E leanor, das sieht toll aus.«
»Oh, das ist doch nichts.« Die Haushälterin winkte Embers Kompliment ab, als sie die Salatschüssel an Bianca weiterreichte. Trotzdem konnte sie ein stolzes Lächeln nicht verbergen. »Aber danke. Ich hoffe, es schmeckt dir.«
»Ich weiß, dass es das tun wird.« Die Fae schaufelte eine weitere Portion des geschmorten Gemüses – Rosenkohl, Champignons, Zwiebeln, Fenchelstücke, Karotten und Blumenkohl – auf ihren Teller.
»Es gibt auch einen warmen Rübensalat«, fügte die Haushälterin hinzu. »Ziegenkäse, kandierte Pekannüsse und eine Balsamicosauce. Wo ist denn der hin?«
Bianca bot die kleinere Schale mit den leuchtend roten Rüben mit einem kleinen Lächeln an, ohne sich zu ihrer Freundin, der Haushälterin, umzudrehen.
»Danke.«
Cheyenne belud ihren Teller und lächelte breit, als die Schüsseln herumgereicht wurden. »Wessen Idee war es, ohne Fleisch und Brot zu essen?«
Eleanor schaute die Halbdrow mit einer unbewegten Miene an und senkte ihr Kinn. »Rate mal.«
Die Halbdrow kicherte und Ember lächelte neben ihr.
»Du weißt genau, warum ich diese Entscheidung getroffen habe«, fügte Bianca hinzu und deutete mit den Zinken ihrer Gabel nach unten auf Eleanor. »Wir haben schon immer gesund gegessen und auf eine gute Ernährung geachtet. Aber es gibt viele Beweise dafür, dass Weizen und Gluten Gelenkentzündungen begünstigen und unserem Körper mehr Kohlenhydrate zuführen, als wir brauchen.«
»Wir führen dieses Gespräch nun schon seit Monaten«, fügte Eleanor hinzu, winkte mit der Hand in Richtung ihrer Arbeitgeberin und warf den jungen magischen Wesen einen verärgerten Blick zu. »Ich habe ihr gesagt, dass ich die Küche auffüllen und die gesamte Speisekarte ändern würde, wenn sie endlich zugibt, dass die Zeit sie ein wenig einholt.«
Cheyenne lachte. »Du meinst, sie versucht, es zu leugnen?«
Bianca griff nach ihrem zweiten Wodkasoda und nahm einen zaghaften Schluck. »Leugnen ist eine Sache, Cheyenne. Das Fehlen von Beweisen ist etwas ganz anderes.«
»Ha!« Eleanor schüttelte den Kopf und schaufelte sich einen großen Löffel Rübensalat auf ihren Teller, bevor sie ihn weiterreichte. »Vielleicht ist es der Mangel an Beweisen von außen. Ich meine, schau dir die Frau an. Ember, kannst du mir ehrlich sagen, dass die beiden nicht als Schwestern durchgehen könnten, wenn du sie auf der Straße siehst?«
»Das würde ich dir nie sagen«, erwiderte Ember und zwang sich, die Herrin des Hauses nicht anzusehen, während sie das sagte.
»Hört auf. Ihr beide.« Biancas Stimme war flach und abweisend, aber ihr kleines Lächeln verriet, dass sie das Kompliment zu schätzen wusste.
»Oh, sicher. Tu so, als ob es nicht wahr wäre. Das macht sie schon seit Jahren. Nicht alle von uns sind mit der Fähigkeit gesegnet, in zwanzig Jahren nur fünf Jahre zu altern.«
»Nun, sie muss etwas gesagt haben.« Cheyenne machte eine Show, indem sie das Geschirr auf dem Tisch betrachtete. »Ich sehe nämlich nur drei von fünf Lebensmittelgruppen.«
»Glückwunsch. Du hast das Rätsel gelöst.« Bianca hob ihr Kinn in Richtung ihrer Tochter auf die hochmütige Art, die sie geradezu beherrschte. »Was ich gesagt habe, geht nur Eleanor und mich etwas an. Wir haben beide bekommen, was wir wollten, also lassen wir es dabei bewenden.«
Eleanor schaute Ember an und machte ein überraschtes Gesicht, wobei sich ihre Mundwinkel nach unten zogen und sich ihre Augen weiteten. Die Fae lachte und entschied sich für ein Glas Mineralwasser anstelle eines dritten Cocktails. Cheyenne tat dasselbe.
»Willst du auch einen Master machen, Ember?« Bianca hob ein leuchtend rotes Rübenstück zum Mund und zupfte es mit den Zähnen ab, wobei ihre Gabel auf den Kopf gestellt wurde.
»Das wollte ich.« Ember zuckte mit den Schultern. »Aber Unfälle passieren und Pläne werden verschoben.«
»Ich verstehe.« Bianca nickte und tupfte sich den Mundwinkel mit einer Stoffserviette ab. »Ich kann natürlich nicht für deine Erfahrungen sprechen, aber soweit ich sehen kann, gehst du mit der ganzen Sache mit mehr Anmut um als die meisten Menschen, die in ihrem Leben nicht einmal halb so viel durchmachen.«
Embers Schlucken war so laut, dass es von allen gehört wurde. Schnell nahm sie noch einen Schluck Mineralwasser und nickte. »Danke.«
»Hmm.« Bianca lächelte und deutete mit ihrer Gabel auf die Fae. »Das hatte nichts mit meiner Gastfreundschaft zu tun, also lasse ich es durchgehen.«
»Oh.« Als die Fae den Scherz verstand, lachte sie. Eleanor schüttelte den Kopf und nahm noch mehr Ziegenkäse aus dem Rübensalat, um ihn auf ihren Teller zu geben. Cheyenne verdrehte die Augen und grub ihr Besteck in das geschmorte Gemüse.
»Glaubst du, dass du dein Studium in Zukunft wieder aufnehmen wirst?«
»Ich habe im Moment keine Ahnung. Die Uni hat mich vorübergehend beurlaubt, denke ich.« Ember stach mehr als einen großen Bissen Salat auf ihre Gabel. »Ich habe etwas Zeit. Im Moment konzentriere ich mich nur auf mich selbst.«
»Das ist wichtig. Es ist für jeden notwendig. Man kann eine Menge über sich selbst herausfinden, wenn man sich für eine Weile auf sich selbst konzentriert.«
Ember und Cheyenne tauschten Blicke aus und hätten fast gelacht. »Ich habe schon eine Menge herausgefunden.«
»Oh, daran habe ich keinen Zweifel. Vor allem, wenn du ein bisschen mehr Zeit mit Cheyenne verbringst.«
»Was soll das denn heißen?« Die Halbdrow sah ihre Mutter mit einem erwartungsvollen Lächeln an.
»Das frage ich mich auch«, fügte Eleanor hinzu.
Bianca hob ihr Glas und neigte den Kopf. »Meine Tochter hat es geschafft, sich ihren eigenen Weg zu bahnen, indem sie Töpfe umrührt, die seit Jahren niemand mehr angerührt hat, während sie ihr Haus für eine Freundin in Not öffnet. Sie nimmt sich immer noch Zeit für ihre Mutter. Wenn jemand, der auch nur etwas Zeit mit Cheyenne verbringt, nicht ein oder zwei Dinge über Authentizität und Beharrlichkeit gelernt hat, sollte er seine Prioritäten überdenken.«
Am Tisch herrschte fassungsloses Schweigen.
»Wow.« Cheyenne leckte sich das Salatdressing von den Lippen und zog die Augenbrauen hoch. »Mom verteilt heute Abend die Schmeicheleien.«
»Es ist keine Schmeichelei, wenn sie wohlverdient ist. Das weißt du doch.«
»Ich möchte auf dich anstoßen«, fügte Eleanor schnell hinzu. »Auf Cheyenne.«
»Ach, komm schon.« Die Halbdrow kicherte und griff nach ihrem Glas Bourbon.
»Auf Cheyenne und Ember.« Die Herrin des Anwesens hob ihr Glas höher.
»Ja, natürlich. Auf das Beschreiten neuer Wege.« Eleanor schrie jetzt fast und grinste von Ohr zu Ohr.
Die Halbdrow lächelte ihre Freundin an. »Zu so einem Trinkspruch kann man doch nicht nein sagen, oder?«
»Selbst wenn ich es wollte, hätte ich zu viel Angst vor dem, was passieren würde.«
Das brachte alle zum Lachen und dann wurden alle Gläser in die Mitte des Tisches gehoben.
Eleanor lachte. »Ich weiß gar nicht mehr, was ich gesagt habe.«
»Das kommt davon, wenn man einfach so auf jemanden anstößt.« Cheyenne schmunzelte. »Was Eleanor gesagt hat.«
»Was Eleanor gesagt hat.«
Lachend stießen die vier Frauen mit ihren Gläsern an und tranken auf das, was sie wollten. Bianca führte ihr Glas an die Lippen und begegnete dem Blick ihrer Tochter über dem feinen Kristallrand. Sie nahm einen unglaublich langen Schluck, sah dann weg und senkte ihr Glas. »Erzähl mir von dem Auto.«
»Oh, Mann. Jetzt geht’s los.« Die Halbdrow verdrehte spielerisch die Augen.
»Ich habe es gesehen, als du angekommen bist, Cheyenne. Wenn du dich verstecken wolltest, hättest du etwas anderes kaufen sollen.«
Eleanor lachte und knallte ihr Glas beinahe wieder auf den Tisch.
»Mom, wenn du willst, dass ich dich in meinem Porsche mitnehme, brauchst du nur zu fragen.«
»Ich fahre ihn lieber selbst.«
»Natürlich würdest du das.«
Ember nickte in Richtung der Vorderseite des Hauses. »Du solltest ihr wenigstens deinen Lieblingspart zeigen.«
Die Halbdrow runzelte die Stirn und sah auf ihren Teller hinunter. »Nein, das muss wirklich nicht sein.«
»Genau.« Ember sah Eleanor und Bianca ernsthaft an. »Ich hätte fast erwartet, dass sie die Einfahrt hochrollt und das Haus anhupt.«
»Die Hupe ist dein Lieblingsteil an diesem Panamera?« Bianca schnalzte mit der Zunge, als sie einen weiteren Bissen zum Mund führte.
»Nein.« Cheyenne warf Ember einen warnenden Blick zu, konnte sich aber ein weiteres Lachen nicht verkneifen. »Du brauchst nichts mehr zu sagen, Em.«
»Oh, nun gut.« Biancas kleines Lächeln wurde breiter. »Was ist es?«
»Es ist das andere Geräusch«, antwortete Ember für die Halbdrow. »Du weißt schon, der kleine Piepton des automatischen Schlosses.«
Eleanor sah die Halbdrow an, ihre Lippen zusammengepresst, während sie leise durch die Nase lachte. Bianca verschluckte sich, beugte sich nach vorne und griff nach ihrem Glas Mineralwasser. »Entschuldigt mich.« Sie nahm einen großen Schluck, stellte es dann langsam wieder ab und blinzelte. »Ich hoffe, du hast das Auto nicht nur wegen des kleinen Piepse ns gekauft.«
»Oh, ja. Das ist das Einzige, worauf ich bei einem Auto achte.« Cheyenne zuckte mit den Schultern und schaute sich am Tisch um. »Ich mag es, wie es sich anhört, okay? Und es ist ein tolles Auto.«
»Es ist auf jeden Fall besser als die Rostlaube, die du die letzten Jahre gefahren bist.«
»Ja, Mom. Ich bin mir des Unterschieds sehr bewusst.«
Bianca lächelte. »Was hast du mit dem Ford gemacht?«
Cheyenne und Ember warfen sich einen kurzen Blick zu, bevor die Halbdrow schnell wegschaute. Das hat Mom auf keinen Fall nicht mitbekommen. »Es war Zeit.«
Ember schnaubte.
»Ich verstehe.« Bianca betrachtete ihre Tochter noch ein wenig länger, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Teller zu. »Ich bewundere deine Entscheidung, so viele große Veränderungen auf einmal vorzunehmen. Das macht in vielerlei Hinsicht einen Strich durch die Rechnung, nicht wahr?«
»Ja, alles ist sauber.« Cheyenne lachte, als sie das Flattern der Augenlider ihrer Mutter bemerkte und Bianca Summerlin verdrehte fast die Augen.
»Wenigstens hältst du dich noch an deinen Stundenplan in der Uni.«
Die Halbdrow setzte sich ein wenig aufrechter in ihrem Stuhl hin und Eleanor brummte ein wenig neugierig.
Als Bianca ihre Tochter wieder ansah, war die Belustigung aus ihren Zügen verschwunden. »Cheyenne, bitte sag mir, dass du noch zur Uni gehst.«
»Natürlich, ich gehe noch zur Uni. Das ist gleich geblieben.«
»Aber?«
Cheyenne schaute an die Decke und neigte den Kopf zur Seite. »Mein Zeitplan hat sich ein wenig geändert.«
»Mmhmm.«
Ember zeigte auf ihre Freundin. »Sie wurde von einer fortgeschrittenen Studentin zu …«
Ohne Vorwarnung erbebten der Boden, der Tisch, die Stühle und das Geschirr. Eis klirrte in den Gläsern und von irgendwo auf der anderen Seite des Hauses kam das Klirren von Kristall, das auf anderes Kristall traf. Bianca legte ihre Handflächen fest auf den Tisch und starrte auf die polierte Holzoberfläche vor ihr. Ember schnappte sich ihr großes Gin-Glas, bevor es umkippte und Eleanor quietschte vor Überraschung und hielt sich mit beiden Händen an der Stuhlkante fest.
Cheyenne schaute sich im Esszimmer um und biss die Zähne zusammen.
Fast so schnell wie es begonnen hatte, hörte das Erdbeben auf.
Der Tisch wurde wieder still, als alles im Summerlin-Haus aufhörte zu klappern und zu wackeln. Bianca hob ihre Serviette wieder an ihren Mundwinkel. »Eleanor, erinner mich daran, dir zu danken, dass du mir die Installation des Kronleuchters im Esszimmer ausgeredet hast.«
»Ich stehe zu meiner Entscheidung.« Eleanor nickte langsam, ihre Augen weiteten sich. »Das war …«
»Unerwartet, ja. Ich werde es mir nach dem Essen ansehen. Das ist nur ein weiterer Vorteil, wenn man hier draußen lebt, weit weg von der Stadt, Ember.« Bianca lächelte die Fae höflich an und legte ihre Serviette zurück auf ihren Schoß. »Selbst die natürlichen Überraschungen fühlen sich viel isolierter an als …«
Die zweite Welle erschütterte das Haus mit überraschender Wucht. Die metallene Salatschüssel rutschte über das Tischende und fiel klappernd auf den Boden, gefolgt von der Mineralwasserflasche.
»In Ordnung. Alle unter der Treppe weg.« Bianca stand auf und stolperte vom Tisch weg. Sie half Eleanor aus ihrem Stuhl, indem sie die Hand der anderen Frau festhielt.
Cheyenne sprang auf und packte die Griffe von Embers Rollstuhl, bevor sie ihre Freundin vom Tisch wegzog.
»Cheyenne?« Ember rieb sich den Nacken und sah die Halbdrow mit großen Augen an.
»Ich weiß es nicht.« Die Halbdrow zog Ember vom Tisch weg und unter der Treppe hervor, dann drehte sie sich um und schaute aus der Fensterwand und über die Veranda. Ein dunkles Licht blitzte zwischen den Bäumen am Rande der kleinen Wiese auf. Eine Gruppe aus Eichen und Kiefern raschelte heftig, bevor die Bäume gegeneinander krachten. Das bebende Haus beruhigte sich ein wenig, aber ein langsames, tiefes Grollen stieg immer noch aus dem Boden auf. Die Halbdrow bemerkte es kaum, da ihre Aufmerksamkeit zwischen dem fast schmerzhaften Kribbeln auf ihren Schultern und dem zweiten dunklen Lichtblitz zwischen den Bäumen geteilt war. »Scheiße.«