Kapitel 17

D ie Sonne war schon fast untergegangen, als sich die Aufzugstüren im obersten Stockwerk der Pellerville Gables Apartments öffneten. Cheyennes Schritte schleppten sich den Flur hinunter zu der einzigen Wohnung auf der linken Seite am Ende des Flurs. Die Schlüssel klirrten ein bisschen länger als sonst, als sie darum kämpfte, den richtigen ins Schloss zu schieben. Sie roch die Pizza schon, bevor sie die Tür öffnete, aber sie dachte nicht darüber nach, was die beiden plaudernden Stimmen in der Wohnung bedeuteten.

»Hey, Cheyenne.« Ember drehte sich von der Kücheninsel weg und lächelte, bis sie den Gesichtsausdruck ihrer Freundin sah. »Boah. Langer Tag, was?«

Die Halbdrow hob die Augenbrauen und blickte von der Fae zu ihrem hochgewachsenen, dilettantischen Unternehmer- Nachbarn, der mit einem Pizzaschneider in der Hand an der Insel stand. »So ähnlich.«

Sie ging auf die schwarze Ledercouch zu, die gegenüber von den schwarzen Ledersesseln auf der anderen Seite des Couchtisches stand. Ihr Rucksack lag genau dort, wo sie ihn abgestellt hatte und sie hielt erst inne, als sie sich den Gurt über die Schulter gehängt hatte. »Die Couch ist neu, oder?«

»Ja. Sie ist angekommen, nachdem du heute Morgen gegangen bist.«

»Gut gemacht, Em.« Mit einem Nicken schlurfte Cheyenne durch den Raum, der nun von Verpackungsmaterial und leeren Kisten befreit war und ging an der Eisentreppe vorbei, die zu dem Mini-Loft auf dem Weg zu ihrem Schlafzimmer führte. Sie schaute auf die Hochebene und schüttelte dann den Kopf. Ich kann im Moment nicht einmal an Computer denken.

Mit einem kurzen Blick auf Matthew drehte sich Ember durch das riesige Wohnzimmer und murmelte: »Gib mir nur eine Sekunde, okay? Ich bin gleich wieder da.«

»Kein Problem. Diese Pizza schneidet sich nicht von selbst.«

Die Tür zu Cheyennes Zimmer öffnete sich schnell und die Halbdrow machte sich nicht die Mühe, sie zu schließen, bevor sie ihren Rucksack abnahm und ihn auf den Boden fallen ließ. Ihre schwarzen Vans polterten durch den Raum und ihre Augenlider wurden schwer, als sie auf die lilafarbene Samtdecke und die vielen Kissen unter dem Baldachin aus schwarzer Spitze und Satin blickte. Ich kann an nichts denken.

Das Klettern auf das Bett kostete sie den Rest ihrer Energie. Sie ließ sich auf den Rücken fallen und betrachtete die Spitze der Vorhänge, die am Haken an der Decke hingen. In diesem Moment erreichte Ember ihre offene Tür und klopfte.

Cheyenne lachte humorlos. »Das ist neu, dass du dieses Mal an meine Tür klopfst.«

»Ja, aber hier gibt es keine Besuchszeiten.« Das Faemädchen lächelte sanft und rümpfte besorgt die Nase. »Ich dachte, ich schaue mal schnell rein. Geht es dir gut?«

»Ja, Em. Oder zumindest wird es das.« Die Halbdrow breitete ihre Arme auf der Matratze aus. »Ich glaube, ich brauche nur etwas Ruhe. Es war ein harter Tag.«

»Das merke ich. Hast du Hunger?«

»Nicht jetzt. Esst ruhig schon mal und genießt es. Wenn noch etwas übrig ist, hole ich es mir später.«

»Ich werde dir ein oder zwei Stücke aufheben. Oder sollen wir eine zweite Pizza holen?«

Sie lachten beide ein wenig und Cheyenne stützte sich auf ihre Ellbogen, um ihre Freundin anzusehen. »Ich bin heute Abend eigentlich nicht in Pizza-Laune, aber danke.«

Ember nickte und betrachtete mit ihren blauen Augen die wilden, schwarzen Haare der Halbdrow, die Schmutzflecken auf ihren Wangen und die Einstiche am unteren Ende ihres linken Hosenbeins. »Wenn du etwas brauchst, lass es mich wissen.«

»Danke. Ich werde dir später alles erzählen, Em. Ich kann jetzt noch nicht.«

»Kein Problem.« Ember warf einen Blick über ihre Schulter, dann beugte sie sich vor und flüsterte: »Ich schmeiße Matthew nach dem Essen raus, nur damit du es weißt.«

Mit einem schwachen Lächeln nickte Cheyenne. »Weiß er das?«

»Noch nicht. Aber fast ein ganzer Tag mit dem Typen von nebenan hat mich daran erinnert, warum ich mich überhaupt dafür entschieden habe, allein zu leben.«

»Sag mir Bescheid, wenn du jemanden brauchst, der ihn hier rausschmeißt.«

»Ja, okay.« Ember rollte rückwärts zur Tür hinaus, drehte dann geschickt den Stuhl und rollte lachend zurück in die Küche. »Wer hat dir denn beigebracht, wie man eine Pizza schneidet?«

»Was? Du meinst, es ist keine angeborene Fähigkeit?«

»Für die meisten Menschen wahrscheinlich. Ach, komm schon. Du …« Die Fae lachte wieder. »Wie schwer ist es, dass die Linien sich in der Mitte treffen?«

»Oh, okay. Nächstes Mal hole ich das Lineal raus und suche den Mittelpunkt.«

Cheyenne rollte sich vom Bett und schlurfte zur Tür, um den Lärm zu dämpfen.

»Ich brauche nicht die Mitte, Matthew, aber das ist die Mitte zwischen der Pizza und dem Rand …«

Die Tür schloss sich mit einem leisen Klicken und die Halbdrow drückte beide Hände gegen die Wand und ließ den Kopf zwischen den Armen hängen. Solange sie sich gut amüsiert, kann ich den Lärm ignorieren. Das ist kein Problem.

Sie ließ ihre Hände von der Tür gleiten und wandte sich wieder dem Bett zu. Ihr Blick fiel auf ihren Rucksack und sie hielt inne.

Ein schwaches, goldenes Licht drang durch die Nähte ihres Rucksacks und pulsierte alle paar Sekunden. Cheyenne bückte sich mit einem Stöhnen und kramte, bis ihre Finger das kalte Metall ihrer Drowpuzzlebox umschlossen. In dem Moment, als sie sie herausnahm, verblasste das goldene Licht hinter den Drowrunen und kehrte nicht mehr zurück.

Die Halbdrow drehte die Box in ihren Händen um und betrachtete die Symbole. Dieses Symbol war vorher nicht da.

Sie klopfte auf das mittlere der fünf Bänder, aus denen die sich drehenden Schichten des Cuil Aní bestanden. Noch eine erledigt. Es fehlen nur noch zwei. »Whoop.«

Cheyenne nahm die Kupferkiste mit, ging zu ihrem Bett und ließ sich darauf fallen. Das Kästchen mit ihrem Vermächtnis landete auf dem Nachttisch und die Halbdrow drehte sich auf die Seite. Obwohl das Licht noch an war und die Samtdecke noch unter ihr lag, schlief sie innerhalb von Sekunden ein, zu erschöpft und betäubt, um an etwas anderes zu denken.

* * *

Cheyennes Träume ähnelten auf unheimliche Weise denen, die sie von L’zars Prophezeiung gehabt hatte, bevor Corian ihr den magiedämpfenden Anhänger geschenkt hatte, nur dass sie dieses Mal alle miteinander verschmolzen waren. Sie träumte von der Lichtung am neuen Grenzportal und nicht von dem dunklen, kalten Raum aus schwarzem, blutverschmiertem Stein. Die verhüllte Gestalt, die in der Mitte all der toten Drow kniete, war nicht L’zar oder seine Halbdrowtochter, sondern Maleshi Hi’et, deren grüne Augen bösartig blitzten und deren Mund zu einem raubtierhaften Grinsen verzogen war. Die Stimme des Orakels Gúrdu vermischte sich mit der einer Frau, als sie gemeinsam im gleichen Rhythmus lachten. Schwarze, glitzernde Tentakel erhoben sich aus den dunklen Türmen des Portalkamms. Ein Käfer-Ding huschte und krabbelte auf seinen hunderten von Beinen dahin.

Dann wurde die Halbdrow zum Portal, das höher ragte als jeder der vorspringenden Speere aus schwarzem Stein und sich als eine schwarze Wand aus schimmerndem Licht über die gesamte Lichtung erstreckte. Die Tentakel, die umherschwangen und auf die gefallenen Drowkörper einschlugen, waren ihre schwarzen Magieranken, die aus unsichtbaren Händen schossen.

Das Käfer-Ding kreischte und sprang herum, um sich ihr zuzuwenden. Als es sich auf die Hinterbeine stellte und seinen Unterleib entblößte, hatte L’zars verzerrtes Gesicht das klaffende rote Maul der albtraumhaften Kreatur ersetzt und als er sprach, erklang Bianca Summerlins Stimme. »Blut verbindet sich mit Blut, das mit Chaos verbunden ist. Alles hat seinen Preis! «

* * *

Mit einem erschrockenen Keuchen setzte Cheyenne sich in ihrem Bett auf. »Mein Gott, diese verdammten Träume.«

Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und die dünne Schweißschicht, die sie bedeckte. Frustriert zerrte die Halbdrow am Saum ihres Kapuzenpullis. Die Vorderseite war durchgeschwitzt, sodass es fast unmöglich war, das Ding auszuziehen. Schließlich zog sie ihn sich über den Kopf und warf ihn auf den Boden.

»Ekelhaft.« Nachdem sie versucht hatte, ihr langärmeliges Hemd zu lüften, ließ sie ihre Hände auf das Bett fallen. »Als ob das klappen würde.«

Sie holte ihr Handy aus der Tasche, entsperrte es und sah blinzelnd auf die Uhrzeit. Sieben Uhr zweiundfünfzig. Sind das …? Ja. Elf Stunden Schlaf.

Die Halbdrow fuhr sich mit der Hand durch ihr schweißnasses Haar und kratzte sich ein wenig am Kopf. Dann rutschte sie vom Bett und ging zum Fenster. Die verdunkelnden Vorhänge raschelten, als sie sie beiseite schob. Das morgendliche Sonnenlicht fiel in ihr Zimmer und sie schüttelte mit einem Stöhnen den Kopf. Gut, dass sich mein Stundenplan geändert hat.

Ihre Hand wanderte zu dem Herz der Mitternacht -Anhänger, der jetzt etwas höher auf ihrem Brustbein lag, weil sie so viele Knoten in die immer wieder zerbrochene Silberkette gemacht hatte. Sieht so aus, als würde sich das Ding langsam abnutzen. Das ist nicht so gut, wenn man untertauchen will.

Cheyenne zog den Vorhang wieder vor das Fenster, rollte die Schultern nach hinten und nickte. Ein kleiner, pulsierender Schmerz stieg von ihrem linken Knöchel auf und sie streckte ihren Fuß aus, um auf die Einstichstellen am Saum ihres Hosenbeins hinunterzusehen. Das hätte ich mir früher anschauen sollen.

Seufzend ging die Halbdrow zurück zu ihrem Rucksack auf dem Boden, setzte sich daneben und holte das braune Glasgefäß mit der Heilsalbe heraus, das Yadje ihr gegeben hatte. Als sie ihr Hosenbein hochkrempelte, sog sie zischend die Luft ein und betrachtete das halbe Dutzend runder Einstiche, die ihren Knöchel umgaben. »Könnte schlimmer sein, denke ich.«

Sie beugte ihr Knie, um ihren Knöchel näher an sich heranzuziehen, während sie den Deckel des Glases kurz drehte. Der starke Geruch von verfaulenden Erdbeeren schlug ihr entgegen und sie blähte ihre Nasenflügel auf. Alles, was weniger als eine Messerwunde ist, hm? Ich vertraue dir, R’mahr.

Die weiße Salbe war dick und klebrig und dehnte sich wie Toffee, als sie das erste bisschen mit den Fingern herauslöffelte. »Toll. Als ob man Persh’als Irokesen-Gel auf einen magischen Monsterbiss schmiert.« Sie schnaubte und brachte den klebrigen Schleim dazu, sich von ihrem Finger zu lösen, als sie ein wenig auf den ersten Einstich tupfte.

Ein eisiges Ziehen schoss durch ihren Knöchel, gefolgt von einer sengenden Hitze, die bis in ihre Zehenspitzen aufflackerte. Cheyenne holte scharf Luft und schlug mit der Faust auf den polierten Holzboden unter ihr. »Scheiße.«

Mit tränenden Augen betrachtete sie blinzelnd ihren Knöchel und beugte sich vor, um ihn besser sehen zu können. Das quälende Brennen ließ ein wenig nach und die Einstichwunde schloss sich von innen nach außen, indem sie Muskeln und Hautrisse verschloss, bis nur noch getrockneter Schorf übrig war. Ein leises, überraschtes Kichern entwich ihr. »Oh, Scheiße

Die Halbdrow sah auf den weißen Schleim an ihren Fingerspitzen und grinste. »Das kann ja heiter werden.«

Sie gab etwas davon in ihre andere Hand, rieb ihre Finger aneinander, atmete tief durch und schmierte die Salbe auf die anderen Wunden rund um ihren Knöchel. Sie stöhnte vor Schmerz und warf den Kopf zurück, um mit zusammengebissenen Zähnen die Decke anzusehen, während die Salbe auf ihrem Bein und fünf weiteren Wunden brannte. Die Halbdrow schlug mit der Unterseite ihrer Faust auf den Boden und zwang sich, durchzuatmen und zu zählen. Zwanzig Sekunden, dann ließ der Schmerz so weit nach, dass sie sich nach vorne lehnen und zusehen konnte, wie sich die anderen fünf Löcher um ihren Knöchel herum schlossen.

Um sicherzugehen, fuhr sie mit den Fingern über die perfekt verheilte Haut und wischte dann die getrockneten Blutreste ab. Einfach so. Verdammt! Ein schwarzmagischer Zaubertrank, der sich in meine Schulter brennt ist mir lieber als so etwas.

Cheyenne schnaubte, dann lachte sie aber laut auf, als sie sich vorstellte, wie sie die beiden Löcher in ihrer Schulter mit Schwarzzungensalbe einer sozial verwirrten Trollin stopfte. Es ist so weit . Endlich habe ich den Verstand verloren.

Sie brauchte eine weitere Minute, um sich zu beruhigen, dann wischte sie sich mit einem Handrücken die Tränen aus den Augenwinkeln und schniefte. Ein weiteres Lachen entwich ihr und die vollständig geheilte Halbdrow schüttelte den Kopf, bevor sie das Gefäß schloss. »Was für eine Art, den Tag zu beginnen. Mein Gott.«

Sie stand auf, wischte abwesend den letzten Rest der klebrigen Salbe an ihren Hosenbeinen ab, öffnete dann ihre Schlafzimmertür und trat in die Wohnung hinaus.

»Da hat aber jemand bessere Laune«, rief Ember aus der Küche. Die Halbdrow spähte durch die Wohnung und blinzelte mit schweren Augenlidern, bis die Fae mit einem breiten Lächeln um die Insel herumfuhr.

»Es hat viel gekostet, dorthin zu kommen.«

»Ich wette, du hast geschlafen wie ein Stein, hm?«

»Außer am Ende.« Cheyenne räusperte sich. »Tut mir leid, dass ich nicht in der Lage war, dir bei … was auch immer zu helfen.«

»Oh. Ja.« Ember breitete ihre Arme aus und schaute sich in der Wohnung um. »Ich habe dich offensichtlich gebraucht.«

»Haha.« Als sie auf ihre Freundin zuging, blinzelte die Halbdrow heftig und schnupperte intensiv. »Und du hast Kaffee gemacht.«

»Das Beste am Aufwachen, oder? Das Zeug soll mörderisch gut sein.« Ember kicherte und hob den schweren Thermokaffeebecher von ihrem Schoß hoch, wo sie ihn zwischen ihren Beinen verkeilt hatte. »Der Kaffee ist gerade fertig, wenn du welchen willst.«

»Ja, gerne.« Cheyenne erreichte die Küche und schmunzelte, als Ember ihren Rollstuhl gekonnt drehte und der Halbdrow zum Tresen folgte. »Mann, allein der Geruch bringt schon Koffein in mein System.«

»Das ist gar nichts.«

Die Halbdrow warf einen Blick auf die Tüte mit dem Kaffee, die neben der Kaffeemaschine stand – schwarz, mit einem weißen Totenkopf in der Mitte und dem fettgedruckten Markennamen oben drauf. Um ganz sicherzugehen, nahm sie die Tüte in die Hand und betrachtete sie aus einem genaueren Blickwinkel. »Todeswunsch-Kaffee, hm?«

»Ich habe gesagt, dass es mörderisch ist.«

Cheyenne schmunzelte. »Das ist meine Art von Kaffee. Hast du das Zeug online gefunden, damit es zu meiner Goth Box passt?«

»Äh, nein, eigentlich nicht.« Ember hob den Kaffeebecher an ihre Lippen und nahm einen ungewöhnlich langen Schluck aus dem Loch im Deckel. »Matthew hat ihn mitgebracht.«

Die Kaffeetüte knallte zurück auf den Tresen. »Natürlich hat er das.«

»Seine einzige Bedingung für das Angebot einer freundlichen Packung mit einem halben Kilo Nachbarschaftskaffee war, dass ich dich überzeuge, ihn zu probieren.«

Cheyenne blinzelte die Fae an. »Er hat offensichtlich nicht bedacht, dass mich das davon überzeugen würde, es nicht zu probieren.«

»Nein, aber ich habe es getan. Ich nenne das Schwachsinn.«

Die Halbdrow warf der Tüte Kaffee, die perfekt auf ihren Goth-Geschmack abgestimmt war, einen Seitenblick zu. Dann zuckte sie mit den Schultern und öffnete den Schrank über der Kaffeemaschine, um einen Becher herauszuholen. »Gut, dass du mich besser kennst als er.«

»Es wäre komisch, wenn ich es nicht täte.« Ember lachte. »Im Kühlschrank ist Kaffeesahne.«

»Brauche ich nicht.« Cheyenne füllte den Becher bis zum Rand und beugte sich vor, um so viel wie möglich davon zu schlürfen. »Verdammt.«

»Ich weiß.«

»Jetzt muss ich mich bei dem Kerl bedanken, dass er mir das hier gezeigt hat …« Die Halbdrow nahm die Kaffeetüte wieder in die Hand und las das Etikett. »›Der stärkste Kaffee der Welt‹. Das können sie tatsächlich auf die Verpackung schreiben und damit durchkommen. Unglaublich.«

»Unglaublich lecker .« Lachend hob die Fae ihren To-Go-Becher für einen weiteren Schluck. »Ich glaube, ich bin verliebt.«

Cheyenne schmunzelte. »Okay, ich werde mich bei Mister Matthew Thomas für den Kaffee bedanken, aber den letzten Teil musst du ihm schon selbst sagen.«

»Was? Halt die Klappe. Ich meinte den Kaffee.« Ember drehte ihren Arm zurück, hielt den Kaffeebecher fest in der Hand und tat so, als würde sie ihn auf die lachende Halbdrow werfen.

»Ja, ja, ja.« Cheyenne lehnte sich gegen den Tresen und führte den Becher mit beiden Händen an ihre Lippen. »Ich stimme dir zu, zumindest was den Kaffee angeht.«

Sie blieben so sitzen und nippten an ihren Getränken. Ember legte den Kopf schief und betrachtete das schwarze Haarknäuel ihrer Freundin und die Schweißflecken auf ihrem schwarzen Hemd, die kaum sichtbar waren. »Noch mehr schlechte Träume?«

»Wow. Du guckst dir ja richtig viel von Sherlock Holmes ab, was?«

»Im Ernst, Cheyenne. Ich weiß nicht, warum du immer noch überrascht bist, wenn die Leute sehen können, was los ist. Es steht dir doch ins Gesicht geschrieben.«

»Ja, das sagen die Leute immer.«

Ember lachte. »Dieses Mal ist es aber in den Dreck geschrieben.«

»Oh.« Cheyenne wischte sich über die Wange und verschmierte eine Spur von Schweiß und Schmutz.

»Ach. Das macht es nur noch schlimmer.«

»Okay. Anstatt die beste Tasse Kaffee zu trinken, die ich seit langem getrunken habe, solange sie noch heiß ist, bist du bereit, mein Aussehen zu ignorieren, damit ich den Todeswunsch trinken und dir alles darüber erzählen kann?«

»Ach Halbblut, ich dachte schon, du würdest nie fragen.« Ember klemmte sich den To-Go-Becher wieder zwischen die Beine und rollte sich durch die Küche in das große Wohnzimmer. »Und zu deiner Information: Seit wir uns kennen, ignoriere ich, wie du aussiehst.«

»Das ist sehr aufmerksam von dir.« Cheyenne presste ihre Lippen zu einem weiteren Lächeln zusammen und folgte ihrer Freundin zu der neuen, schwarzen Ledercouch und den dazugehörigen Sesseln. »Als Nächstes sagst du, dass man ein Buch nie nach seinem Umschlag beurteilen sollte und dass nur das zählt, was drin steht.«

Die Fae rollte ihren Rollstuhl an den Rand des schwarz-silbernen Teppichs und warf der Halbdrow einen herablassenden Blick zu. »Nein, als Nächstes sage ich dir, dass du aufhören sollst, so eine Klugscheißerin zu sein und endlich die interessanten Sachen erzählen sollst.«

»Wie wär’s mit einem von zwei?« Cheyenne ließ sich auf den Ledersessel sinken, der ihrer Freundin am nächsten war. »Ich glaube, ich habe mich den ganzen Abend nicht einen Zentimeter bewegt.«

»Weißt du, ich wäre fast gekommen, um nach dir zu sehen. Aber dann dachte ich mir, dass es besser ist, wenn ich mir nicht von einer schrulligen Halbdrow, die ihren Schönheitsschlaf braucht, den Kopf wegpusten lasse.«

Lachend strich sich die Halbdrow durch ihr wirres, feuchtes Haar und wedelte dann mit der Hand im Kreis um ihr Gesicht. »Offensichtlich war das erfolgreich.«

»Okay, ich weiß, dass ich es angesprochen habe, aber wenn du mir versprichst, dass dies das letzte Mal ist, dass wir die Worte ›Schönheitsschlaf‹ sagen, bin ich bereit, diesen Teil des Gesprächs zu vergessen.«

»Abgemacht.« Cheyenne beugte sich über ihre dampfende Tasse Kaffee und nahm einen langen Schluck. »Okay. Wo soll ich anfangen?«

»Wie wäre es mit der Tatsache, dass du gestern Morgen überstürzt nach DC aufbrechen musstest?«

Die Halbdrow nickte langsam und hob den Becher über die Seite des Sessels, damit sie ihre Beine vom Boden hochziehen und sich in den Schneidersitz setzen konnte. »Das kommt mir vor, wie vor drei Tagen.«

»Aha. Genauso wie den ganzen Tag mit unserem freundlichen Nachbarn zu verbringen, der scheinbar unendlich viele Möglichkeiten hat, sich ›nützlich zu machen‹ und Ausreden zu finden, um noch ein bisschen länger zu bleiben.« Ember schmunzelte über den Deckel ihres Bechers hinweg und nahm einen weiteren Schluck, als ihre Freundin kicherte. »Nur eine Vorwarnung. ›Ich habe etwas Zeit totzuschlagen‹ ist Matthews Code für ›Ich werde den ganzen Tag hier sein, es sei denn, du sagst mir ohne zu lächeln, dass du mich nicht mehr hier haben willst‹.«

»Das musstest du ihm sagen, hm?«

»Ja und er dachte erst, ich mache Witze.« Ember hob die Augenbrauen und schaute auf den Couchtisch.

»Autsch.«

»Weißt du was? Das ist eine gute Übung für mich. Vergiss Sherlock Holmes. Ich schneide mir eine Scheibe von der Halbdrow ab. Es ist dir scheißegal, was andere denken.«

Cheyenne leckte sich über die Lippen und gab sich Mühe, nicht zu lachen. »Versuch nicht, zu sehr wie ich zu sein, Em. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich dadurch immer wieder in diese verkorksten Situationen bringe. Du wirst denken, dass ich mir alles ausdenke, wenn ich dir erzähle, was gestern passiert ist.«

Ember breitete ihre Arme aus und lehnte sich in ihrem Stuhl nach vorne, um zu rufen: »Warum zum Teufel reden wir dann noch darüber? Erzähl. Los!«