De Laurent betrat gemeinsam mit Buteo das Haus, und die Vordertür fiel mit einem dumpfen Knall ins Schloss. Adam kroch auf die Spitze des Dachs zurück und blickte durch das Fenster. Aus der Vogelperspektive konnte er erkennen, wie De Laurent Buteo einen großen Sessel anbot, der in der Nähe des Kamins stand. Den Glatzkopf konnte Adam jetzt nicht mehr sehen, aber er war sich sicher, dass er seinen Chef nicht aus den Augen ließ. Buteo setzte sich, und De Laurent ging zu einem Wandschrank hinüber. Er öffnete ihn und nahm zwei Whiskeygläser und eine Karaffe heraus. Aus dieser goss er Whiskey in die Gläser und gab eines davon Buteo, der einen Schluck nahm und dann anerkennend lächelte. Adam hatte zwar von hier oben eine gute Sicht, doch sein Versteck hatte einen entscheidenden Nachteil. Das Dachfenster besaß eine Doppelglasscheibe, die vollkommen schalldicht war. Adam konnte kein Wort von dem verstehen, was die beiden besprachen. Er musste das Gespräch einfach mithören, sonst war die ganze Verfolgungsaktion umsonst gewesen. Vorsichtig kroch er das schräge Dach hinunter. Als er etwa auf halber Höhe war, fiel ihm der Balkon auf, der an einer Seite des Hauses angebracht war. Dieser musste direkt ins Obergeschoss der Berghütte führen. Adam robbte auf die Seite des Dachs zu, ließ sich auf die Brüstung herab und stieg dann auf den Balkon. Hinter der Glastür, die ins Haus führte, konnte er ein Schlafzimmer erkennen, das in völliger Dunkelheit lag. Adam zog an dem silbernen Türknopf. Er hatte Glück, denn die Balkontür war unverschlossen. Er betrat das Schlafzimmer und zog die Tür hinter sich zu. Das Zimmer war, wie der Rest des Hauses, mit hellem Holz vertäfelt, und auf dem Boden lagen plüschige Bettvorleger. Das riesige Bett war fein säuberlich gemacht und schien unbenutzt. Adam ging zu der Tür, die auf den Gang führte. Er lauschte gebannt. Aus dem Untergeschoss drangen die Stimmen von De Laurent und Buteo zu ihm herauf, doch er konnte immer noch nicht verstehen, was sie sagten. Er legte seine Hand auf die Türklinke und drückte sie langsam herunter. Als sich der Schließmechanismus geöffnet hatte, zog er die Tür leise auf und warf einen Blick auf den Gang. Es war niemand zu sehen. Der Flur wurde von edlen LED-Lampen erleuchtet, die in die Decke eingelassen worden waren. Der Fußboden bestand aus Holz, und an den Wänden hingen Ölgemälde, die Adam als echt einschätzte. Dieses Haus und seine Einrichtung sind sicher ein hübsches Sümmchen wert, dachte er.
Adam schlich den Gang entlang und gelangte an eine Glasbalustrade. Von dieser konnte Adam das Wohnzimmer überblicken, das unter ihm lag. Er beschloss jedoch, davon Abstand zu halten, schließlich konnte er jetzt beide Stimmen belauschen, ohne zu riskieren, dass jemand ihn hier oben entdeckte. Buteo und De Laurent unterhielten sich auf Französisch, doch Adam hatte keine Mühe, der Konversation zu folgen.
»Schade, dass Sie nicht bei Tag gekommen sind, mein Freund«, sagte De Laurent. »Die Aussicht ist wirklich spektakulär.«
Buteo schien wenig beeindruckt zu sein. »Ich bin nicht hergekommen, um über die Schönheit der Schweizer Natur zu sprechen, sondern übers Geschäft«, antwortete er schroff.
»Natürlich«, sagte De Laurent.
»Hervé?«
Jetzt wagte Adam doch einen Blick von der Balustrade herab. Buteo hatte seinen Fahrer gerufen, der ihm nun einen Aktenkoffer aushändigte. Buteo öffnete ihn und nahm ein Dokument heraus, das er De Laurent übergab. De Laurent feuchtete eine Fingerspitze an und durchblätterte die Papiere, die von einer Heftklammer zusammengehalten wurden.
»Das ist eine Aufstellung der Ware«, sagte Buteo. »Können Sie das bewerkstelligen?«
De Laurent verzog keine Miene. »Das dürfte kein Problem sein«, sagte er. »Wir haben genug Kapazitäten.«
Adam versuchte einen Blick auf das Dokument zu erhaschen, das De Laurent gerade las, doch er konnte die klein gedruckten Zeilen von hier oben nicht entziffern. Was war es, wovon die beiden sprachen?
»Ich muss Ihnen sagen, meine Klienten sind nervös«, sagte Buteo. »Eine Lieferung dieser Größenordnung hat bis jetzt noch niemand erfolgreich durchgeführt. Wenn da etwas schiefgeht, drohen ernste Konsequenzen.«
De Laurent ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Monsieur Buteo, ich garantiere Ihnen, dass wir eine vollkommen sichere Methode haben, um das Gut an seinen Zielort zu bringen.«
»Nichts im Leben ist vollkommen sicher«, antwortete Buteo.
»Natürlich, doch meine Organisation trägt das gesamte Risiko.« De Laurent lächelte und nahm einen Schluck aus seinem Whiskeyglas.
»Ich bin natürlich neugierig, wie Sie die Ware transportieren wollen«, sagte Buteo.
»Ich glaube, es ist für alle Parteien besser, wenn wir diese Information vorerst nicht preisgeben. Je kleiner der Kreis der Eingeweihten, desto kleiner das Risiko, dass jemand unseren Plan ausplaudert. Ob freiwillig oder unfreiwillig.«
Buteo nippte an seinem Glas. »Ich glaube nicht, dass meine Klienten damit zufrieden sein werden.«
De Laurent lächelte. »Wissen Sie, ich habe eine Idee. Warum kommen Sie nicht alle zu meiner Silvesterfeier? Wir heißen das neue Jahr auf unserem Landsitz in der Nähe von Chamonix willkommen. Das ist Tradition im Hause De Laurent. Sie bringen Ihre Klienten mit, wir laden den Empfänger ein und räumen alle Ihre Sorgen aus der Welt.«
Buteo dachte einen Moment nach. »Ich werde mit ihnen sprechen«, sagte er.
»Haben Sie keine Sorge. Wir werden die Lieferung ohne Schwierigkeiten abwickeln. Wir kassieren von den Endkunden und leiten das Geld sofort an die eigens angelegten Bankkonten, hier in der Schweiz. Minus dreißig Prozent, natürlich.«
Buteo stellte sein Glas auf einem Beistelltisch ab. »Dreißig Prozent? Sie träumen, mein Freund. Von so einer hohen Kommission war nie die Rede.«
»Tut mir leid«, antwortete De Laurent. »Das ist der Preis, den man für eine absolute Liefergarantie zahlt. Vergessen Sie bitte nicht, dass wir die Ware selbst bezahlen, wenn die Ladung aus irgendeinem Grund nicht ankommt.«
Buteo kniff die Augen etwas zusammen und musterte sein Gegenüber gründlich. »Ich muss das alles mit meinen Klienten besprechen«, sagte er schließlich und stand auf. Das Gespräch war beendet. Adam drehte sich um und wollte gerade wieder in den Flur zurückhuschen, als er aus der Tür am Ende des Korridors ein Geräusch vernahm. Es war das Rauschen einer Toilettenspülung. Die Tür öffnete sich. So schnell er konnte, rannte Adam zu dem Schlafzimmer zurück, durch das er in die Hütte eingedrungen war. Doch er war nicht schnell genug. Als er in das Schlafzimmer taumelte, hörte er hinter sich eine Stimme. »Halt! Wer ist da?«
Es musste einer von De Laurents Bodyguards sein, der das Badezimmer im oberen Stockwerk benutzt hatte. Wenn dieser ihn zu fassen kriegte, war es aus. Adam zog die Balkontür auf und kletterte auf die Brüstung, gerade als der Sicherheitsmann das Zimmer betrat. Mit einem Satz sprang Adam auf das Dach der Hütte und zog sich hoch. Er hörte den Mann, der unter ihm auf den Balkon trat. In seiner Eile glitt Adam auf dem Dach aus, fiel der Länge nach hin und rutschte wie auf einem Schlitten mit den Füßen voraus das schräge Dach herunter. Beinahe endete seine Flucht in dem beheizten Pool, doch Adam kollidierte hart mit den Stangen der Einstiegsleiter, die in das beheizte Wasser führte. Er hielt sich den Kopf und blickte sich um. Der Schneesturm hatte an Intensität verloren, und die Sichtweite hatte sich normalisiert. Von der Vordertür hallten Stimmen durch die Nacht. Adam hatte nur Sekunden, ehe die Bodyguards ihn hier finden würden. Doch wie sollte er ihnen entkommen? Hinter dem Haus lag der Berghang, und wenn er da hinaufkletterte, war er ein sicheres Ziel für die herannahenden Wachen. Er entdeckte die Skier, die an einer Halterung an der Außenwand hingen. Sofort stand er auf und lief zur Wand hinüber. Verdammt! Ohne Skischuhe waren sie völlig nutzlos. Er hörte die Schritte der Bodyguards. In wenigen Sekunden würden sie hier sein.
Adams Blick fiel auf die Kajaks, die neben den Skiern hingen. Sollte er wirklich? Keine Zeit zum Überlegen! Er hob eines der Kajaks aus der Verankerung, schnappte sich ein Paddel und setzte es so auf den Schnee, dass es langsam begann, den Berghang hinabzugleiten, der neben dem Haus in die Tiefe führte. Er schob es an, kletterte ungeschickt in die Sitzöffnung und ergriff das Paddel mit beiden Händen. Die friedvolle Nachtruhe wurde vom Feuer einer Pistole zerrissen. Links und rechts neben ihm peitschten die Kugeln in den Schnee. Adam gewann an Fahrt. Der Hang war hier sehr steil, und das Kajak verwandelte sich im Nu in ein Geschoss, das mit atemberaubender Geschwindigkeit ins Tal flog. Adam hatte alle Mühe, es mit dem Paddel so zu lenken, dass er nicht gegen ein Hindernis prallte. Aus der Dunkelheit flogen ihm schneebedeckte Äste und Sträucher entgegen. Plötzlich erschien direkt vor dem Kajak der Stamm einer riesigen Tanne. Adam grub das Paddel zu seiner Rechten in den Schnee, und das Kajak beschrieb im letzten Moment eine Kurve um den Baumstamm herum. Ein Ast der Tanne verpasste ihm eine schmerzhafte Ohrfeige. Er spuckte eiskalte Tannennadeln aus und wischte sich den Schnee aus den Augen. Das Kajak fuhr über eine im Schnee verborgene Wurzel, hob vom Boden ab und flog direkt auf den dicken Ast einer weiteren Tanne zu. Adam lehnte sich, soweit er konnte, nach hinten, um nicht von dem Ast aus seinem Gefährt geschleudert zu werden. Er hatte zwar Glück, und das Kajak flog nur durch dünne Zweige, doch es setzte so unsanft auf dem Schneeboden auf, dass es Adam einen Schlag versetzte, als hätte jemand ihm mit voller Wucht in den Hintern getreten. Adam verzog das Gesicht vor Schmerz. Die wilde Fahrt ging weiter. Er sah sich um. Glücklicherweise hatte er die Bäume hinter sich gelassen, doch schon tauchte eine neue Bedrohung aus der Dunkelheit auf. Neben ihm verlief die Bergstraße, die zur Hütte hinaufführte. Und auf dieser Straße bretterte jetzt der weiße Geländewagen, in dem Buteo vor der Hütte vorgefahren war, mit voller Geschwindigkeit entlang. Adam sah, wie das Rückfenster aufging und ein Mann den Kopf heraussteckte. Er hielt eine Pistole. Er legte an und begann auf Adam zu schießen.
Adam duckte sich. Zwei Kugeln schlugen vor ihm auf der Piste ein, doch eine dritte schlug ein kreisrundes Loch in die Oberfläche des Kajaks. Wer auch immer dieser Mann war, er war ein ausgezeichneter Schütze.
Adam lenkte nach links, von der Straße weg, doch diese beschrieb ausgerechnet an dieser Stelle auch eine Linkskurve, sodass der Geländewagen immer näher kam. Der Mann im Rückfenster zielte erneut, und als er den Abzug drückte, spürte Adam den Luftzug der Kugel, die nur Millimeter an seiner Stirn vorbeisauste. Die nächste Kugel würde bestimmt ihr Ziel finden. Adam musste etwas tun. Immer noch sauste er mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit ins Tal. Sein Kreislauf war so sehr mit Adrenalin geflutet, dass er jeden einzelnen Herzschlag wie einen Dampfhammer spürte.
Dann entdeckte er etwas. An der ihm zugewandten Straßenseite hatte ein Pflug einen Haufen Schnee aufgeschichtet. Wenn er darauf zuhielt …
Er lenkte mit dem Paddel hart nach rechts und wich dabei unwillkürlich einer Kugel aus, die ihn mitten zwischen den Augen getroffen hätte. Das Kajak hielt auf den Schneehaufen zu, der eine natürliche Rampe bildete. Hier war so viel Schnee gefallen, dass der Schneepflug links und rechts neben der Fahrbahn ganze Wände aus Schnee aufgeschichtet hatte. Das Kajak erreichte die Rampe. Adam spürte, wie es kurz bergauf ging und das Kajak dann den Kontakt zum Boden verlor. Er hob ab und flog in hohem Bogen über die Straße. Im selben Moment passierte der Wagen seiner Verfolger die Stelle. Der Mann, der auf ihn geschossen hatte, blickte nach oben und sah, wie Adams Kajak über das Dach des Wagens auf die andere Straßenseite segelte. Er hob seine Pistole und schoss ein, zwei Mal. Adam hatte mehr Glück als Verstand, dass die Patronen lediglich das Kajak durchlöcherten und seine Beine verfehlten. Der Flug dauerte nur Sekunden, doch Adam kam es vor, als schwebe er in Zeitlupe über dem Auto. Auf der anderen Straßenseite lief der Hang noch steiler bergab. Adams Kajak setzte mit voller Wucht auf, was ihm alle Atemluft aus der Lunge presste, und rutschte weiter durch den Schnee. Adam drehte sich zu dem Wagen um, doch die Straße hatte sich in die entgegengesetzte Richtung gebogen, und das Auto war von der Dunkelheit verschluckt worden. Er atmete auf. Diese Gefahr war vorübergehend gebannt. Als er wieder nach vorn blickte, erlitt er jedoch einen neuen Schock. Der Boden brach unter ihm weg. Das Kajak fuhr über eine Klippe und stürzte auf eine weiße Ebene zu, die sich meterweit unter ihm erstreckte. Den Aufprall würde er auf keinen Fall heil überleben. Er konnte nur noch das Paddel fallen lassen und die Hände schützend vors Gesicht schlagen.
Das Kajak traf auf der Schneefläche auf. Doch anstatt eines halsbrecherischen Aufpralls krachte das Kajak durch eine Eisdecke. Er war in einem zugefrorenen See gelandet. Adam blieben nur Augenblicke, sich darüber zu freuen, dass er noch am Leben war, denn sofort spürte er das eiskalte Wasser, das durch die Kugellöcher ins Kajak eindrang. Mühsam schälte er sich aus seinem Gefährt und schwamm zum Rand des Lochs, das er in die Eisdecke geschlagen hatte. Das Paddel war neben der Einbruchstelle gelandet. Adam ergriff es und begann, sich damit aus dem Wasser zu ziehen. Noch nie hatte er so eine Kälte verspürt. Sie grub sich wie Rasierklingen in seine Haut und schnürte ihm die Luft ab. Seine Beine waren schwer wie Blei, und er musste all seine Kraft aufbringen, um sie aus dem See zu ziehen.
Das Geräusch eines Motors näherte sich. Adam warf einen Blick über seine Schulter. Der weiße Geländewagen war an dem See angekommen. Die Vorstellung, dass diese Bodyguards ihn jetzt zu fassen bekommen würden, gab ihm neue Kraft, und er rannte, oder schlitterte eher, über das Eis zur anderen Seite des Sees. Am Ufer wuchsen einige Tannen. Adam schleppte sich hinter einen der eingeschneiten Bäume und ließ sich erschöpft fallen. Er drehte sich um und lugte durch ein Loch in den Zweigen, das den Blick auf den See freigab.
Der Wagen kam zum Stehen, und vier Männer stiegen aus. Sie liefen zum Rand der Eisfläche, die den See bedeckte. Glücklicherweise schienen sie ihn nicht gesehen zu haben, denn sie konzentrierten sich ganz auf das Kajak, das halb versunken im kalten Wasser des Sees schwamm. Adam zitterte. Die Kälte hatte sich in ihm festgebissen. Seine Finger und Zehen waren zu Eiszapfen erstarrt, und sein Gesicht brannte, als säße er zu nah an einem Feuer. Die Männer suchten etwas halbherzig das Ufer des Sees ab. Auch ihnen schien es hier draußen zu kalt zu sein.
»Ich glaube, ich habe ihn erwischt«, sagte der Mann, der auf ihn geschossen hatte, auf Französisch. »Aus dem kalten Wasser ist er auf jeden Fall nicht mehr lebend herausgekommen.«
»Sollten wir ihn nicht bergen?«, fragte der Mann, der am Steuer gesessen hatte.
»Kannst du gern machen«, meinte der Schütze. »Ich hoffe, du hast deine Badehose eingepackt.« Die Verfolger lachten, doch der Fahrer blickte missmutig auf das Loch in der Eisdecke.
»Du hast recht. Das überlebt kein Mensch«, sagte er schließlich. »Lasst uns zurückfahren.«
Die Bodyguards stiegen wieder in den Wagen. Das Auto setzte zurück, wendete und verschwand die Bergstraße hinauf. Adam wollte einen Seufzer der Erleichterung von sich geben, doch er zitterte so sehr, dass es ihm nicht gelang. Die Männer, die ihn gejagt hatten, hatten gar nicht so unrecht gehabt. Es war nicht gesagt, dass Adam diese Nacht überleben würde. Er wusste, dass er nur eins tun konnte, um seine Körpertemperatur zu steigern. Er musste sich bewegen. Er ballte die Hände zu Fäusten und sprang auf und ab, als würde er seilspringen. Dann umarmte er sich selbst und lief auf den Weg zu, der zu der Bergstraße führte. Das Wasser des Sees, das sich in seine Kleidung gesogen hatte, war inzwischen gefroren und er fühlte sich wie eine Tiefkühlpizza. Seine Muskeln waren steif und schmerzten bei jeder Bewegung.
Wohin sollte er sich jetzt wenden? Er wusste nicht, wohin die Straße führte, auf der die Männer gefahren waren. Wenn er jetzt ziellos durch die Nacht irrte, würde er wahrscheinlich erfrieren. Es blieb ihm also keine andere Möglichkeit, als zu der Almhütte zurückzukehren, um seinen Schneepflug zu holen. Da die Männer ihn sowieso für tot hielten, würden sie nicht mehr nach ihm Ausschau halten. Er lief los, dicht am Straßenrand entlang. Es war eine mühsame Wanderung. Die Bewegung half zwar ein wenig gegen die Kälte, doch jeder Atemzug brannte trotzdem wie Feuer. Er stapfte weiter bergauf durch den Schnee. Es dauerte eine halbe Stunde, bis der Schneepflug am Straßenrand in der Nähe der Hütte auftauchte, doch Adam kam es wie eine Ewigkeit vor. Er setzte sich auf den kleinen Traktor, ließ den Motor an, machte kehrt und fuhr ins Internat zurück.
Im Innenhof der Eliteschule angekommen, parkte Adam den Traktor an der gleichen Stelle, wo Lohser ihn immer unterbrachte. Dann schleppte er sich ins Internatsgebäude. Er versuchte, so leise wie möglich zu sein, als er die Stufen zum Stockwerk der Jungs erklomm, doch seine Zähne klapperten, und er schlotterte wie ein Schlossgespenst. Er ging schnurstracks in den Duschraum, zog seine tiefgefrorenen Klamotten aus, drehte die Dusche auf volle Hitze und setzte sich unter den heißen Strahl. Das Wasser brannte auf seiner Haut, und die Kälte in seinem Körper schmolz langsam dahin. Als er sich wieder einigermaßen normal fühlte, trocknete er sich ab und ging auf sein Zimmer. Er schlüpfte unter seine Bettdecke und war Sekunden später in einen tiefen Schlaf gefallen.