C orian warf einen Blick auf Persh’al, Lumil und Byrd und nickte dann in Richtung der Kisten und der O’gúl-Loyalisten, die um sie herum verstreut waren. Die magischen Wesen machten sich auf den Weg zu den Kisten und sammelten so viel von der O’gúl-Schmuggelware ein, wie sie nur konnten, um sie mitzunehmen.
Als er Cheyennes Blick auffing, kämpfte die Halbdrow gegen ein weiteres unbeabsichtigtes Aufflackern ihrer Drowmagie an. Ich hätte etwas tun sollen.
»Wie oft muss ich dir noch sagen, dass das hier größer ist als du?« Corian ging auf sie zu, den Kopf gesenkt, als wollte er ihr aus drei Metern Entfernung zuflüstern. »Auch größer als Ambar’ogúl.«
»Das sagst du mir, seit wir uns kennen, Corian.« Cheyenne zwang sich, ihre Fäuste zu lösen. »Ich weiß, dass du L’zar ein Versprechen gegeben hast, aber erzähl mir nicht, dass dieses Versprechen beinhaltete, einen Haufen Soldaten mit auf dem Rücken gefesselten Händen zu töten.«
»Sie hätten dasselbe mit uns gemacht. Die Tatsache, dass die Krone dieses neue Portal nicht geöffnet hat, spielt keine Rolle mehr. Sie nutzt es und sie hat uns gerade eine Botschaft geschickt, indem sie den ganzen Scheiß über die Grenze gebracht hat.« Der Nachtpirscher schüttelte den Kopf und blickte auf die schimmernde Wand aus blassrosa Licht, die sich zwischen den dunklen Steintürmen des Bergrückens erhob. »Sie bringen den Krieg auf die Erde und der Kampf wird nicht mit den magischen Wesen enden, die sich hier verstecken. Die Krone wird auch auf die Menschen losgehen. Vielleicht sogar zuerst, denn die Menschen sind so leicht auszuschalten. Wenn sie es nicht tut, wird das, was wir heute Morgen bekämpft haben, den gleichen Schaden anrichten, wenn nicht sogar mehr.«
»Die Herrscherin von Ambar’ogúl wird ihre Truppen in diese Welt schicken, um Menschen zu töten.« Die Halbdrow legte ihren Kopf schief und lachte trocken. »Das ergibt keinen Sinn. Die Menschen wissen nicht einmal davon.«
»Es spielt keine Rolle, wer es weiß. Wichtig ist nur, wie weit die Krone bereit ist zu gehen, um zu bekommen, was sie will. Das bist im Moment vielleicht nicht nur du.« Corian beobachtete Persh’al und die Kobolde, als sie über die Lichtung zurückstapften. Der blaue Troll und Lumil trugen eine der Kisten zwischen sich, gefolgt von Byrd, der silberne Blutspurenkanister im Arm hielt. »Was auch immer sie hier will, sie wird nicht aufhören, bis sie alles in ihrer Gewalt hat. Genau das wollen wir verhindern, Cheyenne.«
»Für mich sieht das alles nicht so aus, als ob wir es verhindern könnten .«
»Du hast ein Recht auf deine Meinung, Kleine, aber wenn wir sicherstellen wollen, dass so ein Tag wie heute nie wieder passiert, müssen wir uns mit deinen Prüfungen beeilen. Wie gestern.«
»Warum?«
»Du wirst uns helfen, diesen Krieg zu beenden. Hoffentlich, bevor es richtig schlimm wird und am besten rechtzeitig, damit L’zar alle anderen Figuren ins Spiel bringen kann, um sich uns anzuschließen.«
Cheyenne lachte spöttisch und blickte um den Nachtpirscher herum, um zu sehen, wie Persh’al und die Kobolde in den Wäldern verschwanden. »Er muss nur aus Chateau D’rahl ausbrechen und auftauchen. Aber nicht einmal das kann er.«
»Er wird es, wenn …«
»Wenn ich so weit bin?«
Corians Lippen zuckten mit dem Anflug eines Lächelns und seine gerunzelte Stirn drückte so etwas wie Besorgnis aus. »Nein. Wenn er so weit ist. Zeit zu gehen.«
Die Halbdrow betrachtete das verstreute Durcheinander rund um das neue Grenzportal. »Was ist mit dem ganzen Zeug?«
»Wir haben so viel, wie wir im Moment brauchen und wir haben keine Zeit, um aufzuräumen.« Der Nachtpirscher machte sich auf den Weg zur Baumgrenze, denn er wusste, dass die Halbdrow nicht allzu weit hinter ihm sein würde.
Cheyenne betrachtete die Lichtung und das Portal. Kein Wunder, dass da drüben alles in die Hose gegangen ist. Das werde ich auf dieser Seite nicht zulassen.
* * *
Auf der Rückfahrt zu Persh’als Lagerhaus außerhalb von DC herrschte völlige Stille. Die Kobolde hatten aufgehört, miteinander zu streiten und es wurde auch nicht wieder lauter, als der Geländewagen auf den mit Unkraut überwucherten Parkplatz des Lagerhauses fuhr. Während Persh’al und die Kobolde die O’gúl-Schmuggelware in das Lagerhaus brachten, blieb Corian mit Cheyenne und Maleshi draußen.
»Was auch immer Persh’al über die Maschinenteile herausfinden kann, er wird uns in den nächsten Stunden einen Bericht geben.«
Maleshi presste die Lippen aufeinander und blickte auf die Metalltür der Lagerhalle, die sich hinter den anderen magischen Wesen mit einem Klicken schloss. »Lass ihn nach einer anderen Frequenz von magischer Technologie suchen.«
»Mindestens das, ja. Ich sage es nur ungern, aber ich hoffe, dass ihr Experte genug herumgebastelt hat, um auch nur ein kleines Signal auszusenden.«
»Hoffnung wird uns diesen Namen nicht einbringen, vae shra’ni .«
»Nein, aber es motiviert den Troll auf jeden Fall.« Corian schaute die Halbdrow an und runzelte wieder besorgt die Stirn. »Wir nennen den ganzen Tag eine weitere Trainingseinheit, Kind. Sag mir Bescheid, was mit dem Cuil Aní passiert ist, wenn du nach Hause kommst.«
»Eine Kupferkiste zu überprüfen, hat keine hohe Priorität«, murmelte sie.
»Es ist egal, wie es sich anfühlt.« Corian zog sein Handy aus der Tasche und tippte darauf. »Schick mir einfach eine SMS, wenn sich etwas ändert.«
»Ich habe deine …« Cheyennes Gesäßtasche vibrierte und der Nachtpirscher sah sie mit einem vorsichtigen Lächeln an.
»Jetzt hast du sie.«
»Okay.« Die Halbdrow nickte ihm knapp zu und ging auf ihren Panamera zu. »Mattie-Maleshi … Weißt du was? Ich weiß gar nicht mehr, wie ich dich nennen soll.«
»Wie immer du willst, Cheyenne.« Maleshis Blick blieb auf Corian haften, selbst als Cheyenne ihr Auto aufschloss.
»Okay. Soll ich dich nach Hause fahren?«
»Sehr gerne. Geh schon mal vor und starte das Auto. Ich bin gleich da.«
Nach einem Blick auf die Nachtpirscher, die sich ernst ansahen, zuckte Cheyenne mit den Schultern und setzte sich hinter das Lenkrad ihres Wagens. Ihre beiden Mentoren sagten kein weiteres Wort, bis sie die Fahrertür geschlossen hatte und das leise Brummen des Porschemotors zu hören war. Die Halbdrow lehnte sich gegen den Sitz und schloss die Augen. Sie können nicht vergessen haben, dass ich sie noch hören kann.
»Danke, dass du mit uns gekommen bist«, murmelte Corian und betrachtete das Gesicht der Ex-Generalin. »Es wäre besser gewesen, dich unter anderen Umständen zu finden, aber …«
»Aber die Dinge sind so, wie sie sind. Ich verstehe das.« Maleshi legte den Kopf schief und verschränkte die Arme. »Ich habe dem Mädchen nicht gesagt, dass sie im Auto warten soll, damit ich ein privates Dankeschön bekommen kann.«
Corian lachte, aber es klang nicht im Geringsten amüsiert. »Das ist also der Teil, in dem du mir sagst, dass du mich nie wieder sehen willst. Dass du aus einem bestimmten Grund verschwunden bist und nur weil ich dich gefunden habe, heißt das noch lange nicht, dass wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben. Pflicht ist Pflicht, richtig?«
Maleshi schüttelte den Kopf. »Du hast es gesagt, nicht ich.«
Corian ließ mit einem weiteren bitteren Lachen den Kopf hängen und steckte die Hände in die Taschen. Die Ex-Generalin senkte den Kopf, sah ihm zu, wie er sich sammelte und wartete, bis er fertig war. Als er wieder zu ihr aufsah, blitzten seine Augen mit einer Intensität auf, die sie seit vierhundert Jahren vermisst hatte. »Warum hast du ihr dann gesagt, sie solle im Auto warten?«
»Du weißt, wie wichtig es ist, sie durch diese Prüfungen zu bringen.«
»Natürlich weiß ich das. Beleidige mich nicht.«
»Und ich weiß, dass du alles tun wirst, um das zu erreichen.« Sie trat auf ihn zu und zwang ihn, sie weiter anzuschauen. Er wich nicht zurück oder lehnte sich weg, sondern hob nur sein Kinn an, um ihrem Blick zu begegnen. »Aber wenn du sie zu sehr bedrängst, vae shra’ni , wenn du den Geist dieser Halbdrow brichst, um die Arbeit zu erledigen, werde ich es wissen. Ich werde dich jagen, nur um den Blick in deinen Augen zu sehen, wenn du dich an jedes Wort dieses Gesprächs erinnerst.«
Corian blickte sie an und die hellbraunen Fellbüschel an den Seiten seines Gesichts zuckten ein wenig, als er lächelte. »Das ist also nötig, damit du mich finden kommst, was?«
»Das ist keine Drohung, Corian.«
»Ich weiß, dass es das nicht ist. Mir liegt genauso viel daran, was mit ihr passiert wie dir. Es ist lange her, Maleshi, aber nicht so lange, dass du vergessen hättest, wer ich bin.«
»Hmm.« Sie schaute ins Leere hinter Corians Schulter. »Nicht lange genug, dass sich einer von uns beiden viel verändern könnte.«
Er konnte nur den Kopf schütteln und leicht mit den Schultern zucken.
»Such mich auf, wenn Persh’al etwas hat, das es wert ist, verfolgt zu werden.« Maleshi drehte sich von ihm weg und ging auf Cheyennes Auto zu. Als sie innehielt, warf sie einen Blick über ihre Schulter. »Um es klar zu sagen: Seit ich weg bin, wollte ich dich jeden Tag wiedersehen. So sehr liegt mir das am Herzen.«
Corian wusste nicht, was er sagen sollte, als Generalin Maleshi Hi’et die Beifahrertür des glänzenden, neuen Wagens der Halbdrow öffnete und auf den Sitz schlüpfte. Er beobachtete, wie die Frau ihren Illusionszauber wirkte, während Cheyenne die zerbrochene Silberkette, an der das Herz der Mitternacht hing, um ihren Hals legte. L’zar Verdys rechte Hand bewegte sich nicht, bis die beiden Frauen im Panamera davonfuhren.