E in riesiger Tentakel, der breiter war als alle Bäume um sie herum, ragte in den Himmel und winkte warnend. Die Kreatur, zu der er gehörte, stieß ein weiteres Brüllen aus. Der Boden unter ihnen bebte.
»Das gehört nicht hierher«, murmelte Persh’al, während seine orangefarbenen Augen die Länge des bedrohlichen, glitzernden Körperteils hinaufwanderten.
Byrd warf dem Troll spöttisch einen verärgerten Blick zu. »Was hat es verraten, du Genie?«
»Weißt du was? Ich hätte fast Lust, dich durch das Portal zu schubsen, damit du mit einem detaillierten Bericht zurückkommst …«
»Pass auf!« Cheyenne schubste Persh’al zur Seite, als der riesige Tentakel mit überraschender Geschwindigkeit auf ihn zuschoss. Dreck und braunes Gras flogen auf beiden Seiten des Tentakels auf, bevor er sich wieder zurückzog.
Der Troll leckte sich über die Lippen und klopfte der Halbdrow auf die Schulter. »Dafür bin ich dir was schuldig, Kleine.«
»Mach dir keine Sorgen darum, dass du mir etwas schuldest. Nur …«
Ein weiterer Tentakel schoss zwischen den Säulen hervor und wickelte sich um Persh’als Kehle. Auf der Lichtung erschien ein silberner Lichtblitz und ein Geräusch ertönte, das klang, als würde Metall etwas durchschneiden. Schwarze Flüssigkeit spritzte umher und der nun kürzere Tentakel flatterte wie wild in der Luft umher, bevor er sich zurückzog. Der glitschige, glitzernde, schwarze Teil des Tentakels, der um die Kehle des Trolls gewickelt war, erschlaffte.
Corians Hand war immer noch erhoben, nachdem er den Tentakel mit einem Hieb der sehr metallisch aussehenden Krallen, die vier Zentimeter aus seinen Fingerspitzen ragten, durchtrennt hatte.
»Verdammt sei die Krone und dieser ganze Scheiß!« Persh’al kämpfte heftig, um das schleimige Stück des Tentakels von seinem Hals zu lösen, bevor er es auf den Boden schleuderte. Es wand sich und blieb dann still liegen.
»Oh, Scheiße.« Lumil blickte zwischen dem abgetrennten Tentakelstück und Persh’als Kehle hin und her. Ihre Hand hob sich in Richtung der Narbe an ihrem Hals.
»Cheyenne.« Corian trat vor die zerklüfteten Steinsäulen, seine Stimme war fest und sicher in der Stille der Lichtung, während der riesige Tentakel meterweit über der höchsten Spitze winkte. »Für den Moment möchte ich, dass du alles vergisst, was ich über das Tragen des Anhängers gesagt habe.«
»Alles klar.« Sie kämpfte mit dem Knoten in der dünnen Silberkette um ihren Hals. Ich brauche einen besseren Weg, um das Ding zu sichern. Als sie den Anhänger unter ihrem Sweatshirt hervorholte, gab sie ihm einen kurzen Ruck und löste die Kette. Das Herz der Mitternacht wanderte in ihre Tasche. Ihre Drowmagie flammte an der Basis ihrer Wirbelsäule auf, als hätte sie auf ihren Moment der Freiheit gewartet.
»Oho, scheiße .« Lumil lächelte begeistert, als sie Cheyennes Verwandlung von einem blassen Gothmenschen in eine Dunkelelfe, mit violett-grauer Haut, weißem Haar und spitzen Ohren, sah. Cheyenne ignorierte sie.
»Hast du einen Tipp, wie wir damit umgehen sollen?«, fragte Byrd und ließ seinen Blick zwischen dem massiven Tentakel und der sich beschleunigenden Bewegung zwischen den Steinsäulen hin und her huschen.
»Ja.« Persh’al beschwor eine Kugel aus spuckender, schwirrender, blauer Magie in seiner Handfläche. »Lass dich von den Dingern nicht an der Kehle packen.«
Ein rotierender Kreis aus feuerrotem Licht erschien um Lumils geballte Faust, als sie sie erhob. »Worauf wartet das Ding?«
»Deine Vermutung ist so gut wie meine«, antwortete Corian, ohne sich umzudrehen. Ein silbernes Licht blitzte von seinen Ohren bis zu seinen Stiefeln auf. »Sei einfach bereit.«
Zwei weitere dünne, schwarze Tentakel schlängelten sich um die nächstgelegenen Felsspitzen und züngelten wie Schlangenzungen hin und her. Ein weiteres krachendes Brüllen erhob sich aus der Mitte des Portalkamms und ließ den Boden erbeben, kurz, bevor ein gewaltiger Knall die Luft spaltete. Ein schnelles, eiliges Klacken wurde hinter den schwarzen Steinsäulen lauter.
Klingt nach Käfern. Cheyenne erschuf eine Kugel aus knisternder, schwarzer Energie. Nach wirklich vielen, wirklich großen Käfern.
Die Luft füllte sich mit dem Knacken von schwerem Stein und der Portalkamm weitete sich. Dunkles, schimmerndes Licht brach aus dem klaffenden Spalt zwischen den Türmen hervor, der immer breiter wurde. Es schoss direkt in die Luft und hing dort wie ein Vorhang entlang des schwarzen Steins, der sich nach Westen erstreckte.
»Augen auf«, rief Corian.
Die erste Kreatur, die aus der Spalte in der Mitte des Bergrückens auftauchte, sah tatsächlich aus wie ein riesiger, schwarzer Käfer. Sie huschte um die Steinsäulen herum und blieb stehen, als sie die fünf magischen Wesen bemerkte, die auf der Lichtung bereitstanden. Dann erhob sie sich auf ihre Hinterbeine und ein klaffendes, rotes Maul öffnete sich in ihrem Unterleib, aus dem ein durchdringender Schrei ertönte.
»Scheiße.« Byrds Hände sprudelten mit grünem Feuer. »Nicht schon wieder.«
»Nicht hier , das ist es eher.« Corian bewegte sich nicht. »Wir warten.«
»Worauf?« Lumil warf dem Nachtpirscher einen Blick mit geweiteten Augen zu. »Diese verdammten Dinger sollen doch nicht …«
Der Käfer kreischte erneut und sprang durch den zerklüfteten, schwarzen Stein auf sie zu. Er krabbelte über die Lichtung auf die Koboldfrau zu und drehte sich seitwärts und auf den Kopf, während hundert weitere Beine auf der Oberfläche seines schimmernden Panzers erschienen.
Lumil wartete, bis das Ding fast bei ihr war und versetzte dem Nicht-Käfer einen lähmenden Aufwärtshaken in den Unterleib. Das rote Licht, das ihre Faust umgab, zerriss die Kreatur in Hunderte von Stücken und ließ dicke Brocken von schwarzem Glibber auf sie alle regnen.
»Der erste Angriff«, sagte Corian mit einem Nicken.
»Was ?« Persh’al sah den Nachtpirscher finster an. »Du nennst den verdammten Tentakel, der versucht hat, mich zu erhängen, nicht den ersten Angriff?«
»Eher einen ersten Vorgeschmack, Persh’al und das weißt du auch.«
»Verdammt, Corian. Wir sind nicht dafür gerüstet, mit dem Dazwischen zurechtzukommen, das dort herausquillt, wo es nicht hingehört.«
»Bleib stehen, Troll!« Corian drehte sich noch immer nicht zu dem blauhäutigen Persh’al um, aber Cheyenne konnte die Wut in dem Befehl des Nachtpirscher hören.
Als hätte er schon viele Leute auf einem Schlachtfeld herumkommandiert. Ist er …?
Der Boden unter ihnen zitterte und brachte die fünf magischen Wesen zum Stolpern. Der Spalt in der Mitte des schwarzen Bergrückens öffnete sich mit einem Beben noch weiter und riss von einem unsichtbaren Ort unter ihnen auf. Das Klacken riesiger, harter Beine auf dem Stein hallte überall wider, dann entließ das neueste Grenzportal einen ganzen Schwarm der Kreaturen.
Glitzernde, schwarze Panzer tauchten gleichzeitig aus dem Boden und hinter der Wand aus dunkel schimmerndem Licht auf. Die Luft war erfüllt von lauten, wütenden Schreien, als die käferartigen Kreaturen auf die Lichtung stürmten. Eines von ihnen stürzte sich über die Spitze eines kürzeren, schwarzen Turms und riss sein rotes Maul weit auf, als es auf die Halbdrow zusteuerte.
Cheyenne schleuderte ihre schwarze, knisternde Kugel direkt auf das Maul und würgte den Schrei beim Aufprall ab. Der Käfer explodierte in der Luft und ließ überall harte Schalen und Eingeweide herunterregnen.
Corian sauste in einer leuchtenden Spur aus silbernem Licht durch den heranstürmenden Schwarm. Riesige, schwarze Körper in der Größe von Ponys flogen in die Luft, wo immer das silberne Licht auftauchte. Lumil und Byrd stießen Kampfschreie aus, während der Koboldmann die heranstürmenden Monstrositäten mit grünem Feuer angriff und seine Partnerin ihre hirnlosen Angreifer mit den Zaubern ihrer türkisfarbenen Fäuste in Stücke sprengte. Persh’al hob seine Hand und als er sie niederschlug, entstand eine Peitsche aus zischendem, grünem Licht.
Cheyenne beäugte den entgegenkommenden Ansturm von Kreaturen und schleuderte eine schwarze Energiekugel nach der anderen auf sie. Die schwarzen Körper explodierten beim Aufprall und schickten Käferteile zurück in Richtung des Bergrückens.
Die schrecklichen Kreaturen kamen unaufhörlich aus der Wand aus schimmerndem Licht. Persh’als grüne Magiepeitsche durchschlug die harten Hüllen wie ein Schwert und auch ihre anderen magischen Gefährten hatten keine Mühe, sich zu wehren.
Drei der Käfer flitzten mit abnormaler Geschwindigkeit auf den Troll mit dem Irokesenschnitt zu. Einer von ihnen hielt an, um sich wieder aufzurichten und sprühte einen ekelhaften, schwarzen Schleim auf Persh’al. Cheyenne warf einen Schild vor den Troll und seine Peitsche und zerschmetterte den nächstbesten Käfer, bevor sie mit schwarzen, magischen Ranken nach ihm griff. Sie wickelten sich um den spuckenden Käfer und drückten ihn zusammen. Die Kreatur kreischte erneut, bevor sie zwei Sekunden später wie eine überreife Beere zerplatzte.
Das ist zu einfach.
Die Halbdrow schaute schnell nach ihren anderen magischen Gefährten, aber die waren damit beschäftigt, die Flut der Kreaturen zu bewältigen, die über den Boden sprangen, spuckten, zischten und krabbelten. Dann blickte sie auf den riesigen Tentakel, der über den höchsten schwarzen Türmen wie ein Banner im Wind wehte.
Das ist derjenige, den wir ausschalten müssen.
Ohne darüber nachzudenken, klatschte sie in die Hände und beschwor zwei Kugeln schwarzer, knisternder Energie. Ihre beiden Zaubersprüche verdichteten sich zu einer einzigen brodelnden Sphäre, die doppelt so groß wie ihr Kopf war und schwarzes und violettes Licht auf ihr Gesicht warf.
»Cheyenne, warte!« Corians Warnung kam zu spät.
Die übergroße Kugel aus der schwarzen Energie der Halbdrow raste auf den Tentakel zu. Ihr Angriff schleuderte ihn in die Wand aus schimmerndem, schwarzem Licht und ein bebender Schrei schoss ihr durch den Kopf.
Der Ansturm der ekligen Käferdinger hielt an, die letzten huschten mit unverminderter Eile zwischen den Felsspitzen umher, bis sie von Lumils Faust und Byrds grünem Feuer vernichtet wurden.
Der Boden bebte erneut und der riesige Tentakel zog sich aus der schimmernden Lichtwand heraus und erhob sich Dutzende von Metern hoch in die Luft. Er hörte auf, sich wie ein Wimpel zu winden und erstarrte in gerader Linie über dem Grenzportal.
»Schnell reagiert, Mädel.« Corian wandte sich der Halbdrow zu und schüttelte warnend den Kopf. »Aber falsch.«
»Das Ding hat die Kontrolle, nicht wahr?« Cheyenne zeigte auf den unbeweglichen Tentakel.
»Wahrscheinlich. Aber wir sind nicht …«
Der Boden bebte erneut und die Spalte, die sich im Inneren des Portalkamms aufgetan hatte, schauderte noch mehr. Die Erde ächzte und der Wald um sie herum knarrte wegen der fallenden Bäume, als der schwarze Stein auseinanderbrach. Ein Dutzend weiterer Türme schossen aus dem Boden und wurden höher als die bereits vorhandenen. Dann verdunkelte sich die Wand aus schimmerndem, schwarzem Licht, bis sie fast das gesamte Sonnenlicht verdeckte und die gesamte Lichtung in Dunkelheit tauchte.
»Ja, das hatte ich gehofft zu vermeiden.«
Cheyenne blickte den Nachtpirscher entgeistert an. »Und was ist das genau?«
»Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Portal, Mädchen. Ich meine an der Schwelle .«
»Als ob wir es durchqueren würden?« Die Halbdrow schaute sich auf der verdunkelten Lichtung um.
»Nicht, wenn wir es verhindern können.«
Ein knirschendes Knurren ertönte aus der Mitte des Portals, viel lauter und näher als alle anderen Schreie. Der Grat spaltete sich weiter, als sich eine riesige, schwarze Gestalt aus der Erde krallte und zu ihrer vollen Größe aufrichtete. Die in den Himmel ragende Ranke schlug zwischen den kämpfenden magischen Wesen auf dem Boden auf und verwandelte sich in eine knorrige Klaue, die Gräben in die Erde grub, während ihr Besitzer sich aus der Spalte herauszog.
Corian knurrte die Klaue an, die zurück in Richtung des Portalkamms schleifte. »Nicht, wenn wir das Ding dort halten können, wo es hingehört.«
»Sofort nach Ambar’ogúl zurückschicken.« Cheyenne nickte. »Verstanden.«
»Nein, Cheyenne«, sagte Persh’al hinter ihr. »Was auch immer das Ding ist, es gehört nicht auf eine der beiden Seiten des Portals.«
»Was?«
»Das Ding lebt im Portal.« Persh’al knallte seine grüne Peitsche auf den Boden und blickte das hünenhafte Ding starr an.
»Und so soll es auch bleiben«, fügte Corian hinzu.