Manfred Dalek (54), Bodenleger

– Was wollen Sie denn noch von mir?

– Wir müssen noch einmal über Ihre Frau reden.

– Ist doch alles gesagt, oder?

– Ich bin hier, weil ich Ihre Unschuld beweisen will. Ich glaube nicht, dass Sie Ihre Frau umgebracht haben.

– Und warum laufen Sie dann herum und erzählen das Gegenteil?

– Ihre neue Freundin hat das wohl falsch verstanden. Ich habe ihr nur ein paar Fragen gestellt. Sie hat da zu viel hineininterpretiert.

– Sie ist nicht meine Freundin.

– Ich hatte da einen anderen Eindruck. Es schien mir, dass Frau Suttner sehr an Ihnen hängt. Als hätte sie Sie immer schon gemocht. Auch schon, als Ihre Frau noch am Leben war.

– Denken Sie doch, was Sie wollen. Das spielt sowieso keine Rolle mehr.

– Wahrscheinlich sind Sie bei ihr untergekommen, nachdem Ihre Frau Sie verlassen hat, ist das richtig?

– Darüber muss ich nicht mit Ihnen reden.

– Ihre Frau hat Sie aus der gemeinsamen Wohnung geworfen, das muss sehr hart für Sie gewesen sein. Nach dreißig Jahren Ehe war das bestimmt ein ordentlicher Schlag.

– Ja, das war es. Aber wissen Sie, was das Schlimmste daran war?

– Sagen Sie es mir.

– Ich habe verstanden, warum sie es getan hat. An Ritas Stelle hätte ich genau dasselbe gemacht.

– Es stimmt also, dass Sie Ihre Frau geschlagen haben?

– Ja. Ich habe Rot gesehen.

– Sie haben es wahrscheinlich nicht ertragen, mitanzusehen, wie unzufrieden sie mit dem Leben war, das sie geführt hat. Ich kann mir vorstellen, wie demütigend es für Sie gewesen sein muss, als Frau Suttner Ihnen das Foto gezeigt hat. Ihre Frau im Abendkleid an der Seite eines anderen.

– Ich habe es nicht verstanden. Und ich war wütend, ja.

– Sie hat vorgegeben, Rechtsanwältin zu sein. Sie hat im Supermarkt gearbeitet, und gleichzeitig ist sie bei den Reichen dieser Stadt ein und aus gegangen. Sie haben wirklich nicht das Geringste davon mitbekommen?

– Damit rechnet man doch nicht, oder? Dass die eigene Frau Austern frisst, während man selbst aus dem letzten Loch pfeift.

– Austern?

– Nachdem mich Rita auf die Straße gesetzt hat, bin ich neugierig geworden. Ich wollte wissen, ob sie Besuch bekommt, was sie so macht.

– Sie haben ihr nachspioniert?

– Ich habe sie vermisst. Ich bin vor dem Haus im Wagen gesessen und habe auf sie gewartet. Ich wollte sie einfach nur sehen.

– Und?

– Ich bin ihr hinterhergefahren. Ich habe sie durch die Stadt verfolgt, bis zu dem Restaurant, in dem sie diese Austern geschlürft hat. In fünfundfünfzig Jahren habe ich so etwas nicht gegessen. Mein ganzes beschissenes Leben lang nicht.

– Mit wem war sie dort?

– Keine Ahnung, ich kenne diese Leute nicht. Das ist nicht meine Liga, verstehen Sie? Im Gegensatz zu Rita habe ich das immer gewusst.

– Erzählen Sie mir alles, woran Sie sich erinnern. Wie haben die Leute ausgesehen? Waren es Männer? Frauen? Sind sie ebenfalls mit dem Auto gekommen? Welche Marke? Alles, was Ihnen einfällt, kann mir weiterhelfen.

– Rita hat ihr Auto im Parkhaus abgestellt. Ich habe draußen auf der Straße gewartet. Ich wollte schon losfahren, weil ich mich schäbig gefühlt habe. Aber dann kam sie heraus. Es war völlig verrückt.

– Was war verrückt?

– Obwohl sie im Jogginganzug das Haus verlassen hatte, sah sie plötzlich aus wie eine Königin.

– Sie hat sich umgezogen?

– Ich weiß nicht, woher sie dieses Kleid hatte, aber sie war wunderschön.

– Haben Sie sie angesprochen?

– Nein. Ich bin ihr nach und habe sie eine Zeit lang nur durch das große Fenster beobachtet. Rita und noch zwei andere. Ein Mann und eine Frau, ebenso schick angezogen. Sie waren schon da, haben auf Rita gewartet. Küsschen links, Küsschen rechts. Sie haben sich unterhalten, Wein bestellt, sie haben gelacht und Austern geschlürft. Meine Rita. Unerträglich war das.

– Haben Sie gewartet, bis sie wieder herausgekommen ist?

– Ich habe Schnaps getrunken, viel Schnaps. Während sie einen Gang nach dem anderen gegessen haben. Ich konnte es nicht glauben, dass sie mir das antut. Irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin hineingegangen. Ich bin zu dem Tisch und habe gesagt, dass sie mit mir kommen soll. Aber sie hat so getan, als würde sie mich nicht kennen. Ich weiß nicht, wer das ist, hat sie zu den anderen gesagt. Können Sie sich das vorstellen? Sie haben mich angestarrt, waren angewidert von mir, haben den Kopf geschüttelt. Auch Rita. Sie hat so getan, als hätte sie mich noch nie in ihrem Leben gesehen.

– Und wie haben Sie reagiert?

– Ich habe gekotzt.

– Sie haben was?

– Direkt vor Rita auf den Boden gekotzt. Mir war schlecht, ich konnte es nicht mehr zurückhalten. Außerdem war ich wütend. So etwas macht man doch nicht, oder? Seinen Mann verleugnen.

– War bestimmt eine Riesensauerei.

– War mir egal. Die beschissenen Kellner in ihren beschissenen Anzügen haben mich gepackt und aus dem Lokal geworfen.

– Und Ihre Frau?

– Habe ich danach nicht mehr wiedergesehen.

– Sie haben sie nicht zur Rede gestellt? Sie haben sich einfach damit abgefunden, dass sie Ihnen das angetan hat?

– Ja.

– Auch damit, dass sie ein Verhältnis hatte?

– Davon will ich nichts wissen.

– Wirklich nicht? Muss Sie doch brennend interessieren, gegen wen Sie Ihre Frau eingetauscht hat. Kann doch nicht sein, dass Ihnen das egal ist.

– Es ändert ohnehin nichts, oder? Rita ist tot. Völlig egal, mit wem sie mich betrogen hat.

– Sie war mit einem Staatsanwalt zusammen. Ein hohes Tier. Ziemlich sicher war er der Mann, mit dem Ihre Frau im Restaurant saß.

– Lassen Sie es gut sein.

– Aber Sie müssen doch neugierig sein, wie das alles passieren konnte. Warum das möglich war. Wer für das alles verantwortlich ist.

– Nein, ich bin nicht neugierig.

– So wie es aussieht, hatte Ihre Frau mit der Albanermafia zu tun.

– Ja, genau. Und wahrscheinlich hat sie auch mit dem Papst gevögelt.

– Ob Sie es glauben oder nicht, Ihre Frau hat sich tatsächlich auf allen Linien mit den falschen Leuten eingelassen.

– Hören Sie auf damit.

– Aber warum denn?

– Weil ich nicht möchte, dass Sie herumlaufen und Lügengeschichten über meine Frau verbreiten.

– Wollen Sie nicht wissen, wer Ihre Frau umgebracht hat?

– Nein. Das will ich nicht. Und jetzt gehen Sie.