Keine andere Methode geistiger Kontrolle hat im vergangenen Jahrhundert so viel Aufmerksamkeit erfahren wie die Hypnose. Die Auswirkungen von Hypnose auf Kraft, Schmerz, Lern und Erinnerungsvermogen sowie einer Vielzahl weiterer Aspekte sind seither eingehend untersucht worden. Doch trotz langer Jahre wissenschaftlicher Forschung sind die wahren Auswirkungen der Hypnose noch immer nicht geklart.
Der Einsatz von Hypnose im Unterhaltungssektor, auf ungezahlten Buhnen und Jahrmarkten, hat wohl zu den meisten MiBverstandnissen und Fehleinschatzungen in der Offentlichkeit gefuhrt. Hypnose wird allgemein als eine Form der Magie oder des Mystizismus angesehen. Aus diesem Grund ist es unerlaBlich, daB jemand, der mit Hypnose experimentieren will, so viel wie moglich daruber erfahrt. So werden nicht nur falsche Vorstellungen ausgeraumt, sondern auch ein GroBteil jener Skepsis, die bei der Anwendung von Hypnose nur storen wurde. Wenn jemand erst einmal die einzelnen Schritte verstanden hat, die zu hypnotischer Trance fuhren und daruber hinaus weiB, was unter Hypnose geschieht, ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Selbstanwendung entschieden groBer.
Also, was genau ist eigentlich Hypnose? Hypnose ist bisher sehr unterschiedlich definiert worden: Als eine Form des Schlafs, als einzigartiger psychischer Zustand, erhohte BeeinfluBbarkeit, Zustand erhohter Aufmerksamkeit, BewuBtseins- bzw. Personlichkeitsspaltung, reines Rollenspiel, eine Form klassischer Konditionierung oder als Zustand uberhohter Empfindsamkeit. Kurz gesagt, es herrscht wenig Einigkeit daruber, was Hypnose ausmacht, und niemand kann konkret sagen, was Hypnose wirklich ist.
Es gibt bis heute auch keine Moglichkeit, die physiologischen Ablaufe unter Hypnose prazise nachzuweisen oder zu messen. Eine hypnotisierte Person zeigt die gleichen neurophysiologischen Funktionen wie eine Person im Wachstadium. Das Elektroenzephalogramm (erstellt mit einem Gerat zur Messung der Hirnstrome) weist Alpha-wellen auf, typisch fur einen Zustand der Entspannung. Atmung, Puls und elektrolytische Hautreaktion sind fur gewohnlich ebenfalls typisch fur vollige Entspannung. Trotzdem besteht zwischen Wachstadium und hypnotischer Trance ein himmelweiter Unterschied.
Die Tatsache, daB Hypnose weder festgestellt noch gemessen werden kann, ergibt sich ganz einfach daraus, daB derzeit keine Instrumente existieren, mit denen die Unterschiede zwischen diesen zwei BewuBtseinsstadien gemessen werden konnten. Interessanterweise verspuren Leute, die unter dem EinfluB von Hypnose stehen, oft eine leichte Entspannung, verlieren aber so gut wie nie die Kontrolle uber ihre Gedanken; trotzdem konnen sie sich hypnotischen
Suggestionen nur in den seltensten Fallen widersetzen. Die Bereitschaft hypnotisierter Personen, selbst bizarren Suggestionen zu folgen, ist wohl das beeindruckendste Merkmal der Hypnose.
Ebenso wie alle anderen Sportler vor ihm war auch Mike etwas unsicher durch all die Geschichten, die er uber Hypnose gehort hatte. Ich wurde selbst gem wissen, was Hypnose eigentlich genau ist. Obwohl ich dieses Phanomen ebenso wenig erklaren kann wie andere Wissenschaftler, ist die Wirkung hypnotischer Techniken unbestritten.
Man muB nicht unbedingt alle physikalischen Grundlagen der Elektrizitat verstehen, um diese zu nutzen. Das gleiche gilt auch fur Hypnose. Ich mag vielleicht nicht alles daruber wissen, aber ich weiB sehr wohl, wie man Hypnose gewinnbringend einsetzen kann.
„Judd, Du erklarst das alles wunderbar, aber was macht Dich so sicher, daB ich uberhaupt hypnotisiert werden kann?“, fragte Mike. „Nun, so sicher bin ich gar nicht, daB Du hypnotisiert werden kannst“, erwiderte ich aufrichtig. Mike lieB sich tief in seinen Sessel sinken. Er dachte jetzt wohl, er hatte eine Menge Zeit und Geld verschwendet, nur um eine unbequeme Wahrheit zu erfahren. „Ich weiB wohl, daB dies eine negative Annaherung an eine positive mentale Technik ist, aber wie ich eingangs schon sagte: Du muBt genau wissen, was Du von Hypnose erwarten kannst. Aus bisher ungeklarten Grunden ist die Empfanglichkeit fur Hypnose hochst unterschiedlich. Es kann weder jeder hypnotisiert werden, noch kann jeder, der hypnotisiert wurde, das gleiche Stadium hypnotischer Trance erreichen. Statistisch gesehen, konnen etwa 80% der Bevolkerung hypnotisiert werden. Ungefahr 20% davon fallen in einen somnambulen, oder besser gesagt, einen extrem tiefen Hypnosezustand. 40% erreichen einen medialen oder durchschnittlichen hypnotischen Zustand, wahrend 20% einen hypnodialen oder leichten Hypnosezustand erfahren. Die ubrigen 20% fallen in einen Zustand tiefer Lethargie, der durch vollige Muskelentspannung gekennzeichnet ist. Die Tatsache, daB individuell unterschiedliche Stadien der Trance erreicht werden, ist nicht so seltsam, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. SchlieBlich ist es nur normal, daB alle Menschen unterschiedlich veranlagt sind.“
Mike suchte jetzt verzweifelt nach Bestatigung. „Gibt es denn gar keine Moglichkeit, festzustellen, ob ich hypnotisiert werden kann oder nicht?“ „Der vermutlich beste Weg, das herauszufinden, ist wohl, Dich tatsachlich zu hypnotisieren. Bis heute hat noch niemand psychologische oder physiologische Merkmale entdeckt, die als sichere Indikatoren fur Hypnotisierbarkeit dienen konnten. Es gilt aber als gesichert, daB der Mensch im Alter zwischen sieben und acht Jahren besser hypnotisiert werden kann als zu irgendeiner anderen Zeit seines Lebens. Frauen eignen sich normalerweise besser fur Hypnose als Manner, und Drogenabhangige besser als Nichtsuchtige.“
Mike wirkte kaum glucklicher als zuvor. „Na groBartig! Was soll ich denn jetzt machen?“ „Reg' Dich nicht auf, Mike. Nach meinen Erfahrungen sind Leute mit einer lebhaften Phantasie die besten Versuchspersonen. Da viele Sportler bereits mentale Techniken wie z.B. Visualisierung einsetzen, die ihrerseits Phantasie und Vorstellungsvermogen stimulieren, sind sie in der Regel auch fur Hypnose empfanglicher als andere Menschen. Ebenso sind hochintelligente Leute bessere Versuchspersonen als solche mit weniger Grips. Mike, so schwarz, wie Du denkst, sieht es gar nicht aus.“
„Warum konnen denn einige Leute absolut nicht hypnotisiert werden?“, bohrte Mike weiter, immer noch so energisch wie bei unserem ersten Gesprach. „Also, noch einmal“, entgegnete ich. „Die Ursachen dafur sind zahlreich. Ein Hauptgrund ist der, daB sich viele Hypnotiseure
nicht die Zeit nehmen, ihre Versuchspersonen auf die Hypnose vorzubereiten. Sie holen die Leute einfach in Ihre Praxis und stoBen sie in das Labyrinth der Hypnose. So werden vorhandene Angste und Skepsis bei der Versuchsperson nicht abgebaut, und die Erfolgsquote ist verstandlicherweise sehr niedrig. Deshalb arbeite ich stets mit einer systematischen Annaherung, um jegliche Skepsis von vornherein auszuraumen. Ich nehme mir viel Zeit, die Anwendung von Hypnose und ihren Nutzen zu erlautern. Ebenso verwende ich eine Reihe von Experimenten - ich werde sie spater noch genauer erlautern - die das Individuum schrittweise an die Hypnose heranfuhren. So werden alle Angste abgebaut und der Kandidat wird optimal vorbereitet.“ Mike entspannte sich zusehends. „WeiBt du, Judd, die groBte Angst habe ich davor, die Kontrolle uber mich zu verlieren, wenn ich hypnotisiert bin. Ich habe gelesen, daB die Regierung schon einmal Versuche angestellt hat, ob Menschen durch Hypnose kontrolliert werden konnen.“
Was Mike da sagte, war korrekt. Das Experiment, von dem er sprach, lief unter dem Codenamen ARTICOKE und war ein Projekt des amerikanischen Geheimdienstes CIA. ARTICOKE war ein Forschungsprogramm, das Moglichkeiten zur Steuerung menschlichen Verhaltens untersuchen sollte. Leiter dieses Projekts war ein Mann namens Morse Allen, ein leitender Wissenschaftler des CIA mit einer besonderen Vorliebe fur Hypnose. Allen war uberzeugt davon, daB die Hypnose Gedankenkontrolle und Spionage revolutionieren wurde, und er benutzte seine eigenen Leute, um diese Theorie zu beweisen.
Morse wahlte also junge Beamte des CIA als Versuchspersonen, die zu seiner groBten Genugtuung alles taten, was er von ihnen verlangte. Er lieB sie streng geheime Dokumente stehlen und diese an KGB-Agenten als Koder weiterreichen. Er manipulierte seine Versuchspersonen derart, daB sie sich gegenseitig bestahlen und Feuer in Regierungsgebauden legten. Einen seiner Beamten brachte er gar so weit, daB dieser im Schlafzimmer eines vollig Fremden Meldung machte. Nach Allens Meinung lieBen diese Tests keinen Zweifel daran, daB einzelne Personen unter dem EinfluB von Hypnose kompromittiert und erpreBt werden konnten. Am 19. Februar 1954 startete er sein wohl extremstes Hypnose-Experiment: Die Schaffung eines programmierten Killers.
Allen wahlte seine eigene Sekretarin als Opfer. Zunachst hypnotisierte er die Frau und lieB sie in eine tiefe Trance sinken, um ihr dann mitzuteilen, daB sie so lange schlafen solle, bis sie andere Anweisungen erhielte. Als nachstes hypnotisierte er eine zweite Sekretarin, der er suggerierte, daB sie vor lauter Wut daruber, ihre Freundin nicht aufwecken zu konnen, diese einfach umbringen wurde. Allen lud einen Revolver mit Platzpatronen und legte die Waffe neben das Bett der Schlafenden.
Die zweite Sekretarin begab sich nun in das Zimmer mit der schlafenden Kollegin und versuchte sie aufzuwecken. Als ihr das nicht gelang, nahm sie den Revolver und schoB ihrer schlafenden Freundin in den Kopf, genau wie es ihr zuvor von Allen suggeriert worden war. Naturlich wuBte sie nicht, daB die Waffe nur mit Platzpatronen geladen war. Als Allen die „Morderin“ aus ihrer Trance holte, konnte sich die Frau nicht an den Vorfall erinnern; sie beharrte energisch auf dem Standpunkt, niemals jemanden erschieBen zu konnen. Uberdies erklarte sie, ungeheure Angst vor Feuerwaffen zu haben.
Diese und ahnliche Geschichten bilden die Basis fur Skepsis und Angst vor der Hypnose. Doch es gibt einige wichtige Gesichtspunkte, die die meisten Leute dabei nicht bedenken: Zunachst einmal muB das Verhalten, das in Allens Versuchen demonstriert wurde, nicht unbedingt gegen die moralischen und ethischen Prinzipien der Versuchsperson verstoBen. Im Klartext heiBt das, daB die Sekretarin vielleicht tatsachlich fahig war, jemanden zu toten. Wir konnen nur annehmen, daB sie unter normalen Bedingungen anders handeln wurde. Leider besteht heute keine Moglichkeit mehr, dies abschlieBend zu klaren. Daruber hinaus waren Allens Experimente Teile einer Fallstudie; die Ergebnisse konnen also nicht auf die breite Masse der Bevolkerung ubertragen werden. Ebenso gut konnte man behaupten: „Wenn ein einzelner Mensch beim Anblick von Blut ohnmachtig wird, werden alle anderen Menschen beim Anblick von Blut ebenfalls ohnmachtig“.
Diese Studie beweist also eher die Ausnahme als die Regel. Ein GroBteil der Forschungsergebnisse zum Phanomen Hypnose deutet in die andere Richtung. Wahrend man unter dem EinfluB von Hypnose steht, unternimmt man in der Regel nichts, was gegen eigene moralische und ethische Vorstellungen verstoBt. Fur einen geistig gesunden Menschen birgt Hypnose praktisch keine Gefahren.
Jede negative Beeinflussung kann zudem leicht vermieden werden, wenn man Selbsthypnose anwendet, statt sich hypnotisieren zu lassen. Mikes nachste Frage zeigte mir, daB er immer noch mit den Gefahren der Hypnose beschaftigt war: „Besteht denn nicht die Moglichkeit, daB ich aus der Trance nicht mehr erwache, nachdem ich mich selbst hypnotisiert habe?“
„Die Angst, in einem hypnotischen Trancezustand gefangen zu bleiben, ist vollig unbegrundet. Uberlege doch 'mal: An einer Selbsthypnose ist allein die Versuchsperson beteiligt. Um aus der Trance herauszukommen, brauchst Du Dir nur selbst zu suggerieren, daB Du aufwachst. Das Schlimmste, was Dir passieren kann, ist, daB Du einfach einschlafst. Aber selbst dann wurdest Du nach einem erholsamen Nickerchen wieder aufwachen.“
„O.K. Judd, aber wie werde ich mich fuhlen, wenn ich hypnotisiert bin?“ „Es scheint so, als seien die Empfindungen unter Hypnose bei jedem Menschen anders. Einige Leute berichten von einem Gefuhl der Schwerelosigkeit, des Herabsinkens und der Dunkelheit; in Einzelfallen kommt es sogar zu einer Loslosung des Geistes vom Korper. Andere Leute wiederum erleben ein prickelndes Gefuhl, das den ganzen Korper durchlauft, und berichten von leuchtenden Farbflecken, die vor den Augen tanzen. Die meiste Zeit allerdings erfahren die Versuchspersonen allerdings nur vollige Entspannung. Unter Hypnose registriert man alles, was um einen herum geschieht. So hort man zum Beispiel genau, wenn jemand das Zimmer betritt, worauf man hochstwahrscheinlich aufwachen wird.“ Mikes erstauntem Gesichtsausdruck entnahm ich, daB ihm die Worte fehlten. So fuhr ich einfach fort mit meinen Erklarungen: „Gibt es noch etwas, was Du uber Hypnose wissen willst, oder hast Du vielleicht etwas, was ich bisher erzahlt habe, nicht verstanden?“ „Ich habe soweit kapiert, was Du gesagt hast. Ich weiB nur nicht, was ich sonst noch fragen konnte. Sollte ich noch etwas wissen?“
„Naturlich gibt es noch viel mehr, was ich Dir gem erzahlen wurde. Je mehr Du uber Hypnose weiBt, desto besser. Wir haben nur nicht die Zeit, alles im Einzelnen zu behandeln. Es gibt ja auch eine Menge Literatur uber Hypnose. Allerdings glaube ich, daB Du jetzt einen guten Uberblick erhalten hast, was Hypnose bei normalen Menschen bewirken kann und was nicht. Mit diesen Informationen solltest Du in der Lage sein, selbst zu entscheiden, ob Du das Lernprogramm fur Selbsthypnose beginnen willst oder nicht. Das liegt nun ganz allein bei Dir, Mike.“
Mike hatte am liebsten sofort losgelegt, aber er hatte noch einige Fragen. „Okay, Judd, wenn Du meinst, ich hatte jetzt genug Hintergrundwissen, bin ich bereit fur das Selbsthypnose-Programm. Womit fangen wir an?“ „Erst einmal“, erlauterte ich, „werde ich Dir einige Experimente prasentieren, die Du vor der eigentlichen Selbsthypnose meistern muBt.
Die Reihenfolge der Aufgaben ist hierarchisch; Du beginnst mit der leichtesten und arbeitest Dich bis zur schwersten hoch. Obwohl diese Ubungen schon in die Selbsthypnose fuhren, sollen sie vor allem Deine Zuversicht starken, das Phanomen geistiger Kontrolle beherrschen zu konnen.“ „Wenn ich nicht mehr mit Dir zusammen bin, kann ich die Ubungen dann auch allein durchfuhren? Wie schwierig sind sie denn?“ „Das Programm ist extra so konstruiert, daB Du - oder jeder andere - es allein durchfuhren kann. Wir sprechen ja uber Selbsthypnose; ich hypnotisiere Dich nicht einfach nur. Wenn Du Dir Muhe gibst und genug Zeit investierst, habe ich keine Zweifel, daB Du diese Ubungen meisterst, aber Du muBt es auch selbst wollen. Anfangs werden sie Dir vielleicht kompliziert erscheinen, aber wenn Du gewissenhaft trainierst, wirst Du letztlich Erfolg haben. Wahrscheinlich wird es zunachst nicht ganz einfach sein, sich zu entspannen oder zu konzentrieren; Du wirst vermutlich an Dir selbst zweifeln, doch das ist nicht ungewohnlich: Alles Neue erscheint anfangs schwer.“
„Das Schone an diesem Selbsthypnose-Programm ist,“ fuhr ich fort, „daB es Dein Verhalten schrittweise formt, indem kleine Handlungsmuster fortlaufend starker in Dir verankert werden, um schlieBlich die erwunschte Reaktion zu erzielen. Mit anderen Worten: Wir verwenden eine Bausteintechnik. Wir fangen unten an, mit leichten Ubungen, und bauen auf Deinen Fortschritten weiter auf. Jede geloste Aufgabe wird Deine Fahigkeiten geistiger Kontrolle verbessern, was wiederum Dein Selbstvertrauen starkt und die Erfolgschancen bei den nachfolgenden Ubungen erhoht.“ Ich merkte, daB Mike jetzt unbedingt beginnen wollte. Wenn die groBten Zweifel erst einmal verflogen sind, erscheinen den meisten Leute technische Details weniger wichtig; sie wollen dann schnell zum Kern des Themas vorstoBen. Ich war nun uberzeugt, daB Mike ausreichend vorbereitet war und beschloB, keine Zeit zu verlieren. Ich erlauterte ihm also eine Serie von Ubungen, die das Fundament der Selbsthypnose bilden sollten.