»Aber schau doch, was du erreicht hast, Fisita. Ich habe die New Yorker Artikel gelesen. Du bist mejor pintora que cualquier pintor und ›eine so beachtliche wie mysteriöse Malerin‹.«
»Das Time Magazine schrieb von der ›kleinen Frida mit dem finsteren Blick‹, als ob ich ein Kind wäre. Oder schlimmer, eine Ehefrau.«
»Nein, sie sind es nur nicht gewohnt, dass eine Frau Bilder malt, die einen an der Gurgel packen. Und die Vogue! Das Foto deiner Hände voller Ringe in der Vogue!«
»Die New York Times meint, dass meine Themen eher Obstetrik als Ästhetik sind.«
»Das würde ich an deiner Stelle als Kompliment auffassen.«
»Jetzt hör aber auf, Diego.«
»Warum? Weißt du, dass Picasso mir geschrieben hat, um mir zu sagen, dass er dich restlos bewundert?«
»Hast du mir schon gesagt.«
»Warum bist du nach deiner Rückkehr aus Paris nicht noch in New York geblieben? Julien Levy hatte doch jede Menge Pläne mit dir.«
»Clare Luce, die Redakteurin von Vanity Fair, ist in Ohnmacht gefallen, als sie mein Bild von Dorothy Hales Suizid gesehen hat. Sie hasst mich. Sie hält mich für eine Irre. Was hat sie denn erwartet? Ein feines Bild von Dorothys hübschem Gesicht? Isamu Noguchi hat mir erzählt, dass sie mein Bild mit dem Messer zerfetzen wollte und er sie daran gehindert hat.«
»Erzähl mir bloß nichts von Noguchi, Frida.«
»Wenn du so eifersüchtig bist, warum bist du dann enttäuscht, dass ich nicht in den USA geblieben bin?«
»Weil du dabei bist, dir einen Ruf zu erwerben und dein Talent zu entfalten. Und ausgerechnet jetzt, wo die Leute anfangen, sich für Frida Kahlo zu interessieren, wo sie anfangen zu begreifen, dass du einer der wichtigsten Künstler unserer Zeit bist, versteckst du dich hier in Coyoacán, mit deinen Puppen, Tieren und deinem Gespensterglauben, statt dich in die Arena zu werfen, zu kämpfen und an Bedeutung zu gewinnen.«
»Was willst du denn? Ich bin nicht du, Diego, ich hab’s versucht, aber ich bin nicht du. Ich habe keine Lust, berühmt zu werden. Mir ist die Arena egal, auch die Bourgeois, die einen in den Hintern kneifen, ich baue mir keine Karriere auf. Kämpfe ich etwa nicht, Diego? Ich verbringe die Hälfte meines Lebens im Krankenhaus und lasse an mir herumschnippeln, als wäre ich Fleisch in der Auslage eines Metzgers. Ich bin nicht krank, ich bin gebrochen! In Paris dachte ich, ich sterbe. Mir tut ständig alles weh, ich weiß gar nicht mehr, wie es ist, wenn einem nichts wehtut, weder der Rücken noch die Hände, noch die Beine, noch der Bauch. Ich habe keine Füße, ich habe Hufe, man hat mir die Zehen weggenommen, ich humple; im Nachtlokal kann ich beim Tanzen nur noch zuschauen. Meine Fehlgeburten zähle ich schon gar nicht mehr. Vier, fünf oder sechs? Und du sagst, dass ich nicht kämpfe? Ich lebe seit zehn Jahren mit dir, und du sagst, dass ich nicht kämpfe!«
»Na gut, mi amor, jetzt kannst du dich ausruhen.«
»Wieso?«
»Ich will mich scheiden lassen.«