Kapitel 31

I ch werde mein Haus ganz sicher nicht verlassen, Cheyenne.« Bianca lehnte sich in dem Sessel im Südflügel des Hauses zurück, ein Bein elegant über das andere geschlagen, während sie den Blick ihrer Tochter festhielt. Eleanor blickte schnell zwischen ihnen hin und her und schnappte sich ein Kissen von der Couch neben ihr, bevor sie es fest in ihren Schoß drückte.

Die Halbdrow, die sich gemütlich auf dem Sofa ausbreitete, während Ember neben ihr im Rollstuhl saß, nahm einen kleinen Schluck von ihrem Bourbon und nickte. »Das habe ich mir schon gedacht, aber ich musste einfach fragen.«

»Ich hoffe, deine Voraussicht hat dich dazu gebracht, eine Alternative in Betracht zu ziehen.«

»Ja und ich habe alles in die Wege geleitet.«

Ein kleines Lächeln schlich sich auf Bianca Summerlins fest zusammengepresste Lippen. »Ich wusste, dass du das tun würdest.«

»Sie werden in einer Stunde hier sein.«

Als ihre Tochter nicht mehr als das erklärte, schlug Bianca die Beine übereinander und lehnte sich im Sessel vor. »Wenn ich Gäste unterhalte, erwarte ich, dass ich vorher weiß, wer sie sind.«

»Du wirst niemanden unterhalten. Sie kommen wegen des Dings da draußen. Damit es nicht noch mehr anrichtet als das, was ihr vorhin gesehen habt.«

»Das war sehr beeindruckend«, fügte Eleanor hinzu und nickte der Halbdrow zu, bis ihre Arbeitgeberin ihr einen kurzen, ernsten Blick zuwarf. Die Haushälterin senkte ihren Blick und drückte das Kissen noch fester an sich. »Mmhmm.«

»Cheyenne.« Bianca hob eine Augenbraue.

»FRoE-Agenten, Mom. Sie sind die Einzigen, die mit so etwas umgehen können. Ich muss sie über alles informieren, aber sie werden dich beschützen, bis wir sicher sind, dass das Ding da draußen keine Gefahr für dich oder irgendjemand anderen in diesem Haus ist. Das verspreche ich.«

»Wird dieser widerwärtige Mann, der seinen Namen nicht nennen will, sich ihnen anschließen?«

»Das bezweifle ich. Zumindest nicht heute Abend.«

»Gut. Ich kann ihn wirklich nicht leiden.«

Eleanor lachte und tat schnell so, als würde sie husten.

»Ich mag ihn auch nicht, Mom, aber das ist alles, was ich im Moment tun kann. Es tut mir leid.«

»Cheyenne, ich will heute Abend keine weitere Entschuldigung von dir hören. Du hast eine chaotische Situation wunderbar gemeistert und ich bin bereit, alle Entscheidungen in dieser Sache in deine Hände zu legen, damit du das auch weiterhin tun kannst.«

Die Halbdrow erstarrte und sah ihre Mutter von der Seite an. Alle Entscheidungen. Sie ist verängstigt. »Ich kümmere mich darum.«

»Ich weiß. Ich bin immer noch sehr daran interessiert zu hören, was du mir über diesen Schandfleck erzählen kannst, der mir die Sicht versperrt.« Bianca schenkte ihrer Tochter ein angespanntes, bitteres Lächeln und nahm einen weiteren Schluck von ihrem neuesten Getränk, was auch immer es war.

»Klar.« Cheyenne warf einen Blick auf Ember, die ein Glas Rotwein in der Hand hielt und bereits die Hälfte davon getrunken hatte. »Das ist nicht das Einzige. Ich weiß nicht, wie viele es gibt. Hunderte, vielleicht Tausende auf der ganzen Welt. Die meisten von ihnen sind reguliert.«

»Von dieser Organisation.«

»Ja. Zum größten Teil. Aber diese Dinger sollten nicht einfach so aus dem Nichts auftauchen. Das ist neu. So ähnlich wie ein Erdbeben oder ein Tornado oder eine andere Naturkatastrophe.«

»Es ist ziemlich unnatürlich, um ehrlich zu sein. Aber ich verstehe es. Was ist es denn?«

Oh, das wird sie wirklich hassen. »Es ist ein Portal.«

Bianca Summerlin blinzelte zweimal, ließ ihr Glas in den Schoß sinken und schaute über den Kopf ihrer Tochter hinweg auf etwas im südlichen Korridor. »Ich verstehe.«

»Das auf die andere Seite führt.«

»Ich kenne mich mit Science Fiction aus, Cheyenne. So würde ein Portal funktionieren.« Die Mutter der Halbdrow schluckte und ihre Nasenflügel blähten sich auf, als ob alles, das mit dem Wort ›Magie‹ zu tun hatte, einen schlechten Geschmack in ihrem Mund hinterlassen würde.

»Es führt in eine andere Welt, Mom.«

»Das ist …«

»Seine Welt.«

»Genug, danke.« Bianca leerte den Rest ihres Getränks und stand auf. »Ich werde in meinem Arbeitszimmer sein. Sag mir bitte Bescheid, wenn deine Freunde kommen. Ich mag es nicht, wenn ich in meinem eigenen Haus überrascht werde, aber zweimal in einer Nacht wäre mehr, als ich verkraften könnte.«

Mit diesen Worten drehte sich die Frau um und ging am Esstisch und der Bar vorbei in ihr Arbeitszimmer auf der anderen Seite des Hauses. Cheyenne und Eleanor tauschten einen Blick aus, dann plusterte die Haushälterin das Kissen, das sie zerdrückt hatte, ordentlich auf und stand ebenfalls auf. »Wenn du etwas brauchst, Süße …«

»Ich werde wissen, wen ich finden muss. Danke.«

Mit einem straffen Lächeln legte Eleanor sanft eine Hand auf die Schulter der Halbdrow, tätschelte sie kurz und ging dann in den südlichen Flur, der dem Sesselkreis und dem Sofa am nächsten war. Eine Tür öffnete und schloss sich mit einem leisen Klicken und Cheyenne drehte sich zu Ember um.

»Bist du okay?«

»Mhm.« Die Fae vergrub ihr Gesicht in dem großen Weinglas, schluckte und nickte. »Der ist ausgezeichnet.«

»Ja, sie hat eine ziemlich beeindruckende Sammlung.«

»Und ich trinke davon.« Ember lachte leise. »Weißt du, ich glaube, ich mag es lieber, wenn du all die verrückten Sachen allein erlebst und mir später davon erzählst.«

»Oh, so ist es viel unterhaltsamer für dich, hm?«

»Unterhaltsam, Punkt.« Langsam drehte das Fae-Mädchen den Kopf und begegnete dem Blick ihrer Freundin mit einem besorgten Stirnrunzeln. »Bei dir hört sich das an, als wäre es ein tolles Abenteuer mit ein paar Arschlöchern auf dem Weg. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es auch noch anderen gruseligen Mist gibt.«

Cheyenne schmunzelte. »Meinst du den Riesenskorpion, der mich fast zu Tode gequetscht hat oder die seltsame Art, wie ich um meine Mutter herumschleichen muss, wenn es um die ganze Sache geht?«

Ember kicherte leise und schüttelte den Kopf. »Einfach alles. Ich hatte keine Ahnung und ich kann mir immer noch nicht erklären, wie du es schaffst, nach so etwas sofort Witze zu machen.«

»Es ist viel einfacher, sich in all den dunklen und schrecklichen, tödlichen Dingen zu verfangen. Ich schätze, ich mag einfach eine Herausforderung.«

»Du bist unglaublich.«

»Ja. Das haben wir doch auch schon geklärt.« Mit einem kleinen Lächeln nahm Cheyenne noch einen Schluck von ihrem Bourbon und stellte ihn auf dem gläsernen Couchtisch ab. »Wir haben noch ungefähr eine Stunde Zeit, bevor jemand auftaucht. Willst du eine Tour?«

Embers Augen weiteten sich. »Eine was

»Eine Tour, Em. Durch das Summerlin-Anwesen. Glaub mir, das sieht jetzt alles nach viel aus, aber was du bisher gesehen hast, ist nicht mal die Hälfte davon.«

»Ich lasse mich nicht von dir und Eleanor diese riesige Treppe hinaufschleppen.«

Mit einem Lachen stand Cheyenne vom Sofa auf und ging um den Rollstuhl herum. »Kein Problem. Soll ich das Steuer übernehmen?«

»Ich darf sowieso nicht fahren, nachdem ich getrunken habe.«

»Ha.« Cheyenne packte die Griffe und drehte die Fae herum, um sie durch den Südflur auf die andere Seite des Hauses zu schieben. »Biancas Arbeitszimmer ist natürlich auf der anderen Seite. Das ist so ziemlich der einzige Raum dort drüben und ich komme nicht sehr oft hinein. Diesen Teil überspringen wir.«

»Ja, ich wette, es ist sowieso irgendwie fade und stinklangweilig.«

Beide Frauen lachten.

»Okay. Großes Gästebadezimmer.« Cheyenne öffnete die erste Tür zu ihrer Linken.

»Mein Gott, das ist ja riesig.«

»Ja.« Die Halbdrow schloss die Tür wieder und fuhr fort. »Ich kann nicht glauben, dass ich dir gerade ein Badezimmer gezeigt habe.«

»Hey, das ist eine wichtige Sache, die man wissen muss.«

»In Ordnung. Unten an der Haustür gibt es einen riesigen Abstellraum und eine Garderobe. Die ist auch riesig. Hier drüben …« Die Halbdrow deutete auf die schwingenden Doppeltüren mit den runden Fenstern oben, die man in Küchen von Spitzenrestaurants verwendete. »Eleanor ist nicht nur eine fantastische Köchin, klar? Sie macht noch einen ganzen Haufen anderer Sachen, von denen ich nicht einmal so tue, als wüsste ich sie, aber das hier ist so ziemlich ihr Reich. Abgesehen von ihrem Zimmer, natürlich.«

Cheyenne drehte sich um und zog ihre Freundin rückwärts durch die Schwingtüren.

»Sie wohnt hier?«

»Ja, habe ich dir das nicht gesagt?«

»Ich kann mich gerade kaum noch an meinen Namen erinnern, Halbdrow. Zwing mich nicht, ein Quiz zu beantworten.«

Leise lachend drehte Cheyenne ihre Freundin wieder um. »Sieh mal. Die Küche meiner Kindheit.«

»Mein Gehirn wird explodieren.«

»Wenn es nicht schon passiert ist, Em, denke ich, dass du in Sicherheit bist.« Sie gingen durch die Großküche nach ganz hinten. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Mutter das hier nach dem Vorbild eines Restaurants ihres Lieblingskochs eingerichtet hat. Ich weiß nicht mehr, wie der Typ hieß.«

»Ernsthaft?«

»Ja. Ich stehe auf viele verschiedene Dinge, aber Essen ist einfach nur Essen, ganz ehrlich. Du isst es, es ist weg, keine große Sache.«

»Du wirst vom Blitz getroffen, wenn du das hier drinnen sagst.«

»Nein. Eleanor ist mit etwas anderem beschäftigt.« Die Halbdrow hielt neben einer schlichten, weißen Tür in der hinteren Ecke der Küche an und legte den Lichtschalter an der Wand daneben um. »Das wird dir gefallen.«

»Die Speisekammer ist auch riesig, oder?«

Cheyenne lachte. »Auf jeden Fall. Die ist auf der anderen Seite, neben dem begehbaren Kühlschrank.«

»Natürlich ist sie das.« Ember verdrehte die Augen und schaute auf die Edelstahlgeräte in der riesigen Küche, die ein Fünf-Sterne-Restaurant beherbergen könnte. »Warum warten wir dann hier?«

Die Halbdrow antwortete nicht.

»Cheyenne?«

Die Tür vor ihnen schob sich seitlich in die Wand und die Halbdrow zog ihre Freundin rückwärts in einen kleinen quadratischen Raum von der Größe einer normalen Abstellkammer.

»Auf keinen Fall.«

»Doch.« Die Halbdrow drückte einen der vier Knöpfe auf einer Tafel an der Wand und die Tür glitt wieder zu. Der Aufzug ruckelte ein wenig, als er das Erdgeschoss verließ und nach oben fuhr. »Oh-oh. Das war beim letzten Mal kein Problem.«

»Wann war das letzte Mal?«

»Oh, ich weiß es nicht. Vor zehn Jahren, vielleicht.«

»Im Haus deiner Mutter gibt es einen Aufzug.«

Cheyenne lachte. »Das macht es viel einfacher für Eleanor, ein Frühstückstablett zu bringen, nicht wahr?«

»Und sie bekommt Frühstück im Bett. Ich bin … Ich weiß nicht einmal, was ich bin.«

»Kein Frühstück im Bett. Normalerweise machen sie es beide. Zumindest war das so, als ich noch hier gewohnt habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das geändert haben, nachdem ich ausgezogen bin.«

Der Aufzug rumpelte wieder, als er zum Stehen kam, aber die Tür öffnete sich so sanft wie immer. Cheyenne schob ihre Freundin in den Flur hinaus und hielt inne, um eine größere Wirkung zu erzielen.

»Okay. Ein anderer Flur. Etwas Normales.«

»Ja, ein normaler Flur in den oberen Wohnräumen.«

Ember schaute die Halbdrow über ihre Schulter an. »Was zum Teufel hast du gerade zu mir gesagt?«

»Du wirst schon sehen.«