VORWORT
LIFE IN THE FAST LANE
The Eagles
E
in Leben auf der Überholspur schien mir immer das passende Daseinskonzept für mich zu sein. Ich habe die Kriechspur irgendwann voller Ungeduld verlassen, nicht weil ich mich für was Besseres hielt, sondern weil es mir dort einfach zu langsam voranging. Wann das war, weiß ich nicht mehr. Während meiner Ausbildung sicher nicht, denn in der Schule und auf der Uni gehörte ich eher zu denen, die hinterherhinkten. Sobald ich aber meinen Platz hinter dem Mikrofon beziehungsweise vor der Kamera gefunden hatte, wusste ich, wo ich im Leben hingehörte, und war mir meiner Sache so sicher, dass ich mir im Rückblick fast eine gewisse Arroganz eingestehen muss. Das wurde mir aber erst klar, als mir im letzten Drittel meiner Reise nach meinem beruflichen auch mein privates Leben um die Ohren flog.
Um im Bild zu bleiben: Ich war immer auf Autopilot unterwegs. Ich bin nie in dunkle Seitenstraßen eingebogen, habe mich selten verfahren und war immer auf der breiten Autobahn unterwegs. Klar, es gab auch in meinem Leben die eine oder andere Baustelle, von kleineren Pannen blieb auch ich nicht verschont, aber wenn ich im Stau vom Gas musste, habe ich einfach die Musik lauter gedreht. Bekümmert hat mich das alles nicht. Ich war immer gut unterwegs und habe aus meiner
Nobelkarosse fröhlich in die Kleinwagen gegrüßt, an denen ich vorbeizog. Meistens wurde zurückgewinkt.
Aber wie das mit Reisen so ist: Irgendwann sind sie zu Ende. Man hat das Ziel vor Augen, es droht der Augenblick, in dem es gilt anzukommen. Die philosophische Lebensbetrachtung des Konfuzius, wonach der Weg das Ziel ist, hilft irgendwann auch nicht weiter. Das erste Hinweisschild »Ende der ausgebauten Strecke« muss ich übersehen haben. Erst als die Fahrbahn holprig wurde, ist mir aufgefallen, dass ich den Großteil meiner Reise hinter mir hatte und es nicht mehr viele Ausfahrten geben würde, bevor die roten Lichter blinkten: Ende der Fahrbahn.
Da bin ich doch ziemlich erschrocken.
Mit Herbstbunt
wollte ich mir und meinen Lesern beweisen, dass Herbstblond
nicht die letzte Jahreszeit eines, zumindest nicht meines Lebens sein muss. Ich weiß, dass ich auf dieser Reise nicht alleine unterwegs bin. Eine große Anzahl von Zeitgenossen hat mir bestätigt, dass sie genauso ratlos aus dem Fenster blicken und fasziniert zuschauen, wie draußen die Zeit vorbeifliegt. Wir sind die Generation, die ohne Navigation unterwegs war. Uns hat keine Computerstimme gesagt, wie es weitergeht. Wir haben im Shell Atlas
gesucht, wo’s lang ging, und Umwege in Kauf genommen, nur weil die Landschaft schöner war. Wir konnten es uns leisten zu trödeln, der Hintermann nervte nicht ständig mit der Lichthupe. Wir verpesteten mit unseren Karren die Umwelt und hatten nicht mal Schuldgefühle. Das Motto des mutigen Dieselfahrers war »Lieber tot als Schwung verlieren«, und »Vorglühen« gehörte zum Autofahren wie überquellende Aschenbecher und angelaufene Scheiben.
Das erschien uns alles normal und richtig. Elektroautos und Carsharing kamen nicht mal in Zukunftsfilmen vor. »Blond«
stand für naiv, und auch meine Lebensbeschreibung in Herbstblond
steht im Rückblick nicht für Altersweisheit. Herbstbunt
soll meine Erkenntnis beschreiben, dass ein Leben nicht im Grau und schon gar nicht im Grauen enden muss.
Ich habe mir mit diesem Buch ein paar Jahre Zeit gelassen und das Ende nicht gekannt, als ich angefangen habe, es zu schreiben. Deswegen sind manche Dinge heute nicht mehr so, wie ich sie beschrieben habe. Die Wirklichkeit hat mich an vielen Stellen eingeholt, an manchen hat sie mich überholt und damit auch das, was ich erst kurz zuvor geschrieben hatte. Ich habe es weitgehend so stehen lassen und nicht geschmeidig der neuen Wirklichkeit angepasst. Panta rhei, alles ist im Fluss. Das habe ich gemerkt, und damit erklären sich manche Sprünge im Geschehen und auch manche Widersprüche, die der aufmerksame Leser bemerken wird. Es hat mich selbst überrascht, was da noch alles am Straßenrand lag, und so soll diese Wegbeschreibung auch Mut machen, sich vor frühen Festlegungen zu hüten.
Ich war mir so sicher, dass mein Plan aufgehen würde, bis ich merkte, dass ich gar keinen hatte. Dass der Mensch denkt und Gott lenkt, ist eine fromme Binse, und dass Alter nicht vor Torheit schützt, im Zweifelsfalle die beweisbarere These. Auf den folgenden Seiten gibt es Beispiele für beide Sichtweisen. Am Ende des Buches werden Sie, ebenso wie ich, nicht klüger sein, aber sich schlauer fühlen. Mehr können Sie von mir nicht erwarten. Aber Spaß soll es machen. Ich bin, auch beim Schreiben, Entertainer und wünsche Ihnen gute Unterhaltung.