Den groBten Teil des mentalen Trainingsprogramms hast Du jetzt kennengelernt, doch einige weiterfuhrende Ansatze und Techniken sollen Dir nicht vorenthalten werden. Sie werden Dir helfen, Deine Traume wahr werden zu lassen und Dir vielleicht sogar neue Ziele vermitteln.
Eine gangige Redewendung besagt, ein Sportler sei nur so gut, wie er zu sein glaubt. In der Tat liegt eine gewisse Magie im Selbstvertrauen. Wenn Du fest an Deinen Erfolg glaubst, hast Du eine reelle Chance, wirklich erfolgreich zu werden. Und je fester Du daran glaubst, desto eher verwandeln sich Deine Vorstellungen in selbsterfullende Prophezeiungen Die Erfolgsformel lautet schlicht: „Ersinne, glaube und erreiche“. Die meisten Sportler haben keine Schwierigkeiten, sich selbst als erfolgreich und vielleicht sogar „groBartig“ zu sehen.
Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit als aktiver Powerlifter. Schon zu Beginn meiner Wettkampfkarriere stellte ich mir dauernd vor, wie ich Goldmedaillen errang und Weltrekorde brach. Spektakulare Phantasien dieser Art bereiteten mir wirklich keine Schwierigkeiten. Doch an derartige Erfolge wirklich zu glauben - das war ein anderes Paar Schuhe, wie man so schon sagt. Es besteht namlich ein Riesenunterschied zwischen Erfolgsphantasien und dem festen Glauben an den Erfolg. Wenn Du aber erst einmal fest daran glaubst, daB Du Dein Ziel erreichst, ist es schon in Reichweite geruckt - vorausgesetzt naturlich, Du verfugst uber das notige Talent.
So simpel sich das auch anhoren mag, dieses einfache Prinzip hat bereits Tausende von Leben verandert. Deshalb waren Norman Vincent Peale und Claude Bristol auch so erfolgreich mit ihrem Konzept des positiven Denkens. Sie waren uberzeugt davon, daB eine Person das ist, was sie zu sein glaubt. Diese beiden Manner haben das Leben vieler Menschen allein deshalb verandert, daB sie die Leute dazu brachten, an sich selbst zu glauben.
Das ganze Geheimnis des Erfolgs liegt demnach darin, glauben zu lernen. Klingt ganz einfach, oder? Ist es aber beileibe nicht. Dieser Glaube erfordert, daB Du Dein BewuBtsein fortwahrend mit positiven Gedanken bombardierst, was wiederum viel Zeit, Muhe und KnowHow verlangt. Ein Programm muB her, das alle nur moglichen Zweifel beseitigt. Um das zu erreichen, muB jedes Wort, jeder Gedanke und jede Tat positiver Natur sein. Solltest Du irgendwann etwas Negatives sagen oder tun, muB Du sofort innehalten, den negativen Schritt analysieren und in einen positiven Gedanken umwandeln.
Das Erste, was es zu beachten gilt, sind die Worte, die wir gebrauchen. Worte sind Symbole, die Bilder in Deinem Geist erzeugen. Wenn ich etwa das Wort „Stuhl“ ausspreche, denkst Du wohl kaum an die Buchstabenkette S T U H L, sondern zuerst an eine Konstruktion aus Holz oder Metall, die Du als „Stuhl“ kennengelernt hast. Sage ich „Fliege“, stellst Du Dir entweder ein Insekt vor, oder Du interpretierst es als einen Befehl, Deinen Hintern so schnell wie moglich in Bewegung zu setzen. Es kommt ganz auf die Situation an, in der ich das Wort benutze. Das BewuBtsein formt ein Bild davon, und die physiologische Reaktion des Korpers entspricht dieser Vorstellung.
Ungezahlte Tests mit autogenem Training haben diesen Sachverhalt bewiesen. Wurde den Versuchspersonen zum Beispiel aufgetragen, zu visualisieren, ihre GliedmaBen seien schwer, zeigten die MeBergebnisse des Elektromyographen tatsachlich einen Ruckgang der Aktivitat im Muskelgewebe an. Der umgekehrte Fall trat ein, als sie visualisierten, ihre GliedmaBen seien leicht. Andere Studien zeigen, daB gewisse Gedanken und Worte Korpertemperatur, Hormonspiegel und Pulsfrequenz zu erhohen oder zu senken vermogen; die Arterien verengen oder erweitern konnen. Diese Forschungsergebnisse unterstreichen einerseits, welch starken EinfluB Worte auf die korperliche Leistungsfahigkeit haben, andererseits die Notwendigkeit, sich der Sprache bewuBt zu werden, die wir benutzen.
Leider wissen nur die wenigsten Trainer und Sportler, daB Worte eine enorme Auswirkung auf das Leistungsvermogen haben. Ich glaube, ich habe noch keinen Wettkampf erlebt, wo nicht mindestens ein Teilnehmer behauptete, er sei mude. Das Schlimme ist, daB viele dieser Sportler nicht die geringste Mudigkeit verspuren, wenn sie eine derartige Aussage machen. Einige Athleten geben Erschopfung vor, um schon von vornherein eine Entschuldigung fur unterdurchschnittliche Leistungen zu prasentieren. Anderen ist es bereits zur schlechten Angewohnheit geworden, standig zu behaupten, sie seien mude.
Was auch immer der Grund fur dieses Statement sein mag, seine physischen Auswirkungen sollten nicht unterschatzt werden. Vergesse nie: Der Korper fuhlt, was der Geist befiehlt. Wenn Du Dir einredest, Du warest mude, sendet das Gehirn diese Botschaft an den Korper, der so wirklich mude wird; das wiederum schmalert Deine Leistung in Training und Wettkampf betrachtlich.
Es wird Dich interessieren, zu horen, daB Wissenschaftler der Marquette University genau dieses Konzept anwenden, um Patienten mit Schlafproblemen zu kurieren. Im Laufe ihrer Untersuchungen stellte sich heraus, daB die Muskulatur eines Individuums sich allein durch den Gedanken an Mudigkeit physisch und neurologisch entspannt, wodurch wirkliche Mudigkeit herbeigefuhrt wird, die dann in Schlaf mundet.
Etwas anderes, was mir bei vielen Sportlern und Trainern aufgefallen ist, ist der Gebrauch von „positiven Negationen“. Diesen Ausdruck wirst Du in keinem wissenschaftlichen Journal finden; als „positive Negation“ bezeichne ich eine Aussage, die positiv klingt, tatsachlich aber ein negatives Statement beinhaltet.
Ein Tennislehrer konnte seinen Schutzling zum Beispiel anweisen: „Schlage den Ball nicht ins Netz“. Das klingt nach einem gutgemeinten, positiven Rat, doch was sieht der Tennisspieler in seinem Geist? Er sieht, wie er den Ball ins Netz schlagt. Auch andere Bemerkungen, wie „schlage nicht ins Aus“, „schlage nicht am Ball vorbei“ oder „stolpere nicht“ erzeugen im Gehirn des Sportlers negative Bilder, obwohl sie sich wie positive Anweisungen anhoren.
Als ich noch ein kleiner Junge war, bekam ich von meiner Mutter fortlaufend positive Negationen verpaBt. Sie gab mir etwa ein groBes Glas Milch, mit den Worten: „PaB' schon auf, Juddie, daB Du Deine Milch nicht verschuttest.“ Man konnte darauf wetten, was dann mit schoner RegelmaBigkeit geschah: Schon nach wenigen Schritten hatte ich mich uber und uber mit Milch bekleckert. Damals hielt ich mich fur auBerst ungeschickt; mittlerweile weiB ich, daB meine Mutter lediglich ein schlechter Trainer war.
Du solltest auch die Wirkung spezieller Worte auf die Konditionierung beachten. Manche Worte losen positive Vorstellungen aus, andere dagegen garantiert negative. Das beste Beispiel dafur geben die Worte „schwarz“ und „weiB“ ab. Wenn Du eine Sunde begehst, hast Du einen „schwarzen“ Fleck auf der Seele. Sind Dir Deine Sunden vergeben, wird auch die Seele wieder „weiB“ und rein. Die Bosen tragen stets den schwarzen und die Guten den weiBen Hut. Schwarze Hexen sind bose; weiBe Hexen sind gut. Schwarze Katzen bringen Ungluck; weiBe Katzen bringen Gluck. Sogar Engelstorten sind weiB und Teufelskuchen schwarz.
Es lieBen sich noch unzahlige andere Beispiele finden, doch eines steht fest: „schwarz“ beschreibt fast immer etwas negatives, wahrend „weiB“ fur etwas Gutes, etwas Positives steht. So konnen bestimmte Ausdrucke, obgleich nur „in Gedanken“ benutzt, unbewuBt negative Konditionierungen bewirken. Die Wissenschaft nennt diesen Vorgang den „Pygmalion-Effekt“. Du formst eine Vorstellung von Dir selbst - egal ob positiv oder negativ - und gehst dann unbewuBt daran, diese zu verwirklichen.
Wie Du siehst, hat bereits die Wahl der Worte beachtlichen EinfluB auf Deine psychische und physische Verfassung. Eine Technik, die Dir hilft, Worte richtig einzusetzen, ist das „Starkreden“. Starkreden erfordert nicht mehr als eine Art Drehbuch oder Manuskript zur Leistungssteigerung. Arbeite einfach ein Skript aus mit Worten, die Dich motivieren und „lebendige“ Bilder in Deinem Gehirn erzeugen.
Achte aber sorgfaltig darauf, wirklich die Worte und Statements zu benutzen, die die gewunschte, emotionale Reaktion auslosen. Deine Aussagen mussen unbedingt rein positive Vorstellungen auslosen. So formulierst Du statt „schlage den Ball nicht ins Netz“ besser „schlage den Ball ubers Netz“. Vermeide unbedingt Worte wie „nicht“, „nein“ oder ahnliche Negierungen. Wahle lieber Worte, die Dich motivieren und emotional stimulieren. Solche Worte werden „Trigger-Worte“ genannt (von engl. trigger - Abzug; Worte, die eine Reaktion auslosen). Ich blattere fur meine Skripts immer in Buchern uber positives Denken; diese Werke enthalten eine Fulle von Trigger-Worten und positiven Aussagen. Habe ich dann ein Manuskript fertiggestellt, spreche ich es auf Band. So kann ich die Kassette mit positiven Aussagen uberall und zu jeder Zeit horen, beim Autofahren ebenso wie in der Badewanne oder im Bett.
Starkreden kann auch in Verbindung mit Hypnosetraining verwendet werden. Dafur muBt Du Dich zunachst hypnotisieren, TME herbeifuhren, Dein Traum-Training absolvieren und dann das Band einsetzen. Nachdem es abgelaufen ist, weckst Du Dich aus der Trance.
Manchmal hore ich meine Kassette vor Wettkampfen oder vor dem Training, um mich emotional aufzuputschen. Naturlich benutze ich auch viele Worte aus meinem Skript im taglichen Leben Je mehr positive Statements Du gebrauchst, desto positiver und starker wirst Du. Eines solltest Du aber wissen: Obwohl man Starkreden immer wieder einsetzen kann, hort man sich ein Skript doch schnell leid, ebenso wie ein Lied, das man zu oft gehort hat. Je haufiger Du etwas horst, desto mehr schwindet auch Deine Aufmerksamkeit. Es ist daher ratsam, verschiedene Skripts aufzunehmen, die man abwechselnd hort.
Genau so ein Manuskript wird auch bei der „psychischen Verstarkung“ eingesetzt. Psychische Verstarkung ist ein intensiveres Programm, das speziell eine bestimmte Verhaltensweise oder Fertigkeit verbessern soll. Wenn ein Athlet zum Beispiel seine Aggressivitat steigern mochte, muBten seine Manuskripte so geschrieben sein, um allein diesen einzelnen Aspekt positiv zu beeinflussen. Psychische Verstarkung und Starkreden ist im Prinzip das gleiche. Der
Unterschied besteht nur darin, daB bei der psychischen Verstarkung das Augenmerk auf einen bestimmten Aspekt der Leistungsfahigkeit gerichtet wird. Diese Technik ist intensiver und wird auch haufiger verwendet als das Starkreden.
Mike hatte geduldig zugehort. Doch kaum hatte ich meine Ausfuhrungen beendet, kam schon die nachste Frage: „Ich habe gehort, daB einige der Sportler, mit denen Du gearbeitet hast, eine Technik verwenden, die sich halluzinogenes Training nennt". Was hat es damit auf sich?“ „Halluzinogenes Training ist nichts anderes als eine besondere Art der Visualisierung. Diese Technik wird vorwiegend direkt in Training oder Wettkampf eingesetzt. Durch hypnotische Halluzination werden besonders realistische, bildhafte Vorstellungen kreiert.
Bei Wettkampfen habe ich mich zum Beispiel durch ein zuvor konditioniertes Symbol selbst hypnotisiert. Dann visualisierte, oder besser gesagt, projizierte ich unter Hypnose ein Astralwesen, das aus meinem Korper heraustrat. Dieses „Wesen“ war eine exakte Kopie meiner selbst, und ich konnte es in allen Einzelheiten wahrnehmen. Es war wirklich so, als ware dieses Geistwesen real und nicht nur ein Teil meiner Phantasie. Der Doppelganger ergriff die Hantelstange und absolvierte etwa eine Kniebeuge wie aus dem Lehrbuch. Nachdem das Astralwesen die Hantel wieder abgelegt hatte, kehrte es in meinen Korper zuruck. Erst dann bin ich den Versuch wirklich angegangen.
Mittlerweile habe ich diese Visualisierungstechnik derart perfektioniert, daB ich die angerauhte Oberflache der Hantelstange in meinen Handflachen spure, wenn das Astralwesen die Stange beruhrt. Wahrend es das Gewicht hebt, fuhle ich, wie meine Muskeln arbeiten -ganz so, als wurde ich die Last bewegen. War der visualisierte Versuch erfolgreich, bereitet er mir auch in der Realitat keine Probleme.
Indem ich die halluzinierte Szenerie so lebensnah wahrnehme, erleichtere ich mir die reale Ausfuhrung des Versuchs betrachtlich. Da das Gehirn zwischen Einbildung und Realitat nicht unterscheiden kann, programmiere ich es, zu glauben, daB ich das Gewicht wirklich gehoben habe. So steigere ich mein Selbstvertrauen. Gleichzeitig programmiere ich meinen Korper -wenn das Him annimmt, die Hantel wurde wirklich gehoben, werden entsprechende Impulse durch die Nervenbahnen gesandt, die den Korper veranlassen, die Bewegung auszufuhren. Es ist aber unbedingt erforderlich, daB der Astralkorper den Versuch in absolut korrekter Form ausfuhrt. Ist das nicht der Fall, programmierst Du Dich falsch und wiederholst dann genau diesen Fehler.“
„Und wenn ich diese Halluzinationen nicht erzeugen kann, Judd?“ „Selbst wenn Dir die Halluzination nicht gelingt, kannst Du Dich trotzdem auf Erfolg programmieren, indem Du Dir die Bewegung einfach so prazise wie moglich vorstellst. Der leistungssteigernde Effekt ist naturlich umso groBer, je lebendiger Du visualisierst.
Diese Technik wird vor allem in Osteuropa angewandt. Wissenschaftliche Untersuchungen in RuBland, Deutschland, Frankreich, der Schweiz und der Tschechoslowakei haben gezeigt, daB Visualisierung motorische Leistungen enorm verbessern kann. Alle Sportler, die diese Technik erlernt haben und vor der realen Ausfuhrung der Bewegung einsetzen, erzielen weitaus bessere Leistungen als Athleten, die darauf verzichten. In Osteuropa gehort die hypnotische Halluzination zum Standardrepertoire der Leistungssportler und wird ausgiebig geubt.“
Es schien mir, als sei Mike jetzt etwas verwirrt. „Wo ist denn da der Unterschied zum Traum-Training?“ „Im Prinzip ist es dasselbe. Allerdings gibt es einen Unterschied: Diese Technik wird unmittelbar im korperlichen Training angewandt. Neue Forschungsergebnisse haben gezeigt, daB die Kombination von mentalem und physischem Training effektiver ist, als wenn beides getrennt eingesetzt wird. Wenn Du halluzinogenes Training im Wettkampf nutzen mochtest, muBt Du es auch in einer Wettkampfumgebung uben. Es besteht namlich ein gewaltiger Unterschied zwischen der Abgeschiedenheit Deines Zimmers und dem lauten, hektischen Treiben in FitneBstudios oder Wettkampfhallen. Hier kommt das sogenannte Modell-Training ins Spiel.“
Mike lachelte: „SchieB los, was hat es damit auf sich?“ „O.K. Wahrend der Ubungssitzungen ist der Sportler keinem psychischen Druck ausgesetzt. Beim Wettkampf dagegen sieht das ganz anders aus: Der StreB ist oft enorm. Die meisten Athleten berucksichtigen den WettkampfstreB bei ihren mentalen Ubungen nicht. Man kann es auch so sehen: Meisterschaften an sich sind ein LernprozeB; der Sportler lernt dabei, unter StreB zu agieren. Viele Athleten haben aber Schwierigkeiten, sich der Wettkampfsituation anzupassen - sie assoziieren die Szenerie nicht mit optimalen Leistungen, sondern mit Gefuhlen von Angst und Versagen.
Beim Modell-Training lernt der Sportler, sich dem Wettkampfumfeld anzupassen, indem typische Merkmale dieser Situation in das korperliche Training eingebunden werden. Einfacher ausgedruckt: Gestalte das Training moglichst „wettkampfecht“. Modell-Training ist eine Kombination aus sozialem, psychischem und technischem StreB, die in das korperliche Training integriert wird, um die Wettkampfatmosphare so gut wie moglich nachzuempfinden. LaB mich als Beispiel einen Individualsport wie Gymnastik anfuhren. Viele Gymnastiklehrer spielen wahrend des Trainings Zuschauerreaktionen uber Lautsprecher ein. Oder das Training wird unterbrochen, damit der Athlet seine Kur vor „fremden“ Zuschauern auffuhren kann.
Der Sportler wird auf diese Weise auf den Wettkampf und den damit verbundenen StreB vorbereitet.
Ich bin sicher, daB Du so etwas auch beim Football schon erlebt hast. Ihr ubt doch oft den Zwei-Minuten-Drill, bei dem eine Mannschaft die Spielweise des nachsten Gegners simuliert. Einige Trainer gehen sogar so weit, daB das „gegnerische“ Team die Trikots und Nummern der anderen Mannschaft tragt.“ Ich fuhr mit meinen Ausfuhrungen fort, um die Vorteile dieser Art von Konditionierung hervorzuheben. „Man weiB heute, daB Sportler sich unter diesen Bedingungen viel schneller an das Wettkampfumfeld gewohnen und bessere Leistungen bringen. Das alte Klischee, daB allein Praxis perfekt macht, ist ziemlich naiv. Die Qualitat des Trainings ist weitaus wichtiger als seine Quantitat.
Wenn Du Dich beim Training nicht bereits auf den WettkampfstreB vorbereitest, wirst Du spater garantiert Probleme bekommen. Ein Wettkampf wird fur Dich immer eine beangstigende Erfahrung bleiben. Ohne Modell-Training ist Deine Leistung von vielen Faktoren abhangig; schon der WettkampfstreB kann Dich derart beeintrachtigen, daB sie nur unterdurchschnittlich ausfallt. Dies wiederum kann dazu fuhren, daB Du Wettkampfe nicht mit Spitzenleistungen, sondern mit unbehaglichen Gefuhlen assoziierst.“
Mike war uberzeugt. „Das ist wirklich faszinierend. So wie Du es erklarst, leuchtet mir die Anwendung des Modell-Trainings im Sport auch ein. Mir ist nur unbegreiflich, warum nicht mehr Trainer die Vorteile dieser Technik nutzen?“ Ich zuckte die Achseln. „Wie gesagt,
Mike: Die meisten Trainer haben nicht das notige Wissen. Ich hoffe wirklich, daB es nicht mehr lange dauert, bis den psychologischen Aspekten des Sports die gleiche Aufmerksamkeit zugestanden wird wie den physiologischen.“
„Ich weiB jetzt schon so viel! Um ehrlich zu sein, ich kann es kaum erwarten, all diese Konzepte anzuwenden.“ „Das glaube ich Dir gem, Mike. Denke aber bloB nicht, daB wir schon das ganze Feld der Sportpsychologie abgehandelt haben. Es gibt noch zahlreiche andere Techniken, die zur Leistungssteigerung eingesetzt werden konnen. Trotz unserer Unterhaltung bist Du noch lange kein Experte auf diesem Gebiet. Andererseits verfugst Du jetzt uber ein solides Basiswissen, worauf Du weiter aufbauen kannst. Viele Sportler vertrauen allein auf ihre physischen Krafte, doch Du kannst jetzt durch geistiges Training die gewaltigen Krafte der Psyche nutzen. Denke immer daran, daB Du ein vollkommener Sportler werden willst -jemand, der Geist und Korper zur Leistungsoptimierung einsetzt. Wie schon gesagt: Wenn Du die entsprechenden Techniken richtig anwendest, werden sich Deine Leistungen mit Sicherheit spurbar verbessern.“
Mike streckte sich. Sein gigantischer Korper fullte beinahe den ganzen Raum. „Hast Du noch einen Tip auf Lager, bevor ich Dich verlasse?“ „Nun, wenn ich Du ware, wurde ich mich zusatzlich mit intellektuellem Training befassen. Lerne so viel wie moglich uber Deinen Sport. Versuche, von nun an mindestens eine halbe Stunde pro Tag dafur aufzubringen. Besuche Vortrage, sehe Dir Filme an, lese - und, vielleicht das Wichtigste: Lerne von anderen Trainern und Sportlern. Intelligenz ist eine Kraft, die auBergewohnliche Leistungen ermoglicht. Je mehr Du uber Deinen Korper weiBt, Deine psychische Verfassung, Bewegungslehre und aktuelle Trends in Deinem Sport, desto schneller wirst Du Deine Leistung steigern.
Die Wissenschaft ist sich in diesem Punkt vollig einig: Sportler, die sich uber physiologische, psychologische und mechanische Aspekte ihrer Sportart umfassend informieren, verbessern Ihre Leistungsfahigkeit uberdurchschnittlich. Aus diesem Grund ist es in RuBland, Polen, Ungarn, Rumanien und der Tschechoslowakei allgemein ublich, den Athleten jeweils die Bewegungslehre und Theorie ihrer Sportart zu vermitteln. Die Bedeutung dieser Art geistigen Trainings wird in der westlichen Welt leider immer noch unterschatzt.“
Obwohl Mike kaum abwarten konnte, mit seinem Programm zur geistigen Kontrolle zu beginnen, fuhlte ich doch, daB Ihm zumute war, als hatte er einen Schluck Wasser aus dem Hydranten genommen. Eines sollte mittlerweile klar geworden sein: Es dauert Wochen und Monate, bis man alle in diesem Buch angefuhrten Techniken beherrscht. Als ich noch die Baseballer der Kansas City Royals betreute, arbeitete ich mit einem Spieler manchmal funfzig oder sechzig Stunden an nur einem Problem. Ich konnte gut verstehen, daB Mike von diesem breitgefacherten Intensivkurs etwas uberwaltigt war. „WeiBt Du Judd, ich fuhle mich wirklich erschlagen von der Fulle an Informationen. Kannst Du mir nicht eine Zusammenfassung geben, oder vielleicht noch einmal erklaren, wie ich beginne?“
„Sicher, Mike. Als erstes schreibst Du alle Ziele nieder, die Du durch das Programm zur geistigen Kontrolle erreichen willst. Du muBt dabei zwischen primaren, sekundaren und langfristigen Zielen unterscheiden. Langfristig bedeutet circa ein halbes Jahr oder mehr. Sekundare Ziele beziehen sich auf einen Zeitraum von etwa einer Woche, und primare Ziele sind Tagesziele. Die Primarziele sollten Dich zu den Sekundarzielen und die Sekundarziele zu den langfristigen Zielen fuhren.
Du solltest nach folgendem System vorgehen: Notiere die Ziele unter der passenden Uberschrift und streiche durch, was Du erreicht hast. So wirst Du standig an Deine tagliche Routine erinnert; zusatzlich ist diese Methode ein verlaBliches Instrument der Verhaltens-kontrolle, da Du laufend kleine Veranderungen abhakst, bis das gewunschte Ziel erreicht ist. Stecke Deine Ziele aber nicht so hoch, daB ein Versagen schon vorprogrammiert ist. Wahle vielmehr flexible und realistische Ziele, die der Verbesserung Deiner sportlichen Leistung dienen. Verzichte zunachst darauf, Dich auf das zu konzentrieren, was Du auf mentaler Ebene erreichen willst. Denke stets daran, daB erreichbare Ziele das wesentliche Element einer Erfolgsformel sind. Wer dagegen keiner vorgegebenen Richtung folgt oder kein Ziel vor Augen hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht weit kommen. Ich habe jedenfalls noch keinen erfolgreichen Athleten getroffen, der nicht genau wuBte, was er wollte.
Daruber hinaus solltest Du ein Trainingstagebuch fuhren, in das Du alles eintragst, was dein physisches und mentales Training betrifft. Notiere darin, wann Du trainierst, wo Du trainierst und wie Du Dich vor, wahrend und nach dem Training fuhlst. Du solltest auBerdem einen Plan fur jedes Training ausarbeiten. Auf diese Weise entwickelst Du ein System fur Dein mentales und korperliches Training, was wiederum schnellere Erfolge hervorbringt.
Als nachstes solltest Du ein umfassendes intellektuelles Trainingsprogramm starten. Lerne, soviel Du kannst uber Deinen Geist, Deinen Korper und Deinen Sport. Es ist erwiesen, daB die Wahrscheinlichkeit herausragender Leistungen zunimmt, je mehr ein Athlet uber physiologische, psychologische und mechanische Belange seines Sports weiB. In jeder Disziplin verfugen die besseren Sportler auch uber ein uberdurchschnittliches Fachwissen. Psychische Verstarkung solltest Du so oft wie moglich einsetzen.
Verfasse Manuskripte, nehme sie auf Band auf und verwende diese beim Starkreden. Wahle nur solche Worte dafur, die positive mentale Vorstellungen auslosen. Du solltest dabei auch Trigger-Worte nutzen, die gewunschte emotionale Reaktionen bewirken. Hast Du Deine Skripts einmal auf Band aufgenommen, hore sie so oft wie moglich - bombardiere Deinen Geist mit positiven Aussagen.
Du weiBt nun, welch starke Magie im Glauben liegt. Wenn Du an Dich selbst glaubst, kannst Du erstaunliche Dinge vollbringen. VergiB nie, daB Deine Gedanken und Taten stets nur positiver Art sein sollten. Praktiziere positive mentale Verstarkung bei jeder Gelegenheit. Ebenso wie die Muskelkraft wachst auch die Kraft des Geistes, je mehr Du sie trainierst. Wende hypnotische Konditionierung an, bevor Du Dich dem korperlichen Training zuwendest. Hypnotisiere Dich, induziere TME und bediene Dich dann des Traum-Trainings, um das bevorstehende physische Training mental durchzuspielen. Zum Ende des Traum-Trainings solltest Du dann zur optimalen emotionalen Vorbereitung Starkreden einsetzen. Willst Du bei Wettkampfen antreten, bereite Dich mit Modell-Training auf die Atmosphare vor, die Dich dort erwartet. Vernachlassige daruber aber das halluzinogene Training nicht. Strebe stets danach, Deine mentalen Fahigkeiten auf hohem Niveau zu halten. Nach jeder physischen Trainingseinheit solltest Du alle Ubungen und Wiederholungen mit Hilfe hypnotischer Konditionierung Revue passieren lassen.
Und noch ein Tip zum SchluB: Es ist von enormer Bedeutung, daB Du dein Umfeld so weit wie moglich kontrollierst. Versuche, die Unterstutzung aller Menschen zu gewinnen, mit denen Du taglich in Kontakt kommst. Familienmitglieder, Freunde und Trainingspartner werden so zu einem Eckpfeiler Deines Programms zur geistigen Kontrolle. Uberzeuge diese Leute davon, daB Du ihre Hilfe benotigst und bitte sie, Dich bei Deinen Bemuhungen weder zu verspotten, noch zu kritisieren. Versuche auch, ihnen beizubringen, positiv auf Dich einzuwirken. Das sollte eigentlich nicht so schwierig sein - die Reaktion anderer wird uberwiegend von Deinem eigenen Verhalten bestimmt: Gibst Du Dich positiv, wird auch ihre Reaktion positiv sein. Erklare ihnen, was Du machst, und warum Du es machst.
Vielleicht kannst Du Deinen Trainingspartner dazu bewegen, ebenfalls ein Programm zur geistigen Kontrolle aufzunehmen. Ihr konntet euch dann gegenseitig helfen. Vergesse nie: Eine total positive Umgebung ist eine gesunde Umgebung.“ Damit war Mikes Intensivkurs beendet.
Ich war zuversichtlich, daB er nun uber das Basiswissen und alle notwendigen Instrumente verfugte, die ihn zu einem vollkommenen Athleten machen wurden. Werkzeuge sind allerdings immer nur so gut wie der Handwerker, der sie fuhrt. Wenn man alle in diesem Buch prasentierten Ubungen und Techniken als Werkzeuge betrachtet, sind also Hingabe, FleiB und Aufopferung notig, um aus ihrem Einsatz den groBten Nutzen zu ziehen. Meine Aufgabe war jetzt beendet, doch Mike fing gerade erst an...
Was ist aus Mike geworden?
Am Ende seiner Karriere als College-Footballer wurde Mike White von vielen Profi-Teams umworben. Den Cincinnati Bengals gelang es schlieBlich, ihn unter Vertrag zu nehmen; fur zwei Jahre war Mike Starting Tackle dieser Mannschaft. Danach wurde er an die Seattle Seahawks verkauft, wo er weitere drei Jahre spielte, bevor er sich wegen einer Knieverletzung vom aktiven Sport zuruckzog. 1982 wurde Mike White eine der groBten Ehren zuteil, die ein Profi der Amerikanischen Football-Liga erringen kann: Sein Name erschien auf der Spielerliste des AllAmerican Professional Teams von 1982.
Mikes Erfolg war nicht nur das Ergebnis herausragender korperlicher Anlagen, sondern beweist auch die Effizienz von Hypnose und mentalen Konditionierungstechniken im Sport. Mike selbst hat bei den verschiedensten Gelegenheiten betont, daB seine Karriere ohne die in diesem Buch geschilderten Lektionen vermutlich anders verlaufen ware. Er ist sich vollig sicher: Das hier aufgestellte Programm zur geistigen Kontrolle, kombiniert mit unermudlicher Eigeninitiative bei der Vervollkommnung der mentalen Techniken, hat einen GroBteil zu seinem Erfolg beigetragen. Hatte er sich auch ohne Hypnose und den anderen mentalen Trainingstechniken als Profi bewahrt? Wahrscheinlich. Ware er aber genauso erfolgreich gewesen? Seine Antwort darauf ist ein klares „Nein!“.