H-UND-E-WISSEN

Ganz verschämt kam der Herr zur Information unserer Buchhandlung. Er führte seinen Rauhaardackel, ein süsses Kerlchen, an der Leine. Sobald er anhielt, setzte sich dieser brav hin. Der Herr lobte ihn deshalb auch ausführlich:

»Brav Paschat, sehr brav! Bist ein guter Hund! Der beste Dackel aller Dackel dieser Welt.« Dabei sah er mich beinahe so treuherzig an wie der Dackel ihn und fuhr dann fort:

»Wissen Sie, Paschat ist mein Begleiter. Sein Name, Sie werden lachen, stammt aus dem Französischen. ›Bin-keine-Katze‹ lautet die Übersetzung. Muss ja gesagt werden. Ich lebe einsam in einem alten Bauernhaus. Bin Komponist. Das Bellen meines Paschat inspiriert mich immer wieder zu neuen, noch unbekannten, unerhörten Kompositionen und Akkorden. Auch er ist sehr musikalisch. Spitzt immer wieder die Ohren, wenn ich probiere. Am Piano probiere.«

Ich wurde langsam ungeduldig, denn hinter dem Mann bildete sich eine Schlange von Auskunftsheischenden. Ich konnte diese nicht so lange warten lassen. Warten lassen eines Hundes oder seines vereinsamten Herrchens wegen. Bestimmt würde der Kunde gleich beginnen, mir seine Lebensgeschichte zu erzählen. Er meinte wohl, in mir eine Pille gegen seine ihm fehlende Zweisamkeit gefunden zu haben. Aber nicht mit mir, dachte ich.

Ganz abgesehen davon, dass er ungepflegt daherkam. Er trug zwar einen Schlips, aber darauf war das Eigelb des Frühstücks verewigt. Und unter dem Sakko schaute ein Zipfel seines ungebügelten, wei-ssen Hemds hervor. Dass sich ein Mensch vernachlässigt, kann ich beim besten Willen nicht ausstehen. Da stehen mir alle Haare zu Berge und ich bekomme Hühnerhaut. Was auch bei dieser Gelegenheit der Fall war.

Doch wie sollte ich den Mann loswerden, ohne unfreundlich zu sein? Hier in der Bücherwelt sind wir alle auf Freundlichkeit getrimmt. Es ist eines unserer Alleinstellungsmerkmale, wie es unser Besitzer jeweils mit diesem entsetzlichen und nicht sehr freundlichen Wort ausdrückt.

In meinem Hirn jagten sich die Gedanken: Den Herrn auf die Bestseller aufmerksam machen. Ihn in das hauseigene Café weisen. Ihn zu unserer grossen Tierliteraturabteilung begleiten lassen. Letzteres schien mir der beste Weg zu sein, Hund und Herr von meiner Informationstheke zu entfernen. Ich griff also zum Telefonhörer, um die Aushilfsbuchhändlerin, eine Studentin der Veterinärwissenschaften, zu mir zu beordern, auf dass sie sich mit dem Geschichtenerzähler herumschlagen könne.

Doch da setzte der Kunde wieder sein scheues Lächeln auf, das durchaus sympathisch war und hob an:

»Wissen Sie, mich verfolgt ein böser Traum. Was, wenn Paschat eines Tages nicht mehr ist? Wenn er überfahren wird? Er sich die Hundestaupe einhandelt? Diese Einsamkeit würde ich nicht überleben. Und auch mein künstlerisches Schaffen wäre dahin.

Ich denke bereits lange an Nachwuchs. Also, verstehen Sie mich richtig, nicht eigenen, der würde mich zu sehr in meiner Arbeit stören. Ebenso eine Ehefrau. Oder eine, wie es so schön heisst, Lebensabschnittspartnerin. Nein, ich denke an Welpen. Ich habe für Paschat bereits eine entsprechende Hündin im Auge. Doch der arme Kerl, weiss er, wie es geht? Haben Sie vielleicht ein Hundeaufklärungsbuch in der Abteilung? Damit er lernen, es erlernen kann. Paschat ist so unschuldig!«

Und der Mann bückte sich, um seinen Liebling zu tätscheln, und ich wählte die Nummer der Tierliteraturabteilung, um nicht zum Band Ungebetene Gäste, das auf dem Schnäppchentisch vor meiner Theke zum Schleuderpreis vermarktet wurde, zu greifen.