Drei Schornsteine

Katie kam aus dem Haus gehüpft, als ich mit meinem kleinen Sportwagen am Straßenrand hielt. Ich glaube, sie hatte schon die Ohren gespitzt, um gleich da zu sein, wenn ich eintraf. Es war zwei Jahre her, dass wir uns zuletzt gesehen hatten, aber sie war absolut unverändert. Sie freute sich, dass ich da war, und schien wie immer vollkommen entspannt. Ich stieg aus und wir umarmten uns.

»Oh, mein Gott, du siehst fabelhaft aus. Überhaupt nicht mehr blass und englisch, sondern wie eine richtige Griechin!«

Ich hatte ihr Olivenöl, Honig und getrocknete Kräuter aus dem Dorf Kritsa, oben in den Bergen, mitgebracht. Sie führte mich ins Haus, und ich muss zugeben, dass ich mich seit meiner Ankunft in England tatsächlich zum ersten Mal richtig wohl fühlte. Bei ihr war ich wirklich willkommen. Natürlich hatte sie ein perfektes Essen gekocht, das in ihrer perfekten Küche perfekt serviert wurde. Wie machte sie das nur immer? Ich hatte ihr um halb drei eine Mail geschickt, und obwohl sie an diesem Tag im örtlichen Gartencenter arbeitete, hatte sie eine marokkanische Hühnchen-Tajine mit Kichererbsen, Mandeln und Kuskus gezaubert, die sie mit einem gekühlten Rosé auf den Tisch brachte. Ich meine, wenn Sie früher zu mir in meine Wohnung in Crouch End gekommen wären, hätten Sie nicht mal die Hälfte der Zutaten bei mir gefunden. Kreuzkümmel? Koriander? Die meisten Gläschen in meinem Gewürzregal waren klebrig und eingestaubt, weil ich sie nie geöffnet hatte. Und wenn Sie Gemüse bei mir gesucht hätten, wären Sie in meinem Kühlschrank allenfalls auf einen schlappen, verwelkten Salatkopf oder runzlige Paprika gestoßen.

Zum Abendessen hätte ich Ihnen wahrscheinlich etwas vorgesetzt, das vom nächsten Italiener, Inder oder Chinesen kam. Aber als ich Katie eingeladen hatte, mit mir in ein Restaurant zu gehen, hatte sie nichts davon hören wollen.

»Nein, in einem Restaurant kann man doch nicht vernünftig reden. Außerdem kommt Jack ja später nach Hause. Der will dich bestimmt sehen.«

Jack war ihr 21-jähriger Sohn, der jetzt im zweiten Semester in Bristol an der Universität war. Daisy, neunzehn, verbrachte ihr Gap Year in Nordfrankreich als Helferin in einem Flüchtlingslager.

Es ist komisch, wie eng befreundet ich mit meiner Schwester immer gewesen bin, obwohl wir in völlig verschiedenen Welten lebten. Das war schon so, als wir noch Kinder waren. Wir sind in einem ganz gewöhnlichen Haus in Nord-London aufgewachsen. Wir gingen in dieselbe Schule. Wir haben uns gegenseitig Klamotten geliehen und machten Witze über unsere ersten Verehrer. Aber während Katie völlig glücklich damit war und von dem Tag träumte, an dem sie selbst ein Zuhause und ein Leben haben würde wie unsere Eltern, flüchtete ich regelmäßig in die örtliche Bibliothek, und meine Träume waren ganz anderer Natur. Ich wollte einer Bande von Strandräubern beitreten, die im Jamaica Inn ihre finsteren Pläne schmiedeten und arme, unglückliche Seeleute totschlugen. Ich wollte mich Hals über Kopf in Edward Rochester verlieben, zog es allerdings vor, ihn am Ende unversehrt aus den Flammen zu retten, damit ich etwas von ihm hatte. Ich wollte unbedingt in die verlorene Stadt Kôr reisen und in der Feuersäule unsterblich werden. Wir waren das komplette Gegenteil von Cecily und Lisa Treherne, die schon als Kinder in Feindschaft gelebt und sich mit Messern traktiert hatten. Katie und ich hatten überhaupt nichts gemeinsam – außer unserer Zuneigung, die unser ganzes Leben geprägt hatte.

Es hat Zeiten gegeben, in denen ich gern etwas mehr so wie Katie gewesen wäre. Ihr Leben war ein Vorbild an Behaglichkeit und Ordnung: die beiden Kinder, die jetzt knapp zwanzig waren, der Ehemann, der drei Tage die Woche in London arbeitete, gutes Geld als Steuerberater verdiente und sie nach einer langen Ehe von fünfundzwanzig Jahren immer noch innig liebte, der Teilzeitjob im Gartencenter, der kunstvoll komponierte Freundeskreis, die Arbeit in der Kirchengemeinde und all das Übrige. Ich habe sie oft als eine klügere und erwachsenere Doppelgängerin meiner selbst empfunden.

Und doch hätte ich niemals in so einem Haus wie ihrem leben können. Ich hätte erst gar kein Haus gekauft, das einen Namen hatte. Für Leute meines Schlages genügten Hausnummern völlig.

Three Chimneys lag in einer stillen Straße am Rande von Woodbridge – und ja, es hatte tatsächlich drei Schornsteine, auch wenn sie nicht mehr gebraucht wurden, weil die Kamine schon vor Jahren durch flackernde Gasheizungen ersetzt worden waren, die ein Kaminfeuer lediglich vortäuschten. Wenn ich all die blankpolierten Möbel, die gläsernen Schiebetüren, die weichen Teppiche und die geschmackvollen kleinen Kunstwerke an den Wänden sah, wusste ich, dass ich mich hier schrecklich eingesperrt fühlen würde. Aber Katie machte das gar nichts aus, sie war Ehefrau und Mutter. Und sie war glücklich, dass sich ihr Leben in einem festen Rahmen abspielte.

Ich hielt meinen eigenen chaotischen Lebensstil durchaus nicht für beneidenswert. Meine frühe Liebe zu Büchern hatte mich auch nicht an die Orte meiner Sehnsüchte und Fantasien geführt, sondern ins Buchgewerbe. Ich hatte als Juniorlektorin bei HarperCollins begonnen, dann war ich Commissioning Editor, Editorial Director und schließlich Head of Fiction bei einem Verlag geworden, der nach einigen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes in Flammen aufging.

Die Verlage stecken voller Idealisten und Idealistinnen, die vor Leidenschaft für ihre Arbeit platzen, weshalb sie meist auch schlecht bezahlt werden. Ich hatte es mit Mühe und Not zu einer kleinen Dreizimmerwohnung in Crouch End gebracht, ehe die Preise völlig verrückt wurden. Aber die Hypothek war immer noch nicht ganz abbezahlt, als ich die Wohnung verkaufte. Ich hatte jede Menge Beziehungen, aber sie dauerten nie sehr lange, weil ich das gar nicht wollte. Das zumindest hatte Andreas geändert.

Da waren wir also: Zwei Schwestern, die sich über einen Abgrund hinweg im Auge behielten, der immer breiter geworden war, je älter wir wurden. Weit weg voneinander – und einander doch immer so nahe. Wir betrachteten uns immer kritisch, aber unsere Kritik sagte eigentlich mehr etwas über uns selbst als über den jeweils anderen aus.

»Hältst du es für eine gute Idee, dich noch einmal in eine Mordermittlung verwickeln zu lassen?«, fragte Katie.

»Ich werde diesmal ein bisschen vorsichtiger sein.«

»Das hoffe ich.«

»Wie auch immer, inzwischen glaube ich schon fast, es ist alles nur Zeitverschwendung.«

Katie war überrascht. »Warum sagst du das?«

»Ach, je mehr Fragen ich stelle, desto wahrscheinlicher erscheint es mir, dass es eben doch Stefan Codrescu war, der Frank Parris umgebracht hat. Alle Beweise sprechen gegen ihn, und soweit ich sehen kann, gab es nur zwei andere Leute, die vielleicht ein Motiv hatten, wobei ich mir nicht sicher bin, worin es bestanden hat.«

»Was sind das für Leute?«

»Ein Ehepaar, das in Westleton wohnt. Joanne und Martin. Frank war ihr Bruder.«

Katie sah überrascht aus. »Joanne und Martin Williams?«

»Kennst du sie?«

»Ich habe sie mal getroffen. Ich kann nicht sagen, dass ich sie sehr gemocht habe.«

Das war ungewöhnlich. Katie dachte von jedermann nur das Beste. »Und warum hast du sie nicht gemocht?«

»Ach, das war nichts Persönliches. Sie waren bloß nicht mein Fall.« Sie merkte, dass ich noch mehr hören wollte. »Joanne war ein richtiger Drachen, arrogant, großmäulig. Sie hat den ganzen Tisch dominiert und ließ niemand anderen zu Wort kommen. Er war ein richtiger Schwächling. Sie hat ihn regelrecht plattgemacht, es schien ihr geradezu Spaß zu machen.«

Das verblüffte mich. »Wann hast du sie denn zuletzt gesehen?«, fragte ich. »Ach, das ist schon Ewigkeiten her. Vielleicht war das schon vor dem Mord. Es war bei einem größeren Abendessen, mindestens zehn Leute, und ich erinnere mich bloß deshalb an sie, weil ich später immer Witze darüber gemacht habe. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie zwei solche Leute verheiratet sein können.«

»Und sie war der Boss?«

»Absolut.«

»Das ist merkwürdig. Als ich heute Morgen mit ihnen gesprochen habe, war es genau andersrum. Da war er ganz locker.« Ich versuchte, die Erinnerung abzuschütteln. »Es muss wohl doch dieser Rumäne gewesen sein«, sagte ich. »Blut in der Dusche, Blut auf dem Kopfkissen, das Geld unter der Matratze. Man hat ihn sogar in das Zimmer gehen sehen!«

»Aber was ist dann mit Cecily Treherne passiert?«, fragte Katie.

»Das ist vielleicht nur ein Zufall. Vielleicht ist sie in den Fluss gefallen. Vielleicht ist sie schwimmen gegangen und dabei ertrunken. Ihre Schwester sagt, die Ehe war auch nicht das, was sie sein sollte. Vielleicht ist sie mit jemand durchgebrannt.« Schon als ich das sagte, wusste ich, dass es nicht stimmte. Sie hätte nie ihre Tochter alleingelassen.

»Werden sie dir denn dein Honorar geben, wenn du kein Ergebnis vorweisen kannst?«

Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich griff nach meinen Zigaretten. »Macht es dir was aus, wenn ich mal in den Garten gehe? Ich muss unbedingt eine rauchen.«

Katie warf mir einen schrägen Blick zu. »Hattest du nicht gesagt, dass du damit aufhören wolltest?«

»Ich habe daran gedacht.«

»Und was ist dann passiert?«

»Ich habe beschlossen, weiterzumachen.«

Sie gab mir einen Aschenbecher. Offenbar hatte sie schon geahnt, dass ich ihn brauchen würde. Sie stellte die Kaffeekanne, die Milch und zwei Tassen auf ein Tablett, und dann noch zwei Gläser mit Whisky. »Du trinkst doch einen mit?« Das war ungewöhnlich für sie.

»Bitte nur einen ganz kleinen. Ich muss ja noch fahren.« Wir gingen nach draußen und setzten uns an den Gartentisch neben dem Goldfischteich. Es war ein warmer Abend, und neben dem Halbmond waren auch ein paar Sterne zu sehen. Der Garten war wunderschön. Überall wuchsen Pflanzen, die Katie im Gartencenter zum halben Preis kaufen konnte. Erst vor kurzem hatte sie einen springenden, wasserspeienden Porzellanfrosch erworben, und das Plätschern machte die Stille um uns herum noch geheimnisvoller. Dann fiel mir auf, dass einer der größten Büsche vertrocknet war. Er stand an sehr prominenter Stelle: in einem runden Beet in der Mitte des Rasens. Er war kugelförmig geschnitten, aber vollkommen braun. Ich hatte keine Ahnung, welche Sorte es war, aber aus irgendeinem Grund störte es mich. Ich hätte angenommen, dass ihn Katie sofort beseitigen würde, sobald er zu welken begann.

Ich steckte meine Zigarette an und rauchte, während das Wasser dem Frosch aus dem Maul sprudelte.

»Gehst du wieder nach Kreta zurück?«, fragte sie.

Katie und ich hatten keine Geheimnisse voreinander. Wir hatten über das Hotel, über die Probleme, meine Bedenken und alles andere gesprochen, während wir unsere Hühnchen-Tajine aßen.

»Ich weiß noch nicht«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wo ich mit Andreas stehe. Bevor wir England verlassen haben, hat er um meine Hand angehalten.«

»Das hast du erzählt. Du hast abgelehnt.«

»Nein, ich hab’ Ja gesagt. Aber später haben wir unsere Meinung geändert. Wir dachten, eine Ehe passt nicht zu uns. Ich hab’ ihm den Ring zurückgegeben. Er war sowieso viel zu teuer gewesen, und wir brauchten jeden Penny für das Hotel.« Ich musterte sie über meine Zigarette hinweg. »Manchmal wünschte ich, dass ich mehr so wie du wäre.«

Katie wandte den Blick ab. »Ach, das ist doch Blödsinn.«

»Nein, ich meine es wirklich so. Es kommt immer wieder vor, dass ich mich völlig erschöpft fühle. Ich weiß nicht, ob ich noch mit Andreas zusammen sein will. Ich weiß nicht, was ich überhaupt will.«

»Hör mal, Susan. Vergiss diesen blöden Mordfall.« Sie drehte sich zu mir um, und ihr Blick hielt mich fest. »Flieg nach Kreta zurück! Du gehörst nicht mehr hierher. Geh zurück zu Andreas.«

»Warum sagst du das?«

»Weil er ein guter Mann ist und du ihn nicht verlieren darfst. Ehrlich. Ich war so froh, als du ihn damals kennengelernt hast. Ich war ja schließlich auch diejenige, die ihn dir vorgestellt hat.«

»Das stimmt nicht. Das war Melissa.«

»Aber du hättest ihn nie kennengelernt, wenn ich Jack und Daisy nicht auf die Woodbridge School geschickt hätte. Glaub mir. Wenn man jemanden wie Andreas in seinem Leben hat, sollte man froh sein. Aber so warst du ja immer! Du hast immer an die Zukunft gedacht und Pläne gemacht und dich nie entspannt, um das zu genießen, was du hattest.«

Ich war verwirrt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass sie von etwas ganz anderem redete, dass sie mir etwas mitzuteilen versuchte, es aber nicht aussprechen wollte. »Sag mal, Katie, ist alles in Ordnung?«, fragte ich.

Sie seufzte. »Hast du jemals darüber nachgedacht, wie alt wir jetzt sind?«, fragte sie.

»Ich versuche, es zu vermeiden. Ich bin schließlich zwei Jahre älter als du.«

»Ich weiß.« Sie versuchte ein Lächeln. »Aber manchmal muss ich doch darüber nachdenken. Ich hasse die Vorstellung, dass ich alt werde. Ich habe inzwischen den Punkt erreicht, an dem ich dieses Haus ansehe und diesen Garten und denke: Ist das jetzt alles gewesen?«

»Aber es ist doch alles, wie du es immer gewollt hast, oder nicht?«

»Ja. Ich glaube schon. Ich habe viel Glück gehabt.«

Ein unbehagliches Schweigen kam auf.

»Hast du Sajid Khan gesagt, wo ich zu finden bin?« Ich weiß nicht, warum ich gerade in diesem Augenblick diese Frage stellte. Aber sie war die ganze Zeit da gewesen, seit Lawrence und Pauline Treherne in Kreta aufgetaucht waren. Wie hatten sie mich gefunden? Sie hatten gesagt, dass ihnen der Anwalt meine Adresse gegeben hätte. Aber die hatte er gar nicht gehabt. Nur Katie wusste, wo ich zu finden war.

»Sajid Khan? Der Rechtsanwalt?« Ich merkte, dass ich sie überrumpelt hatte. »Er hat uns beraten, als wir im Gartencenter diesen Prozess wegen einer Entlassung hatten. Wir sehen uns ab und zu. Aber ich glaube nicht, dass ich deine Adresse erwähnt habe. Hat er dich in diese Sache hineingezogen?«

»Es scheint so.«

»Ich hoffe bloß, dass du mir nicht die Schuld gibst. Vielleicht war es Gordon. Er kann nichts für sich behalten.«

In diesem Augenblick wurde unser Gespräch durch wüsten Lärm unterbrochen. Ein Motorrad hielt vor dem Haus. »Das ist Jack«, sagte Katie. Sie klang sehr erleichtert.

Ein paar Sekunden später kam Jack durch das Gartentor. Er trug eine Lederjacke und einen Helm. Es war zwei Jahre her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, und ich war ein bisschen erschrocken über seine Erscheinung. Sein Haar war zottelig, und er war unrasiert, aber die Stoppeln standen ihm gar nicht. Er kam zum Goldfischteich und küsste mich auf beide Wangen. Ich konnte riechen, dass er geraucht und getrunken hatte. Ich war die Letzte, die ihm das vorwerfen konnte, aber ich war doch erstaunt. Früher hatte er nie geraucht. Als ich ihn ansah, hatte ich das Gefühl, dass die Fröhlichkeit seiner Kindheit verschwunden war. Er schien überrascht, dass ich noch da war.

»Hallo, Susan«, sagte er.

»Hallo, Jack! Wie gehts dir?«

»Mir gehts prima. Wie läufts denn in Kreta?«

»Alles bestens.«

»Ist was im Kühlschrank, Mum?«

»Ein bisschen Hühnchen haben wir noch. Und wenn du willst, kannst du die Nudeln aufessen.«

»Danke.« Er grinste schief. »Schön dich zu sehen, Susan.« Dann war er schon wieder weg und trottete in die Küche. Ich sah ihm nach und dachte daran, wie er sich als Zehnjähriger auf den Herrn der Ringe gestürzt hatte, als Zwölfjähriger auf dem Rücksitz meines Sportwagens gesessen und laut gelacht und gejubelt hatte, und wie er als Sechzehnjähriger gebüffelt hatte, um seine GCSEs zu bestehen. War die Veränderung Teil des Erwachsenwerdens oder hatte ich etwas verpasst?

Katie merkte, worüber ich nachdachte. »Es war alles ein bisschen viel für ihn, das erste Jahr an der Uni«, sagte sie. »Wenn er nach Hause kommt, fragt er immer bloß, ob’s was zu essen gibt, dann fällt er ins Bett und überlässt mir die schmutzige Wäsche. Aber in ein paar Wochen wächst sich das aus. Alles, was er braucht, ist eine Freundin. Und mütterliche Betreuung.«

»Ich wundere mich, dass ihr ihm ein Motorrad erlaubt habt.« Es ging mich zwar nichts an, aber es war mir klar, dass Katie so ein Mordinstrument ganz schrecklich fand. Sie machte sich immer große Sorgen um ihre Kinder. Sie zuckte hilflos die Achseln. »Er ist einundzwanzig. Das Geld hat er sich selber zusammengespart. Was hätte ich tun sollen?«

Sie stellte ihr leeres Glas ab, und das war das Zeichen, dass der Abend vorbei war. »Tut mir leid, Susan. Ich glaube, ich muss mich mal um ihn kümmern.«

»Das ist völlig in Ordnung. Morgen will ich nach London. Da muss ich früh raus. Vielen Dank für das Abendessen.«

»Es war sehr schön, dich zu sehen. Aber denk drüber nach, was ich dir gesagt habe. Ehrlich. Ich glaube nicht, dass du Cecily Treherne finden wirst. Vielleicht findet sie niemand. Und Frank Parris ist schon lange tot. Du hältst dich da besser raus.«

Wir umarmten uns, und dann gingen wir unserer Wege.

Erst beim Wegfahren merkte ich, dass der ganze Abend schiefgelaufen war. Von Anfang an hatte etwas nicht gestimmt. Katie hatte sich viel zu viel Mühe gegeben. Es kam mir so vor, als ob das Essen, der Wein, die Papierservietten und der ganze Rest nur da gewesen waren, um mich von etwas abzulenken. Sie waren irgendwie falsch gewesen, genau wie die drei Schornsteine, die aus dem Dach ragten. Plötzlich fiel mir der abgestorbene Strauch wieder ein, der da mitten im Rasen stand – der Ginster oder Flieder oder was immer es sein mochte. Dann erinnerte ich mich an die E-Mail, die sie mir geschickt hatte. Völlig untypisch hatte sie sich gleich dreimal vertippt. Godron ist leider nicht da. Jeder macht mal einen Fehler. Vielleicht hatte sie es sehr eilig gehabt. Aber das passte überhaupt nicht zu Katie. Sie war immer sehr genau. Vielleicht hatte ich einfach nur zu viel Detektiv gespielt und mit Leuten geredet, die höflich und freundlich schienen, aber womöglich kaltblütige Mörder waren. Aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass Katie etwas vor mir verbarg.