Kapitel 13
Ava
Noch immer spüre ich sämtliche Muskeln, doch das hat mich nicht davon abgehalten, mir den Wecker heute auf halb sechs zu stellen, um vor den anderen wach zu sein. Ich wollte nicht nur die noch etwas kühlere Morgenluft bei einem kleinen Spaziergang über die Station genießen, sondern auch das Frühstück vorbereiten. Wenigstens einen Tag in der Woche sollen hier alle mal ausschlafen können.
Okay, ein klein wenig plagt mich auch das schlechte Gewissen. Nicht nur, weil ich neidisch auf Moms Glück war, sondern auch, weil ich dem Ganzen hier keine wirkliche Chance gegeben habe. Dafür wollte ich mich eigentlich bei Mom entschuldigen, während wir gemeinsam das Abendessen vorbereiten, doch Cooper und ich sind zu spät nach Hause gekommen.
Es war einfach so ein tolles Gefühl, wieder auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen, und ein noch schöneres, mit Cooper gemeinsam über das Land zu jagen. Wir haben die Zeit so aus den Augen verloren, dass wir uns nicht einmal vor dem Abendessen noch umziehen konnten. Als Entschuldigung habe ich ihr also angeboten, dass sie heute länger liegen bleiben darf. Und sie hat sich sogar an meine Worte gehalten, denn ich stehe allein in der Küche und stelle die verschiedensten Dinge auf den Küchentisch. Dann schnappe ich mir Eier, Mehl und Milch und bereite Pancakes vor. Ich liebe sie zum Frühstück. Doch auf den Ahornsirup kann ich verzichten. Stattdessen etwas Marmelade darüber oder einen Schokoaufstrich und ich bin der glücklichste Mensch auf Erden.
Zwei Arme schlingen sich von hinten um meine Hüften und eine Stimme flüstert mir ins Ohr: »Guten Morgen, Schönheit.«
Ich drehe mich zu Steve um und schlage ihn leicht auf den Oberarm. »Du bist heute gut gelaunt, Cowboy!«
»Cowboy?«, fragend schaut er mich an.
»Nennt man euch nicht so? Die Jungs, die auf einer Station arbeiten?«
Ein dunkles Lachen schallt durch den Raum. »Nein, man nennt uns nicht Cowboys. Wir sind Jackaroos
.« Klingt gleich viel cooler.
Mein Gesicht färbt sich leicht rot, da es mir irgendwie peinlich ist, dass ich Mom nicht vorher gefragt habe, oder zumindest das Internet bemüht habe. Manchmal muss ich mich über mich selbst wundern, denn das verwöhnte kleine Mädchen, das nichts außer sich selbst wahrnimmt und seine Welt für andere voraussetzt, wollte ich nie sein.
»Hey.« Steve stupst meine Nase mit meinem Zeigefinger an. »Das muss dir nicht peinlich sein. Passiert öfter, wenn wir Leute hier haben, die mit Work and Travel bei uns arbeiten wollen.«
»Kaffee?«, versuche ich von meiner Unwissenheit abzulenken und gehe zur Maschine, die friedlich vor sich hin gluckert.
»Sehr gerne. Was machst du eigentlich schon so früh hier unten? Keine Lust auszuschlafen?«
»Nein, ich wollte Mom mal einen freien Morgen gönnen. Schließlich war ich gestern schon den ganzen Tag mit Cooper unterwegs und habe ihr kein bisschen geholfen.«
»War es denn schön?«, fragt Steve mit breitem Grinsen auf dem Gesicht und nimmt mir die Tasse aus der Hand, die ich ihm hinhalte.
»Mir tut alles weh. Aber wahrscheinlich gewöhne ich mich daran, wenn ich wieder öfter auf dem Pferd sitze, um euch zu helfen.«
»Du willst die nächsten Monate also nicht nur hier im Haus verbringen?« Seine Augenbrauen wandern nach oben, während er den ersten Schluck Kaffee nimmt und mich gespannt ansieht.
»Ich habe bestimmt nicht vor, drei Monate auf der faulen Haut zu liegen, wenn Mom und Jack schon so nett sind und mich hier aufnehmen.«
»Kannst du Motorbike fahren?«
»Nein.« Und ich habe auch keine Ahnung, ob ich es können möchte, nach meinem Desaster mit dem Auto.
»Damit kommst du definitiv schneller von einem Ort zum anderen. Und es ist weniger anstrengend. Ich könnte es dir beibringen.«
»Wirklich?«, zweifelnd sehe ich ihn an. Eine Alternative zu haben wäre vielleicht nicht schlecht. Aber ich habe keine Lust, dass sich jemand darüber lustig macht, falls ich es doch lieber abbreche und mich nicht auf ein Motorrad wagen möchte. Steve nickt nur.
»Dann muss es aber bitte unter uns bleiben. Zu niemandem ein Wort. Auch nicht zu Mom, Jack oder Cooper.«
»Wenn du willst. Dann trainieren wir nach dem Abendessen. Ab jetzt verbringe ich meine Abende mit einer schönen Frau. Es könnte mich schlimmer treffen.«
Ich muss lachen, doch dann gehe ich auf ihn zu und schlinge dankbar meine Arme um seine Schulter. Es ist schön, zu sehen, dass es noch Menschen gibt, die einem helfen, ohne dass sie selbst etwas davon haben.
»Gibt es schon zu essen?«, kommt es grummelnd von der Tür und ich lasse abrupt meine Arme von Steves Schultern fallen. Doch er scheint es nicht für nötig zu halten, meine Taille loszulassen, und grinst Cooper breit an.
»Natürlich. Steht doch alles schon da.« Er nickt in Richtung Tisch und zieht mich sogar noch etwas fester in seine Arme. »Vielleicht ist Ava ja auch so nett zu dir und serviert dir einen leckeren Kaffee.«
Leicht boxe ich Steve und endlich nimmt er seine Pfoten von mir. »Nein, aber ich stelle gleich die Kanne auf den Tisch, damit sich jeder bedienen kann.«
Steve folgt Cooper an den Tisch und lässt sich neben ihn fallen. Ich stelle den Kaffee vor Steve ab, auch wenn ich mal wieder nur Augen für meinen zukünftigen Stiefbruder habe.
»Und, Boss, was ist heute noch geplant?«, fragt Steve.
Mürrisch streckt Cooper die Hand nach der Kaffeekanne aus und schenkt sich großzügig ein. »Zäune kontrollieren. Aber vielleicht nehme ich mir besser Jack mit, falls du zu viel zu tun hast.«
»Ach was, Ava kann auf mich warten. Schließlich haben wir heute Abend schon ein Date. Bis dahin wird sie es wohl aushalten.«
»Steve«, warne ich ihn und funkle böse zu ihm herüber, doch mehr als ein verspieltes Zwinkern bekomme ich von ihm nicht. Also verschwinde ich wieder in den Küchenbereich, um noch ein paar Köstlichkeiten vorzubereiten, als meine Mom und Jack den Raum betreten.
»Morgen. Das sieht aber fantastisch aus.« Jack lehnt sich über meine Schulter und sieht in die Pfanne. »Sind das Pancakes? Die habe ich schon lange nicht mehr bekommen. Warum machst du die eigentlich nicht öfter?« Fragend dreht er sich zu meiner Mom um.
»Weil du mir noch nicht gesagt hast, wie gerne du sie magst.« Ohne sie zu sehen, kann ich das Lächeln selbst in ihrer Stimme hören.
»Wann wolltet ihr uns eigentlich sagen, dass wir neben der ganzen Arbeit auch noch eine Hochzeit vorzubereiten haben?«, erklingt da die leicht genervte Stimme von Cooper, der heute offensichtlich schlechte Laune hat.
Ich beiße mir auf die Lippen, da ich nicht weiß, ob ich es überhaupt schon hätte weitersagen sollen, auch wenn er gestern kein bisschen überrascht klang oder sogar enttäuscht darüber.
»Es war eine spontane Idee.« Jack zuckt mit den Schultern und wirft meiner Mom einen verliebten Blick zu, während er ihr eine Strähne aus dem Gesicht hinter ihr Ohr streicht. »Hast du etwas dagegen?«
»Dass ich nicht informiert werde? Ja, dagegen habe ich etwas. Schließlich ist hier ein ganzer Betrieb zu managen, da wäre es schon gut, wenn ich wüsste, dass ich die nächsten Wochen auf dich verzichten muss.«
»Es ist immer noch mein Betrieb«, erwidert Jack scharf.
Cooper fährt sich durch die Haare, die auch so schon in alle Richtungen abstanden. »Eigentlich dachte ich bisher, dass wir Partner sind. Denn so steht es auch in den Papieren.«
Verlegen schaue ich zu meiner Mom und forme mit meinen Lippen ein Sorry
, doch sie schüttelt leicht den Kopf. Erleichtert atme ich auf und wende mich wieder den Pancakes zu, die ich auf einen Teller lege und dann mitten auf den Tisch verfrachte.
Cooper schnauft laut, nimmt sich dann aber einen Pancake und scheint nicht weiter auf das Gespräch eingehen zu wollen. Ich allerdings möchte es nicht so stehen lassen, schließlich ist es ja doch irgendwie meine Schuld, dass sich Vater und Sohn deshalb in die Wolle bekommen.
»Ich könnte ja mithelfen«, biete ich an. »Ihr müsst mir nur sagen, was ich machen soll.«
»Siehst du«, sagt Jack mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht. »Alles kein Problem.« Jack lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, während er einen Pancake in den Mund stopft. »Die sind echt lecker, Ava. Wenn du immer das Frühstück machst, werden wir alle noch einige Pfunde zulegen.«
Cooper stopft still die Pancakes in seinen Mund und sieht aus, als wäre er gerne überall, nur nicht hier. Ich lausche den Gesprächen zwischen Steve und Jack und begrüße jeden neuen Arbeiter, der sich zu uns gesellt. Nur Cooper bleibt während des gesamten Essens still, wirft mir aber immer wieder verstohlene Blicke zu, bei denen ich nicht genau weiß, ob er mich im nächsten Moment ausziehen oder umbringen möchte. Als ich versuche, sie mit einem Lächeln zu erwidern, nimmt er sich seine Tasse, trinkt sie aus, knallt sie auf den Tisch und erhebt sich.
»Ich gehe nach draußen. Pferde füttern.« Und schon ist er weg.
»Was ist denn mit ihm heute los?«, wendet sich meine Mom an uns.
Die Wahrheit ist wohl, dass er die Sache mit dem Date zwischen Steve und mir falsch verstanden hat. »Keine Ahnung.« Statt aufzustehen und ihm hinterherzugehen, um aufzuklären, dass zwischen Steve und mir nichts ist, sitze ich auf meinem Platz und starre auf meinen Teller. Aber wie soll ich ihm erklären, warum ich mich mit Steve treffe – auch wenn es kein Date ist – ohne zu verraten, was wir vorhaben?
Ich würde die anderen gerne überraschen, damit sie mir endlich mehr zutrauen. Und vielleicht könnten Cooper und ich dann mal eine gemeinsame Tour machen. Nur wir zwei, wie gestern auf den Pferden, irgendwohin unterwegs in der Wüste.
Und schon wieder gehen meine Gedanken eigene Wege, die ich nicht zulassen will.