Das Krankenhaus von Dax war eine Bausünde aus den Siebzigern, ein monströser Klotz in schrecklichem Braun, der einem nicht unbedingt das Gefühl gab, hier gesund werden zu können. Dabei war die zweitgrößte Stadt des Département selbst abwechslungsreich und wunderschön. Luc hatte die Schnellstraße früh verlassen, auf der Umgehungsstraße war Stau gewesen, deshalb war er durch die Gassen des Zentrums gefahren, hatte die mondäne Stierkampfarena mit ihren zwei Türmen passiert und war dann am Fluss Adour entlanggefahren, an dem noch immer Reste einer römischen Stadtmauer standen – und weiter unten die modernen Gebäude der Thermalbäder, in denen sich die Kurgäste im Schlamm des Flusses gesundmatschten; aus den heißen Quellen der Stadt schoss das Wasser mit vierundsechzig Grad.
Luc parkte genau vorm Haupteingang des Universitätshospitals, in dem auch die Rechtsmedizin untergebracht war, die neben Sektionen von Verbrechensopfern auch die kriminaltechnischen Untersuchungen durchführte.
Auch hier war er als junger Polizist mal gewesen, als er in der Bezirkshauptstadt Mont-de-Marsan eingesetzt war – der Krankenhausflur mit Resopalstühlen und Sperrholzpaneelen an der Wand sah so aus, als hätte sich seit fast zwanzig Jahren nichts geändert. Er folgte dem Schild in den Keller, klingelte vor der Glastür, und eine ältere Ärztin mit gelockten grauen Haaren kam auf ihn zu, um ihn in den abgesperrten Trakt einzulassen.
»Oh, Commissaire Verlain, nehme ich an?«
Luc zuckte wieder zusammen, erkannte ihn nun wirklich jeder? »Ihr Kollege aus Bordeaux hat angerufen, dass Sie auf dem Weg zu uns sind.« Er atmete auf, während er nickte und ihr seinen Ausweis hinhielt, den sie flüchtig zur Kenntnis nahm. »Ich bin Docteur Giraud, kommen Sie.«
Sie führte ihn vorbei an zwei Sektionsräumen, Luc blickte auf die metallenen Tische, die allesamt leer waren, und er war froh, dass der Kelch bei dieser Ermittlung an ihm vorbeiging. Dann zog sie eine Schiebetür auf und ließ ihn eintreten.
»Willkommen in meinem Reich. Ich bin dankbar, dass Sie meine trübe Laborarbeit etwas aufheitern, nach all den Jahren mal wieder ein richtiger Krimi. Aber ich muss Ihnen leider sagen, dass ich bislang nur schlechte Nachrichten habe – und schlechte bedeutet in diesem Fall keine. «
»Und ich dachte, Sie nennen mir jetzt den Namen eines Giftes, das zwar gefährlich, aber nicht tödlich ist, und alles wird gut.«
Docteur Giraud schüttelte traurig den Kopf.
»Nichts in seiner Foie gras, gar nichts?«
»Die haben wir natürlich als Erstes untersucht: lupenrein. Nur Fett und Leber. Kein Gift, keine Chemie, nicht mal der winzigste Rückstand eines Antibiotikums – das ist Bioqualität.«
»Das heißt, er wurde nicht durch die Stopfleber vergiftet?«
»Jedenfalls nicht mit einem schnell nachweisbaren Gift. Ich habe Kulturen angelegt, die nun über Nacht wachsen, mal sehen, was das ergibt.«
»Irgendwas in den anderen Lebern?«
»Nichts. Was hat der Mann denn noch gegessen?«
»Ich lasse Ihnen Proben schicken, Docteur.«
»Das wäre gut. Und ich telefoniere mit dem Krankenhaus in Bordeaux. Die sollen mir mehr Details zum Blutbild schicken, vielleicht komme ich ja drauf, was er hat. Wissen Sie, ich arbeite nun schon so lange hier und habe so viel freie Zeit, um Akten aus aller Welt zu lesen – da lernt man viel über Gifte und ihre Wirkung.«
»Das kann ich mir vorstellen, Docteur Giraud. Danke, dass Sie sich die Mühe machen.«
»Ist doch klar. Ugo Gennevilliers.« Sie raunte den Namen nur. »Für uns Franzosen ist das doch eine lebende Legende. Mein erstes Sternerestaurant hab ich ausgewählt, weil er es empfohlen hatte.«
Luc verabschiedete sich von der Frau und verließ eilig den Keller. Als er vor dem Krankenhaus stand, rief er Hugo an.
»Und, Commissaire? Wissen die im Labor schon was?«
»Leider nicht. Es wäre gut, wenn du alle anderen Lebensmittel hierherschicken lässt, von denen der Kritiker gegessen hat.«
»Ich kümmere mich darum.«
»Ich fahre hoch nach Bordeaux. Könntest du uns inzwischen in Saint-Girons oder in Moliets einen Raum besorgen, in dem wir arbeiten können?«
»Sie glauben also, das könnte uns länger beschäftigen?«
»Und ob.«
Er hörte den Brigadier am anderen Ende der Leitung aufstöhnen.
»Ich muss dringend schlafen und etwas essen – ich hatte ja keine Ahnung, dass man ausgerechnet bei Ermittlungen in der Sternegastronomie Gefahr läuft zu verhungern.«
»Such uns einen Raum, Hugo, und dann hau dich aufs Ohr. Ich komme am Nachmittag wieder aus Bordeaux zurück.«
»Was ist denn nun mit der Restaurantöffnung?«
»Es ärgert mich sehr, dass Aubry recht behalten hat, aber Auguste Fontaine wird nicht öffnen können, bis wir die Quelle der Vergiftung erfahren haben. Kannst du ihm das ausrichten?«
»Na, der wird sich freuen.«