17. KAPITEL
In Hugo Hamlins Nachbarschaft kehrte Frieden ein. Wie sich auf dem gemeinsamen alljährlichen Mittsommerfest in Hugos Garten zeigte. Es gab Hering, Schnäpse und Tanz um den Maibaum. Gegen Abend wurden die kleineren Kinder ins Bett gesteckt und die größeren per iPad ruhig gehalten. Die Männer standen hinter dem Grill und tranken Rotwein, die Frauen nippten am Weißen und feuerten sie an. Manchmal ging es in Schweden recht vorhersehbar zu.
Während die Schnitzel und Maiskolben Farbe bekamen, unterhielt man sich auch über den verstorbenen Nachbarn. Die Gäste stimmten in Bezug auf alle Macken des seligen Broman so einhellig überein, dass Hugo die Geschichte mit der Mülltonne und all seinen kindischen Rachegelüsten zum Besten gab.
»So gesehen ein Glück, dass er gestorben ist. Sonst würde ich wohl heute noch am Küchentisch sitzen und vor mich hin grummeln.«
Das sorgte für allgemeine Erheiterung und löste eine für Hugo überraschend lebhafte Diskussion aus.
Die neuen Nachbarn, Alicia und André, hatten zwar Broman nie kennengelernt, doch der Volkswagenhändler André machte gleich mehrere Vorschläge, was man in den Tank von Bromans Auto hätte füllen können, um ihm das Leben so richtig schwer zu machen. Alicia arbeitete in der Psychiatrie und erzählte, welche Medikamente man Broman pulverisiert in den Kaffee hätte mischen können und mit welchen Auswirkungen. Ein paar davon waren ziemlich lustig.
Hugos großer Bruder Malte und seine Karolin, die eigentlich in einer Seitenstraße etwas weiter weg wohnten, waren auch eingeladen. Das Ärztepaar konnte sich gerade noch zurückhalten, Alicia vor den Dosierungen zu warnen.
Der restliche Abend ging in diesem Geist weiter. Der Buchhändler Runesson griff zu literarischen Bezügen. Er fing mit dem Grafen von Monte Christo an, um danach zu Hamlet überzuleiten: Rache und Gegenrache, bis am Ende ein halbes Königshaus draufging.
Daraufhin wandte sich jemand an Gunilla Levander aus der Nummer acht, die Gemeindepfarrerin.
»Was meint die Bibel zum Thema Rache? Hätten wir Gottes Segen gehabt, wenn wir Broman wenigstens etwas Rohypnol in den Kaffee gerührt hätten?«
In nüchterner Verfassung war Gunilla Levander forsch, fröhlich und unkompliziert, aber nach Wein, Bier, Hering und Schnaps lief sie zu ganz neuer Form auf. Sie führte aus, einiges würde darauf hindeuten, dass Jesus Nein zu Rohypnol und all dem anderen gesagt hätte, doch diese Theorie stütze sich vor allem auf das Zeugnis des Matthäus, man solle die andere Wange hinhalten, wenn man eine Ohrfeige auf die rechte bekomme. Das mit der rechten
war ihr besonders wichtig. Das ließ sich nämlich auch so deuten, dass man nur Linkshändern verzeihen sollte, und die waren ja rar gesät. Denn man konnte jemandem wohl kaum mit der Rechten eine Klatsche auf die rechte Wange verpassen.
»Ich
bin Linkshänder«, sagte Buchhändler Runesson und erhob sein Weinglas.
»Matthäus hab ich noch nie gemocht«, sagte Gunilla Levander. »Und das Alte Testament ist bezüglich Broman ganz auf unserer Seite. Auge um Auge und Zahn und Zahn und all so was.«
»Nicht Auge um Auge!«, rief der Ophthalmologe.
In geradezu religiösem Eifer setzte nun ein Wettstreit der Ideen ein. Dem Sieger winkte ein Nachtimbiss um zwei Uhr (Würstchen mit Brot und Bier). Am Ende bedauerten alle, dass Broman nicht mehr unter den Lebenden weilte.