baum teleportierte.

Ekel, rief der Leopard zu ihm herauf.

Er stöhnte innerlich auf. Er kam sich wirklich wie ein Ekel vor, wie er ihr hinterherspionierte, aber wie sonst sollte er herausfinden, wer sie war? Und wo sie lebte? Sie hatte deutlich gemacht, dass sie ihm nichts erzählen wollte.

„Neona!“, rief eine Frauenstimme vom Fuß des Hügels her. Drei Frauen, alle in Rüstungen gekleidet, warteten an einem schmalen Bach.

Neona begrüßte sie in einer Sprache, die er nicht verstand – höchstwahrscheinlich Tibetisch –, und sie unterhielten sich einen Augenblick, ehe sie das Tal durchquerten. Zoltan fragte sich, wer diese Frauen sein mochten. Alle vier hatten Köcher auf dem Rücken, mit Pfeilen gefüllt, die dem ähnlich sahen, der seinen Vater getötet hatte.

Was haben sie gesagt? fragte er den Leoparden.

Warum sollte ich dir das verraten? fauchte die Katze zurück.

Du bist männlich. Ich bin männlich. Wir sollten zusammenhalten. Es sei denn, du bist bloß ein riesiges Muttersöhnchen.

Der Leopard blieb stehen und sträubte sein Fell. Sie hat gelogen. Sie hat gesagt, sie hätte niemanden gesehen.

Sein Herz machte einen Sprung. Versuchte sie, ihn zu beschützen? Oder ihn zu vergessen?

Die vier Frauen gelangten ans andere Ende des Tals, wo eine Felswand sich hoch über sie erhob. Etwa in Schulterhöhe befand sich ein Loch in der Wand, aus dem sich Wasser ergoss, das im Tal mit dem Bach zusammenfloss. Über dem Loch befand sich ein Absatz. Der Leopard sprang auf diesen Absatz, und dann immer weiter auf den nächsten, bis er die Felswand erklommen hatte.

Anscheinend wartete dort oben jemand, denn eine Strickleiter wurde heruntergelassen. Eine nach der anderen kletterten die Frauen die Leiter hinauf und verschwanden über die Felswand.

Wohin gehen sie? fragte Zoltan den Leoparden.

Heim, antwortete der Leopard. Denk nicht einmal daran herzukommen. Sie bringen dich um. Männer sind in Beyul-La nicht erlaubt.

Zoltan wartete zehn Minuten, dann teleportierte er sich auf die Felswand. Ihm stockte der Atem. Vor ihm lag ein herrliches Tal, ganz von Bergen eingerahmt. Er entdeckte fünf Frauen, die auf ein Dorf zugingen, das aus einem halben Dutzend Steinhäusern bestand, die im Kreis gebaut waren. In der Mitte dieses Kreises entfachte eine weitere Frau gerade ein Feuer.

Die sechs Frauen standen am Feuer und unterhielten sich, während der Leopard sich auf dem Gras ausstreckte.

Das also war Neonas Heimat. Beyul-La. Wo Männer nicht gestattet waren. Zoltan schnaubte. Sie konnten ihn nicht davon abhalten zurückzukommen. Er hatte immer noch Fragen, die einer Antwort bedurften. Und er musste Neona wiedersehen. Ein Kuss war nicht genug.