Pamela Suttner (39, arbeitslos)

– Sie bezahlen das Bier, wenn ich mit Ihnen rede?

– Richtig. Sie können trinken, so viel Sie wollen.

– Sie werden bereuen, dass Sie das gesagt haben.

– Die Informationen, die ich von Ihnen bekomme, sind bestimmt ein paar Biere wert, da bin ich mir sicher.

– Sie glauben also wirklich, dass Bachmair die Dalek auf dem Gewissen hat?

– Noch glaube ich gar nichts.

– Von mir aus können Sie diesen Drecksack ans Kreuz nageln.

– Im Moment sammle ich noch Informationen. Ich rede mit allen, die mit der Sache irgendwie zu tun haben.

– Sie sind also ein Spürhund?

– Könnte man so sagen, ja.

– Und jetzt schnüffeln Sie bei mir herum?

– Genau.

– Tun Sie sich keinen Zwang an, Sie können ruhig ein bisschen näher heranrutschen. Was wollen Sie wissen?

– Wie lange haben Sie für Bachmair gearbeitet?

– Acht Jahre. Niemand hat so lange durchgehalten wie ich. Alle anderen sind davongelaufen oder wurden entlassen. Keiner hat ihn so lange ertragen. Sogar die Hausmanager wurden alle eineinhalb Jahre ausgetauscht.

– Sie und Rita Dalek haben sich gekannt?

– Was für eine blöde Frage. Natürlich haben wir uns gekannt. Ich habe die Dalek angelernt. Alles, was sie wissen musste, habe ich ihr beigebracht. Wie der Laden funktioniert, was sie tun darf und was nicht, wie man durchkommt, ohne aufzufallen. Die Dalek hatte mir einiges zu verdanken.

– Sie waren befreundet?

– Nein. Wir haben nur für dasselbe Arschloch gearbeitet.

– Was noch?

– Manchmal haben wir die Dienste getauscht. Am Anfang waren wir ein paar Mal was trinken, aber das hat dann aufgehört.

– Warum?

– Man kann nicht alle Menschen mögen, oder? So funktioniert diese Welt nun mal nicht. Vor allem nicht in so einem Haus, mit so einem Chef. Da muss jeder auf sich selbst schauen.

– Und trotzdem sind Sie unter die Räder gekommen.

– Ja. Und die Dalek war nicht ganz unschuldig daran.

– Wenn ich das richtig verstanden habe, hat Bachmair Sie nach acht Jahren einfach entlassen. Warum?

– Weil ich gewusst habe, was los ist.

– Was haben Sie gewusst?

– Dass er Pretty Woman mit ihr gespielt hat.

– Was kann ich mir darunter vorstellen?

– Kann ja nicht sein, dass Sie den Film nicht kennen. Julia Roberts und Richard Gere. Den müssen Sie doch gesehen haben, ist ein Klassiker. Ein Milliardär holt eine Prostituierte aus der Gosse und kleidet sie ein, bringt ihr Manieren bei, führt sie in die bessere Gesellschaft ein. Voll das Märchen. Das hat Bachmair beinhart durchgezogen. Weiß der Himmel, warum er sie dafür ausgesucht hat.

– Vielleicht waren die beiden ja intim?

– Natürlich waren sie das, was glauben Sie denn? Sie hat es sich von ihm besorgen lassen, ganz klar. Warum hätte er sie denn sonst überhaupt in seine Nähe lassen sollen? Das war bestimmt so ein schräges sexuelles Ding.

– Was meinen Sie damit?

– Die Dalek war zwanzig Jahre älter als Bachmair. Die haben ganz sicher irgendwelche kranken Rollenspiele durchgezogen. Sie wissen doch, wie das ist, je abartiger, desto besser. Wenn man so viel Geld hat, kann man auch seine Putzfrau ficken.

– Sie können aber nicht mit Sicherheit sagen, dass die beiden ein Verhältnis hatten, oder?

– Ist doch scheißegal. Es geht darum, dass er aus der Dalek eine Prinzessin gemacht hat. Und dass ich mehr oder weniger die Einzige bin, die davon weiß.

– Wann hat das angefangen?

– An dem Tag, an dem er sie rausgeworfen hat. Da ist er völlig durchgedreht, weil sie in seinem Badezimmer aufgetaucht ist, während er geduscht hat. Niemand, der bei Verstand gewesen wäre, hätte so etwas gewagt.

– Er hat mit Konsequenzen gedroht?

– Er ist durchs Haus gelaufen und hat so laut geschrien, dass diejenigen, die ihn noch nie zuvor gesehen hatten, richtig Angst vor ihm bekamen. Er wollte alle entlassen, wenn die Dalek noch einmal das Haus betreten würde. Er war wirklich außer Kontrolle, ich dachte damals, dass es das war mit ihr. Aber kurze Zeit später war sie wieder da.

– Sie ist wieder zur Arbeit gekommen?

– Nein. Sie war sein Gast. Ich habe sie nur zufällig gesehen. Ich war in der Tiefgarage, habe heimlich dort geraucht, als sie aus seinem Wagen stieg. Der Chauffeur hat sie gebracht, er hat ihr sogar die Tür aufgehalten. Damit hätte ich in hundert Jahren nicht gerechnet.

– Vielleicht wollte er ihr einfach noch eine zweite Chance geben?

– Wie reden hier von Bachmair. Der gibt niemandem einfach noch eine zweite Chance. Er kann sich Putzfrauen kaufen, so viele er will.

– Zuerst hat er sie also entlassen, und dann hat er sie von seinem Chauffeur abholen lassen und sie in seinen Privaträumen empfangen.

– Ja. Und die wenigen, die davon wussten, haben Geld bekommen, damit sie es für sich behalten.

– Er hat Sie dafür bezahlt, dass Sie schweigen? Und trotzdem reden Sie jetzt mit mir darüber?

– Bachmair ist ein Arschloch.

– Sie wollten mehr Geld, und er hat es Ihnen nicht gegeben, richtig?

– Richtig. Anstatt mich ordentlich zu bezahlen, hat er mich entlassen und mir gedroht. Wenn ich jemandem etwas von ihm und der Dalek erzähle, würde er mich verklagen. Das würde mich ein Vermögen kosten. Von einer Verschwiegenheitsklausel in meinem Arbeitsvertrag hat er geredet.

– Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie diese Verschwiegenheitsklausel gerade brechen.

– Aber Sie sind doch Kriminalbeamter, oder? Ich bin praktisch gezwungen, Ihnen die Wahrheit zu sagen. Sie ermitteln in einem Mordfall. Ich kann gar nicht anders, als Ihnen den ganzen Scheiß zu erzählen. Ist doch korrekt? Und Sie wollen es doch, oder?

– Das könnte man durchaus so sehen, ja.

– Ich möchte, dass Bachmair seine Strafe bekommt.

– Wofür?

– Ich war zwar keine Freundin von der Dalek, aber so einen Tod hat niemand verdient.

– Haben Sie irgendwelche Beweise dafür, dass Bachmair etwas damit zu tun hat?

– Wenn ich Beweise hätte, wäre ich jetzt reich. Ich weiß nur, dass die Dalek nicht nur einmal bei ihm oben war, sondern öfters. Er hat sie sogar zu einer seiner Partys eingeladen. So gut hat sie sich gar nicht verkleiden können, dass ich sie nicht erkannt hätte.

– Waren Sie neidisch?

– Auf die Dalek? Wie kommen Sie denn darauf?

– Sie war keine Putzfrau mehr. Vielleicht wären Sie ja gerne an ihrer Stelle gewesen? Das wäre durchaus verständlich. Wer wäre nicht gerne plötzlich eine Prinzessin?

– Ich bin froh, dass ich mit dem Psychopathen nichts mehr zu tun habe. Außerdem haben wir ja gesehen, wo das hinführt, wenn man glaubt, dass man das Nest einfach so verlassen kann. Aber niemand fliegt einfach so davon. Bachmair hat die Dalek wieder runter auf den Boden geholt. Oder noch besser, das Schwein hat sie unter die Erde gebracht.

– Dass er Rita Dalek an sich heranlässt, macht ihn aber noch nicht zum Mörder.

– Vielleicht ja doch. Ich habe ein Gespräch zwischen den beiden belauscht. An dem Tag, an dem er sie zuerst kündigen wollte und sie dann in seinem Salon empfangen hat.

– Und worum ging es?

– Ich weiß es nicht genau, aber er hat ihr Geld angeboten. Viel Geld.

– Wofür?

– Auch das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass er ihr fünfzigtausend Euro gegeben hätte, sie aber lieber Kleider wollte, wenn ich das richtig verstanden habe. Und eine schöne neue Frisur. Bachmair sollte dafür sorgen, dass aus dieser Kröte ein Schwan wird. Können Sie sich das vorstellen? Irgendetwas ganz Großes war da im Busch. Völlig abgefahren, was die Dalek da abgezogen hat.

Pretty Woman.

– Sag ich doch die ganze Zeit.

– Möchten Sie noch ein Bier?

– Unbedingt.

– Wissen Sie, ob Bachmair Drogen genommen hat?

– Woher soll ich das wissen?

– Sie haben acht Jahre lang für ihn gearbeitet, Sie haben bestimmt so einiges mitbekommen, oder?

– Man sagt, dass er kokst. Aber wer weiß, ob das stimmt. Im Gegensatz zur Dalek war ich zu seinen Partys ja nie eingeladen.

– Dafür leben Sie noch.

– Das stimmt allerdings. Es hätte der Dalek klar sein müssen, was passiert, wenn sie sich mit solchen Leuten einlässt.

– Sie haben kein Mitleid?

– Nein.

– Warum waren Sie dann bei ihrem Begräbnis? Ich habe Sie dort gesehen. Ich dachte, man geht nur zu Beerdigungen von Menschen, die man gemocht hat.

– Ihr Mann tat mir leid.

– Sie kennen ihn?

– Aus der Kneipe, ja. Dort, wo ich gerne abhänge, trinkt auch er seine Bierchen. Hat sich zufällig so ergeben.

– Zufällig?

– Die Dalek hat uns vorgestellt irgendwann. Ich sage doch, dass wir am Anfang gerne ab und zu was miteinander getrunken haben.

– Sie haben den privaten Kontakt zu Rita Dalek abgebrochen, aber sich mit ihrem Mann weiterhin getroffen?

– Ist ja nicht verboten, oder? Hätte ich ihm verbieten sollen, in derselben Kneipe zu saufen?

– Sie hatten also mit Manfred Dalek hinter dem Rücken seiner Frau regelmäßig Kontakt?

– Was soll das heißen? Hinter ihrem Rücken. Wir haben nur gesoffen, nicht gevögelt.

– Haben Sie ihm auch erzählt, was Sie mir erzählt haben? Die Pretty-Woman-Geschichte? Weiß er, was seine Frau gemacht hat, während er auf Montage war?

– Ja, natürlich habe ich es ihm erzählt. Er hatte doch ein Recht darauf zu erfahren, was sie so treibt. Oder würden Sie gerne so hinters Licht geführt werden? Sie geht im Haus eines Milliardärs ein und aus, und er muss seine Abende allein in einer Spelunke verbringen. Sie hat Unmengen an Geld in den Wind geschlagen, und er hat kaum so viel, dass er sich sein Feierabendbier leisten kann. Ist doch nicht gerecht, oder?

– War er wütend, als Sie es ihm erzählt haben?

– Er hat mir nicht geglaubt. Ich kenne meine Rita, hat er gesagt. Er hat darauf bestanden, dass sie ihm nie etwas verheimlichen würde. Am Ende habe ich ihn aber vom Gegenteil überzeugt. Ich habe ihm das Foto gezeigt, das ich von ihr gemacht habe.

– Was war auf dem Foto?

– Die Dalek und der Bachmair, wie sie in den großen Mercedes gestiegen sind. Sie hatte ein Ballkleid an, aufgesteckte Haare, man hat sie kaum erkannt.

– Hat Sie jemand gesehen?

– Das denke ich nicht.

– Wissen Sie, ob Manfred Dalek seine Frau darauf angesprochen hat?

– Natürlich hat er das. Er hat mir alles erzählt. Manfred hat ihr das Foto gezeigt, sie gefragt, was da los ist. Und wissen Sie, was sie gemacht hat, diese undankbare Kuh? Sie hat ihn verlassen. Können Sie sich das vorstellen? Zack und Ende. Sie hat ihn in seinem Elend allein gelassen. Wenn ich mich nicht ein bisschen um ihn kümmern würde, hätte er wahrscheinlich schon längst aufgegeben.

– Er muss außer sich gewesen sein vor Wut, oder?

– Ja, das war er. Aber man muss das verstehen, was hätte er denn tun sollen? Sie hat ihn provoziert, er hatte keine andere Wahl.

– Was hat er getan?

– Er wollte das nicht.

– Was wollte er nicht?

– Er hat sie geschlagen. Er sagte, es sei das einzige Mal gewesen. Aber wundert Sie das? Sie hat auf ihn geschissen, ihn aus der eigenen Wohnung geworfen, da ist ihm halt einfach der Faden gerissen.

– Können Sie sich vorstellen, dass Manfred Dalek etwas mit ihrem Tod zu tun hat?

– Sie fragen mich, ob er sie kaltgemacht hat?

– Könnte doch sein, oder? Vielleicht hat er es nicht verkraftet, dass sie ihn verlassen hat? Betrogene Ehemänner handeln manchmal irrational.

– Dazu wäre Manfred nicht im Stande. Ich kenne ihn.

– Wie ich gehört habe, ist er spielsüchtig. Da kann es schon mal vorkommen, dass man Dinge tut, die man sonst niemals im Leben tun würde. Von Ihnen wusste er, dass viel Geld im Spiel war, vielleicht ist er ja gierig geworden?

– Schwachsinn.

– Rita Dalek hat ihn gedemütigt, er fühlte sich hintergangen. Vielleicht hat er es nicht ertragen, dass sie sich für ein anderes Ende entschieden hat. Eines ohne ihn.

– Aber ihr Leben war doch gut so, wie es war. Sie hatte einen Mann, eine Wohnung, Arbeit. Was hatte Sie denn für einen Grund, sich zu beklagen? Sie hätte sich damit zufriedengeben sollen, dann wäre sie jetzt noch am Leben.

– Glauben Sie das wirklich?

– Ja. Warum denn nicht?

– Sie haben ein Verhältnis mit Manfred Dalek, richtig?

– Ich denke nicht, dass Sie das was angeht.

– Da muss ich Sie leider enttäuschen. Alles, was diesen Mord betrifft, geht mich etwas an.

– Manfred hat nichts damit zu tun.

– Und was macht Sie da so sicher?

– Weil er es nicht war. Und jetzt hören Sie auf, mich zu belästigen. Ich will nicht mehr mit Ihnen reden.

– Aber Sie wollen doch bestimmt noch ein Bier.

– Ich scheiß auf das Bier.

– Ich hätte da aber noch ein paar Fragen.

– Sie sollen mich in Ruhe lassen, habe ich gesagt.

– Ich könnte Sie auch auf einen Schnaps einladen. Oder auf zwei. Vielleicht erzählen Sie mir ja dann die Wahrheit.

– Leck mich, Bulle.