Bin in Eile«, sagte die gehetzt aussehende Kundin. »In grosser Eile. Haben Sie Zeit für mich? Aber sofort!«, bellte sie mich in Befehlston an.
Ich war gerade mit dem Einpacken eines Buches beschäftigt. Gab mir besondere Mühe, den Geburtstagwunsch eines Kindes festlich auszuschmücken. Sah im Geist den Geburtstagstisch und darauf in der ersten Reihe meine Kreation prangen. Es gibt für mich als lebenslangen Junggesellen kaum Erfüllenderes, als Kindern eine Freude zu bereiten.
Deshalb reagierte ich auch etwas unwirsch:
»Einen Augenblick bitte sehr«, sagte ich zur Dame, die ein buntes Kopftuch um ihr Haupt geschlungen hatte, als sei sie mit Hausarbeiten beschäftigt, »Sie sehen ja, dass ich noch beschäftigt bin.« »Ich benötige Ihre Hilfe aber sofort. Unmittelbar! Es ist keine Zeit zu verlieren. Ansonsten entsteht eine mittlere Katastrophe. Und Sie«, jetzt zeigte die Frau undamenhaft mit dem Zeigefinger auf mich, als wolle sie mich damit erdolchen, das ›Sie‹ sprach sie dabei so despektierlich aus, dass der Anfangsbuchstabe in ihrem Kopf bestimmt in Kleinstschrift festgehalten war, »und sie sind dann an dem Desaster schuld. Ich werde sie verklagen unterlassener Hilfeleistung wegen!«
Vor Überraschung blieb mir schlicht der Mund offen. Voll kindlichen Staunens starrte ich die Frau offensichtlich an, denn sie begann ungeduldig von einem Fuss auf den anderen zu treten, mit ihren zehn Fingern eine vollständige Nocturne, so schien es mir wenigstens, auf das Holz des Packtischs trommelnd. Dazu verfärbten sich ihre Wangen in ein hell strahlendes Rosa, das das leuchtende Kopftuch weit in den Schatten stellte.
Meinerseits bemühte ich mich weiter um das Geschenk, liess mir das mich so beglückende Bild des Kindergeburtstags nicht entgleiten, hielt mich mit allen verfügbaren Hirnzellen daran fest. Nein, Provozierenlassen kam nicht in Frage.
Mein Blick war auf die Ausschmückung der Geschenkpackung gerichtet. Kein Auge warf ich in Richtung der Kundin. Ignorierte sie voller Absicht. Da hörte ich Schritte auf die Packecke zukommen, die einen schrillen Kopfalarm auslösten. Denn, wenn ich eine Fähigkeit besitze, dann ist es das Erkennen von Tönen und Geräuschen. Diese Schritte gehörten unzweideutig dem Besitzer der Buchhandlung. Und ich weiss, wie ungehalten er bei wartenden, ungeduldigen Kunden reagieren kann.
So blieb mir nichts anderes übrig, als mich der nach überschallschnellen Bedienung lechzenden, in Ausdruck und Wesen beleidigenden Frau zuzuwenden. Lieber zehn Minuten Ungemach, als arbeitslos, sandte mein Gehirn Kopfheb-Impulse zu meinen Nackenmuskeln. Und das war gut so. Denn ich sah schon die zusammengekniffenen Augen des Chefs, dessen Augenbrauen sich bereits unheilvoll zusammenzuziehen begannen. Ein Sturm der Ungehaltenheit war kurz davor auszubrechen, mit Wortblitzen, Donnerstimme und orkanartigen Bewegungen, den es zu verhindern galt.
Und so liess ich das Geschenk, mit dem ich noch nicht vollkommen zufrieden war, Geschenk sein. Überreichte es dem wartenden Käufer und wandte mich der Dame zu, nicht bevor meine Zwerchfellmuskulatur den beidseitigen Fazial-Nerven den Befehl erteilt hatte, ein sauberes, wenn auch nicht ehrliches Lächeln aufzusetzen, was mir mit viel Überwindung und Seelenstärke nach 3,6 Sekunden auch gelang. Glücklicherweise habe ich noch einen Verstand, der die Oberaufsicht auch über negative Gefühlswallungen besitzt und diese wenigstens an der Oberfläche unterdrücken kann.
»Guten Tag! Was kann ich für Sie tun?«
Der Versuchung, das S kopfseitig noch kleiner zu schreiben, als die Kundin das kurz zuvor unternommen hatte, konnte ich, meine Instinkte brutal unterdrückend, verhindern.
»Ich muss unbedingt und zwar umgehend sofort ein Rezeptbuch konsultieren.«
»Sie wollen ein Kochbuch erwerben?«
»Fragen sie nicht so dümmlich. Natürlich das Kochbuch, das ich vor sechs Jahren in diesem Saftladen erworben habe. Erinnern Sie sich nicht? Ich finde es zuhause nicht! Und das Gericht ist bereits im Ofen. Ich muss nur noch die letzten Zutaten beifügen. Mein Mann bringt mich um, wenn es nicht gleich schmeckt wie an unserem Verlobungstag, als ich es ihm kredenzt und ihn auch dadurch gewonnen habe. Die Liebe geht ja durch den Magen, oder etwa nicht?«
Ein Gericht, dachte ich, ohne meine Fantasie zügeln zu können. Nur welches? Das Jüngste oder ein Irdisches? Für das Ehepaar? Oder nur für die so ungeduldige Dame? »So oder so, wohl bekomms!« Dieser Gedankenschatten klopfte laut an meine Schädeldecke und ich konnte ihn vor dem Eindringen in mein Hirn wie eine lästige Schmeissfliege mit beiden Händen verscheuchen. Danach sogar ein ehrliches Lächeln aufsetzen!
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