Kapitel 7

C heyenne richtete sich auf der Couch auf und sah ihre Professorin erstaunt an. »Ich habe nicht gesagt, dass ich seine Tochter bin.«

»Das musstest du auch nicht, Cheyenne. Kein Drow würde so viel in dich investieren, wie L’zar es offensichtlich tut. Er hätte den Don’adurr-Faden nicht benutzt, wenn du deine Drowprüfungen nicht mit Corian begonnen hättest.«

Die Halbdrow verschluckte sich an einem überraschten Lachen. »Das hast du alles aus dem, was ich dir gerade erzählt habe, geschlussfolgert?«

»Das meiste davon, ja.« Mattie sah von Corian weg und richtete ihren Blick fest auf ihre ehemalige Studentin. »Wie läuft es denn?«

»Die Prüfungen?« Cheyenne zuckte mit den Schultern. »Ich habe zwei Schichten der Box entschlüsselt. Der … Cuil AníDas lässt sich immer leichter sagen.

Corian lächelte. »Nach dem, was du heute Morgen am Portal gemacht hast, würde ich es noch einmal überprüfen. Es könnten jetzt drei sein.«

Sie strahlte Corian an. »Und ich habe ihm gestern Abend ins Gesicht geschlagen.«

Das selbstgefällige Lächeln des Nachtpirschers verschwand und er schloss die Augen. Persh’al drehte sich um und blickte ihn entgeistert an, während die Kobolde versuchten, ihr Kichern zurückzuhalten.

»Cheyenne, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich um diesen kleinen Sieg beneide.« Mattie lehnte sich zur Seite und stützte ihren Arm auf die andere Armlehne der Couch. »Wenn ich mich nicht täusche, ist also schon alles in die Wege geleitet worden.«

»Du täuschst dich nicht.« Corian unterdrückte ein weiteres Lächeln und schüttelte den Kopf. »Jetzt, wo Cheyenne ihre Prüfungen begonnen hat, macht sich L’zar bereit, seinen Zug zu machen.«

»Weil er es geschafft hat, ein Loch in diese verdammten Prophezeiungen zu sprengen.« Mattie tippte sich mit zwei Fingern an die Lippen und lachte. »Die Drow haben es tatsächlich geschafft.«

»Na ja, ich lebe noch und bin quicklebendig, also …« Cheyenne legte ihren Kopf schief.

»Du hast es ihr schon gesagt?«, fragte Mattie Corian.

»Das lag alles an diesen Clowns.« Der Nachtpirscher zeigte auf Persh’al, Byrd und Lumil, die mit verlegenen Blicken antworteten.

»Das ist vielleicht das einzige Mal, dass eine lose Zunge nützlich ist, oder?« Mattie nickte langsam. »Du verdienst es, alles zu wissen.«

»Was, du meinst, dass L’zar vor mir einen Haufen anderer Kinder hatte und sie alle gestorben sind, als sie ihre Prüfungen begonnen haben, weil eine Prophezeiung es so wollte? Ja, das ist eine ziemlich wichtige Information. Es gibt noch viel mehr, was ich gerne wissen möchte.« Cheyenne zog die Augenbrauen hoch und hielt fast den Atem an. Sie wusste schon lange von all dem. Auf keinen Fall wird sie die Versprechen halten müssen, an die Corian gebunden ist. »Willst du mir den Rest erzählen?«

»Nicht jetzt, Cheyenne.« Corian lehnte sich auf der Couch nach vorne, schüttelte den Kopf und warf Mattie einen kurzen, warnenden Blick zu. »Jetzt sind wir hier, um Maleshi zu sagen, was passiert ist und um sie um Hilfe zu bitten. Wir haben nur zwanzig Minuten Zeit.«

Mattie schenkte ihm ein kurzes Lächeln, das aber genauso schnell wieder verschwand. »Du glaubst, die Krone ist dafür verantwortlich, dass ein neues Portal geöffnet wurde, das keinen Unterschied zwischen den Kreaturen des Mittelreichs und denen von uns macht, die auf beiden Seiten der Grenze leben?«

»Es ist möglich«, antwortete er. »Die Krone hat das mit Cheyenne herausgefunden. Dass sie hier ist, auf der Erde.«

»Und niemand will, dass diese Drow ihre Prüfungen besteht.« Mattie senkte den Kopf. »Ich verstehe.«

»Ich habe getan, was ich konnte, um sie zu verstecken, aber das ist nur vorübergehend.«

»Das Herz der Mitternacht sollte die Magie der Drow unterstützen.« Mattie schaute auf die Form des Anhängers, der unter Cheyennes Kapuze hervorlugte. »Es war nicht dazu gedacht, sie zu bekämpfen.«

»Du wusstest, was das ist, als ich dich danach gefragt habe.« Die Halbdrow tippte mit den Fingern auf den Anhänger.

»Natürlich wusste ich das. Ich wusste nur nicht, wer es dir gegeben hat.«

Sie will im Moment auch nicht darüber reden. Was ist zwischen den beiden passiert?

»Jetzt willst du also meine Hilfe bei diesem neuen Portal.« Mattie schlug einen nackten Fuß über ihr Knie und schaute die anderen magischen Wesen in ihrem Wohnzimmer an. »Weil du denkst, dass die Krone es geöffnet haben könnte, um an Cheyenne heranzukommen.«

Corian nickte. »Das ist nur eine Möglichkeit von vielen, Maleshi.«

Als sie diesen Namen hörte, schloss Mattie erneut die Augen, aber sie schien sich damit abzufinden, dass er nicht aufhören würde, ihn zu benutzen. »Dann bring mich zum Portal.«

»Danke.«

»Für Cheyenne.« Die Nachtpirscherfrau drehte sich um und schenkte ihrer ehemaligen Studentin ein echtes Lächeln, bevor sie nickte. »Wenn die Krone zwei Welten durchquert, um sie zu finden, ist das das Mindeste, was ich tun kann.«

Cheyennes Herz sank, als sie den Geist des alten Schmerzes hinter Mattie Bergmanns grünen Augen sah. Sie will das wirklich nicht. »Mattie, du bist mir nichts schuldig.«

»Natürlich nicht.« Die Nachtpirscherfrau lächelte. »Wenn hier irgendjemand irgendjemandem etwas schuldet, Cheyenne, dann sind die Sessel in meinem Büro noch nicht ersetzt worden. Aber ich muss sagen, dass du mir ziemlich ans Herz gewachsen bist, Kleine. Das Gesamtbild wird mehr als deutlich.« Mattie kam schnell auf die Beine und wirbelte mit ihrer Hand, um die Dinge zu beschleunigen. Alle anderen standen auf, um nicht sitzenzubleiben, während Generalin Hi’et vor ihnen stand. »Was immer du tun musst, um uns dorthin zu bringen, Corian, ich rate dir, es schnell zu tun.«

Corian unterdrückte ein Lachen und beschwor ein weiteres Portal direkt in Mattie/Maleshis Wohnzimmer.

Mattie lehnte sich zu Cheyenne, als das dunkle, schimmernde Oval in der Luft wuchs. »Ich hatte schon immer das Gefühl, dass du etwas Besonderes bist, Kleine.«

»Du wolltest nur immer schon mal sagen, dass du einen Halbdrow ausgebildet hast.« Cheyenne sah ihre Freundin an und schmunzelte.

»Wie sich herausstellte, hatte ich keine Ahnung, worauf ich mich eingelassen habe.« Die Nachtpirscherin lächelte die Halbdrow an, aber es fehlte ihr die übliche Fröhlichkeit. »Hoffentlich kann ich euch sagen, ob die Krone hinter dem unentdeckten Portal steckt. Das erhoffen wir uns jedenfalls.«

Cheyenne runzelte die Stirn. »Ich dachte, wir wollten verhindern, dass die Krone mich findet.«

»Ach, scheiß auf die Krone. Mit dieser selbstverliebten Drow werde ich sogar fertig, wenn mir die Hände auf den Rücken gebunden sind.« Mattie schnaubte. »Aber wenn es nicht die Krone ist, gibt es einen anderen Grund, warum dieses neue Grenzportal ohne Vorwarnung aufgetaucht ist. Dann sind beide Seiten der Grenze komplett im Arsch.«

Lumil stieß bei dieser letzten Aussage einen leisen Pfiff aus. Corian schürzte seine Lippen. Persh’al versuchte, ein Kichern zu verbergen und schüttelte den Kopf.

Als Corians neuestes Portal vollständig geformt war, runzelte Mattie die Stirn angesichts des Bildes einer dunklen, leeren Lagerhalle und eines Haufens von Computern, die auf drei Tischen verstreut waren. »Ich bin nicht bescheuert, Corian.«

»Ich auch nicht.« Der Nachtpirscher lachte und seine silbernen Augen leuchteten durch den Raum. »Du hattest nicht einen einzigen Wächter oder Alarm um dein Haus herum, Generalin.«

»Weil ich nicht erwartet habe, dass eine Bande von schurkischen O’gúleesh vor meiner Haustür auftaucht und L’zars Halbdrowtochter als Köder benutzt.«

Corian zuckte mit den Schultern. »Ich bin sicher, du bist nur aus der Gewohnheit herausgefallen.«

Sie schnaubte und verdrehte die Augen.

»Und ich habe kein Interesse daran, eine Spur von der Grenze bis in dein Wohnzimmer zu hinterlassen.«

»Oh, Mann.« Byrd verzog das Gesicht. »Komm schon!«

»Finde dich damit ab, Kobold. Wir machen noch eine Fahrt.« Corian schritt durch das Portal, das um ihn herum schimmerte, als er verschwand.

Cheyenne sah, wie er in Persh’als Lagerhaus wieder auftauchte und wegging. Die Kobolde folgten ihm und Persh’al war ihnen dicht auf den Fersen.

Mattie zwinkerte der Halbdrow zu. »Sieht aus, als wärst du auch schon das ein oder andere Mal durch ein Portal gesprungen.«

»Oft genug, um zu wissen, dass ich wirklich gerne lernen würde, wie ich selbst eines erschaffen kann.«

Kichernd schüttelte die Nachtpirscherfrau den Kopf. »Viel Glück.«

Stirnrunzelnd folgte Cheyenne ihrer ehemaligen Professorin in das Lagerhaus von Persh’al. Ich kann ein Portal öffnen, wenn es mir jemand beibringt. Wenn nicht, bringe ich es mir selbst bei.

Corian klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit aller zu bekommen und zeigte dann auf Lumil, die auf sein unfertiges Sandwich auf dem Tisch zusteuerte. »Denk nicht mal dran.«

Die Koboldfrau grunzte. »Komm schon. Kannst du nicht wenigstens genug für uns alle kaufen?«

Als der Nachtpirscher einen Blick auf Persh’al warf, wandte sich der Troll ab und tat so, als würde er sich intensiv für die Oberlichter interessieren, die über losen Metallkäfigen an der Decke der Lagerhalle hingen.

»Diesmal machen wir es besser«, sagte Corian mit zusammengebissenen Zähnen. Dann nickte er in Richtung der Lagertür und alle gingen darauf zu. Er trat neben Maleshi und berührte leicht ihren Ellbogen. »Wenn du etwas brauchst …«

»Nicht.« Sie warf ihm einen warnenden Blick zu und entfernte sich unauffällig aus seiner Reichweite. »Ich brauche das alles nicht, vae shra’ni

Sie hatten direkt vor der Tür angehalten und Cheyenne hatte nicht einmal die Möglichkeit, das Lagerhaus zu verlassen, um den privaten Moment nicht mit ansehen zu müssen. Er hat wirklich etwas vermasselt.

»Und doch sind wir hier.« Grinsend sah Corian Mattie/Maleshi von oben bis unten an und bedeutete ihr dann, vor ihm nach draußen zu treten. Mattie verschwendete keine Zeit und der Nachtpirscher warf einen Blick über die Schulter auf die Halbdrow und hob die Augenbrauen. »Ich glaube, sie ist froh, mich zu sehen.«

Cheyenne schnaubte. »Ja, die Signale, die sie sendet, sind sehr eindeutig.«

Schmunzelnd trat Corian in das Nachmittagslicht und hielt der Halbdrow die Tür auf, damit sie zu ihm kommen konnte. Als sie sich schloss, schnippte er mit den Fingern in Richtung des Lagerhauses und die Mauern leuchteten in einem sanften, grünen Schein auf, während in der Mitte der Tür ein vierzackiger Stern aufblitzte.

»Ich weiß, dass das etwas bedeutet«, murmelte Cheyenne nachdenklich.

Corian blickte auf das schwindende Licht des vierzackigen Sterns und zuckte mit den Schultern. »Nenn es ein Familienwappen, Kleine. L’zar war derjenige, der diese Mauern gebaut hat.«

»Im Ernst?«

»Komm schon, Cheyenne. Ich kann dir vielleicht nicht alles sagen, was du wissen willst, auch wenn ich mir wünschen würde, dass du endlich aufhörst zu fragen. Aber ich habe keinen Grund, dich anzulügen.«

Sie gingen zu Persh’als Geländewagen, der neben Cheyennes neuem Panamera auf dem überwucherten Parkplatz geparkt war. Die anderen O’gúleesh-Wesen stiegen in den Geländewagen ein und Cheyenne konnte nicht anders. Mattie ging an dem glänzenden, schwarzen Porsche vorbei, als Persh’al ihr die Beifahrertür öffnete und die Halbdrow griff in ihre Tasche und drückte auf das automatische Schloss am Schlüsselanhänger. Der Panamera piepte und Mattie zuckte ein wenig zusammen, bevor sie sich umdrehte und das Auto betrachtete.

Ihr Blick fiel schnell auf Cheyenne, die alles tat, um sich das Lachen zu verkneifen. »Das ist deiner

Die Halbdrow zuckte mit den Schultern, aber ihr Grinsen brach schließlich durch.

»Hm.« Mattie warf einen letzten Blick auf das Auto, bevor sie auf den Beifahrersitz des Geländewagens stieg.

Cheyenne dachte: Das ist nicht die Antwort, die ich erwartet habe. Sie ist immer noch sauer, weil ich sie enttarnt habe.

Das wischte das Lächeln aus dem Gesicht der Halbdrow, als sie hinter Corian auf den Rücksitz kletterte. Er zuckte kurz, fast entschuldigend, mit den Achseln, bevor sie die Tür hinter sich zuzog. Dann warf sie einen Blick auf die letzte Sitzreihe und deutete mit dem Daumen in Richtung der Kobolde. »Es ist eine zweistündige Fahrt.«

»Alles gut«, murmelte Byrd und schnallte sich an. »Ich habe mein eigenes Fenster.«